Ich hatte immer eine Grundphilosophie dafür, wie man Probleme löst. Ich habe nie den Klassenkampf gepre digt, sondern immer die Erfahrung gemacht, dass man die Probleme am besten in einer vernünftigen sozialen Partnerschaft löst. Deshalb werde ich mich auch heute nicht dazu verleiten lassen, auf irgendeiner Firma he rumzutrampeln. Meine Aufgabe ist es vielmehr, zusam men mit Martin Zeil in sozialer Partnerschaft mit den betroffenen Firmen Lösungen herbeizuführen. Das ist angesagt, und nicht, aufeinander herumzutrampeln.
Das ist meine Grundüberzeugung: nicht Klassenkampf, sondern soziale Partnerschaft, meine Damen und Her ren. So löst man die Probleme.
Jetzt möchte ich darauf eingehen, wie verantwortlich viele bayerische Firmen mit dieser Herausforderung umgegangen sind. Wir haben, übrigens gemeinsam, die politischen Rahmenbedingungen geschaffen, zum Beispiel die Möglichkeit des Kurzarbeitergeldes. Viele Firmen - auch die Firma Siemens - haben die Kurzarbeit gewählt, um Arbeitsplätze zu erhalten, obwohl sich das betriebswirtschaftlich nicht rechnet.
Aber das hat irgendwann ein Ende, wenn man nicht an die Substanz heran will. Wenn also gewisse Rituale praktiziert werden und Politiker eingeteilt werden in jene, die für Arbeitsplätze, und jene, die gegen Arbeits plätze sind, dann bitte ich darum, den Anspruch an unsere Diskussionsqualität zu erhöhen.
Niemandem, schon gar nicht den Arbeitnehmern vor Ort, ist damit gedient. Deshalb sage ich zusammenfas send: Diese Bayerische Staatsregierung wird sich in tensiv mit jedem Arbeitsplatz, der in Bayern zur Disposition steht, auseinandersetzen und das ihr Mög liche tun, um Arbeitsplätze nicht nur zu retten, sondern auch, um neue aufzubauen. Darauf kann sich auch die Region Rhön-Grabfeld verlassen. Wir werden dort die Kabinettssitzung abhalten. Früher oder später - ich lege mich nicht auf einen genauen Tag fest - wird es dort einen Besuch des Ministerpräsidenten geben, weil ich mich dem Dialog mit den Arbeitnehmern und der Firma
nicht entziehe. Wenn ich dorthin fahre, möchte ich aber den Betroffenen dort konkret sagen können, was wir tun und was wir einhalten können.
Bei aller Betroffenheit einer Firma und einer Region dürfen wir unsere globale Wirtschafts- und Strukturpo litik in Bayern nicht vergessen. Sosehr punktuelle Hilfen in einer Region notwendig sind - das Gleiche gilt für Fürth und Erlangen, dort können wir den Energiecam pus bauen und die Forschung fördern -, so gilt doch: Wenn es uns in Bayern und in Deutschland insgesamt nicht in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung gelingt, wieder ein Klima für Wachstum und Arbeits plätze herzustellen, dann werden die regionalen Be mühungen Stückwerk bleiben. Deshalb müssen wir beides miteinander sehen, die gesamte Wirtschafts und Strukturpolitik, die wir für Bayern und Deutschland betreiben. Ich glaube, da waren wir Deutsche und wir Bayern in den letzten Monaten nicht schlecht aufge stellt. Das gilt für die frühere Regierung in Berlin wie für die jetzige. Wir in Bayern haben das Unsere dazu getan.
Vor diesem Hintergrund bitte ich um eine Versachli chung der Diskussion. Ich verstehe das; die Versu chungen vor Ort sind in solchen Angelegenheiten immer groß. Aber wir sollten uns allein an dem Maßstab messen lassen: Was erreichen wir konkret für die be troffenen Arbeitnehmer und ihre Familien?
Dem Präsi dium liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir können deshalb die Aussprache schließen und zur Ab stimmung kommen. Die Anträge werden hierzu wieder getrennt.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/3419 - das ist der interfraktionelle Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der CSU und der FDP - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD, der Freien Wähler und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ NEN.
