Bekannt ist auch, dass der Ausstieg aus dem Rauchen Frauen schwerer fällt. Herr Ministerpräsident und Herr Staatsminister, dies gilt auch für die Beschäftigten in der Gastronomie, die in Räumen mit weniger als 75 qm arbeiten, weil die Toxizität der im Rauch enthaltenen Stoffe nicht von der Größe des Raumes abhängig ist.
Gestern Mittag ist der Engel Aloisius aus dem Hofbräu haus, wo er seit langer Zeit a Maß und no a Maß und no a Maß trinkt - das ist auch starker Alkoholkonsum an den Rand der Bannmeile gekommen. Er hat denen, die es wollten - das waren von den gesundheitspoliti schen Sprecherinnen und Sprechern leider nur Kollegin Schopper und ich -, die Botschaft überreicht. Sie, Herr
Ministerpräsident, sagen für die Staatsregierung in der Vorlage ans Parlament, dass Sie dieses Volksbegeh ren nicht übernehmen werden. Dass die göttliche Ein gebung nicht nur davon abhängt, ob Aloisius das Hofbräuhaus verlässt oder nicht, habe ich zwar schon vorher geahnt, aber Sie, Kolleginnen und Kollegen, könnten sich dem noch anschließen. Sie könnten Ihrer Verantwortung nachkommen und das, was sonst so wieso im Mai oder Juni passiert, an dieser Stelle schon als Parlamentarier beschließen. Stimmen Sie für die sen Entwurf eines Gesundheitsschutzgesetzes, den das Volksbegehren eindrucksvoll bestätigt hat! Ich höre es gerne, wenn Sie so viel von Demokratie sprechen, Herr Dr. Söder. Wo sind Sie denn? - Ist er schon wieder weg?
Es war wirklich ein drucksvoll, wie Sie hier von Demokratie gesprochen haben. Wir wissen, dass über 70 % der Bevölkerung dieses Anliegen teilen. Deswegen könnten Sie das in Ihrer eigenen Verantwortung direkt übernehmen.
Sie bräuchten sich hier auch nicht auf die Fest- und Wirtshauskultur und den nicht möglichen Vollzug des Gesetzes berufen. Dass der Vollzug nicht stattfindet, liegt doch daran, dass Sie ein Gesetz gemacht haben, das Ausnahmen über die Raucherklubs erlaubt hat und daher nicht vollziehbar war. Sie wollten es auch gar nicht vollziehen; das haben Sie auch immer wieder deutlich gemacht. Ihnen war es doch egal, ob dieses Gesetz umgesetzt wird. Genau das ist der Knackpunkt: Die Leute draußen hatten das Gefühl, dass es ohnehin egal ist, was hier drin beschlossen wird, und dass sie draußen ohnehin machen können, was sie wollen. Das ist wirklich fatal, was hier passiert ist.
Die 13 Millionen, die dieses Volksbegehren kostet, wären deutlich besser angelegt, wenn sie in eine Kam pagne für Tabakprävention investiert würden. Davon würden tatsächlich viele Menschen profitieren. Irland hat gezeigt, dass so eine Kampagne erstens die Ak zeptanz eines derartigen Gesetzes deutlich steigert und zweitens die Zahl der Raucherinnen und Raucher deutlich nach unten geht.
In dem uns vorliegenden Entwurf sagen Sie, dass Sie keinen bayerischen Sonderweg wollen. Das erstaunt mich jetzt schon; denn genau Sie sind doch die Spezi alisten für Sonderwege.
Sie sagen doch sonst immer und überall: Bayern vorn, wir machen es so, wie es richtig ist, und alle anderen sollen das Richtige bitte nachmachen. Jetzt hätten Sie einmal die Chance, das zu tun, auch das zu tun, was von der EU sicher kommen wird. Die Diskussionen auf europäischer Ebene sind zwar schwierig, und es gibt immer wieder Rückschritte, aber die Inzidenz, mit der das Thema, begleitet von immer stärker werdenden Rufen nach einem ganz umfassenden Gesundheits schutz, auf die Tagesordnung kommt, wird immer höher, die Forderungen werden immer eindeutiger. Das wird doch kommen. Warum also können Sie sich nicht endlich dazu durchringen, das zu tun, was Ihnen Ihr Fraktionsvorsitzender Schmid empfohlen hat, nämlich einen totalen und umfassenden Nichtraucherschutz herstellen?
- Herr Kollege Pfaffmann, an der Stelle ist es außeror dentlich bedauerlich, dass Herr Schmid nichts zu sagen hat. An anderer Stelle stört uns das ja nicht so.
- Ob Sie sich da nicht übernehmen, Herr Kollege Schmid? Ob das Volk das so will, sei einmal dahinge stellt.
Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß, machen Sie jetzt endlich schnell den Weg für einen umfassenden Gesundheits schutz frei. Dann, Herr Kollege Söder, kann auch der Kreisverwaltungsreferent der Landeshauptstadt Mün chen schon in diesem Jahr das Gesetz auf dem Okto berfest vollziehen. Wenn Sie das Gesetz aber erst im Juli auf den Weg bringen, habe ich Verständnis dafür, dass der Kreisverwaltungsreferent sagt, für einen Voll zug ist die Frist in diesem Jahr ein bisschen zu kurz. Wenn wir das aber hier und heute in diesem Hause be schließen, dann bestünde dazu durchaus die Möglich keit.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es geht um einen Gesetzentwurf zum Schutz der Gesundheit. Das ist mit Sicherheit ein heiß diskutiertes Thema, auch innerhalb der Fraktio nen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch innerhalb der verschiedenen Fraktionen sind die Meinungen durchaus nicht einheitlich, genauso wenig wie in der Bevölkerung. Die Bevölkerung ist hier durchaus ge spalten. Das Volksbegehren war erfolgreich. 14,9 % sind ein Votum, das man sicherlich angemessenen würdigen muss, und das muss man auch ernst nehmen. Das ist für mich auch keine Frage.
Das bedeutet aber auf der anderen Seite, dass sich 86 % der Menschen am Volksbegehren nicht beteiligt haben. Vor diesem Hintergrund und auch deswegen, weil es sich um ein so kontroverses Thema handelt, das in den letzten Jahren sehr intensiv diskutiert worden ist, ist es ganz wichtig, dass wir mehr Demokratie wagen und die übrigen 86 % ebenfalls befragen. Ich halte es deshalb für wichtig, dass wir in diesem Fall tatsächlich das Instrument des Volksentscheides wählen. In der Bayerischen Verfassung ist seit 1946 der Volksent scheid vorgesehen. Es gab immer wieder zu ganz wich tigen Fragen in Bayern einen Volksentscheid. Das Volk ist intelligenter, als viele hier glauben.
Ich meine daher, wir sollten gemeinsam mit Rot-Grün und den Freien Wählern den Volksentscheid wagen, auch wenn er uns etwas kostet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie ist nicht unbedingt günstig. Wir sollten diesen Weg gehen, weil ich das für notwendig und wichtig halte.
Ich möchte noch auf fünf ganz wichtige und zentrale Unterschiede zum Volksbegehren hinweisen. Erstens. Wenn das Volksbegehren erfolgreich ist, werden wir ein generelles Rauchverbot in den getränkegeprägten Ein raumgaststätten bekommen, die kleiner als 75 Quad ratmeter sind. Hier wird Rauchen generell unzulässig sein. Bisher musste gekennzeichnet werden, und Kin der und Jugendliche haben keinen Zutritt dazu.
Zweitens wird Rauchen in Gaststätten und in Kulturund Freizeiteinrichtungen, die einen abgetrennten Rau chernebenraum haben, unzulässig sein. Auch hier wird es ein generelles Rauchverbot geben.
Drittens unterliegen Kultur- und Freizeiteinrichtungen, soweit sie öffentlich zugänglich sind, dem Rauchverbot. Da hat die Opposition etwas Wichtiges übersehen. Man kann nämlich in Jugendfreizeiteinrichtungen den Unfug mit den Raucherklubs wieder betreiben. Interessanter weise ist also beim bestehenden Gesetz zum Nichtrau cherschutz der Jugendschutz besser gewährleistet als bei Ihrem Volksbegehren. Das muss man den Men schen auch wirklich sagen.
Ich habe immer, gerade früher als hier verantwortliche Sozialministerin, auf den Jugendschutz sehr geachtet, übrigens auch bei Alkohol. Die SPD verkennt die Be deutung des zweiten Teil des Antrags, den wir einge bracht haben, nämlich den Präventionspakt. Ich halte es für sehr wichtig, dass man einmal alle Verantwortli chen in Bayern zusammenspannt. Wir wissen, dass zwar der Alkoholkonsum bei Jugendlichen insgesamt zurückgeht, dass es aber Exzesse einzelner Jugendli cher gibt, Stichwort Flatrate-Partys. Wir sollten diesem Missbrauch Einhalt gebieten, indem wir alle verantwort lichen gesellschaftlichen Kräfte hier zusammenspan nen. Das lassen Sie leider immer wieder unter den Tisch fallen, weil Ihnen das einfach so passt.
Sie tragen in Bayern die falschen Botschaften nach draußen. Mir ist es sehr wichtig, das hier zu korrigieren.
Der nächste Punkt ist das Oktoberfest mit sämtlichen Wein-, Bier- und Festzelten. Hier würden wir nach Ihrem Gesetzentwurf ein generelles Rauchverbot be kommen. Herr Dr. Blume-Beyerle hat gestern in der "Süddeutschen Zeitung" schon gesagt, das kann er zu mindest im Jahr 2010 nicht umsetzen. Warten wir ein mal ab, ob er es 2011 umsetzen kann. Wir wissen schon, dass wir hier wieder in Vollzugsdefizite stolpern. Das ist genau das Problem, das wir letztlich auch mit dem strikten Rauchverbot hatten, dass es nämlich in dem einen oder anderen Bereich schlicht nicht zu voll ziehen ist.
