Protokoll der Sitzung vom 09.02.2010

- Ich halte dieses Verfahren für grundsätzlich überdenkenswert; denn ich bin nicht dafür, dass man auf der einen Seite im Ausschuss verbindlich entscheidet und dann auf der anderen Seite die Geschichte wieder ins Plenum zieht.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das ist der normale Gang eines Antrags!)

- Ich erlaube mir trotzdem zu bemerken, dass ich das nicht für besonders intelligent halte.

Der nächste Redner ist Professor Piazolo für die Freien Wähler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es hat mich schon erstaunt, Herr Sauter, dass Sie sich so leicht von Frau Rupp ins Bockshorn jagen lassen. Wenn es die CSU mit einem Kompromiss ernst gemeint hätte, dann hätte eine Stimme aus der Opposition Sie nicht von ernsthaften Bemühungen abgebracht. Ich erinnere mich, dass Sie vor einigen Jahren sogar dem Ministerpräsidenten Stoiber widerstanden haben, und zwar relativ lange. Insofern glaube ich, dass man wirklich einen Kompromiss hätte finden sollen.

Ich bin ganz froh, dass wir uns heute über die Europäische Bürgerinitiative unterhalten. Es ist - darin sind wir uns alle einig - faszinierend, was da entwickelt wurde. Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern können sich zusammentun, um gemeinsam eine europäische Rechtsnorm zustande zu bringen. Man muss

sich vor Augen halten, dass das vor einigen Jahrzehnten nicht möglich gewesen wäre. Damals wäre es auch nicht möglich gewesen, darüber zu reden.

Vor 70 Jahren, am 9. Februar 1940, haben deutsche Zerstörer Minen vor der englischen Küste gelegt. In Finnland gab es Krieg. Kurz danach begann die Dänemark-Offensive. Heute können sich Bürger dieser vier und einiger weiterer Länder in Europa zusammen auf Rechtsnormen einigen. Es ist toll, was in diesen 70 Jahren erreicht wurde. Deshalb finde ich es gut, dass wir diesen Fortschritt heute im Landtag noch einmal betonen können.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Uns macht gemeinsam ein bisschen Sorge, dass die europäische Idee bei den Bürgern manchmal in Misskredit gebracht wurde. Gerade deshalb ist es notwendig, diese Initiativen nicht zu erschweren. Sie müssen einfach, transparent und flexibel handhabbar sein. In dieser Hinsicht waren wir uns im Ausschuss einig. Das Einzige, was uns unterschieden hatte, war der Weg, wie man das Ziel erreicht. Darüber reden wir auch heute. Ich denke, die verschiedenen Lösungen waren nicht allzu weit auseinander.

Wir Freien Wähler begrüßen die Europäische Bürgerinitiative. Wir erhoffen uns Vieles davon. Wir sind der Auffassung, dass man es den Bürgern möglichst leicht machen sollte. In dieser Hinsicht finden wir die meisten Gemeinsamkeiten bei dem Antrag der SPD. Deswegen werden wir ihn unterstützen.

Wir sind der Auffassung, dass man es gerade bei der Bürgerinitiative durchaus riskieren kann, das Mindestwahlalter auf 16 Jahre festzulegen. Die Argumente, die Kollege Sauter vorgetragen hat, sind durchaus ernst zu nehmen. Man kann das Mindestwahlalter auch auf 18 Jahre festlegen. Es wäre einmal einen Feldversuch wert, es mit 16 Jahren zu wagen. Vielleicht kann man sich schon mit 16 Jahren an einer solchen Initiative beteiligen. Man müsste dann schauen, wie die jungen Menschen diese Möglichkeit annehmen.

Ähnliche Auffassungen haben wir bezüglich des Quorums. Dieses sollte man nicht zu hoch ansetzen.

Ein bisschen enttäuscht hat uns, dass wir uns interfraktionell nicht haben einigen können. Das ist nun einmal so. Unsere Vorstellungen liegen aber nicht weit auseinander. Im Ausschuss haben wir vereinbart, dass wir uns nach den Erfahrungen, die in nächster Zeit vielleicht gemacht werden, zusammensetzen. Vielleicht lässt sich dann eine gemeinsame Initiative entwickeln.

Mir war noch ein letzter Punkt wichtig. Wir sollten nicht auf der europäischen Ebene stehen bleiben. Ich erin

nere mich an den Wahlkampf vor der Wahl des Europäischen Parlaments. Da kamen aus der CSU Töne in Richtung Bund, das heißt, dort sollten zumindest in europäischen Angelegenheiten Möglichkeiten zu Volksbegehren und Volksentscheiden geschaffen werden. Das mahne ich an dieser Stelle an. Werden Sie dort aktiv! Wir fordern es schon seit Längerem und sind dabei nicht die Einzigen. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch auf Bundesebene die Bevölkerung mehr mitentscheiden und mitbestimmen könnte. Das würde unserer Demokratie sicherlich guttun.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich bitte nun um Aufmerksamkeit für den letzten Redebeitrag. Das Wort hat Herr Dr. Fischer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit dem beginnen, was uns alle hier eint: Das ist das Bekenntnis zu Europa und das Bekenntnis zur direkten Demokratie. Auch die FDP befürwortet nachdrücklich die mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon geschaffene Europäische Bürgerinitiative als ein wichtiges Instrument für eine verbesserte Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene.

