Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

Kollegen! Google Street View kommt nicht erst jetzt in die Schlagzeilen, und wenn man das aktuelle Datendebakel bei Google sieht, dann kann man nur sagen: zu Recht. Wie kann es passieren, dass man versehentlich sogenannte Nutzdaten aus offen zugänglichen WLAN-Funknetzen speichert? Nicht drei Tage lang, wie man hört, nicht drei Wochen lang, auch nicht drei Monate lang, sondern drei Jahre lang. Das Argument, das sei nicht vorsätzlich geschehen, ist keine Rechtfertigung; denn die Schlamperei, die dahintersteckt, ist mindestens ebenso erschreckend.

(Beifall bei der FDP)

Zu dieser Datenpanne hat jemand das Wort "alarmierend" gesagt und zu dem Verhalten von Google Street View "schwer erträglich". Das sind nicht meine Worte, auch nicht die Worte der Opposition, sondern die der zuständigen Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner. Sie kommentiert die bestehenden Möglichkeiten mit dem Satz: "Orwell hätte sich das nicht träumen lassen." Ich kann nur sagen: Wo sie recht hat, hat sie recht.

(Beifall bei der FDP - Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE))

Mir fehlt für das, was abgelaufen ist, jegliches Verständnis. Deshalb begrüße ich es, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, und erhoffe mir davon vollständige Aufklärung. Wenn Google nicht willens oder in der Lage ist, die gesetzlichen Vorgaben unseres Landes zu beachten, dann müssen wir einen Weg suchen, diesen Spuk zu beenden.

(Beifall bei der FDP - Horst Arnold (SPD): Schon vor elf Monaten!)

Nun komme ich zu den Anträgen. Es ist wichtig, dass wir uns ein Bild machen. Es geht um den gemeinsamen, - ich sage - den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Koalition, auf den wir uns geeinigt haben. Das ist der Punkt, der uns weiterbringen kann und weiterbringen muss. Ich verhehle aber nicht, dass ich für die Anträge der Opposition durchaus eine gewisse Sympathie hege und manche Punkte für bedenkenswert erachte. Was mich bei dem Antrag der Fraktion der Freien Wähler stört, ist der Punkt 3:

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazo- lo (FW))

Sie fordern da, in den bayerischen Kommunen Unterschriftslisten auszulegen, was dann auch noch vom Freistaat organisiert und bezahlt werden soll. - Das halte ich nicht für den richtigen Weg und das unterstütze ich nicht. Die Punkte über die Berichterstattung

und die Begutachtung durch unabhängige Datenschutzbehörden halte ich aber durchaus für richtig.

Im Antrag der SPD-Fraktion sind einige Punkte enthalten, die ich ebenfalls ausdrücklich begrüße. Ich möchte wirklich fern von jeder Parteipolitik und jeder Polemik sagen, dass ich das für einen richtigen Ansatz halte. Ich sage aber auch, dass ich vieles rechtlich so nicht für durchsetzbar halte. Es klingt sehr gut, Google verpflichten zu wollen, die Gemeinden rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Die Forderung klingt sehr gut, dass keine weiteren Aufnahmenfahrten in Bayern mehr durchgeführt werden sollen. Ich stelle mir nur die Frage, wie das funktionieren soll.

(Alexander König (CSU): Genau das tun wir auch!)

Wir müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern.

(Alexander König (CSU): Das ist genau das Problem!)

Ich behaupte: Das kann nicht auf der Ebene des Freistaates Bayern passieren, sondern muss auf der Ebene des Bundes geschehen. Dafür müssen wir Sorge tragen. Ich sage ausdrücklich: Das muss schnell geschehen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU - Horst Arnold (SPD): Seit elf Monaten sagen wir das schon!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich Kollegin Christine Stahl ans Rednerpult bitten.