Vor diesem Hintergrund denke ich, dass wir alle Bür gerinnen und Bürger entscheiden lassen sollten. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht - das las sen Sie immer gern unter den Tisch fallen - das gelten de Recht mit Beschluss vom 10.09.2009 als verfas sungsgemäß bestätigt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Beschwerden über die gesetzli chen Regelungen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes stark zurückgegangen sind. Ich habe mir bei den vielen Neujahrsempfängen, die zu Beginn des Jahres statt gefunden haben, die Freiheit genommen, die Men schen zu fragen, was sie zu der bestehenden gesetzli
chen Regelung zum Nichtraucherschutz sagen. Die meisten Menschen sagen: Es passt schon. Wie es jetzt gehandhabt wird, passt es uns. Da braucht man eigent lich nichts mehr zu ändern. - Das ist zur Zeit des Volkes Meinung. Ich denke, das sollte man respektieren.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt drei gute Gründe, um dem Inhalt des Gesetzentwurfs des Volksbegehrens kritisch gegenüberzustehen. Der erste Grund ist: Wir gehen wieder einen bayerischen Son derweg. Frau Sonnenholzner, Sie drehen es auch ge rade so, wie es Ihnen passt. Manchmal sagen Sie, der Sonderweg ist falsch; manchmal sagen Sie, der Son derweg ist richtig. In diesem Fall geht es aber um die Gastronomie, gerade in Grenzräumen. Mir geht es vor allem auch darum, dass die Bevölkerung sagt, sie hätte gern deutschlandweit eine einheitliche Regelung, damit sie sich besser orientieren kann und Vollzugsdefizite aus dem Weg geräumt werden können. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass man den Sonderweg als Argument nicht einfach vom Tisch wischen kann. Hinzu kommt, dass die Gastronomen mit ihren Wirtshäusern in Grenzgebieten benachteiligt sind.
Zum Zweiten ist zu sehen, dass wir gerade auf den gro ßen Volksfesten wie der Wies’n Sicherheitsprobleme bekommen. Zum Dritten gewährleistet die geltende Rechtslage durchaus einen sachgerechten und ange messenen Ausgleich zwischen den Interessen der Raucher und den Interessen der Nichtraucher. Außer dem - darauf habe ich schon einmal hingewiesen bietet das geltende Gesetz einen besseren Schutz für Kinder und Jugendliche. Hier ist Nikotineinwirkung mit das Gefährlichste.
Ich möchte mit einem Wort von Marcel Proust schlie ßen: "Das Einzige, was noch schwieriger ist, als ein geordnetes Leben zu führen: Es nicht anderen aufzu zwingen." - Daher plädiere ich für Ablehnung des Ge setzentwurfs und für einen Volksentscheid, damit hundert Prozent der Bevölkerung Bayerns die Möglich keit haben, sich zu entscheiden.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was macht gute Politik aus? - Über diese Frage haben sich über die Jahrhunderte hinweg viele politische Den ker den Kopf zerbrochen. Es gibt auch viele mögliche Antworten. Man kann Politik am Wert ausrichten. Dabei stellt man die Idee der Gerechtigkeit in den Vorder grund. Man kann das Ziel für wichtig erachten: das Gemeinwohl, das Arbeiten zum Besten aller. Man kann versuchen, durch Politik einen gesellschaftlichen Kon
sens zu erreichen, und so zur Befriedung der Gesell schaft beitragen. Oder man kann - eher positivistisch technisch-handwerklich gut arbeiten und damit alles erfüllen, was man erreichen möchte. Das Schauspiel, das Sie uns in den letzten zwei Jahren zum Nichtrau cherschutz geboten haben, erfüllt keines dieser Kriteri en.
Das, was Sie hier in verschiedenen Entwürfen präsen tiert haben, ist weder gerecht, noch ist es sachlich richtig, noch ist es am Gemeinwohl orientiert, noch stellt es die Gesellschaft zufrieden. Es ist einfach und schlicht nur schlecht.
Was für eine sinnvolle Debatte hätten wir hier führen können - haben wir auch teilweise geführt -, was wäre möglich gewesen? - Im Raum stehen ganz verschie dene Werte unseres Grundrechtssystems, und um die geht es, um die streiten wir. Zum einen geht es um das Leben der Raucher und der Nichtraucher. Deshalb steht ein entsprechender Spruch auf jeder Zigaretten packung. Die Besucher der Gaststätten sind natürlich gefährdet. Zum anderen geht es um die Freiheit des Gewerbebetriebs, um die besonders die Wirte kämp fen. Zum Dritten - das wurde schon genannt - geht es um die Gesundheit der Angestellten. Es geht also um drei Grundrechte und um mindestens drei Grundrechts träger. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass es in dieser Debatte auch darum geht, darüber zu disku tieren, in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Diese Diskussionen haben Sie durch Ihr tapsiges Vor gehen zur Seite gedrängt. Das muss man ganz deutlich an die Adresse der Regierung gerichtet sagen.