Wir begrüßen das von der Europäischen Union vorgelegte Grünbuch, mit dem der Konsultationsprozess zur konkreten Ausgestaltung der Bedingungen und Verfahren einer Europäischen Bürgerinitiative begonnen wurde. Diese Europäische Bürgerinitiative ist eine der zahlreichen und eine der wichtigsten Neuerungen im Vertrag von Lissabon. Wir wollen die Union dadurch demokratischer gestalten, dass den Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, auf die EU-Politik unmittelbar Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen eine unmittelbare Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Ausgestaltung des europäischen Integrationsprozesses, und wir wollen die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger erweitern.

(Beifall bei der FDP)

Die Europäische Bürgerinitiative ist eine große Chance, öffentlichen Debatten über die europäische Politik neue Impulse zu verleihen. Soweit sind alle Fraktionen in diesem Hohen Hause einig. Leider ist ein fraktionsübergreifender Antrag nicht zustande gekommen. Ich bedaure das ausdrücklich.

Ich möchte erläutern, warum wir den vorliegenden Anträgen der GRÜNEN und der SPD nicht zustimmen

können und dem Ausschuss einen eigenen Antrag vorgelegt haben, der in vielen Punkten, aber eben nicht in allen, in die gleiche Richtung zielt.

Es ist bereits gesagt worden: Eines der Kernelemente ist das gesenkte Mindestalter. Der Antrag der SPD möchte das Mindestalter auf 16 Jahre festschreiben. Wir halten das nicht für den richtigen Weg. Es wäre auch nicht richtig, wenn wir in unserem Antrag ein Mindestalter von 18 Jahren festschreiben würden, sondern wir wollen das erforderliche Mindestalter an dem jeweiligen Wahlalter eines Mitgliedstaates für die Wahl zum Europäischen Parlament orientieren. Das ist sachgerecht.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt wenige Gründe, hier die Initiative und das Wahlalter auseinanderlaufen zu lassen. Es ist auch ein Irrglaube zu meinen, dass man mit einer Herabsetzung des Mindestalters automatisch ein größeres Interesse bei den Jugendlichen hervorruft. Nicht ohne guten Grund äußern sich viele Jugendliche in diesem Hohen Hause skeptisch, wenn man eine Absenkung des Wahlalters ins Spiel bringt.

(Jörg Rohde (FDP): So ist es!)

Ein weiterer Punkt, den wir kritisch sehen, ist die Möglichkeit im Antrag der SPD, die Unterschriften online zu sammeln. Hier sehen wir Missbrauchsmöglichkeiten. Wir sehen auch kein Bedürfnis dafür; das geht auch auf dem klassischen Weg. Es ist sinnvoller, bei den bewährten Methoden zu bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich ein Wort zum Antrag der GRÜNEN. Es wurde gesagt, 0,2 % seien kein geeigneter Schwellenwert. Das bezweifle ich. 0,05 % eines jeden Mitgliedstaates ist eine Zahl, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat naturgemäß sehr schwankt. Schauen Sie sich beispielsweise Luxemburg an. Da reichen dann weniger als 200 Unterschriften. Das ist eine andere Situation als in Deutschland, und die meisten EU-Staaten sind kleiner. Und selbst in Deutschland - das ist schon ausgeführt worden - hat sich die 0,2 %-Hürde bewährt. Man sieht es an der bayerischen Regelung. Die bayerische Regelung zur direkten Demokratie hat sich bewährt. Sie ist gut so. Wir sollten sie übernehmen.

(Beifall bei der FDP)

Ein letztes Wort zum Antrag der GRÜNEN. Der Zeitraum für die Sammlung von Unterschriften ist in unserem Vorschlag auf ein Jahr festgesetzt. Wir meinen, dass die Zeit, um Unterschriften zu sammeln, mit einem Jahr gut bemessen ist. Es gibt die Möglichkeit einer

Vorlaufzeit. Das noch auszudehnen, weil man sagt, man brauche zwei Jahre, um Unterschriften zu sammeln, ist, wie ich meine, eher eine Verschleppung des Verfahrens als eine nützliche Verfahrensvorschrift. Deswegen lehnen wir die Anträge der SPD und der GRÜNEN ab. Unser Antrag ist der richtige. Er steht hier nicht zur Diskussion; er wurde im Ausschuss bereits verabschiedet. Wir können den beiden hier vorliegenden Anträgen nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Fischer. Dem Präsidium liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb können wir die Aussprache schließen und in die Abstimmung eintreten.

Ich lasse zunächst über den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/3159 abstimmen. Es handelt sich um die Listennummer 33 in der Anlage. Der federführende Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten empfiehlt auf Drucksache 16/3280 die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der Freien Wähler, der SPD und der GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? - Die Fraktionen von CSU und FDP. Gibt es Enthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Noch abzustimmen ist über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/3241. Das ist die Listennummer 34. Hier empfiehlt der federführende Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten auf Drucksache 16/3281 ebenfalls die Ablehnung. Wer dagegen dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und eine Stimme aus der SPD. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der Freien Wähler. Enthaltungen bitte. - Das ist die Fraktion der SPD. Damit ist dieser Antrag ebenfalls abgelehnt.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Meine Damen und Herren, wir sind noch nicht ganz am Ende. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Maria Noichl, Horst Arnold, Annette Karl u. a. (SPD) betreffend die Einbeziehung der Forstverwaltungen in die Evaluation der Forstreform, Drucksache 16/2754, bekannt. Mit Ja haben gestimmt 61, mit Nein haben gestimmt 93. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Es ist eingeladen bis 18.30 Uhr. Wir könnten uns die Zeit miteinander noch nett vertreiben. Ich gehe aber

davon aus, Sie möchten die Tagesordnung, nachdem sie abgearbeitet ist, jetzt mit dem Sitzungsende krönen. Ich entlasse Sie deshalb in den Feierabend.

(Schluss: 18.07 Uhr)