Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Es geht um Scheinselbstständigkeit und auch um Illegalität. Es geht um unseriöse Vermittlungsagenturen neben seriösen Vermittlungen, neben regulären Arbeitsverträgen und regulären Arbeitsverhältnissen. Das bleibt auf der einen Seite. Diese Auswüchse müssen wir bekämpfen. Ausländische Haushaltshilfen und ausländische Pflegekräfte müssen arbeitsrechtlich geschützt und auch entsprechend bezahlt werden, das heißt Arbeitnehmerschutz und Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollen hauswirtschaftliche Kräfte ohne besondere Qualifikation zur Pflege zulassen. Sie sprachen von Grundpflege. Was sind denn notwendige pflegerische Alltagshilfen, wie Sie sie in Ihrem Antrag beschreiben? Wo beginnen sie und wo hören sie auf? Was Sie wollen, Herr Unterländer, unterläuft alle Qualitätsbedingungen.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Genau!)

Ich erinnere Herrn Unterländer und auch die Vorsitzende des Ausschusses, Frau Meyer, an unsere langen, ausführlichen Diskussionen zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz und zu den Eckpunkten der Ausführungsbestimmungen. Stationär werden hohe Anforderungen an Qualität und Qualitätssicherung gestellt. Sie haben zur Sicherheit der Bewohner hehre Worte ge

funden. Das gleiche gilt auch für die ambulanten Pflegedienste. Im häuslichen Bereich gilt es aber dann plötzlich nicht mehr.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen.

Nach Ihrer Vorstellung kann dann eine hauswirtschaftliche Hilfe schon mal Medikamente eingeben, hat offensichtlich Kenntnis von der Dekubitusprophylaxe, hat offensichtlich Kenntnis darüber, wie man die ersten Anzeichen für einen möglichen Dekubitus erkennt, hat Kenntnis darüber, wie man mit Dehydrierung umgeht usw. usf. Wer überprüft die pflegerische Tätigkeit?

Wir wollen doch, dass Pflegefehler verhindert werden und wollen hilfsbedürftige Menschen nicht Risiken aussetzen. Auch die Angehörigen brauchen Sicherheit. Hinzu kommt der soziale Aspekt: die Sprache und die Verständigungsprobleme. Was mich besonders ärgert, ist der unterfränkische Ausflug von Frau Ministerin Haderthauer, die in einer unterfränkischen Zeitung zitiert wird, dass man doch für den häuslichen Bereich Pflegekräfte aus dem Osten nehmen könne; diese seien nicht nur billig, sondern entlasteten auch die unterbezahlten einheimischen Pflegekräfte. Was ist denn das für eine Philosophie?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Manfred Ländner (CSU) - Harald Güller (SPD): Nicht dazwischenbabbeln!)

Es geht uns um den Schutz von Menschen. Was Sie in diesem Antrag formulieren, ist locker runtergerissen eins zu eins der Text des schwarz-gelben Koalitionsvertrages. Trauen Sie denn Ihren eigenen Leuten in Berlin nicht zu, dass sie ihren Koalitionsvertrag umsetzen?

Wir wollen, dass Menschen qualitativ ordentlich versorgt werden. Pflege braucht Qualifikation. Ihr Vorstoß öffnet Tür und Tor für den Missbrauch zum Schaden der betreuten Menschen. Wir lehnen diesen Antrag ab, weil er nicht zum Ziel führt.

(Beifall bei der SPD - Wortmeldung des Abgeord- neten Manfred Ländner (CSU))

Bleiben Sie bitte am Mikrofon. - Es tut mir sehr leid, Herr Unterländer hat sich zuerst zu einer Zwischenintervention gemeldet. Sie wissen ja, es gibt nur eine pro Fraktion. Herr Unterländer, bitte.

Geschätzte Frau Kollegin Steiger, was gedenken Sie dann im Interesse der vielen tausend Haushalte zu tun, in denen Haushaltshilfen mit pflegerischen Grundkenntnissen vorhanden sind, um ihnen tatsächlich eine Perspektive im Sinne der Angehörigen, der Familien und der Pflegebedürftigen zu geben? Wollen Sie sie in größere Probleme stürzen? Ist Ihnen bewusst, dass rechtliche Vorgaben durch die Fachkraftquote gegeben sind und dass pflegerische Grundtätigkeiten auf einer ganz anderen Ebene, nämlich jener der Alltagsverrichtungen stattfinden?

