Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen, ich habe es jetzt ein bisschen locker vorgetragen, aber ich will Ihnen noch einmal versichern, dass wir uns wirklich über diese Äußerung freuen. Es ist im Interesse der Betroffenen, die in den Jobcentern arbeiten, aber auch im Interesse derjenigen Menschen, die auf die Hilfe und Unterstützung der Jobcenter in Bayern angewiesen sind, dass es aufgrund der Erkenntnis des Landes Bay ern hoffentlich zu einer Lösung mit einer Grundgesetz änderung in den nächsten Wochen und Monaten kommen wird. Bayern hat sich jetzt positioniert, das heißt aber doch nicht, dass der Weg zu Ende ist. Jetzt ist es Ihre Aufgabe, die Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung, mit den anderen Ländern im Bundes tag und im Bundesrat dafür zu sorgen, dass diese Lösung zum Zug kommt.

Kolleginnen und Kollegen, ich will die lange und traurige Geschichte, die dieses Problem hinter sich hat, nicht lange aufarbeiten. Ich möchte nur daran erinnern, dass Arbeitsminister Olaf Scholz im Frühjahr 2009, noch vor der letzten Bundestagswahl, mit viel Geduld und großer Kompromissfähigkeit auf alle Wünsche der Länder chefs eingegangen ist und für diese Lösung gerungen hat. Nicht die Länderchefs haben sich dagegen ge wehrt, sondern die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich dieser Lösung verweigert. Beim jetzigen Ansatz der neuen Bundesarbeitsministerin von der Leyen, das Problem zentral zu lösen, aber nur eine Musterverein barung vorzugeben, war mir als Praktikerin in dieser Frage von Anfang an klar, dass dieser Weg nicht funk

tionieren kann. Dieser Weg ist sehr stark zentralistisch angedacht. In Berlin wird ein Entwurf gemacht. Auf die unterschiedlichen Lösungen vor Ort, je nachdem wie viel die Kommunen und wie viel die Arbeitsagenturen dazu beigetragen haben, geht man nicht ein. Dagegen wurde wohl zu Recht Protest von den Kommunen er hoben. Dieser Protest ist so nachhaltig gewesen, dass auch Sie, Herr Ministerpräsident, sich nicht mehr darü ber hinwegsetzen konnten, sondern diesen Protest auf greifen mussten.

An dieser Stelle will ich mich bei allen bedanken, die sich in den letzten Wochen und Monaten für diese Lö sung stark gemacht haben, die in vielen Presseartikeln und in vielen Aktionen vor Ort gesagt haben, wir können das Problem nur mit dieser Lösung in den Griff bekom men. Für dieses Engagement sage ich ein herzliches Dankeschön. Ich sage es vor allem im Hinblick auf die Kommunen, die sich für diese Lösung sehr stark ge macht haben.

Kolleginnen und Kollegen, jetzt können wir alle bewei sen, dass wir das, was Sie, Herr Ministerpräsident, zum vorherigen Punkt gesagt haben, ernst nehmen. In Bay ern gibt es doch eine gewisse Gemeinsamkeit. Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregie rung zeigen mit der einstimmigen Unterstützung von drei Anträgen unterschiedlicher Parteien Einigkeit und machen sich im Bundestag und im Bundesrat stark für diese Lösung. Eine solche Einigkeit würde Ihre Ver handlungsposition verbessern. Insofern könnten wir wirklich ein Stück Gemeinsamkeit zeigen. Ich bitte Sie deshalb, allen drei Anträgen zuzustimmen. Wir werden es tun. Wir haben uns bei unserem Antrag kurz gehal ten. Wir sagen nur, dass der Landtag die Haltung des Ministerpräsidenten unterstützt. Kolleginnen und Kolle gen, was könnten Sie ernsthaft gegen diesen Satz ein wenden?

