Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es nötig, in die Zukunft zu schauen und festzustellen, was wir uns noch leisten können und was als Erstes nötig ist. Brauchen wir wirklich eine dritte Startbahn? Brauchen wir eine zweite S-Bahn-Stammstrecke für zwei Milliarden Euro? Brauchen wir den Donauausbau?
Diese Fragen stellen sich, und die Antworten auf diese Fragen sind eigentlich logisch: Wir brauchen das Realistische, das Greifbare, wir dürfen nicht hinter einem Phantom herrennen, wie damals hinter dem Transrapid. Nehmen Sie heute Abstand von irrealen Plänen, von Mammutprojekten, die wir uns nicht leisten können. Konzentrieren Sie sich auf das Machbare. Diese Kernbotschaft möchte ich Ihnen heute mitgeben.
Meine Damen und Herren, von uns wird im Euroraum viel erwartet nach dem Motto: Deutschland wird’s schon richten. Aber ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir zugeben müssen und zugeben dürfen, dass wir auch nicht zaubern können und dass unsere Kräfte begrenzt sind. Wir können nicht Puffer sein für alle politischen Fehlentscheidungen. Der Euroraum darf nicht nur als politischer Raum, sondern muss auch als Wirtschafts- und Währungsraum gesehen werden. Es geht nicht an, dauernd Partys zu feiern und zu sagen: Wir haben die anderen alle gern dabei, weil es so schön ist. Es muss sich vielmehr rechnen.
Hier sind wir gefordert, den Spekulanten zu zeigen: Wir sind nicht bereit, bis zum letzten Euro mitzugehen. Wir müssen rechtzeitig sagen: Jetzt müssen andere Mechanismen greifen. Die Spekulanten dürfen sich nicht darauf verlassen können, dass es am Ende schon laufen wird.
Die Banken, gerade auch die deutschen Banken, haben doch lieber in Staatsanleihen dieser hochverschuldeten Länder investiert, um von dort zweistellige Renditen mitzunehmen, als das Geld einem einheimischen Mittelständler zu geben. Diese Banken haben einen falschen Handlungsspielraum. Wenn am Ende dann der Steuerzahler und die Politik geradestehen sollen, wenn etwas schiefgelaufen ist, muss es auch erlaubt sein, nein, dann muss es von der Politik gefordert werden - und dazu müssen im Vorfeld die entsprechenden Werkzeuge aufgebaut werden -, solchen Leuten unverblümt zu sagen: Du kannst zwar investieren, aber wenn du dich verzockst, hast du eben Pech gehabt. Das musst du mit dir selber ausmachen.
Deshalb gilt es, bezüglich der Rahmenbedingungen für Banken ganz klare Regeln aufzustellen, die da lauten: Es muss ausreichend Eigenkapital hinterlegt werden. Wenn die Banken hoch spekulativ arbeiten, sollen die das nur in einem begrenzten Umfang tun
können, in einem Umfang, der die Bank nicht gefährdet. Wenn die Bank trotzdem gefährdet ist, soll sie das mit sich selber und ihren eigenen Kunden ausmachen. Wir müssen aber Brandschutzmauern errichten, dass solche Fehlschläge nicht auf die Realwirtschaft und auf irgendwelche Pensionsfonds durchschlagen nach dem Motto: Ich bin systemrelevant, helft mir. Wenn ihr mir nicht helft und diese Kröte nicht schluckt, müsst ihr morgen eine Schildkröte schlucken.
Nein, meine Damen und Herren, wir müssen sagen: Wenn du zocken willst, dann auf eigene Rechnung, aber nicht auf Rechnung der Steuerzahler.
Schwarz-Gelb hat sich hier in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Ich will auch die SPD der Schröder-Ära, in der den Hedgefonds ganz gezielt die Tür geöffnet worden ist, nicht ausblenden.
Damals wurden die Stabilitätskriterien des Euro unterlaufen. Wir müssen aus diesen Erfahrungen endlich lernen und zur Kenntnis nehmen, dass es vielleicht ganz schön wäre, ohne Arbeit Geld zu verdienen, aber dass dieses Hobby nur wenigen gegönnt ist. Wir müssen aufpassen, dass uns diese Leute nicht am Ende insgesamt in die Tasche stecken. Wir müssen den Blick weiten und die Entwicklung beobachten.