Bitte, Frau Kollegin!

Geschätzter Herr Kollege Unterländer, ich habe vorhin ausgeführt, welche Dinge notwendig sind. Wenn eine Pflegekraft in einem Haushalt beschäftigt ist und die Qualifikation hat, kann sie auch pflegerische Tätigkeiten ausüben, wenn es hingegen eine hauswirtschaftliche Hilfskraft ist, nicht, geschätzter Herr Kollege Unterländer.

(Wortmeldung des Abgeordneten Manfred Länd- ner (CSU))

Herr Ländner, eine Zwischenfrage ist nach einer Zwischenintervention nicht mehr möglich, da die Rednerin zu Ende gekommen ist. Das hat sich kurzfristig so ergeben; die Rede ist zu Ende. Sie wollten nun eine Zwischenfrage stellen. Das tut mir leid. Heute gibt es aber noch viele Möglichkeiten.

(Erwin Huber (CSU): Weil sie die Unwahrheit sagt und sich nicht stellt! - Dr. Thomas Beyer (SPD): Na, na, na! Was heißt hier Unwahrheit? Die CSU hat Redezeit! Sie können einen zweiten Beitrag bringen! - Erwin Huber (CSU): Weil Frau Steiger vor ihm davongelaufen ist! - Unruhe)

Ich glaube nicht, dass es erforderlich ist, in die sehr sachliche Diskussion eine unnötige Schärfe hineinzubringen. Den Fraktionen steht noch Redezeit zur Verfügung: der CSU 11 Minuten 37 Sekunden, der SPD 10 Minuten 42 Sekunden, den Freien Wählern 21 Minuten 25 Sekunden, den GRÜNEN 17 Minuten 22 Sekunden und der FDP 18 Minuten 8 Sekunden. Ich meine, wir kommen mit diesen Redezeiten gut aus.

Als Nächster hat sich Herr Dr. Peter Bauer für die Freien Wähler zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die häusliche Pflege ist ein Thema, das uns in der nächsten Zeit noch öfter beschäftigen wird, denn es wird an Be

deutung gewinnen. Aufgrund der negativen demografischen Entwicklung - das wissen wir alle - wird die Anzahl der älteren Menschen und damit auch die Anzahl der Pflegebedürftigen drastisch zunehmen. Daher muss zwingend oberstes Ziel sein, die Pflege der älteren Menschen so zu gestalten, dass die Senioren auch weiterhin im Wesentlichen selbstständig wohnen und leben können. Dies bedeutet eine deutliche Stärkung und Kräftigung der ambulanten Pflegeleistungen.

Erfreulicherweise werden derzeit viele Menschen - das wird weitgehend unterschätzt - noch zu Hause im häuslichen Umfeld gepflegt, nämlich zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen in Bayern, exakt 66,8 %. Diese Zahlen dürfen uns aber nicht zur Untätigkeit veranlassen. Vielmehr muss es unser Bestreben sein, möglichst viele ältere Menschen immer zu Hause zu halten und in ihrem sozialen und ihrem gewohnten Umfeld pflegen zu können. Diese Leistung ist gegenwärtig ohne ausländische Pflegekräfte nicht mehr zu erbringen. Ohne die ausländischen Pflegekräfte wäre der Mangel an Pflegepersonal noch wesentlich eklatanter und schwieriger zu bewältigen.

Darum ist es dringend erforderlich, dass die Staatsregierung Strategien und Konzepte entwickelt - natürlich geht es um ein Bundesgesetz, aber im Antrag steht ganz klar: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, auf die Bundesregierung weiter einzuwirken, dass …" -, mit denen diesem zukünftigen Pflegemangel begegnet werden soll. Hier ist insbesondere auch das Potenzial von Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich meiner Kollegin im Sozialausschuss, Frau Ackermann, dafür danken, dass sie diesen innovativen Gedanken und Vorschlag in die Sitzung eingebracht hat. Das Potenzial von Migrantinnen und Migranten unter Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Herkunft der pflegenden Personen soll genutzt und weiter ausgebaut werden. Geradezu widersinnig ist es, wenn ausländische Pflegekräfte zwar hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen dürfen, nicht aber leichte pflegerische Alltagstätigkeiten. Es gibt nämlich eine Vielzahl von solchen Alltagspflegetätigkeiten, die erforderlich sind; dabei handelt es sich nicht um akademische Pflegeleistungen, die wir natürlich auch brauchen. Viele Menschen brauchen Unterstützung beim Duschen, Baden, Rasieren, Essen einnehmen usw. Für diese Tätigkeiten sind nach unserer Auffassung keine besonderen Qualifizierungen notwendig, sondern Personen, die einfach helfen können.