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Unterländer, ich bitte Sie nach vorne. Die nächste Wort meldung stammt von Ihnen.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Diskussion müssen wir uns zunächst einmal vor Augen führen, worum es hier geht. Wir brauchen eine bestmögliche Gewährung der Leistungen nach SGB II und SGB XII. Berechtigterweise sollen diese Leistun gen aus einer Hand gewährt werden. Wir müssen die sen Gesichtspunkt im Gesamtkontext der Arbeitsmarkt politik stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir müssen dezentrale Lösungen anstreben. Dieser Ansatz wurde schon im Ursprung der Reform als notwendig angese hen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach fünf Jahren kann man sagen, dass sich die Systeme entwi ckelt und bewährt haben. Wie von den Vorrednern schon erwähnt wurde, haben wir aber das Bundesver fassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 2007. Dieses verlangt bis Ende des Jahres 2010 eine Änderung der bisherigen als verfassungsrechtlich bedenklich ange sehenen Mischverwaltung. Im Gegensatz zu dem, was von den Freien Wählern hier gesagt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Optionskom munen ganz eindeutig gesagt, dass die bisherige Hand habung und die bisherige Regelung nicht mit der Verfassung vereinbar seien. Deshalb ist auch hierfür eine diesbezügliche Regelung notwendig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns diesen Herausforderungen für 450.000 Leistungs empfänger in Bayern stellen. Wir müssen das Problem so lösen, dass es keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand gibt und dass die Kommunen auch nicht aus geblendet werden. Wir müssen uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass wir bei dem bisherigen Kon strukt immerhin mehr als 2.400 Mitarbeiter der Kom munen beschäftigt haben, die in der gegenwärtigen Situation schwer verunsichert sind und teilweise auch schon wieder zurückgehen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie konnten sich nicht darüber hinwegsetzen, deshalb sind die Men schen so verunsichert!)

Sie können sich hinterher gerne noch zu Wort melden. Leider hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtzeitig zu entsprechenden Konsequenzen ge führt. Es gibt die Koalitionsvereinbarung von CSU und FDP die sagt, dass es eine Lösung auf der Basis des Urteils geben muss.

Meine Damen und Herren, die Prüfung in diesem Zu sammenhang hat klar gezeigt, dass es nicht ohne Wei teres möglich ist, ohne eine Verfassungsänderung eine praktikable Lösung zu finden.

(Angelika Weikert (SPD): Das ist Geschichte! Markus Rinderspacher (SPD): Willkommen in der Realität!)

- Meine Damen und Herren, wenn Sie schon von vorn herein alles besser wissen, dann machen Sie eine Po litik, die zu kurzfristig ist und an den Interessen der Menschen vorbeigeht.

(Angelika Weikert (SPD): Das ist doch nicht wahr!)

So kann man keine Politik machen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, deshalb ist es überaus be grüßenswert, dass die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung in der gestrigen Kabi nettssitzung beschlossen haben, diesen Weg zu gehen. Wir sind der Meinung, es muss eine Verfas sungsregelung geben, die die Leistungen aus einer Hand ermöglicht, und zwar möglichst unbürokratisch und niederschwellig, und die die in allen Verwaltungs teilen vorhandenen Kompetenzen zusammenführt. Vor allem ist es notwendig, und hierzu finde ich in den an deren Anträgen nichts, dass die Zahl der Optionskom munen weiter ausgebaut und weiterentwickelt wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Angelika Wei kert (SPD): Herr Unterländer, dass ist kein Gesetz entwurf!)

Wir wollen den Kommunen die Möglichkeit geben, ei genständig in der Verwaltung tätig zu werden. Das ist ein Weg, den im Übrigen auch viele sozialdemokrati sche Sozialreferenten, Sozialdezernenten und Ober bürgermeister gehen wollen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dagegen ist doch nichts zu sagen! Aber man kann es Ihnen doch selbst überlassen!)

Ich habe immer wieder festgestellt, beispielsweise beim damaligen sozialdemokratischen Arbeitsminister Scholz, das dieser Weg ausdrücklich nicht gewünscht war.

(Angelika Weikert (SPD): Herr Unterländer, das ist nicht wahr! Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist nicht wahr!)

Wir aber wollen diesen Weg gehen. Ich bitte Sie des halb, diesem Vorschlag von CSU und FDP zuzustim men. Es soll eine Grundgesetzänderung über Initiativen im Bundesrat und auf Bundesebene erfolgen, damit nicht nur das Zusammenwirken von Arbeitsagenturen und Kommunen in Arbeitsgemeinschaften fortgeführt werden kann, sondern damit die Zahl der Optionskom munen ausgeweitet wird, und zwar zeitlich unbegrenzt. Das ist wichtig, denn das haben wir in der gegenwärti gen Rechtslage nicht sichergestellt. Dann wird es mög lich sein, eine effiziente, bürgernahe Verwaltung im Interesse der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zu erreichen. Das muss in diesem Zusammenhang unser Ziel sein. Ich bitte Sie, dem Antrag von CSU und FDP zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Angelika Wei kert (SPD): Was spricht gegen uns?)

