Protokoll der Sitzung vom 14.04.2010

Wir sollten die Atomkraft nicht immer verteufeln. Wir sollten sie als Chance auf den Weg zu den erneuerbaren Energien begreifen. Dazu liegen diverse Vorschläge vor, die besagen, dass zusätzliche Gewinne den erneuerbaren Energien zugute kommen.

Außerdem ist der FDP ein weiterer Punkt sehr wichtig. Wenn wir von der Kernenergie sprechen, bezeichnen wir diese immer als eine Brückentechnologie auf dem Weg zu erneuerbaren Energien. Herr Dr. Fahn, Sie haben mit Ihrer Andeutung recht. Eine Brücke darf weder zu kurz noch zu lang sein. Meine Damen und Herren, die Bürger unseres Landes und die kommenden Generationen können sich darauf verlassen, dass wir als FDP im Bayerischen Landtag kein überholtes Gedankengut verwalten, sondern dass wir für Innovationen eintreten. In diesem Hause sitzen Leute mit Visionen. Als jüngster Abgeordneter träume ich davon, dass ich eine dezentrale Energieversorgung aus erneuerbaren Energien hier in Bayern noch erleben werde.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Wir als FDP hatten und haben drei Ziele. Wir wollen eine gesicherte Energieversorgung. Wir wollen eine bezahlbare Energieversorgung. Außerdem wollen wir eine umweltverträgliche Energieversorgung mit dem ganz klaren Ziel vor Augen: Erneuerbare Energien.

(Beifall bei der FDP)

Zum Schluss hat sich für die Staatsregierung Herr Staatsminister Zeil zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zur Kernenergie hat sich innerhalb kurzer Zeit

oft wiederholt. Deswegen bleibt es nicht aus, dass uns viele Argumente bereits bekannt vorkommen. Aus diesem Grund will ich mich heute auf drei Punkte konzentrieren.

Sie haben behauptet, wir hätten die Bevölkerung im Unklaren über unsere Pläne und Absichten gelassen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die beiden Parteien, die die Staatsregierung tragen, vor der Landtagswahl 2008 sehr deutlich gesagt haben, wie sie über diese Frage denken und dass sie sich aus Verantwortung für unser Land für die Verlängerung der Laufzeit aussprechen.

(Beifall bei der FDP)

Die Parteien, welche die Bundesregierung bilden, sind im letzten Bundestagswahlkampf sehr deutlich für diese Ziele eingetreten und haben dafür auch ein eindeutiges Mandat von der bayerischen Bevölkerung erhalten. Dieser Weg muss nun konsequent gegangen werden. Anders als im Antrag behauptet wird, verhindert eine Laufzeitverlängerung den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht. Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wird durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz vorangetrieben. Das ist ein Grundsatz, den niemand ändern will. Die vorrangige Einspeisung der erneuerbaren Energien bleibt auch in diesem Gesetz erhalten. Eine Blockade wäre schon rein rechtlich gar nicht möglich.

Zudem gibt es keinen technischen Widerspruch zwischen der erneuerbaren Energie und der Kernenergie. Herr Kollege Reiß hat dies bereits angesprochen. Kernkraftwerke können besser als Kohlekraftwerke geregelt werden. Sie können dazu beitragen, die fluktuierende Einspeisung von Wind- und Solarstrom auszugleichen. Außerdem ist es die feste Absicht sowohl der Bayerischen Staatsregierung als auch der Bundesregierung, einen großen Teil der Zusatzgewinne durch die Laufzeitverlängerung der energietechnischen Forschung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz zur Verfügung zu stellen.

Herr Staatsminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Herr Staatsminister, Sie haben gerade angesprochen, dass die Kernkraftwerke gut zu regulieren seien, da sie auf die Schwankungen reagieren könnten. Können Sie erklären, warum es in der vergangenen Zeit immer wieder zu negativen Strompreisen gekommen ist, die nicht minutenweise, sondern bis zu acht Stunden am Stück abgerechnet worden sind? Die Versorger müssen darüber hinaus

Geld drauflegen, damit der Strom abgenommen wird. Warum werden die Anlagen nicht heruntergefahren, um Geld zu sparen? Angeblich sind die Anlagen doch so gut regelbar. Warum werden zwei Anlagen auf 30 % gedrosselt, anstatt eine Anlage komplett herunterzufahren oder nur auf 10 % zu drosseln? Warum ändert sich das nicht, wenn die Anlagen doch so leicht regelbar sind? Sie sind nicht so leicht regelbar wie moderne Gaskraftwerke.

