Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich doch keinen mangelhaften Sachverstand vorwerfen. Zeigen Sie Größe. Tragen Sie nicht zu einer noch stärkeren Verschlimmbesserung bei.

(Beifall bei der SPD)

Lehnen Sie deshalb bitte den Gesetzentwurf der Staatsregierung ab, und veranlassen Sie, dass er in eine praxistaugliche Fassung umgewandelt wird. Die Textvorlage böte Ihnen unser Gesetzentwurf. Sie bräuchten ihn nur abzuschreiben.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Bevor ich Herrn Kollegen Stöttner das Wort erteile, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Bause, Daxenberger, Gote und anderer und Fraktion zur Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten im Bayerischen Beamtenrecht und im Bayerischen Abgeordnetenrecht, Drucksache 16/2193, bekannt. - Das war Tagesordnungspunkt 10. Mit Ja haben 20 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 90 gestimmt. Es gab 55 Stimmenthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Herr Kollege Stöttner, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute haben wir den 16. Dezember. Er liegt noch vor dem 28. Dezember, Herr Kollege. Es ist noch nicht zu spät. Zu diesem Gesetzentwurf wären eigentlich nicht 15 Minuten Redezeit notwendig. Tatsache ist, dass wir als CSU-Fraktion und FDP-Fraktion in einer gezielten Diskussion mit den Betroffenen mit dem Einheitlichen Ansprechpartner eine vernünftige Lösung gefunden haben.

(Zuruf von der SPD: Nein! - Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

Der Ministerrat hat in Abwägung aller Anmerkungen der betroffenen Gremien diesen Gesetzentwurf beschlossen. Er sieht vor, dass die Kammern gewerblichen und freien Berufen als Einheitliche Ansprechpartner dienen sollen. Herr Perlak, ich frage Sie: Glauben Sie, dass in der Praxis eine kreisfreie Stadt, der Landkreis und die Kammern nicht miteinander arbeiten? Diese drei ziehen gemeinsam am gleichen Strang.

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Es kommt darauf an, in welche Richtung sie ziehen!)

Die jeweiligen Wirtschaftsförderungsabteilungen sprechen sich ja ab. Herr Perlak, die SPD-Fraktion und die GRÜNEN stellen dar, dass diese Gremien, die sich da absprechen, nicht ein gemeinsames Interesse haben, für die Region eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu betreiben.

(Reinhold Perlak (SPD): Davon gehen wir aus!)

Dass sie die Mischfunktion als eine generelle Möglichkeit der Absprache der Kommunen, der Kammern, der kreisfreien Städte und Landkreise ablehnen, ist ein Zei

chen dafür, dass draußen in der Praxis die Kammern zusammen mit den jeweiligen Kommunen vor Ort entscheiden können. Ich bedaure, dass die Opposition zu diesem Thema eine zu starre Haltung einnimmt

(Lachen bei der SPD)

und nicht erkennt, dass in der Praxis die IHK und Kammern gute Arbeit leisten.

Die Auffangzuständigkeit für Verfahren und Anfragen, die weder einem dieser verkammerten Berufe noch einer operativen Kommune zugeordnet werden können, liegt bei unseren IHKs. Die IHKs nehmen diese Aufgabe ausgezeichnet wahr. Das ist natürlich nicht kostenlos. Herr Perlak, ich verstehe Sie nicht. Viele Kommunen jammern ja: Warum sollen wir wieder Aufgaben übernehmen, die uns belasten? Herr Kollege Wengert nickt und meint damit, dass es für die eine oder andere Kommune eine Belastung darstellt, wieder eine neue Aufgabe übernehmen zu müssen, für die aufgrund der gewachsenen Struktur der Wirtschaft die Kammer zuständig wäre. Ich gebe Herrn Kollegen Dr. Kirschner recht, der bei der Ersten Lesung ganz deutlich gesagt hat: Die Wirtschaft geht zur Kammer; die Wirtschaft geht zu den berufsständischen Vertretungen. Er hat völlig recht. Deshalb ist die Entscheidung richtig, dass wir uns die Kammern als Ansprechpartner ausgesucht haben.

Liebe Kollegen, das Gesetz sieht eine zweijährige Erprobungszeit vor, in der die ausländischen Dienstleister feststellen, ob die Leistung dort richtig angesiedelt ist. Besser geht es nicht. Wir haben eine zweijährige Erprobungszeit, dann können wir uns in zwei Jahren wieder darüber unterhalten, ob diese Entscheidung praxistauglich ist. Die Dienstleistungsrichtlinie überlässt es uns Mitgliedstaaten, wie viel Einrichtungen wir uns in dieser Angelegenheit selbst zutrauen. Ein wichtiges Anliegen der CSU-Fraktion war auf jeden Fall, die Kammern und die Wirtschaft, die von der Sache etwas verstehen, einzubinden. Der Gesetzentwurf stellt aus Sicht der Wirtschaft und der örtlichen Politik, mit der er abgesprochen ist, eine kompetente, ortsnahe Lösung dar, da den Kammern die Sachkunde nicht abzusprechen ist.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Wen haben Sie denn da aus der Wirtschaft gefragt?)