Die nächste Wortmeldung stammt von der FDP, Herrn Rohde. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Anträge sind schon eingeführt, deshalb kann ich gleich darauf Bezug nehmen. Wir haben diese Debatte schon öfter im Landtag geführt. Ich komme gleich zum Antrag der Freien Wähler und dort zum Punkt 1. Für mich enthält dieser Antrag eine viel zu starke Festlegung. Sie wollen eine Verfassungs änderung ausschließlich, um das bestehende System zu erhalten und um die Fehler von Rot-Grün im Nach hinein auszubügeln.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Welche Fehler, bitte schön?)

Das ist zu einfach. Es gibt Etliches am bestehenden System zu verbessern.

(Weitere Zurufe von der SPD: Welche Fehler?)

Der Staatsregierung müssen wir deshalb einen Ver handlungsspielraum zur Verfügung stellen. Allein das wäre schon Grund genug, Ihren Antrag abzulehnen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die FDP wollte die ARGEn abschaffen!)

Sie schreiben in Punkt 2 Ihres Antrags von einer dau erhaften Ausweitung und Entfristung. Hier ist mir wieder nicht klar, was Sie wollen. Dieser Absatz steht zum einen im Widerspruch zum ersten Absatz. Oben wollen Sie die Verfassung ändern, im zweiten Absatz aber weisen Sie darauf hin, dass wir die Verfassung gar nicht ändern müssen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Lesen! Sie müssen den Text lesen!)

Sie können die Vorgaben des Bundesverfassungsge richts nur umsetzen, wenn Sie allen Kommunen erlau ben beziehungsweise vorschreiben, Optionskommu nen zu werden.

(Joachim Hanisch (FW): Erlauben! - Johanna Wer ner-Muggendorfer (SPD): Erlauben!)

- Dann schreiben Sie das doch so in den Antrag hinein.

(Beifall bei der FDP)

Die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung wurde vom Verfassungsgericht geahndet. Das ist der Punkt. Schreiben Sie das doch klar hinein. Diese Forderung hat die FDP lange Zeit vertreten. So wie der Absatz jetzt geschrieben ist, können wir ihm jedenfalls nicht zustim men.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ihre Forderung war doch, die ARGEn abzuschaffen!)

- Nein, wir wollten nicht die ARGEn abschaffen, son dern wir wollten die Wahrnehmung der Aufgaben in einer Hand. Da sind wir uns noch einig, wir haben uns immer darum gestritten, in welcher Hand. Ich erinnere an die Debatten, die wir letztes Jahr geführt haben. Da rauf komme ich gleich noch.

(Angelika Weikert (SPD): Aber doch nicht bei den Agenturen!)

Zum Absatz 3. Den haben Sie zwar zurückgezogen, aber ich wollte dazu doch noch etwas anmerken: Wahr scheinlich wollten Sie, dass die künftigen Gesetze kom munalfreundlich abzufassen sind. Im Übrigen verweise ich auf die Landtagsdrucksache 16/1026:

Die Stellung der Kommunen sollte möglichst ge stärkt und zentralistische Ansätze zugunsten fle xibler Modelle aufgegeben werden.

Das haben wir letztes Jahr im Landtag beschlossen, und das gilt auch weiterhin. Diesen Absatz können wir uns also sparen. Sie haben ihn schon zurückgezogen; vielen Dank für die Erkenntnis.

Vom Antrag der Freien Wähler bleibt somit aus unserer Sicht nichts übrig. Wir müssen ihn deshalb ablehnen. Das gilt auch für den Antrag der SPD, und ich sage Ihnen auch gern warum. Hier widersprechen sich Über schrift und Antragstext. Sie wollen ein einfaches "Weiter so", weil Sie die Zukunft der Job-Center durch eine Grundgesetzänderung sicherstellen wollen.

(Angelika Weikert (SPD): So sagt der Herr Seeho fer!)

Sie schreiben in einer Überschrift aber noch etwas von einer Reform. Also was wollen Sie? Wollen Sie etwas verbessern oder wollen Sie eine Reform? Wollen Sie eine Reform und etwas verbessern oder ein "Weiter so"?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Also, das ist "dipferlscheißerisch", wie man in Bayern sagt!)

- Nein, nein. Wie bei Punkt 1 der Freien Wähler so gilt auch hier beim Antrag der SPD: Wir brauchen Ver handlungsspielraum. Das Problem, das in Berlin auf uns zukommt, kennen wir schon und darüber haben wir auch schon im Plenum diskutiert. Alle Fraktionen wollen zwar durch die Bank eine Verfassungsänderung, aber wie soll diese umgesetzt werden?