Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

(Hubert Aiwanger (FW): Doch, die dritte Startbahn! Die S-Bahn-Stammstrecke!)

- Das ist aber nicht das, was an konkreten Haushaltsausgaben ansteht. Wir haben uns ganz konkret dafür zu entscheiden, wo wir unsere Prioritäten setzen und wo wir uns zurückhalten und einsparen müssen. Dann werden wir den Haushalt vorlegen.

(Hubert Aiwanger (FW): Bei den Lehrern und den Kommunen!)

- Über die Kommunen können wir gerne einmal reden, Herr Kollege Aiwanger.

(Hubert Aiwanger (FW): Darauf freue ich mich!)

Herr Aiwanger, auch ich habe, wie Sie, kommunalpolitische Erfahrung. Nach 26 Jahren im Stadtrat weiß man Bescheid. Machen Sie sich keine Sorgen, diese Debatte können wir führen. Sie können aber sicher sein, dass wir einen soliden Haushalt vorlegen werden, auch für die Jahre 2011 und 2012. Dann werden wir hier im Parlament wieder zu beschließen haben, welche Milliardenforderungen der SPD wir aufgrund der schwierigen finanziellen Situation nicht verwirklichen können. Wir stehen nämlich für eine solide Haushaltspolitik!

(Peter Winter (CSU): So ist es! - Beifall bei der CSU)

Außerdem haben Sie Bayern in ein falsches Licht gestellt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die CSU ist nicht Bayern!)

- Also wirklich: Dort, wo die SPD regiert, in welchem Bundesland auch immer, ist die Situation fünfmal so schlecht wie in Bayern. Trotzdem kritisieren Sie hier Bayern.

(Lebhafter Beifall bei der CSU - Lachen bei der SPD)

Bei aller Nachsicht, von wirtschaftlicher und finanzieller Solidität hat die SPD noch nie etwas verstanden.

(Lachen bei der SPD)

Bei allen Umfragen zur Wirtschaftskompetenz landet die SPD ganz weit hinten und bekäme bei der nächsten Wahl nur 18 % oder 19 %. Der CSU hingegen attestieren 60 % der Wähler Wirtschaftskompetenz.

(Dr. Paul Wengert (SPD): So ein Unsinn! - Lachen bei der SPD)

Die Menschen sind wesentlich klüger, als Sie meinen. Das dürfen Sie mir glauben, Herr Rinderspacher.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie so weitermachen - das kann ich Ihnen sagen -, werden Sie auch weiterhin bei einem Stimmergebnis von 18 % bleiben.

(Reinhold Strobl (SPD): Herr Schmid, Sie schauen in die falsche Richtung!)

Ich glaube, die Maßnahmen, die gestern im Kabinett beschlossen wurden und die noch vom Bundestag beschlossen werden müssen, sind der richtige Weg. Der Einsatz eines EU-Sonderbeauftragten ist eine wichtige Initiative. Er soll die Finanzpolitik der Länder überwachen, die den Rettungsschirm in Anspruch nehmen. Ich sage es noch einmal: Lieber Herr Ministerpräsident, ich bitte darauf zu beharren, dass die Entscheidung unter Einbindung des Deutschen Bundestages, unter Einbindung des Parlamentes gefällt wird.

Wir wollen die Stellung des Statistischen Amtes Eurostat stärken. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir ein effektiveres System haben, um die bevorstehende Überschuldung eines Mitgliedstaates frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört auch die regelmäßige Berichtspflicht an die Europäische Zentralbank. Auch das ist unter dem frühren SPD-Bundesfinanzminister Steinbrück nicht gemacht worden. Das müssen Sie

