Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Will. Mir liegen noch zwei weitere Wortmeldungen vor.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))

- Eine Frage? - Sie stellen mich vor Probleme. Frau Kollegin Will hat schon gar keine Redezeit mehr. - Also, Frau Kamm, bitte.

Frau Will, Sie haben gesagt, Sie bräuchten gute Daten, damit Sie Schüler besser fördern können. Ist Ihnen denn nicht bewusst, wie viele Kinder Sprachförderung brauchen und in wie vielen Kreisen und Städten es eben kein ausreichendes Angebot an Sprachförderung gibt?

Genau deshalb, weil uns das bekannt ist, will ich wissen, welche Maßnahmen notwendig sind. Ich kenne die Defizite, und genau deshalb will ich das.

Vielen Dank, Frau Will. Jetzt hat Herr Pfaffmann das Wort, und dann Herr Staatsminister Spaenle. Im Übrigen scheint dieses Thema im Gesetzgebungsverfahren bis zur Zweiten Lesung noch einigen Stoff zu beinhalten. Bitte schön, Herr Pfaffmann.

Herr Präsident! Selbstverständlich werden wir das im Ausschuss ausführlich beraten. Ich habe sehr aufmerksam zugehört und die Argumente aufgenommen. Ich bin sehr gespannt, wie das im Ausschuss diskutiert wird.

Eines möchte ich schon gerne anmerken. Wir haben Daten aus der Pisa-Studie; wir haben Daten aus vielen überregionalen Studien; wir haben einen bayerischen Bildungsbericht; wir haben viele Einzeluntersuchungen. Alle Untersuchungen - das wüssten Sie, liebe Frau Wild, wenn Sie sie gelesen hätten

(Tobias Thalhammer (FDP): Will, mit "ll"!)

ergeben immer das gleiche Bild. In Bayern gibt es eine Bildungsungerechtigkeit, zu wenig Schulsozialarbeit, es besteht ein Bedarf an individueller Förderung, ein Bedarf an Integrationsmaßnahmen gerade für die Migrantenkinder, und die Sprachförderung passt nicht. Nahezu alle Daten liefern das gleiche Ergebnis.

Liebe Frau Kollegin Will und liebe gesamte FDP-Fraktion, es wäre mir lieber, wenn wir dazu übergehen

würden, diese Daten zu konkreten Handlungen zu nutzen,

(Beifall bei der FDP)

anstatt immer dann, wenn man Daten hat, weitere Daten zu fordern, gewissermaßen um zu beweisen, dass die 100 Daten vorher alle richtig sind. Wir verlieren damit unendlich viel Zeit, und dafür sind Sie verantwortlich, weil Sie in der Koalition eben nicht für Konsequenzen sorgen. Sie geben sich dafür her, immer neue Daten zu verlangen und verhindern in diesem Hause echte Konsequenzen. Das ist das Problem der FDPFraktion.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf an Ihre Redezeit erinnern.

Ich bin gleich fertig. Ich würde Sie im Hinblick auf die Ausschussberatungen wirklich bitten, darüber nachzudenken. Vielleicht könnten wir auf Daten verzichten und endlich einmal echte Maßnahmen diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Pfaffmann. - Bitte, Herr Staatsminister Spaenle.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich verstehe ja, dass Sie sich ärgern. Ihr Verhalten ist der Versuch, platt und eindimensional an der Wirklichkeit vorbei zu agieren und Schreckensbilder an die Wand zu zeichnen, die durch den völlig neuen, bundesweit einmaligen Weg, den die Koalition eingeschlagen hat, völlig uninteressant sind. Mit der Definition des datenschutzrechtlichen Niveaus und mit klaren Bestimmungen, wer wann zu welchem Zweck und in welcher Form mit diesem Datenmaterial umgehen darf, hat die Koalition eine in dieser Form einmalige Grundlage geschaffen. Sie versuchen völlig vergeblich, einen Popanz des gläsernen Schülers aufzustellen.

Die Unkenntnis über den Umgang mit solchen Daten, die Sie an den Tag legen, und die Banalität, mit der Sie dieses Thema hier behandeln, lässt auf das Niveau der Beratungen im Ausschuss hoffen.

