Protokoll der Sitzung vom 23.03.2010

Das ganze Reformwerk ist Flickwerk. Genauso war das schon beim G 8. Meine herzliche Bitte zum Schluss: Lassen Sie die Finger davon! Lassen Sie die Menschen endlich konstruktiv darüber diskutieren, welche Schule in Bayern vernünftig ist und welche nicht. Sicherlich ist das nicht die Schule, die Sie als gute Schule verkaufen wollen. Ihre Haltung ist ideologisch geprägt. Die FDP war vor der Landtagswahl noch mit großen Versprechungen unterwegs. Ich habe noch im Ohr, was Frau Will auf jeder Podiumsdiskussion gesagt hat. Das waren Versprechungen über Versprechungen: Wir werden Ganztagsschulen einführen; wir werden die Schüler sechs Jahre gemeinsam lernen lassen. - Was haben Sie alles versprochen!

(Jörg Rohde (FDP): Gut Ding will Weile haben!)

Nichts haben Sie bisher umgesetzt, gar nichts!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt beraten wir den Nachtragshaushalt, und dann kommt der Doppelhaushalt. Dann ist die Legislaturperiode finanzpolitisch zu Ende, und Sie werden nichts von Ihren Versprechungen eingelöst haben. Die größte Enttäuschung in dieser Koalition ist die FDP, weil sie das Blaue vom Himmel versprochen und nichts gehalten hat. Von der CSU wissen wir schon länger, dass sie viel verspricht und nichts hält. Das ist nichts Neues. Die FDP ist hinzugekommen und macht dieses traurige Spiel mit. Deswegen richte ich an Sie die herzliche Bitte: Versuchen Sie endlich, die drängenden Probleme in den Fokus Ihrer Politik zu nehmen und nicht den Erhalt überkommener Schulstrukturen in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Für die CSU-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Taubeneder das Wort erteilen. Für Sie wurden auch zehn Minuten Redezeit beantragt. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns über dieses Thema schon sehr oft unterhalten. Sie bringen immer wieder dieselben Argumente.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Weil Sie immer wieder dieselben Fehler machen!)

Herr Pfaffmann, wir folgen nicht blind der Bayerischen Staatsregierung,

(Zuruf von der SPD: Sie sind beratungsresistent!)

sondern wir alle, die wir im Bildungsausschuss tätig sind, haben uns intensiv mit der Entwicklung der Mittelschule auseinandergesetzt. Wir stehen zu dieser Mittelschule. Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Es gibt kein Mittelschulchaos.

(Harald Güller (SPD): Da fragen Sie einmal die Bürgermeister vor Ort!)

- Ich war einer. Bisher hat es noch keine Strukturänderung im Bildungssystem gegeben, die so intensiv begleitet und so basisorientiert umgesetzt wurde wie jetzt die Mittelschule, die auch permanent weiterentwickelt wird.

(Beifall bei der CSU)

Der Begriff "Mittelschulchaos" ist eine böse Unterstellung, die wieder dazu beiträgt, dass die Hauptschule negativ dargestellt wird. Darin sind Sie Meister.

(Beifall bei der CSU)

Die Schullandschaft steht in Bayern vor vielfältigen Herausforderungen. Das gilt insbesondere für unsere Hauptschulen. Wie ist denn die Ausgangslage? - Zurzeit besuchen circa 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Hauptschule. Leider stehen wir vor dem Problem der rückläufigen Schülerzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung. In diesem Schuljahr gibt es an bayerischen Hauptschulen noch 230.000 Schüler, in zehn Jahren, im Schuljahr 2019/2020 werden es nur noch 180.000 sein.

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Punkt, nämlich die Schulwahl der Eltern, die die Hauptschulen oftmals ausblenden. Ein Problem sind außerdem die veränderten Anforderungen der Gesellschaft und der Wirtschaft.

Wenn wir vonseiten der Politik auf diese Problemlagen reagieren - und das müssen wir -, dann müssen wir die richtige Antwort geben, und für uns ist die richtige Antwort die bayerische Mittelschule. Diese wird nicht etwa von oben aufgesetzt, sondern in einem Dialogverfahren im Rahmen einer völlig neuen Entscheidungskultur entwickelt.

Die Schüler, die jetzt an der Hauptschule und in Zukunft an der Mittelschule sind, erhalten an dieser Mittelschule eine intensive Berufsorientierung - das Alleinstellungsmerkmal der neuen Mittelschule - mit einem vertieften Praxisbezug und einer starken Handlungsorientierung.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Modularisierung, das hatten wir doch alles schon; auch das haben Sie nicht gemacht!)

- Natürlich haben wir das gemacht.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin - Zurufe von der SPD)

- Herr Dr. Beyer, Sie müssen nichts sagen, wenn Sie sich nicht auskennen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Dadurch werden die Hauptschüler stark für den Beruf, was unser aller Anliegen ist. Sie erhalten bessere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt. Das geschieht im Rahmen von drei berufsorientierten Zweigen, nämlich Technik, Wirtschaft und Soziales, durch einen praxisorientierten, vertieften Unterricht. Darüber hinaus wird eine systematische Zusammenarbeit mit der Berufsschule, mit der regionalen Wirtschaft und der Arbeitsagentur angestrebt und durchgeführt. Dabei sollen in Zukunft auch Schul-Wirtschafts-Lehrer eingesetzt werden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin - Eva Gottstein (FW): Das passiert doch jetzt schon!)

- Teilweise noch nicht.

Die Mittelschüler erhalten eine individuelle modulare Förderung mit begabungsgerechten Abschlüssen. In Zukunft gibt es neben dem Qualifizierenden Hauptschulabschluss den Praxisklassenabschluss und die Möglichkeit eines mittleren Schulabschlusses auf dem Niveau von Real- und Wirtschaftsschule. Das möchte ich betonen; denn damit werden unsere Mittelschüler stark im Wissen - ein weiterer wesentlicher Punkt.