Vor Kurzem habe ich mit einem Landwirt gesprochen, der einen Betrieb in den neuen Bundesländern kennt. Der Grund und Boden gehört dort mittlerweile einem skandinavischen Handy-Konzern. Das Vieh gehört einer Schlachthofkette, schon im lebenden Zustand. Die Leute, die drauf arbeiten, holt man über irgendwelche Zeit- oder Leiharbeitsfirmen, wie man sie eben braucht. Auch hier wird die Realwirtschaft durch die Spekulationswirtschaft verdrängt. Wenn Grund und Boden das nächste Spekulationsobjekt für diese Heuschrecken sind, können wir nicht mehr sagen: Das haben wir nicht gewusst. Wenn dieser Konzern morgen wackelt und sich entschließt, diesen Boden abzustoßen, kann ihn ein anderer kaufen.
Meine Damen und Herren, Bauernhöfe wurden früher über Generationen hinweg aufgebaut und geführt. Sie waren Lebenswerke. Heute werden solche Höfe von heute auf morgen hin- und hergeschoben, wie jede billige Aktie. Wir sind gefordert, diesem Treiben Einhalt zu gebieten, weil wir uns sonst immer mehr den Boden unter den Füßen wegrationalisieren und fremd
bestimmen lassen. Mein klares Plädoyer: Realwirtschaft vor Spekulationswirtschaft, um einem solchen Treiben Einhalt zu gebieten. Das höchste Ziel darf nicht die Rendite sein, sondern der Erhalt der Lebensbedingungen und der politischen Mitsprachemöglichkeit.
Wir sind gerade dabei, diese beiden Dinge zu verlieren. Am Ende müssen wir feststellen, dass wir zwar hier im Parlament sitzen, aber nichts mehr zu bestimmen haben. Damit schließt sich dann wieder der Kreis zum Primat der Politik. Wir haben momentan das Primat der Politik aus der Hand gegeben. Jetzt bereiten andere die Speisen zu, die wir auslöffeln müssen. Wir müssen uns diese Hoheit wieder zurückholen, damit wir eine Politik gestalten können, die der Bürger mitträgt, in der die Bürger bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und in die die Bürger Vertrauen setzen. Nur dann werden wir eine stabile Währung haben.
Wir können nicht ständig neue Schulden draufsetzen und neue Rettungsschirme aufspannen. Meine Damen und Herren, das ist ähnlich wie in Tschernobyl: Dort wurde ständig über porösen Beton neuer Beton drübergeschüttet. Nun kann man sagen, dass dies besser als nichts war. Besser wäre es aber gewesen, vorher die Kernschmelze zu verhindern und aufzupassen, dass sich ein solcher Vorfall an anderer Stelle nicht wiederholt. Heute stehen wir kurz vor einer Kernschmelze. Die Werkzeuge, die auf dem Tisch liegen, sind umstritten und vielleicht ohne Alternative. Wir müssen aber definitiv Wiederholungsfälle in anderen Ländern verhindern und den Spekulanten das Handwerk legen. Ansonsten werden uns die Spekulanten am Ende in Ketten legen; dann sind wir nur noch die Abnicker, wie das heute der Fall ist.
Die Parallele zur Landesbank darf nicht ausgeblendet werden: Damals war genau der gleiche Werdegang zu beobachten, und damals wurde über dieselben Themen gesprochen. Im Oktober 2008 waren noch 100 Millionen Euro zur Rettung nötig. Kurz vor Weihnachten 2008 kamen bei dieser Zahl noch zwei Nullen hinzu. Anschließend waren es 10 Milliarden Euro. Heute sprechen wir von mehreren Hundert Milliarden Euro und übermorgen werden wir von Rettungsschirmen mit Billionen Euro reden, die nötig sein werden, um diesen Wahnsinn aufzufangen. Wir müssen die Ursachen erkennen und den Spekulanten das Handwerk legen.