- Herr Kollege Wengert, wenn man heute mit den Wirtschaftsreferenten und den Bürgermeistern vor Ort spricht, dann sehen diese die Lösung in der Kombination derer, die es vor Ort machen. Das ist die ideale Lösung. Vielleicht ist es in Augsburg anders. Wenn es die richtige Entscheidung gewesen wäre, wären Sie vielleicht noch Bürgermeister.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Haben Sie das neulich über die CSU-Referenten in Augsburg gelesen? Kein Grund, stolz zu sein!)

Ein Sachkundenachweis der Kammern im Zusammenspiel mit den Kommunen bei den Beratungen und Unterstützungen ist daher die beste Grundlage, um die vorhandene Infrastruktur und die bewährten Verwaltungsstrukturen der Einrichtungen zu nutzen. Ich schlage daher dem Plenum vor, den Gesetzentwurf der Staatsregierung so anzunehmen, wie wir es vorschlagen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als nächster Redner folgt nun Herr Kollege Muthmann für die Fraktion der Freien Wähler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen Beifallssturm aus den Reihen der Regierungsfraktionen haben wir so ähnlich auch schon im Wirtschaftsausschuss erlebt.

(Zuruf)

- Zur Mittagszeit sind die Kollegen besonders begeistert, jawohl. - Denn im Wirtschaftsausschuss sah sich der Vorsitzende zu der Bemerkung veranlasst - gerichtet an die Regierungsfraktionen -, bei diesem Regierungsentwurf könnte schon ein bisschen mehr Begeisterung aufkommen. Und ihm wurde aus der Reihe seiner eigenen Leute entgegnet: "Begeistert müssen wir ja nicht sein, wir müssen nur zustimmen."

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Selbst das ist falsch. Sie brauchen bei diesem Regierungsentwurf nicht einmal zuzustimmen. Wir würden das verstehen. Wir haben eine Alternative vorgelegt, die sehr viel besser und klarer ist.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

- Herr Sinner, auch dazu kann ich Ihnen eine Geschichte aus dem Wirtschaftsausschuss erzählen, auch da habe ich schon gesagt. Unser Gesetz ist einfach und verständlich. Und was sagt unser Vorsitzender? - "Einfach kann ja jeder. Unser Gesetz ist halt kompliziert." Das stimmt. Aber allein deshalb, weil es kompliziert ist, ist es noch lange nicht richtig. Ein paar grundsätzliche Bemerkungen dazu sollten auch gemacht werden.

Herr Kollege Stöttner, zum Thema "Finanzielle Belastung der Kommunen": Das betrifft eine Staatsaufgabe. In der Bayerischen Verfassung steht, dass es dann,

wenn wir Staatsaufgaben an Kommunen übertragen, auch verfassungsrechtliche Verpflichtung ist, den Aufwand in den Kommunen durch den Staat entsprechend zu ersetzen. Ich gehe davon aus, dass Sie an dieser Stelle eine solche Aufgabenübertragung verfassungskonform vorhätten. Also zu fordern, diese Aufgabe den Kommunen zu übertragen, ginge nicht, weil das die Kommunen zusätzlich finanziell belasten würde. Das wäre falsch und thematisch und inhaltlich an der Verfassung völlig vorbei.

Lassen Sie mich auch zum Verfahren noch ein paar Sätze ergänzen: Wir haben heute den Gesetzentwurf zur Änderung des Ingenieurgesetzes angekündigt bekommen. Grundlage dieses Gesetzes ist ebenfalls die Richtlinie 123 aus 2006. Das ist die gleiche Richtlinie, auf deren Grundlage wir heute diese Umsetzungsarbeit und Umsetzungsdiskussion vorzunehmen haben. Da stellt sich schon die Frage, wie diese Umsetzungsverpflichtungen im Vorfeld vorbereitet werden. Sie haben darauf hingewiesen, dass der 16. Dezember nicht der 28. Dezember sei. Aber dieser Termin ist natürlich reichlich spät. Bei diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Ingenieurgesetzes, das letztlich auch noch Ausfluss und Gegenstand der Problematik Einheitlicher Ansprechpartner ist, schaffen wir es jetzt gar nicht mehr. Da ist also ein Inkrafttreten erst für Ende März oder für April 2010 vorgesehen.

Ich unterstelle bei dieser sukzessiven Vorstellung der Umsetzungsarbeit keine Absicht. Wenn es aber keine Absicht ist, muss man sich natürlich schon fragen, woran es denn liegen mag, dass diese Umsetzungsbemühungen so stückchenweise, so unvollständig und zeitlich unangemessen erfolgen.

