Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Für die FDPFraktion darf ich nun Herrn Kollegen Prof. Dr. Georg Barfuß das Wort erteilen. Bitte schön.

Herr Präsident, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Letztgültige Wahrheiten gibt es bei einer politischen Entscheidung ohnehin nicht. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass in einem Land, in dem Gott sei Dank die freie Rede gestattet ist, unterschiedliche Argumente zu unterschiedlichen Abstimmungsverhalten völlig normal und legitim sind.

Steuern hinterzieht, wer gegenüber den Finanzbehörden keine, falsche oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuervorteile erlangt. Wir sind uns alle darin einig, dass es sich dabei nicht um ein Kavaliersdelikt handelt. Die vergangenen Ereignisse sind zu verurteilen. All die Herrschaften, die hier zuhören und zuschauen, zahlen Steuern. Wir haben dafür kein Verständnis.

Wenn es nur um diese Geschichte gehen würde, wäre es relativ einfach. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hierbei geht es jedoch auch um den Datenschutz. Eine legale Beschaffung der Daten wäre unbedenklich gewesen. Das Problem besteht darin, dass sich die Juristen über die richtige Entscheidung nicht im Klaren sind. Bevor das Bundesverfassungsgericht keine letztgültige Entscheidung getroffen hat, werden wir weiter streiten und unterschiedliche Meinungen äußern. Jedoch kann keiner dem anderen beweisen, dass er recht hat. Wir sollten jedoch alle versuchen, für den Staat, für den wir arbeiten, das Bestmögliche herauszuholen. Aus diesem Grund sind wir generell dagegen, kriminell erworbene Daten gegen Geld zu erwerben. Dies möchte ich präzisieren. Ich bin der Meinung: Um eine Straftat zu ahnden, darf nicht eine neue begangen werden. Zur Auffindung von Steuersündern heiligt der Zweck die Mittel nicht.

(Beifall bei der FDP - Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

- Ich höre Ihnen gerne zu, Herr Kollege Halbleib. Wenn es nur um Geld ginge, könnten wir das hinnehmen. Stellen Sie sich jedoch vor, es ginge um Leib und Leben. Eigentlich ist die Folter verboten. Eigentlich ist die Todesstrafe verboten. Eigentlich sind diese Dinge alle verboten. Ich weiß, das gefällt Ihnen nicht. Denken

Sie einen solchen Fall jedoch einmal zu Ende. Wo setzen Sie die Grenze? Noch liegt uns keine höchstrichterliche Entscheidung vor. Wir können nur die Meinungen von Juristen heranziehen.

Stellen Sie sich vor, es gäbe eine CD-Rom, auf der Hartz-IV-Empfänger gespeichert wären, die das System missbraucht hätten. Stellen Sie sich vor, diese CD würde ebenfalls einer Behörde angeboten werden. Dies führt dazu, dass der Staat nicht die entsprechenden Leute einstellt, sondern die Daten auf anderem Wege bezieht.

(Beifall bei der FDP)

Wie würden wir vorgehen, wenn Hacker Dateien anzapfen und dem Staat anbieten würden? Die Leute sind sehr erfinderisch. Was würde passieren?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

- Das habe ich gehört. Jeder in diesem Haus ist fraktionsunabhängig davon überzeugt, dass es sich bei der Steuerhinterziehung um eine unsoziale Tat handelt, die nicht akzeptiert werden darf. Sie müssen jedoch abwägen und überlegen, ob bei diesem Vorgehen nicht ein Verstoß gegen das Grundgesetz vorliegt. Als Diplomkaufmann bin ich zwar kein richtiger Jurist, ich habe aber Folgendes gelernt: Kein Handeln ohne Gesetz. Dann sagen Sie mir bitte, auf der Grundlage welchen Gesetzes wir die Daten aufkaufen dürfen. Die Exekutive darf nur dann handeln, wenn sie per Gesetz - also von uns, von einem Parlament - zum Handeln ermächtigt worden ist.

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage beantworten?

Die Zwischenfrage beantworte ich am Schluss. Wenn eine solche Grundlage fehlt, sind dem Staat die Hände gebunden. Deshalb denke ich, dass der Staat nicht auf diese Weise handeln darf. Derzeit vertreten wir nur Meinungen und verfügen über kein letztgültiges Wissen.

Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern sollten nicht auf eine Restrampe gestellt werden. Wir sind zunächst ein Rechtsstaat, selbst wenn mich die Ereignisse genauso ärgern wie Sie. Offensichtlich kommt unser Handeln beim Publikum nicht so gut an. Wir haben über sexuelle Übergriffe diskutiert. Mit einer geschickten Rede könnte man die Todesstrafe in einem solchen Fall für diese Menschen durchsetzen. Dies wollen wir nicht. Wir wollen auf dem Teppich bleiben. Bitte diskutieren Sie sachlich. Es gibt gute Gründe, die Ihre Entscheidungen rechtfertigen. Es gibt jedoch auch gute Gründe, so zu denken wie wir. Das gilt umso

mehr, als immer noch nicht letztrichterlich klar ist, ob die gestohlenen Daten vor Gericht überhaupt zugelassen würden. Dieses Urteil gibt es nicht.

Mir scheint sehr wichtig zu sein, dass der frühere SPDLandtagsabgeordnete Wolfgang Bebber gegen die Kollegen in Baden-Württemberg, weil sie nichts getan haben, mit einer Strafanzeige den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt erhoben hat. Dieser wurde vom Generalstaatsanwalt Stuttgart zurückgewiesen.

Stellen Sie sich einmal vor, wie viel Staatsanwaltschaften recherchieren. Wenn es so eindeutig wäre, dass die Steuerdinge über dem Datenschutz stehen, dann hätten wir die Konsequenzen längst gezogen. Aber unser oberster Datenschützer ist dagegen.

Beides sind hohe Güter: Auf der einen Seite der Datenschutz im Rechtsstaat, auf der anderen Seite die Notwendigkeit, dass der Staat an das Geld herankommt, das er braucht.

Insofern sind wir alle froh, dass das Ressortprinzip gilt, dass also nicht Sie und wir entscheiden, sondern der Finanzminister. Wir sollten mithelfen, hier eine sachliche Diskussion zu führen, statt die einen Kollegen gegen die anderen auszuspielen.

Von der Stimmung her weiß ich genau, dass man sagt: Her mit der Platte! Die wollen wir uns angucken. Aber ich mache mir Sorgen und frage mich, wie es dann in anderen Fällen weitergeht. Deswegen sage ich: Wehret den Anfängen!

Wir lehnen Ihren Antrag nicht deshalb ab, weil wir in Bezug auf das Ziel nicht der gleichen Meinung wären. Wir wollen genauso wie Sie, dass Unerwünschtes abgestellt wird. Aber wir glauben, dass der beschrittene Weg dem Rechtssaat abträglich ist.

Steuerhinterziehung ist eine kriminelle Handlung. Aber bitte nehmen Sie uns ab, dass wir von unserer inneren Überzeugung her nicht anders können, als zu fordern: Recht muss Recht bleiben, auch wenn es schwerfällt. Mir ist es zehnmal lieber - wie gestern mit Liechtenstein geschehen -, ein Doppelbesteuerungsabkommen abzuschließen. Man sollte dieses Verfahren auf die Schweiz ausdehnen und versuchen, die Amtshilfe zu bekommen, wie sie von Liechtenstein schon geleistet wird.

Noch etwas: Vielleicht verlangen wir in unserem Staat tatsächlich zu viel Steuern. Darüber sollte einmal nachgedacht werden.

(Unruhe bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

- Wenn Sie zu wenig zahlen, sollten Sie sich melden.

Jetzt werden zwei Zwischenfragen gestellt. Die erste Zwischenfrage stellt Frau Kollegin Kamm.

Herr Kollege Barfuß, sind Sie der Meinung, dass der Staat Geld für Informationen zahlen darf, wenn sie zur Aufklärung von Straftaten dienen?

Es kommt darauf an. Wenn sich der Staat die Informationen widerrechtlich beschafft, dann bin ich der Meinung, dass er das nicht darf.

Herr Kollege Halbleib, bitte.

Ich habe zwar nicht für den Herrn Innenminister zu reden, aber wenn die Kriminalitätsbekämpfung in unserem Land hieran ausgerichtet würde, dann gute Nacht, liebe FDP und lieber Georg Barfuß!

Bitte werden Sie konkret. Sprechen Sie nicht so pauschal!

Zunächst einmal stelle ich fest: Ihre Begründung bedeutet, dass der Staat nicht mit Ganoven handeln kann. Nach Ihrer Begründung freuen sich gerade die vielen Ganoven, die Steuern hinterzogen haben. Die freuen sich, dass sie, wenn sie bei unserer Sitzung zuschauen, diese Äußerung hören. Die klopfen sich auf die Schenkel. - Das war meine erste Bemerkung.