- Ja, danke. Ich frage trotzdem erst die Gegenstimmen ab. Frau Dr. Pauli, ich habe Sie schon gesehen. Gibt es Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch keine. Der Antrag wurde beschlossen mit Zustimmung der Ab geordneten Frau Dr. Pauli. Damit ist der Dringlichkeits antrag angenommen.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksa che 16/3420 - das ist der Antrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? - Das sind die Frakti onen der CSU und der FDP. Gibt es Enthaltungen? - Enthaltungen sehe ich nicht.
- Eine Enthaltung. - Zwei Enthaltungen und Zustim mung von Frau Dr. Pauli. Damit ist der Dringlichkeits antrag abgelehnt.
Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/3446 - das ist der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der Fraktion der Freien Wähler - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und der Freien Wähler sowie Frau Dr. Pauli. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltun gen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, und es gibt wiederum eine Enthaltung bei Zustimmung der Frau Dr. Pauli. Damit ist dieser An trag ebenfalls abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Joachim Hanisch u. a. und Fraktion (FW) Arbeitsentwürfe zur Neuorganisation der Jobcenter des BMAS grundlegend überarbeiten (Drs. 16/3421)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Angelika Weikert, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD) Den Weg freimachen für die Reform der Job-Center durch eine Grundgesetzänderung (Drs. 16/3445)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Karl Freller, Joachim Unterländer u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Jörg Rohde, Brigitte Meyer u. a. und Fraktion (FDP) Mit Grundgesetzänderung ARGEn und Optionskommunen sichern (Drs. 16/3447)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erster hat um das Wort gebeten - ich gehe wie vorhin nach der Reihenfolge der abgegebenen Anträge vor - Herr Ha nisch. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Ich bin noch etwas erschüttert von dem, was wir hier gerade an Abstimmungsverhalten erlebt haben.
Ein gut gemeinter dringender Appell unseres Herrn Mi nisterpräsidenten an diesen Bayerischen Landtag, und schon wird das Ganze sehr einseitig aufgenommen. Es hätte der bayerischen Volksvertretung gut getan, ein mal zu beweisen, dass sie es ernst meint mit der Un terstützung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Thema kommen. Wir haben diesen Dringlichkeitsantrag heute gestellt, weil wir über sieben Millionen Menschen in Bayern helfen wollen, weil wir diese Menschen nicht al lein lassen wollen, weil wir sie unterstützen wollen und weil wir sie ernst nehmen wollen. Außerdem sind wir gegen den Aufbau von jeglicher zusätzlicher Bürokratie in unserem Staatsgebilde. Lassen Sie mich dies näher erläutern.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Situation ge schaffen, dass die ARGEn bzw. die Jobcenter, wie wir sie bisher haben, nicht dem Grundgesetz entsprechen. Es hat aber nicht gesagt, dass wir jetzt eine bürokrati sche Lösung finden sollen, dass in Zukunft zwei ver schiedene Bescheide von zwei verschiedenen Behör den verschickt werden sollen, dass dabei Mehrkosten - der Bayerische Landkreistag spricht von über 100 Mil lionen Euro - entstehen sollen und dass eine Bürokratie aufgebaut werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr davon gesprochen, dass man das Grund gesetz ändern könnte. Die Opposition im Bayerischen Landtag ist allerdings mit zwei Anträgen gescheitert, im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass eine solche Ände rung herbeigeführt wird. Meine Damen und Herren, die Opposition ist zweimal mit diesem Vorhaben geschei tert.
Umso mehr freut es uns, dass - jetzt könnte ich sagen: nachdem unser Antrag gestellt war; zeitlich lässt sich das nachvollziehen - plötzlich namhafte Ministerpräsi denten trotz eines bestehenden Koalitionsvertrags zu der Auffassung kommen, dass es sinnvoll ist, das Grundgesetz zu ändern und zu ermöglichen, dass die Arbeitsgemeinschaften die relativ leicht zu handhaben den Jobcenter weiterführen. Herr Ministerpräsident, Respekt, Sie haben spät reagiert,
(Ministerpräsident Horst Seehofer: Richtig ist bes ser als schnell! - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Besser spät als gar nicht!)