Herr Kollege, die immer wieder auftretenden Schwankungen sind offenkundig und werden nicht in Abrede gestellt. Wir sind alle für erneuerbare Energien. Dies ist in diesem Hause unstrittig. Allerdings sind nur wenige der erneuerbaren Energien grundlastfähig. In einem Industrieland wie Bayern muss deshalb sichergestellt werden, dass wir über ausreichend grundlastfähige Energien verfügen. Ihr Argument widerspricht nicht meiner These, die besagt, dass wir regelbare Energien benötigen. Wir wissen alle, dass der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint. Im Gesamtsaldo müssen diese Schwankungen ausgeglichen werden.

Lassen Sie mich das Thema Endlagerung ansprechen. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung endlich im Gegensatz zu ihren Vorgängern den Erkundungsstopp für Gorleben aufgehoben hat. Ich gebe Ihnen völlig recht, dass wir in diesem Punkt weiterkommen müssen. Dieser Aufgabe muss sich jeder stellen, egal ob er für die Laufzeitverlängerung und die Kernkraft ist oder nicht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4455 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der Freien Wähler, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte Sie, Gegenstimmen anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Enthaltungen sehe ich keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 Nummer 4 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FW)

Siemens Bad Neustadt: Arbeitsplätze mit Nachdruck erhalten (Drs. 16/4456)

Ich eröffne die Aussprache. Den ersten Redebeitrag möchte Herr Aiwanger leisten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsplatzsituation bei der Siemens AG in Bad Neustadt ist für die betroffenen Menschen schwierig. Ein Damoklesschwert schwebt über deren Köpfen. Die Betroffenen haben Zukunftsängste. Vor wenigen Tagen habe ich mit dem Bürgermeister, dem dortigen Landrat und natürlich mit der Belegschaft gesprochen. Sie fühlen sich verlassen, vergessen und verraten. Warum? Sie sagen: Wir haben volle Auftragsbücher. Wir kommen mit der Produktion nicht hinterher. Wir müssen sogar Aufträge des Werkes in Tschechien abarbeiten, die dort nicht bearbeitet werden können.

Es geht um die Frage, wohin die Produktion verlagert werden soll. 840 Arbeitsplätze hängen in der Luft. Die Leute sagen: Wenn wir ein Produkt hätten, das nicht zu verkaufen ist, dann wäre das etwas anderes; aber warum wird hier geschlossen, obwohl wir produktiv und rentabel arbeiten?

Herr Russwurm von Siemens und Herr Lösch scheinen nicht die nötige Sensibilität an den Tag zu legen. Herr Russwurm hat im Telefonat mit dem dortigen Landrat gesagt, die regionalen Auswirkungen seien nicht sein Problem.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer hat gesagt, er habe für die Verlagerung Verständnis. Das ist dann aber mit Sicherheit nicht die geistige Grundlage dafür, das Unternehmen dahin zu drängen, wirklich etwas zu tun. Wenn das Unternehmen erkennt, dass nicht einmal die Politik massiv darauf drängt, zu retten, was zu retten ist, dann werden die Leute dort sagen: Dann können wir den Schritt tun, der uns - wahrscheinlich - von Unternehmensberatern vorgerechnet worden ist. Ob sich die Verlagerung rentiert, wird sich zeigen müssen.

Wie gesagt, es fehlt das politische Verständnis für die Situation. Das Problem ist, dass die politisch Verantwortlichen dort - Bürgermeister, Landrat - sagen, es passiere zu wenig.

Jetzt kann man vielleicht wieder sagen: Der Aiwanger malt den Teufel an die Wand; es ist alles ganz anders. Aber ich habe das im Verhältnis 1 : 1 wiedergegeben, wie es mir gesagt wurde.

Es kam auch die Frage, was Wirtschaftsminister Zeil in der Sache getan hat. Darauf ist beschönigend gesagt worden: Nichts. Ich bin überzeugt, dass der Wirt

schaftsminister jetzt die Zeit nutzt, darzustellen, was er getan hat.

Ich sage noch einmal: Bisher wurde zu wenig getan. Die Belegschaft fühlt sich im Stich gelassen. Die Politik muss der Betriebsführung zumindest ins Gewissen reden und sie auffordern, ihre Entscheidung zu überdenken. Ich bin auch überzeugt, dass die Politik hier nicht völlig machtlos ist und mit leeren Händen dasteht. Mit Sicherheit kann man Entscheidungen treffen, die das Unternehmen bestärken, seine Position hier zu halten.