Nicht verkannt werden darf hier die menschliche Nähe. Es ist ein wichtiger Aspekt unserer sozialen Kompetenz, dass hier von den pflegenden Personen menschliche Nähe gewährleistet wird. Auch hierzu braucht es

keine akademische Ausbildung, sondern die Menschen müssen einfach da sein. Deswegen sind hier auch ausländische Pflegekräfte sehr wichtig. Ich möchte aber noch einmal betonen, damit hier nicht etwas falsch verstanden wird: Die eigentlichen Pflegeleistungen, wie etwa Spritzen setzen und andere medizinische Begleitleistungen, müssen natürlich von qualifiziertem und gut ausgebildetem Pflegepersonal durchgeführt werden. Dies sicherzustellen, ist unsere Aufgabe und muss auch im Zentrum unserer Überlegungen stehen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich aber auch die ehrenamtlichen Pflegeleistungen nennen. Gerade auf diesem Gebiet können interessierte und engagierte Menschen, die sich für den Mitmenschen einbringen, mit viel Mitgefühl und Wärme die bedürftigen älteren Personen pflegen. Das soll natürlich nicht heißen - ich kann das nur nochmals wiederholen -, dass die aufwendigen medizinischen Versorgungen hier ausgebremst werden, dass wir hier einen Niedriglohnsektor schaffen. Das meine ich nicht; ich habe das vorhin schon betont.

Es ist deshalb außerordentlich bedauerlich, dass unsere Anträge zu dem Thema "Stärkung des ehrenamtlichen Engagements" von der Staatsregierung abgelehnt wurden. Vorher ist im Ausschuss so etwas einstimmig beschlossen worden; da möchte ich auf unser politisches Verständnis der Freien Wähler hinweisen. Wenn wir dann im Plenum über dasselbe Thema sprechen und abstimmen, geht wieder diese unsägliche Grenze durch unsere Reihen: Hier sitzen die, die das dann ablehnen, und da sitzen jene, die das, was im Ausschuss beschlossen wurde, nach wie vor vertreten. Es kann nicht sein, dass hier nur die Weisheitskompetenz sitzt und dort Ignoranten sitzen. Ich möchte jetzt keinen anderen Begriff verwenden, um nicht jemanden zu beleidigen.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Das ist nicht das Verständnis von Politik des 21. Jahr hunderts. Die Menschen draußen im Lande erkennen diese Problematik. Sie haben kein Verständnis dafür, dass hier im Ausschuss in einer fachlichen Diskussion Einigkeit erzielt wird, aber im Plenum bei der gleichen Sachlage, ohne das etwas Neues dazugekommen ist, dagegen gestimmt wird.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das wissen die Menschen, das würdigen sie entsprechend. Von so einer Art Politik haben die Menschen die Nase voll.

Ganz besonders betonen möchte ich noch einmal die betreuten Wohngemeinschaften, ein innovatives Modell, das wir auch fördern sollten. In so einer Wohnge

meinschaft leben durchschnittlich bis zu zehn pflegebedürftige Menschen zusammen. Diese Wohngemeinschaften verbinden die Vorteile des Heimes mit denen des häuslichen Wohnens. Diese innovative Wohnform ermöglicht es, dass pflegebedürftige Menschen sozusagen rund um die Uhr versorgt und betreut werden können. Das bringt gleichzeitig ein hohes Maß an selbstbestimmter Lebensführung bis ins hohe Alter. In dieser familiären Atmosphäre fühlen sich die Menschen wohl. Wir wissen aus neuen Untersuchungen, dass die motorischen Fähigkeiten dieser Pfleglinge zunehmen. Aber auch die geistigen Fähigkeiten nehmen in diesen Pflegeeinrichtungen, in diesen betreuten Wohnformen zu. Es kann doch nur unser aller Ziel sein; Herr Thalhammer, Sie einmal ausgenommen, denn Sie gehören zur jungen Generation. Aber ich sehe hier viele aus der Generation der Grauhaarigen, zu denen auch ich gehöre; wir stehen kurz davor. Wir müssen da doch auch für uns überlegen, was wir wollen: Wollen wir im Alter aktiv bleiben? Wollen wir im Alter sowohl motorisch als auch geistig aktiv bleiben? Hier bieten diese innovativen Wohnformen eine hervorragende Chance, das zu fördern und zu erhalten.