- Na ja, meine Güte. Herr Ministerpräsident, wir hatten schon zweimal in diesem Gremium den Antrag gestellt, aber da waren Sie noch nicht so weit, sich dem Antrag anschließen zu können. Es freut uns, dass Sie hier die Initiative mit ergriffen haben und dass mehrere Minis terpräsidenten - ich muss sie hier nicht namentlich er wähnen - bereit waren, diesen Weg zu gehen, und angeregt haben, das Grundgesetz zu ändern, um damit die rechtliche Basis für die Jobcenter zu schaffen.
Meine Damen und Herren, ohne diese Grundgesetz änderung ist eine für die betroffenen Menschen befrie digende Lösung unseres Erachtens nicht erreichbar. Ohne Grundgesetzänderung werden die Kommunen von zentralen Bereichen der Betreuung und Mitwirkung faktisch ausgeschlossen. Das wollen wir nicht. Der rich tige Weg kann nur der sein, das Grundgesetz zu än dern.
Meine Damen und Herren, streichen Sie bitte die Zif fer 3 unseres Antrags. Das galt für die Eventualität, dass unser Antrag wieder abgelehnt werden sollte. Aus diesem Grund haben wir geschrieben: "darauf hinzu wirken, dass die Arbeitsentwürfe kommunalfreundlich abzufassen sind." Dass diese Grundgesetzänderung keine Mehrheit findet, ist inzwischen wohl Utopie. Wir können also Ziffer 3 bedenkenlos streichen. Wir lassen Ziffer 1 und Ziffer 2 stehen und weisen zu Ziffer 2 auch mit Blick auf den Antrag der CSU darauf hin, dass nam hafte Wissenschaftler der Auffassung sind, dass sich das Optionsmodell auch ohne Änderung des Grundge setzes durchsetzen lässt. Ich zitiere Prof. Henneke, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreista ges:
Eine dauerhafte Ausweitung des Optionsmodells könnte zudem einfachgesetzlich geregelt werden. Einer Grundgesetzänderung bedarf es hierzu nicht. Insbesondere steht hier nicht Artikel 84 Ab satz 1 Satz 7 des Grundgesetzes entgegen. § 6 a des Sozialgesetzbuches II müsste dahin gehend abgeändert werden, dass auf Antrag einer Kom mune das entsprechende Ministerium diese als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 des Sozialge setzbuches II anerkennt und zulässt.
Meine Damen und Herren, auch dieser Weg wäre re lativ einfach zu gehen. Allerdings haben wir es nicht in der Hand. Der Bundesgesetzgeber müsste hier reagie ren. Ich hoffe, es geschieht in irgendeiner Form, in welcher auch immer; das ist zweitrangig. Ich würde
mich freuen, wenn dieses Gremium heute dazu beitra gen würde, keinen zusätzlichen Bürokratismus zu schaffen, sondern die bewährte Regelung beizubehal ten.
(Von der Rednerin nicht au torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Seit gestern gibt es die Erkenntnis, dass man die Be schlüsse aus der Kabinettssitzung immer sehr schnell lesen muss. Heute Morgen bzw. gestern war es für uns tatsächlich eine Überraschung, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich so eindeutig für eine Grundgesetzände rung positioniert haben. Ich habe noch einmal auf die Seite der CSU - www.csu.de - geschaut. Dort sagen Sie unter der Rubrik "Aktuelles", die Grundgesetzänderung sei der richtige Weg, um die enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Arbeitsagenturen fortzuset zen. Willkommen im Club und herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis!
Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen, ich habe es jetzt ein bisschen locker vorgetragen, aber ich will Ihnen noch einmal versichern, dass wir uns wirklich über diese Äußerung freuen. Es ist im Interesse der Betroffenen, die in den Jobcentern arbeiten, aber auch im Interesse derjenigen Menschen, die auf die Hilfe und Unterstützung der Jobcenter in Bayern angewiesen sind, dass es aufgrund der Erkenntnis des Landes Bay ern hoffentlich zu einer Lösung mit einer Grundgesetz änderung in den nächsten Wochen und Monaten kommen wird. Bayern hat sich jetzt positioniert, das heißt aber doch nicht, dass der Weg zu Ende ist. Jetzt ist es Ihre Aufgabe, die Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung, mit den anderen Ländern im Bundes tag und im Bundesrat dafür zu sorgen, dass diese Lösung zum Zug kommt.