Daneben müssen wir eine fundamentale und solide Finanzpolitik aufbauen. Diese muss bei den Kommunen beginnen und bei den Mittelständlern weitergeführt werden. Sie muss Abstand von unbezahlbaren Großprojekten nehmen und die Verantwortlichen für politische Fehlentscheidungen beim Namen nennen,
wie dies bei der Landesbank geschehen ist. Im Rahmen dieser Politik müssen Konsequenzen gezogen und am Ende dafür gesorgt werden, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Der Steuerzahler darf am Ende nicht immer der Dumme sein. Die Politik ist jetzt gefordert, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, die sie bereits gestern hätte ergreifen müssen. Lieber spät als nie. Deshalb appelliere ich an Schwarz-Gelb, diese Situation endlich zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur anzudiskutieren. Sie müssen endlich ernst machen und die Spekulanten in Ketten legen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich begrüßen auch wir, dass die Thematik der Krise des Euro, der Krise im Euroraum und des Rettungsschirms im Rahmen einer Regierungserklärung im Landtag diskutiert werden kann. Andernfalls hätten wir den Weg über einen Dringlichkeitsantrag gehen müssen. Dann hätten wir aber für diese Debatte weniger Zeit gehabt und außerdem ist die Debattenkultur bei Dringlichkeitsanträgen etwas anders. Deshalb war dies der richtige Weg.
Wir sind gehalten, eine Debatte über den Euro, über die Krise im Euroraum und über den Stabilitätspakt der Zukunft zu führen. Das war auch - einmal mehr und einmal weniger pointiert - der Kern der bisherigen Auseinandersetzungen. Wir müssen zweitens über die Regulierung der Finanzmärkte, drittens über die öffentlichen Haushalte und die Schuldenkrise generell sowie viertens über die Strukturkrise, die Systemkrise und das Versagen des Systems diskutieren. Auch hier müssen wir anpacken.
Ich beginne mit unseren Einschätzungen und Wertungen zum Thema Griechenland. Wir haben darüber in unserer Fraktion und an anderer Stelle diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hilfen selbstverständlich notwendig sind. Andernfalls würde ein Dammbruch drohen, der zu noch schlimmeren Verwerfungen und zum Übergreifen, zum Beispiel auf die Länder Portugal und Spanien, führen würde. Gleichzeitig haben wir gesagt, dass eine Entschuldung notwendig ist, und zwar rasch, da es einfach nicht sein kann, dass sich diese Angelegenheit zu einem Fass ohne Boden entwickelt. Gutes Geld darf nicht immer schlechtem Geld hinterhergeworfen werden. Wir wollen einen Forderungsverzicht, der gleichzeitig dafür sorgen würde, dass diejenigen, die zuvor an der hohen Verzinsung partizipiert haben, etwas
Griechenland muss gezwungen werden, zu sparen und seine Haushalte zu sanieren. Das ist jedoch eine Gratwanderung: Es darf auch kein Kaputtsparen oder eine Erdrosselung stattfinden; denn sonst käme Griechenland nicht mehr auf die Beine.
Jetzt möchte ich an die Situation im Euroraum anknüpfen: Diese Krise sollte der Anlass sein, die Finanzmärkte zu regulieren und die ausufernden Spekulationsorgien zu begrenzen. Wir haben darüber schon vor anderthalb Jahren diskutiert. Leider ist die Politik in diesem Punkt nicht vorangekommen. Diese Krise sollte selbstverständlich auch der Anlass sein, die Regeln für den Euro zu überdenken. Dabei müssen wir uns die Frage stellen, ob neue Regeln, ein neuer Stabilitätspakt oder eine monetäre Konvergenz ausreichen oder ob weitere Maßnahmen nötig sind. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. In diesem Zusammenhang müssen auch Themen wie die Umsteuerung unserer Wirtschaftspolitik, das Wachstum und die ungerechte Verteilung angesprochen werden.
Zunächst zur gemeinschaftlichen Währung und zum Projekt Euro: Viele Kolleginnen und Kollegen waren dabei, als wir zu diesem Thema in den Jahren 1996 bis 1998 an dieser Stelle sehr harte Auseinandersetzungen geführt haben. Gestern war der Ministerpräsident a. D. Dr. Stoiber im Europaausschuss in seiner Funktion als Ober-Entbürokratisierer der Europäischen Union und hat dabei auch über den Euro und die Euro-Krise gesprochen. Da wurde es mir wieder richtig bewusst: Wir GRÜNEN waren damals noch viel mehr Stoiber als Edmund Stoiber selbst.