Der Einheitliche Ansprechpartner kommt spät, aber das ist nicht das größte Problem.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Spät und schlecht! - Zuruf des Abgeordneten Sepp Daxenberger (GRÜNE))

- Er kommt spät. Aber ich sagte, das ist noch nicht das größte Problem. Das wäre noch nachzusehen, wenn der Entwurf inhaltlich gut gewesen wäre. Das Problem ist, dass der Entwurf inhaltlich falsch ist.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Zum Thema "Einheitliche Ansprechpartner": Was verstehen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, unter "Einheit"? Regierungseinheit mag da vielleicht eine Assoziation sein. Dann kann jedenfalls das, was wir hier zum Thema "Einheitlicher Ansprechpartner" vorliegen haben, mit dem gesunden Menschenverstand erfasst, auch von der Zielsetzung der Richtlinie her auf diese Art und Weise nicht ernsthaft

angeboten werden. Ich will dazu nur noch Folgendes in Erinnerung bringen: Herr Dr. Kirschner sagt, ein Groß teil der Dienstleister, die zu uns kämen, wüssten ohnehin, sich in dem Zuständigkeitsdschungel zurechtzufinden. Das ist in Ordnung. Jeder, der weiß, welche Behörde, welche Anlaufstelle und welche Kammer für ihn die richtige ist und seine Probleme löst, kann seine bisherige Praxis mit diesem oder ohne dieses Gesetz beibehalten. Jeder, der ohnehin weiß, wo die Zuständigkeiten liegen, wird das auch künftig auf direktem Wege tun. Aber wir schaffen jetzt ein Gesetz, das für diejenigen, die unsicher sind und da keine Orientierung haben, eine erste und sichere Anlaufstelle sein soll, um sich in diesem Wust an Zuständigkeiten zurechtzufinden. Die Zuständigkeiten jetzt wieder auf eine Vielzahl an Kammern und ergänzend potenziell auf eine Vielzahl von Kommunen zu verteilen, mag möglich sein. Es ist aber keine klare, sondern eine bürokratisch aufwendige Regelung. Dann wäre vor allem kein Einheitlicher Ansprechpartner vorhanden, den wir hier den hilfesuchenden ausländischen Dienstleistern anbieten wollen.

Der damalige Ministerpräsident Dr. Stoiber hat seiner zeit bei der Verwaltungsreform den richtigen Satz gesagt - ich wiederhole mich -: "Moderne Verwaltung muss vom Bürger aus gedacht und für den Bürger organisiert werden." Das ist damals richtig angekündigt, aber falsch umgesetzt worden. Die gleiche Kritik müssen Sie sich heute mit Ihrem Gesetzentwurf gefallen lassen.

Dieser Gesetzentwurf ist ein Kompromiss zwischen den Interessen der Kammern und den Interessen der Kommunen. Da wollten Sie keine klare Entscheidung treffen. Da wollten Sie einfach allen ein bisschen recht geben. Da wollten Sie ein bisschen Populismus, ein bisschen Kompromiss, ein bisschen Zwischendurch, aber keine klare Lösung zugunsten derer, für die dieses Gesetz eigentlich gemacht sein soll.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Aus diesem Grund müssen wir diesen Entwurf ablehnen. Wir haben einen alternativen Vorschlag vorgelegt, der schon sehr viel klarer und sehr viel besser ist. Wir haben heute Vormittag von Herrn Dr. Kirschner in der Diskussion auch schon mal kompromisshafte Ansatzpunkte und Anregungen gehört, nämlich dass man darüber nachdenkt, auch andere Dinge noch besser zu machen, als sie sind. Auch da ist ein Nachdenken dringend erforderlich, Herr Kollege Dr. Kirschner. Das, was Sie da vor allem den verschiedenen Dienstleistern anbieten bzw. antun wollen, ist nämlich an dieser Stelle schlicht falsch. Das hat mit Verwaltungs- und Gesetzgebungskunst oder auch nur mit Handwerk nichts zu tun. Nehmen Sie diesen Gesetzentwurf zurück und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. Dann haben

wir wenigstens einen Einheitlichen Ansprechpartner, und damit haben wir das auch den Dienstleistern offeriert, was diese Dienstleister verdienen.

Ich will ein Zweites hinzufügen: Diese Regelung hat zunächst und in erster Linie, soweit es um den Entwurf der Staatsregierung geht, lediglich ausländische Dienstleister im Auge. Ich habe in den letzten Diskussionen schon gesagt: Ich bin durchaus der Überzeugung, dass wir als Exportland gut daran tun - und unsere Wirtschaft lebt zum großen Teil vom Export, das wissen wir alle -, uns an dieser Stelle offen und gastfreundlich zu präsentieren und entsprechende Leistungen zu offerieren. Aber wenn dann diese Angebote noch weitergehen als die unserer inländischen Dienstleister, dann ist es an dieser Stelle doch des Guten zu viel. Deswegen haben wir in unserem Entwurf der Oppositionsparteien und gruppierungen auch vorgesehen, dass das Angebot eines Einheitlichen Ansprechpartners für ausländische Dienstleister in gleicher Weise auch für inländische Dienstleister gelten muss. Das ist auch ein Grund dafür, unserem Entwurf zuzustimmen. Darum möchte ich Sie bitten.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Nächster Redner für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Herr Kollege Dr. Runge. Bitte schön, Sie haben das Wort.