Wissen und Können gewinnen ihre Bedeutung aber erst dadurch, dass sie in verantwortliches Handeln münden. Das ist das dritte Merkmal: Schüler werden stark als Person, und zwar durch Werteerziehung auf der einen Seite und vielfältige Persönlichkeitsbildung auf der anderen Seite für eine gerechte Teilhabe an unserer Gesellschaft. Dies geschieht - das ist ein Kernelement - durch das Klassenlehrerprinzip, das das zentrale pädagogische Element der neuen Mittelschule ist.

Ziel ist die Sicherung der Selbst- und Sozialkompetenz durch Übernahme sozialer Verantwortung, Kooperations- und Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Einhaltung vereinbarter Regeln und Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Menschen.

Darüber hinaus werden besondere Maßnahmen zur Integration ergriffen. Bei Migrationshintergrund gibt es eine besondere Förderung im Deutschunterricht zum besseren Erwerb der deutschen Sprache. Außerdem wird die Bildung kleinerer Klassen bereits in diesem Schuljahr umgesetzt. Bei einem Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund von 50 % werden die Klassen nicht mehr als 25 Schüler haben.

Eine weitere wichtige Begleitmaßnahme, um den Schüler als Person stark zu machen, ist die Jugendsozialarbeit an unseren Schulen, die an unseren Hauptschulen zum Teil schon flächendeckend eingeführt wurde.

(Eva Gottstein (FW): Dafür braucht man keine Mittelschule!)

In diesem Zusammenhang darf ich dem Sozialministerium danken, das die Einführung der Jugendsozialarbeit an Schulen mit Vehemenz vorantreibt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ein weiteres wesentliches Element ist die Ganztagsbetreuung. Die offene Ganztagsbetreuung haben wir hier in diesem Schuljahr kostenfrei gestellt, was ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war. Denn damit öffnen wir die Schulen für alle Schüler. Ich besuche viele Schulen. Dort ist mir übereinstimmend erklärt worden, dass sich die Ganztagsbetreuung sehr positiv auf die Leistungen und das Sozialverhalten der Schüler auswirkt.

Bei der Weiterentwicklung der Hauptschule zur Mittelschule geht es nicht nur um ein neues Türschild, wie Herr Pfaffmann behauptet hat, sondern um eine qualitative Fortentwicklung der Hauptschule.

(Zuruf von der SPD)

Deswegen dürfen sich auch nur die Schulen Mittelschulen nennen, die drei berufsorientierte Zweige aufweisen, ein Ganztagsangebot bereithalten und einen mittleren Schulabschuss auf dem Niveau von Wirtschafts- und Realschulen garantieren. Darüber hinaus müssen diese Schulen mit der Berufsschule, der heimischen Wirtschaft und den Arbeitsagenturen kooperieren. Die individuelle modulare Förderung im Klassenverbund in den fünften und sechsten Klassen muss an allen Standorten gegeben sein.

Der Start 2010/2011 ist bestens vorbereitet. Die Dialogforen laufen sehr gut, sogar blendend.

(Lachen bei der SPD - Harald Güller (SPD): Das ist Realsatire!)

Ich weiß, dass Sie immer kritisieren, da würde zu harmonisch miteinander gesprochen. Die Leute sind doch nicht im Bayerischen Landtag, sondern sie sind in einer Versammlung, wo sie sich austauschen können.

(Harald Güller (SPD): Da gab es in Schwaben aber eine deutliche Aussprache, dass Ihr Konzept Mist ist!)

Meine Damen und Herren, Ziel der neuen Mittelschule ist, Qualität in Wohnortnähe anzubieten. Es geht uns um ein wohnortnahes, differenziertes und gerechtes Bildungssystem. Wir dürfen nicht den Standort an erster Stelle sehen, sondern wir müssen den Schüler in den Mittelpunkt stellen. Ihm müssen wir ein breites Angebot zur Verfügung stellen, wozu es auch der Verbünde und Zusammenschlüsse bedarf. Auch das ist in vielen Bereichen bereits vollzogen. Aus meiner Sicht gibt es hier keine besonderen Probleme.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wichtig ist, dass die Entscheidung vor Ort getroffen wird. Es wird kein Zwang ausgeübt, und es wird auch kein Zeitdruck ausgeübt. Wenn die neue Schulart an einem bestimmten Ort in diesem Schuljahr nicht eingeführt werden kann, dann wird sie eben erst im nächsten oder im übernächsten Schuljahr eingeführt.

Zur Finanzierung ist zu sagen, die Lehrer werden, wie Sie wissen, vom Freistaat Bayern gestellt. Der notwendige Sachaufwand wird von den Kommunen getragen. Diese erbringen die Leistung, weil sie ihre Schulen weiterentwickeln wollen.

Nun möchte ich noch ein paar Richtigstellungen betreffend den Schülertourismus vornehmen. Den Schülertourismus, den Sie immer anführen, gibt es nicht. Möglicherweise wird es notwendig sein, dass sich die Schüler an einem bestimmten Praktikumstag bewegen. Bedenken Sie aber, dass die Schüler dann, wenn es die Schule nicht mehr gäbe, jeden Tag fahren müssten. Zu weiterführenden Schulen müssen die Schüler im Übrigen auch immer fahren. Das Argument kann also nicht zählen.

Die Mittelschule ist alternativlos. Wir werden auf unserem Weg, sie voranzubringen, weiterschreiten und die nötigen Voraussetzungen schaffen. Die Verbändeanhörung läuft. Das Gesetzgebungsverfahren wird eingeleitet.