bedenken, wenn Sie Ihre Vorwürfe erheben. Wir müssen die Sanktionsverfahren auf der Basis rechnerischer Parameter erweitern und verschärfen. Wir brauchen diesen Automatismus, auf den der Finanzminister ausdrücklich hingewiesen hat. Außerdem brauchen wir die rote Karte für den Ausschluss eines Mitgliedstaates im Extremfall nach vordefinierten Regelungen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Extremfall tritt ein, wenn absehbar ist, dass alle möglichen Hilfen und auch eine Bündelung aller Kräfte nicht dazu führen, das Problem zu lösen. Auch daran muss gedacht werden. Die Erfahrung bezüglich Griechenland zeigt: Es stehen weitere Mitgliedsländer vor der Türe. Die Beitrittsregeln in die Eurozone müssen verschärft werden.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen einen längeren Bewährungszeitraum. Für Griechenland ist dieser eindeutig zu kurz gewesen. Wir müssen das Monopol - Herr Staatsminister hat zu Recht darauf hingewiesen - der US-RatingAgenturen brechen. Wir brauchen mehrere unabhängige europäische Rating-Agenturen. Wir wollen keine Zocker auf den Finanzmärkten. Deswegen sollen alle an den Finanzmärkten gehandelten Produkte und Leistungen reguliert werden. Das schließt die Hedgefonds ein. Die gestern getroffene Entscheidung bezüglich der Leerverkäufe ist eine gute und richtige Maßnahme. Ich begrüße ganz ausdrücklich, dass diese ungedeckten Leerverkäufe jetzt nicht mehr gestattet sind. Und Bayern ist mit seinem Ministerpräsidenten Vorreiter in der Frage der Beteiligung der Finanzmarktakteure an dem EU-Rettungspaket und leistet noch Überzeugungsarbeit.

Zur Frage der Finanztransaktionssteuer: Der Herr Ministerpräsident hat hierzu eine klare Aussage gemacht. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Überlegungen zu den Maßnahmen gehören, die wir in einer solchen Situation zwingend ergreifen müssen.

Das Haus Europa hat ein gutes Fundament, aber in einigen Stockwerken ist Unordnung eingetreten. Jetzt geht es darum, Ordnung zu schaffen, und dazu muss Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten und leistet diesen auch. Die CSU unterstützt diese Politik auf allen politischen Ebenen, damit wir auch in Zukunft eine stabile Währung haben!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Nächster Redner ist Herr Aiwanger.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die heutige Debatte zeigt, dass die Euro-Party für das Erste vorbei ist. Es kommt das Morgengrauen und die Partygesellschaft löst sich auf. Der EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat gesagt, die Deutschen müssten sich als Euro-Polizei hergeben. Das wird von uns wieder erwartet. Herr Schmid hat vorher gesagt, das Haus müsse wieder in Ordnung gebracht werden. Alle arbeiten daran, aber zunächst einmal ist natürlich angesagt, die Situation aufzunehmen und zu klären, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Es sind einige Vorwürfe bezüglich der Aufnahme Griechenlands und der Tatsache, dass man in der Vergangenheit zu sehr durch die Finger geschaut hat, wenn es um das Einfordern von Stabilitätskriterien gegangen ist, erhoben worden. Wenn heute 20 von 27 EU-Mitgliedsländern im Defizitverfahren sind - 20 von 27 Mitgliedern erfüllen ihre selbst gestellten Erwartungen nicht! -, dann wird es auch sehr schwer sein, politisch gegen einzelne vorzugehen, weil mittlerweile die Mehrheit gegen die eigenen Regeln verstößt.

Aber gerade das ist bitter nötig, und ich schließe mich hier den Ausführungen des CSU-Fraktionsvorsitzenden an. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, die bis hin zum Ausschluss eines Mitgliedslandes gehen, wenn dieses Mitgliedsland sich nicht an die eigenen Spielregeln halten will, dagegen mehrfach verstößt und nicht absehbar ist, dass es auf einen Konsolidierungskurs zurückzuholen ist. Darüber müssen wir uns im Klaren sein: Diese rote Karte müssen wir in unser Portfolio mit aufnehmen. Es darf nicht sein, dass wir nur drohen und dann doch zahlen, wie das im Beispiel Griechenland geschehen ist. Vielmehr muss klipp und klar gesagt werden: Nein, liebes Land, du hast gegen diese Kriterien verstoßen, du bist nicht bereit, dich an der Haushaltskonsolidierung zu beteiligen, und musst deshalb diesen Club verlassen. Genau dasselbe gilt für den Eintritt in diesen Club, wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden. Das muss durchgezogen werden.