Der große Vorteil der ambulant betreuten Wohngemeinschaften ist weiterhin auch die Selbstbestimmung und die Selbstständigkeit der zu Pflegenden. Leider gibt es in Bayern zurzeit nur ca. 130 solche Wohngemein schaften. Das sind nach unserer Meinung viel zu wenige; deshalb dieser Fokus auf diese neuen Wohnformen.

Diese Wohngemeinschaften bieten insbesondere auch für Menschen mit Demenz Möglichkeiten. Menschen zu pflegen, die dement sind, ist am schwierigsten. Die neuen Untersuchungen sagen uns ganz klar, dass in den nächsten Jahren die Zahl der an Demenz Erkrankten um 10, 20 % zunehmen wird. Konkret: Es wird Millionen von Bundesbürgern betreffen. Demenz hat aus medizinischer Sicht die fatale Wirkung, dass man sich zwar kämmen und waschen kann. Aber nach fünf Minuten weiß man nicht mehr, dass man sich gewaschen oder andere Tätigkeiten verrichtet hat. Das ist das Problem an der Demenz. Deshalb brauchen diese Menschen eine besondere Betreuung und Fürsorge, und dafür möchte ich mich einsetzen.

Ich möchte mich bei Frau Stewens ganz herzlich bedanken, die in den Anhörungen zur ambulanten Pflege ganz hervorragende Ansätze und Gedanken vorgebracht hat. So stelle ich mir eigentlich eine konstruktive Arbeit zwischen hier und dort vor.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das zeigt uns doch, warum wir hier sind. Wir sind doch nicht hier, um zu streiten, sondern wir sind hier, um ein

Problem, das auftritt, gemeinsam bestmöglich zu lösen. Natürlich müssen wir uns austauschen. Aber wir müssen es lösen. Insofern bedanke ich mich an dieser Stelle ganz besonders auch für die Vorarbeit im Ministerium. Ich habe darüber einiges nachgelesen, nachdem ich das Thema im Ausschuss bzw. in der Expertenanhörung öfter erlebt habe. Allen Respekt für diese Leistungen, die hier im Vorfeld erbracht worden sind. Wir müssen gemeinsam weitermachen. Wir müssen diese Zukunftsaufgabe, dieses Megathema in den Griff bekommen. Da sollten wir uns doch etwas zurücknehmen und die Probleme der Mitmenschen, die Probleme dieser pflegebedürftigen Menschen im Vordergrund sehen. Darum bitte ich Sie weiterhin um Ihre Unterstützung dieses großen sozialpolitischen Themas.

Ich möchte auch ankündigen, dass die Freien Wähler diesen Vorschlag unterstützen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Freien Wählern und bei Abgeord- neten der CSU)

Ich bitte jetzt für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frau Ackermann an das Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht um die Politik für alte Menschen. Ich möchte erst einmal mit der Kinderstube anfangen, nämlich mit der fehlenden Kinderstube von Herrn Kollegen Huber. Wenn man sagt, "weil die Steiger davon gelaufen ist", zeigt das keine Kinderstube, Herr Huber.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt komme ich wieder auf die alten Menschen zu sprechen. Ich möchte erst einmal einen Blick auf die Situation richten: Wir haben bereits jetzt einen eklatanten Pflegenotstand. Das weist zum Beispiel der Bayerische Sozialbericht aus, der uns sagt, dass wir in den nächsten zehn Jahren 115.000 mehr zu Pflegende haben werden. Das ist ein Anstieg um ein Drittel. In dieser Zeit muss sich die Anzahl der Pflegekräfte verdoppeln; denn wir bleiben bereits jetzt hinter der Fachkraftquote zurück. Wir haben also einen Riesennachholbedarf. Ich prophezeie Ihnen, wir werden ihn nicht aufholen können, denn in der gleichen Zeit, in der wir versuchen aufzuholen, wird sich die Situation massiv verschärfen.

Wir hatten neulich eine Anhörung zur Geriatrie. Professor Oswald aus Erlangen hat ausgeführt, wie dramatisch sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Pflegekräfte verringert. Er hat gesagt, 1880 seien auf