Herr Präsident, liebes Präsidium! Die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung sind nicht in der Lage, ihre Bürger und Bürgerinnen vor Datenmissbrauch zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der Freien Wähler)

Sie haben beim Schutz zweier Grundrechte eklatant versagt, nämlich beim Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Scoring und Profiling sind mittlerweile Standardwerkzeuge von Banken, Versicherungen und der allseits beliebten Schufa. Unternehmen, zum Beispiel die Post, können ungehindert zum Beispiel aus Nachsendeanträgen massenweise Datensätze anhäufen und damit einen schwunghaften Handel treiben, ohne dass die Kunden

und Kundinnen davon unbedingt bewusst Kenntnis nehmen oder eingewilligt haben.

Der Arbeitnehmerdatenschutz ist nach wie vor lückenhaft. Die Bürger und Bürgerinnen stehen aus unserer Sicht angesichts der technischen Entwicklung relativ schutzlos da.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer schon einmal wegen der hohen Fehlerhaftigkeit der Schufa-Daten von 40 % versucht hat, sich einmal im Jahr kostenlos anzuschauen, was bei der Schufa gespeichert ist, wird sein blaues Wunder erleben, obwohl wir inzwischen dazu berechtigt sind. Damit Sie diese Auskunft bekommen, müssen Sie erst einmal selbst Daten eingeben - kein Mensch weiß, was mit denen passiert - und warten, dass die Schufa sich bei Ihnen meldet. Ob eine solche Anfrage dann wie in vergangenen Zeiten in ein Profiling einfließt, lasse ich einmal dahingestellt.

Seit Monaten erleben wir eine weitere Entwicklung, nämlich den Streit mit Google, der zeigt, dass sich die Politik nicht auf die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft verlassen darf, wenn es um deren ureigenste Wirtschaftsinteressen geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Google will ein marktbeherrschendes Navigationssystem einführen; das ist das Ziel von Google. Deswegen scheren Google die politischen Verlautbarungen von unserer Seite oder auf Bundesebene einen feuchten Kehricht. Die Benachrichtigung der Kommunen und der Bürger und Bürgerinnen ist vereinbart worden. Google hat das zwar zugesagt, aber sie machen es nicht. Google hat zugesagt, sich um die Widersprüche zu kümmern, die eingereicht werden, hat es aber bisher nicht einmal für nötig befunden, denjenigen, die Widerspruch eingelegt haben - das war zum Beispiel ein Großteil meiner Fraktion - eine Eingangsbestätigung zu schicken. Die Einsprüche wurden bereits vor sechs Monaten eingelegt.

Uns wird von Google weisgemacht, dass es bereits jetzt möglich wäre, eine Verpixelung in technischer Perfektion anzubieten. Wir haben in unserer Pressekonferenz nachgewiesen, dass das gar nicht möglich ist. Google hat auch zugesichert, sie würden den Rohdatensatz anonymisiert in die USA schicken. Wir wissen nicht, ob das so sein wird. Herr König, deshalb war Ihr Einwurf zum Antrag der Freien Wähler vorhin leider - pardon - etwas blauäugig. Google schert sich einen Teufel um das, was mit ihnen vereinbart worden ist. Das ist Fakt. Jede Woche beschwichtigt Frau Aigner aufs Neue und lässt verlautbaren, dass sie Google jetzt endlich im Griff habe und sich Google endlich

an irgendetwas halte. Dann kommt jede Woche wieder ein neuer Missbrauchstatbestand ans Tageslicht, zum Beispiel beim Laserscanning und der WLAN-Nutzung.