Das sind zwar harte Worte, aber anders kommen wir hier nicht zum Ziel. Ich gehe heute auch so weit zu sagen, dass diese Über-Nacht-Operation bezüglich Griechenlands mit der Summe von 20 Milliarden Euro eine Schnelloperation ohne eine genaue Diagnose gewesen ist. In meinen Augen ist sie überhastet gewesen. Genauso ist es ein Problem, heute diesen 750-Milliarden-Schirm aufzuspannen, ohne von den Banken, die Mitverursacher für die Situation waren, mehr einzufordern. Man ist sehr schnell dabei gewesen, sich wieder den bequemsten Weg zu suchen. Das ist der Steuerzahler als letztes Glied in der Kette. Ich bin kein Hellseher, wenn ich sage, in wenigen

Tagen wird eine Steuererhöhungsdiskussion losgehen. Der Steuerzahler als Letzter wird diese Suppe wieder auslöffeln müssen, da die Politik nicht bereit ist, das Problem anderweitig zu lösen. Dieser Kelch wird ganz gezielt dem Steuerzahler auf den Tisch gestellt und es wird gesagt: Lieber Michel, trink daraus.

Das ist nicht die Politik, die Stabilität bringt und die das Vertrauen des Bürgers in die Politik zurückbringt. Wir sind auf bestem Wege, das Vertrauen in die Währung zu verlieren. Die Umfragen sagen, 30 % der Bevölkerung glauben nicht mehr daran, dass wir in 10 Jahren noch den Euro haben werden. Das sind von Meinungsforschungsinstituten erhobene Zahlen. Machen Sie sich selber Ihren Reim darauf. Die Politik ist an dieser Entwicklung nicht unschuldig. Jetzt geht es darum, nicht über Konsequenzen zu diskutieren, sondern Maßnahmen durchzuziehen.

Wie angesprochen: Maßnahme Nummer eins muss sein, die Euro-Stabilitätskriterien nicht nur einzuhalten, sondern zu verschärfen, bis hin zum Ausschluss. Es geht weiterhin darum, die Finanzspekulanten trockenzulegen und in Ketten zu legen, und zwar auch wieder mit eindeutigen Maßnahmen. Das schließt ein, die ungedeckten Leerverkäufe nicht nur im Einzelfall zu verbieten - momentan wird dies für Staatsanleihen und die zehn führenden Banken usw. diskutiert -, sondern grundsätzlich zu verbieten. Darüber hinaus müssen die Hedgefonds massiv in Ketten gelegt werden, damit sie nur noch in begrenztem Umfang tätig werden können. Am Ende ist vielleicht sogar über ein völliges Verbot solcher Handlungsweisen nachzudenken.

Dabei sind natürlich nationale und internationale Belange zu berücksichtigen, wobei man sich die Frage stellen muss, wie weit man gehen will. Dieses Gebaren war bis 2004 in Deutschland verboten - das nur zur Erinnerung - und wir haben trotzdem gelebt. Es ist nicht abwegig, ernsthaft darüber nachzudenken, die Hedgefonds massiv in die Schranken zu weisen. Wenn man sich die Bilanzsummen ansieht, die von diesen Hedgefonds bewegt werden, dann wird einem schwindlig, denn das geht mittlerweile in die Billionen. Also gibt es Billionen von schnell verfügbarem Spekulationskapital, mit dem man im Extremfall bereit ist, Staaten an die Wand zu spekulieren und beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland mit einem Staatshaushalt, der deutlich unter der Spekulationsmasse liegt, anzugreifen. Selbst solche Staaten könnten einem derartigen Währungsangriff ausgesetzt sein. Wir müssen endlich einen klaren Weg aufzeigen und diesem Gebaren Einhalt bieten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Realwirtschaft von der Spekulationswirtschaft verdrängt wird. Ich glaube, das ist der Kerngedanke der Botschaft. Wir haben heute ein ganz

aktuelles Beispiel, nämlich die Durchsuchung der BayernLB bezüglich ABS-Papieren. Das sind kriminelle Machenschaften im Zusammenhang mit dem Kauf der ABS-Papiere. Auch damals ist in Bayern Realwirtschaft durch Spekulationswirtschaft verdrängt worden.