Natürlich müssen wir kumulierte, anonymisierte, im Range einer Landesstatistik stehende Daten für alle Entscheidungen mit erheblicher finanzieller Tragweite zur Verfügung haben, und zwar bei angemessenem Datenschutz und passend für operative Möglichkeiten. Wir brauchen auch ein Höchstmaß an Sicherheit im Umgang mit personenbezogenen Daten, die in und zwi

schen Schulen ausgegeben werden. Wir sollten eine fach- und sachbezogene Debatte im Ausschuss führen, anstatt hier Verunsicherung zu schüren, für die es keinerlei Grundlage gibt.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. - Damit besteht Einverständnis. Wir haben das so beschlossen.

Wir haben eine Mittagspause während der heutigen Plenarsitzung verabredet. Ich schlage Ihnen vor, dass wir noch Tagesordnungspunkt 3 j) aufrufen und zu Ende führen und anschließend die Mittagspause einlegen.

Damit rufe ich auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über den Schutz vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen (Drs. 16/3928) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Von Frau Kamm wird damit gleich die Aussprache eröffnet. Bitte schön, Frau Kollegin Kamm.

(Unruhe)

Ich darf um Ruhe bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gentests, insbesondere prädikative Gentests, können einen gravierenden negativen Einfluss auf die zukünftige Lebensplanung und Lebensführung eines Betroffenen haben. Gentests können zwar sehr viel über einen Menschen aussagen, in der Regel jedoch nicht sehr viel von dem, was für ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis von Relevanz ist. Vor diesem Hintergrund haben wir - und nicht nur wir, sondern auch die breite Öffentlichkeit - sehr betroffen reagiert, als klar geworden ist, dass beispielsweise auch beim Bayerischen Rundfunk die Bewerberinnen und Bewerber einem Gentest unterzogen worden sind.

Ein Gendiagnostikgesetz war seit Langem überfällig. Seit Mitte des letzten Jahres ist es da, am 1. Februar 2010 ist es in Kraft getreten. Auch wenn wir die eine oder andere Ausnahme in dem Gesetz für problema

tisch halten, beispielsweise in Bezug auf die Versicherungswirtschaft und die Forschung, gilt es jetzt, das Gesetz und insbesondere seine Grundsätze in Bezug auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitswelt anzuwenden. Diese Grundsätze lauten: Keiner darf wegen seiner genetischen Veranlagung diskriminiert werden. Jeder hat das Recht auf das Wissen, aber auch auf das Nichtwissen. Gentests müssen die absolute Ausnahme bleiben, und sie dürfen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein.

In Bezug auf das Arbeitsleben regelt das Gendiagnostikgesetz, dass der Arbeitgeber weder vor noch nach Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen verlangen darf. Er darf auch nicht die Herausgabe von Ergebnissen vorhergehender gentechnischer Analysen anfordern. Ausnahmen soll es nur geben, wenn es bei der Beschäftigung eines Arbeitnehmers an einem bestimmten, sehr gefahrengeneigten Arbeitsplatz oder mit einer bestimmten Tätigkeit zu sehr schwerwiegenden gesundheitlichen Störungen oder zu Gefahren für die Allgemeinheit kommen kann.

Das Gendiagnostikgesetz hat bezogen auf die Arbeitswelt einen Nachteil, und zwar sind die Beamtinnen und Beamten der Länder und Kommunen sowie die Richterinnen und Richter der Länder von den arbeitsrechtlichen Schutzstandards ausgeschlossen. Das ist eine Gesetzeslücke, die wir als Landesgesetzgeber schließen können und schließen müssen. Wir wollen Sie daher mit Blick auf unseren Gesetzentwurf bitten, die Ungleichbehandlung zu beenden und für Beamtinnen und Beamte des Freistaates Bayern und der Kommunen Bayerns sowie für Richterinnen und Richter dieses Gendiagnostikgesetz in gleicher Weise anzuwenden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit wird nach der Berichterstattung die Aussprache eröffnet. Erster Redner ist Herr Kollege Seidenath.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lässt sich sehr knapp darstellen, wie die Regierungsfraktionen zum vorliegenden Gesetzentwurf über den Schutz vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen stehen: Das Anliegen ist richtig, aber die von Ihnen vorgeschlagene Ausführung ist falsch.