Die zweite Bemerkung. Ich stelle fest, dass die FDP durch ihren Sprecher im Landtag hier erklärt, dass sie das Vorgehen des Finanzministers im Auge habe. Nach unserer Einschätzung könnte es schneller gehen. Die FDP hält als Teil der Staatsregierung dieses Vorgehen für rechtswidrig. Innerhalb der Staatsregierung haben wir also eine fundamental unterschiedliche Beurteilung des Sachverhalts.

Als Drittes stelle ich fest, dass der stellvertretende Ministerpräsident erklärt, es könne nicht sein, dass der Ankauf von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich beurteilt werde. Der einzige Grund dafür, warum das so ist, liegt darin, dass sich die FDP jeweils der Zustimmung zu einem Ankauf verweigert. Das ist der einzige Grund, warum die Frage in den Bundesländern unterschiedlich beurteilt wird.

Mit meiner vierten Bemerkung spreche ich für Sie. Ich glaube, Sie sollten meinen Ratschlag ernst nehmen. Wenn Sie in dem Zusammenhang weiterhin den Ver

gleich mit Folter und Todesstrafe bringen, dann werden Sie Ihrem Anspruch als Verteidiger des Rechtsstaats und Ihrem Ruf, ein differenziert argumentierender Parlamentarier zu sein, nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Lieber Herr Professor Barfuß, jetzt darf ich Ihnen das Wort zur Erwiderung erteilen.

Herr Kollege Halbleib, Sie haben mir genau zugehört. Ich habe gesagt, dass sich die Juristen streiten und dass eine letztrichterliche Entscheidung des Verfassungsgerichts noch fehlt.

Darüber hinaus sollten Sie zur Kenntnis nehmen: Während der Einsatz verdeckter Ermittler und die Behandlung von Kronzeugen rechtlich klar normiert sind, ist zu fragen - Sie sollten mir das jetzt sagen -, wo es eine Regelung gibt, dass der Staat den Ankauf gestohlener Daten aus fiskalischen Gründen tätigen darf. Wo ist dieses Gesetz? Das gibt es nicht.

Insofern ist es logisch, zu sagen: Es gibt eine Rechtsmeinung hier und eine Rechtsmeinung dort. In der für uns so schwierigen Lage sind wir weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind. Wir versuchen, abzuwägen: Was ist das rechtsstaatliche Prinzip des Datenschutzes wert im Verhältnis zu der Volksstimmung? Die Volksstimmung kenne ich natürlich. Es wäre in Leichtes, zu sagen: Die Mehrheit der Bevölkerung will das so. Aber die Mehrheit der Bevölkerung wollte auch schon die Todesstrafe eingeführt sehen, die von uns niemand will.

(Unruhe bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

- Entschuldigung! Ist das so abwegig, was ich da sage? - Dann kapieren Sie nicht, was die Bevölkerung wollte.

Nach jedem schweren Sexualmord gibt es in der Bevölkerung einen Ruf nach der Todesstrafe. Wir folgen dem aus rechtsstaatlichen Gründen Gott sei Dank nicht.

Genauso warne ich jetzt davor, einfach die Wut der Bevölkerung zu instrumentalisieren, um Wasser auf Ihre Mühle zu bringen.

Wir halten den Rechtsstaat dann für in Ordnung, wenn er sich auch selber an Recht und Gesetz hält. Das tun wir hier. Dazu hat uns die Bevölkerung gewählt. Ihre Leute sind von Ihren Wählern gewählt worden. Wir sind von anderen gewählt worden. Wir stehen zu dem, was

wir vor der Wahl gesagt haben. Dies gilt für uns auch nach der Wahl: Der Rechtsstaat ist uns heilig.

Für die Bayerische Staatsregierung gebe ich nun Herrn Staatssekretär Franz Josef Pschierer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Halbleib, ich will mich mit ein paar Vorwürfen kritisch auseinandersetzen, die Sie vorhin erhoben haben.

Der erste Vorwurf ging in Richtung des Herrn Ministerpräsidenten. Ich kann Ihnen dazu ganz klar sagen: Da ist nichts zurückzunehmen. Der Ministerpräsident hat sich, was dieses Thema angeht, klar geäußert. Er hat gesagt: Ich bin für den Ankauf dieser CDs, aber Voraussetzung ist, dass das fiskalisch ergiebig und rechtlich zulässig ist. Diese Position galt damals und gilt auch heute.