Ich frage mich: Warum passiert nichts? Herr König und liebe FDP, eigentlich wisst ihr es. Herr König, wir diskutieren seit 2009 über Google; da gab es unsere ersten Anträge. Jetzt muss ich einen Antrag sehen, der einen Bericht über die rechtlichen Möglichkeiten und Informationen fordert. In Bayern gibt es ein Justizministerium, auf der Bundesebene gibt es ein Justizministerium. Wenn ich einen Antrag stellen will, kläre ich vorher ab, was ich will, und kläre die rechtlichen Gegebenheiten. Erst dann stelle ich einen Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es mag zwar andere Fälle geben, aber zu Google brauche ich mir nichts mehr berichten zu lassen. Liegt es an der Wirtschaftsgläubigkeit der FDP, am Kotau vor der Wirtschaft, dass sich nichts tut? - Herr Fischer, ich will in diesem Fall zu Ihren Gunsten davon ausgehen, dass es nicht so ist. Liegt es vielleicht daran, dass die CSU zerstritten ist? Aus Interviews im "Donaukurier" konnte man sehr unterschiedliche Präferenzen erkennen. Frau Haderthauer sieht die ganze Geschichte skeptisch; Herr Neumeyer wiederum findet Google großartig. Herr Pschierer dagegen sagt, er möchte Google unter seiner Beobachtung haben; mir liegt hier seine Pressemitteilung vor.

(Lachen bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe sehr gelacht. Da spricht ein Blinder vom Autofahren.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Das hat er noch zu einem Zeitpunkt gesagt, zu dem die ganzen Vorgänge noch nicht so offenkundig waren. Mir war klar, dass das kommt.

(Alexander König (CSU): Wollen Sie jetzt die Behinderten angreifen?)

- Nichts gegen Behinderte; die sind weitsichtiger als Herr Pschierer.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

In der Staatregierung besteht bei diesem Thema durchaus eine gewisse Sensibilität. So gibt Frau Justizministerin Merk - wenn auch fünf Jahre nach unserem ersten Antrag, aber doch immerhin - eine Presseerklärung zur Problematik der RFID-Chips heraus. Auch sie bleibt wiederum bei der Selbstverpflichtung

hängen, anstatt gesetzliche Regelungen zu fordern. Ich weiß, dass vieles auf Bundesebene zu regeln ist, aber ich bitte Sie: Die CSU sitzt in der Bundesregierung mit drin, und Frau Aigner stellt sich an die Spitze der Bewegung. Tun Sie etwas, Sie haben es in der Hand.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zum Antrag der Freien Wähler: Herr König, es ist richtig, wie Sie angemerkt haben, dass die Kommunen bereits viele Möglichkeiten haben, um hier tätig zu werden. Im Rahmen ihrer Selbstverwaltung können sie selbstverständlich die Listen auslegen. Viele Gemeinden sind, weil sie von der Staats- und der Bundesregierung im Stich gelassen worden sind, von alleine tätig geworden und haben Maßnahmen gegen Google in Kraft treten lassen.

Ich sehe das einmal positiv und nehme an, Sie wollen vermutlich die kleinen Gemeinden unterstützen, die eine derartige Eigenständigkeit und das nötige Geld nicht so einfach aufbringen.

Zu WLAN haben wir Anfang der Woche eine Anfrage eingebracht. Das deckt sich ein wenig mit dem, was Sie hier ausgeführt haben. Ich möchte dem medienpolitischen Sprecher Herrn Sinner - wenn er es denn noch ist - mit auf den Weg geben, dass ich mir das Urteil des BGH angesehen habe. Ich versichere Ihnen: So einfach kann man hier die Täter nicht zu Opfern machen und umgekehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich muss jemand, der ein WLAN-Netz betreibt, für eine gewisse Sicherheit sorgen. Ich empfinde dieses Urteil als nicht sehr gerecht - das möchte ich hier auch sagen -, denn jemand, dessen Netz missbraucht wird, muss auch noch selbst für den Schaden aufkommen. Da hätte ich mir etwas anderes gewünscht.

Der SPD-Antrag ist wunderbar, wenn ich auch meine, dass Ziffer 3 bereits in Ziffer 1 enthalten ist und sich deshalb eigentlich erübrigt.

(Wortmeldung des Abgeordneten Eberhard Sin- ner (CSU))

- Ich habe leider nicht mehr so viel Zeit, aber eine Zwischenbemerkung ist möglich.