Wenn sich die Politik auf Dauer heraushält und die Unternehmen erkennen, dass es der Politik egal ist, was in der Region passiert, dann wird das Pendel irgendwann zurückschlagen, und sowohl die Öffentlichkeit als auch die lokale Politik werden sagen: Jawohl, wir sind euch bisher in vielen Dingen, ob das nun die Abgassituationen oder baurechtliche Fragen sind, wirklich so weit, wie es geht, entgegengekommen. Eines Tages wird dann die Politik sagen: Wenn ihr euch für die Region nicht verantwortlich fühlt, werden die Politik und die Öffentlichkeit den Unternehmen nicht mehr die bisherige Unterstützung entgegenbringen.

Herr Aiwanger, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Barfuß?

Bitte schön.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Da ich nicht so informiert bin wie Sie, habe ich zwei Fragen:

Erstens. Haben Sie einmal mit der Betriebsleitung darüber gesprochen, warum sie das macht? Ich weiß darüber nicht Bescheid.

Zweitens. Was haben Sie selber bzw. was hat Ihre Gruppierung getan, um dort zu helfen?

Wir sind nicht an der Regierung. Das ist meine Antwort

Aber vorhin habe ich mit dem Herrn Ministerpräsidenten und mit Herrn Zeil gesprochen. Die haben gesagt, sie seien massiv daran, Hilfen in die Wege zu leiten. Ich bin überzeugt, dass sie uns anschließend sagen werden, was sie tun.

Wenn ich der Öffentlichkeit sage, dass ich für die Entscheidung Verständnis hätte, dann entziehe ich mich jeglicher Verantwortung. Das ist so, als ob ich sagte: Die können tun, was sie wollen; ich als Politiker mache den Haken dahinter und finde die Situation okay. Wenn ich sage, dass ich Verständnis hätte, beginge ich einen

schweren politischen Fehler. Ich muss auf das Unternehmen einwirken und kann nicht akzeptieren, dass man dort sagt: Die Auswirkungen auf die Region interessieren uns nicht. Dann wird man natürlich in weitere Gespräche eintreten. Und man wird wahrscheinlich aus berufenerem Munde hören, was angeleiert wird.

Die politische Bankrotterklärung, die darin besteht, sich mit der Situation abzufinden, können wir so nicht stehenlassen.

(Beifall bei den Freien Wählern - Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Und was ist mit der Frage, ob Sie mit der Belegschaft gesprochen haben?)

- Ich habe mit der Belegschaft gesprochen.

Wir fahren in der Liste der Wortmeldungen fort. Ich bitte Herrn Dr. Weiß nach vorn.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aiwanger, ich habe mich heute Morgen über den Antrag eigentlich sehr gefreut, nicht nur für die Menschen in meiner Region, sondern auch weil mir der Inhalt vertraut vorkam. Ich habe mir gedacht: Sie haben meine Rede von vor sechs Wochen abgeschrieben.

Man muss das, was ich damals in diesem Hause gesagt habe, allerdings auch ein bisschen verstehen. Ich kann nicht ganz so stehen lassen, was Sie daraus gemacht haben.

Was trifft den Kern? Die Zukunftssorgen der Menschen sind das, wo es in der Region brennt. Was man aus dem, was ich vor sechs Wochen gesagt habe, nicht machen darf, ist eine fundamentale Kapitalismuskritik. Es gibt ja Reden in einer Richtung, wo es heißt: Siemens macht als Konzern insgesamt zwei Milliarden Euro Gewinn; da darf man nicht solche betriebswirtschaftlichen Maßnahmen einleiten, wie sie in Rede stehen. Aber ein Betrieb muss, wenn es irgend geht, in jeder Sparte Gewinn machen. Das ist Aufgabe des Managements.

Der wahre Kern des Antrags liegt in Folgendem: Ein Konzern wie Siemens wird immer zusehen, wo er seine Leistungen am günstigsten produziert. In diesem Zusammenhang halte ich die Ausdrücke "bestehende Produktlinien" und "neue Produktlinien" für wichtig. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie auch die Regionalverträglichkeit genannt hätten; denn es geht wirklich um die Verträglichkeit in der Region.