Richtig ist, dass die Anforderungen, die das neue Gendiagnostikgesetz des Bundes für das Arbeitsleben aufstellt, auch für die Beamtinnen und Beamten des Freistaates Bayern gelten sollen. Zweck des Bundesgesetzes ist es - das ist von Ihnen, Frau Kollegin Kamm, richtig dargestellt worden -, zu regeln, unter welchen

Voraussetzungen genetische Untersuchungen erfolgen dürfen, und zu verhindern, dass eine Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften stattfindet. Das ist das Ziel des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen, das seit dem 1. Februar 2010, also seit rund sechs Wochen, in Kraft ist.

Es geht hier um Rechtsgüter wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und es geht letztlich um die Menschenwürde. Deshalb ist es in Bayern schon heute tabu, im öffentlichen Gesundheitswesen genetische Untersuchungen vorzunehmen. Dennoch ist es richtig - das gebe ich gern zu -, dies auch klarstellend gesetzlich zu normieren. Das aber sollten und werden wir anders tun, als von Ihnen, Frau Kamm, vorgeschlagen; denn das Bundesgesetz gilt schon jetzt seinem Wortlaut nach unmittelbar für die Bewerberinnen und Bewerber und die Beamtinnen und Beamten, die aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sind. Deswegen ist die Nummer 2 in Ihrem Gesetzentwurf überflüssig. Es bleibt die Notwendigkeit einer Regelung für die aktiven Beamtinnen und Beamten. Hier wäre es allerdings systematisch verfehlt, ein eigenes Gesetz mit nur einem Paragrafen zu schaffen. Stattdessen sollten wir die Angelegenheit lieber dort regeln, wo die Beschäftigungsbedingungen der bayerischen Beamten insgesamt geregelt sind, nämlich im Bayerischen Beamtengesetz.

Wir novellieren das Gesetz gerade im Rahmen des neuen Dienstrechts, in § 4. Dort sind wir in den Beratungen des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes noch nicht angelangt; die Diskussionen stehen also noch bevor. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden einen entsprechenden Änderungsantrag einbringen. Wir wollen gemeinsam mit der FDP einen Artikel 99 Absatz 3 des Bayerischen Beamtengesetzes ergänzen. Dort gehört das Thema hin, dort ist es systematisch richtig angesiedelt. Ich kann Ihnen schon einmal die Formulierung vortragen, die wir vorschlagen werden. Sie wird lauten: "Die für Beschäftigte geltenden Vorschriften des Gendiagnostikgesetzes gelten für Beamtinnen und Beamte im Sinne dieses Gesetzes entsprechend."

(Christine Kamm (GRÜNE): Und die Richter?)

- Frau Kamm, die Richterinnen und Richter sind durch die Verweisung im Richtergesetz automatisch erfasst.

Noch eine kurze Anmerkung zur Nummer 3 des Gesetzentwurfs: Sinn macht die Regelung, wie Sie sie vorsehen, nicht; denn Sie sehen sie für alle Organisationen vor. Eine solche Regelung macht nur Sinn für solche Organisationen, die auch dienstherrnfähig sind. Diese Einschränkung fehlt, aber sie wäre notwendig.

Das Problem haben wir mit unserer Formulierung elegant gelöst.

Deshalb, meine Damen und Herren, noch einmal meine Wertung vom Anfang: Ihr Anliegen - unser Anliegen ist richtig, aber die von Ihnen vorgeschlagene Ausführung ist falsch. Vielleicht sehen Sie das auch so, wenn wir im Ausschuss über unseren Änderungsantrag und Ihren Gesetzentwurf sprechen. Wenn Sie das nicht so sehen, müssen wir Ihren Gesetzentwurf aus den von mir genannten Gründen ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Stachowitz. Ihr folgt Herr Kollege Meyer. Frau Kollegin, bitte schön.