Wir haben in den Jahren 1996 bis 1999 Nein zur Euro-Einführung gesagt, nicht, weil wir grundsätzlich gegen eine gemeinschaftliche Währung gewesen wären, sondern weil wir der Auffassung waren, dass der Fahrplan und die Konditionen nicht passten. Die Strukturdaten der Wirtschaften klafften meilenweit auseinander. Dies nur über eine monetäre Konvergenz zu regeln, kann einfach nicht gelingen. Das war unsere erste Ansage.
In unserer zweiten Ansage haben wir auf die Tricksereien beim Stabilitätspakt hingewiesen. Wir haben gesagt, dass man nicht auf Italien, Belgien und später Griechenland zu zeigen braucht, da Deutschland der allergrößte Lehrmeister ist. Wir haben damals darauf
hingewiesen, dass die Ausnahmeregelungen, die es schon damals im Stabilitäts- und Wachstumspakt gab, windelweich sind und nicht greifen werden.
Wir haben uns auch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass es in der Situation, in der ein Land notleidend würde, zu Schieflagen und Verwerfungen käme. In diesem Fall wäre der Stabilitäts- und Wachstumspakt das Papier nicht wert, auf dem er stehe. Wir haben schon damals gesagt, dass in diesem Fall gewaltige Beistandslasten auf die anderen Euroländer zukämen. Genau das ist passiert.
Das bedeutet, die Regelung nach Artikel 121 des EGVertrags, jetzt Artikel 125 des EU-Vertrags ist das Papier nicht wert. Ich möchte jetzt einige Fakten zum Euro nennen, weil diese zur Einordnung dessen, was momentan zur Finanzmarktkrise zu lesen ist, wichtig sind. Zunächst müssen wir feststellen, dass der Zinsvorteil für Deutschland mit der Einführung der gemeinschaftlichen Währung flöten gegangen ist. Dabei ist es immer wichtig, auf die Realzinsen zu schauen. Ich spreche nicht von den Nominalzinsen, sondern von den Realzinsen.
Zweitens. Die Anteile Deutschlands am Export in den Euroraum waren vor der Einführung des Euro keineswegs kleiner als danach, sondern sogar größer.
Drittens. Der Kurs des Euro lag im Oktober 2000 bei 0,80 US-Dollar. Der Euro war damals als Buchwährung eingeführt.
Ich kann mich an die Gelegenheit erinnern, wo der fünfte Geburtstag des Euro gefeiert worden ist. Da lag der Euro bei 1,30 Dollar. Es wurde wahnsinnig lamentiert, das sei viel zu hoch und die Exportwirtschaft werde darunter leiden, sodass man den Euro etwas billiger machen müsse.
Warum spreche ich all diese Fakten an? Ganz einfach, weil wir uns schon die Frage stellen müssen: Cui bono? Wem hilft die jetzige Rettungsaktion? Was wären die Konsequenzen, wenn nicht so vorgegangen würde, wenn weniger oder anders gehandelt würde?
Ich muss ganz klar sagen: Der Kurs ginge dann herunter. Er würde sich dann aber wieder einpendeln. Wenn der Kurs niedrig genug ist, gehen die Leute wieder in Werte, die in Euro gehandelt und fakturiert werden. Im Grunde liegt hier also überhaupt kein Problem.
Es gibt immer wieder die Bandbreiten. Wir waren schon bei 1,50 Dollar, und wir waren bei 0,80 Dollar. Dies ist im Grunde nicht tragisch. Tragisch ist dagegen die Überschuldung einzelner Euroländer, die dann keine Anleihen mehr herausbringen können, sodass wir vor einer ganz problematischen Situation stehen.
Eines sollte uns allen Sorge machen. Der Euro hat sich in seiner aktuellen Konstruktion als Schönwetterveranstaltung erwiesen. Jetzt liest man staunend im Feuilleton oder in Wirtschaftszeitungen von Politikern, die die Verhältnisse auf die EU übertragen. Aber das kann und darf es in unseren Augen nicht sein. Es ist eine bedenkliche Entwicklung.
Davon unabhängig sage ich: In die gemeinschaftliche Währung muss Stabilität hineinkommen. Herr Minister Fahrenschon, wir sollten uns darüber einig sein, dass es viel weniger um die Stabilität nach außen als um die Stabilität nach innen geht. Wir müssen fragen: Wie steht es um die Geldwertstabilität im Euroraum? Zurzeit haben wir da keine bedenkliche Entwicklung. Allerdings müssen uns die hohe Verschuldung und die großen Geldmengen Sorgen machen.