Mein Vorredner hat zu Recht gesagt, dass man nicht mit Geld spekulieren soll, das man nicht hat. Genau das ist hier passiert: Man hat Kredite aufgenommen und hat mit dem Geld aus diesen Krediten auf dem amerikanischen Immobilienmarkt herumgezockt, hat damit Ansprüche auf Schulden von Häuslebauern gekauft, also mit Geld, das man nicht hatte, aus Krediten, die man jetzt dem Steuerzahler auf den Rücken bindet.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das verdanken wir der Bayerischen Landesbank und Leuten wie Herrn Huber!)

Über 20 Milliarden Euro an ABS-Papieren sind noch in den Schubladen. Dazu muss ich sagen: Das ist Spekulationswirtschaft; das ist eine Suppe, die wir erst noch auslöffeln müssen. Die Realwirtschaft ist damals verdrängt worden. Denn der normale Mittelständler hat keinen Kredit mehr bekommen. Zur selben Zeit, als wir in Amerika für Zigmilliarden diese Papiere gekauft haben, ist in Bayern das Büchergeld kassiert worden. Man hat von den kleinen Kindern ein paar Millionen Euro eingesammelt. Man hat in der Realwirtschaft ein paar Millionen eingesammelt, während dort Milliarden in den Orkus geworfen wurden. Das ist bittere Realität. Davon haben wir uns bis heute noch nicht freigeschwommen, und die Folgen kommen zunehmend auf uns zu. Wir können uns dieser Systematik noch nicht entziehen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, ich warne die Politik heute schon davor, diesen Müll wieder beim Steuerzahler abzuladen. Vorhin ist von einem Drei-Phasen-Modell gesprochen worden. Ich kann hier vielleicht ein VierStufen-Modell in etwas anderer Form ergänzen: Bis einen Tag vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war es Aussage auch der bayerischen Regierungsspitzen Seehofer und Fahrenschon, man wolle an den Steuersenkungsplänen festhalten und den Koalitionsvertrag wahr machen, um dieses Ziel weiterzuverfolgen. Am Tag der Landtagswahl hat man nach der bitteren, kalten Dusche die Aussage getroffen, man könne sich keine Steuersenkungen leisten; das müsse jetzt auch die FDP einsehen. Vor wenigen Tagen kam dann die Festlegung, es werde keine Steuererhöhungen geben. Die vierte Stufe wird die Mitteilung sein, Steuererhöhungen seien unausweich

lich, um eine drohende Katastrophe der Volkswirtschaft abzuwenden.

Wir sind also innerhalb weniger Wochen von einem Festhalten an versprochenen Steuersenkungen zu Steuererhöhungen gekommen. Wir sind dabei gar nicht im Gesicht rot geworden. Da wundern Sie sich, wenn die Bevölkerung draußen sagt, diese Politik sei nicht mehr glaubwürdig. Auch die Investitionen gehen woanders hin, raus aus dem Eurobereich. Die Leute wollen Goldanlagen kaufen, kaufen Immobilien oder was auch immer, weil sie kein Vertrauen mehr haben.

Wir müssen jetzt das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Das geht nur über Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung. Da gibt es dann bittere Wahrheiten. Diese Wahrheiten beginnen auch im internationalen Bereich. So ist beispielsweise bis vor Kurzem schulterzuckend hingenommen worden, dass über den EU-Agrarhaushalt in Griechenland Olivenhaine bezuschusst worden sind, die es gar nicht gibt. Das war lustig. Man sagte: Na gut, das sind halt kecke Hunde, die haben das drauf. - Das kann in Zukunft nicht mehr akzeptiert werden. Genauso wenig akzeptabel ist es, dass in Bayern eine Haushaltspolitik betrieben wird, die jegliche Solidität vermissen lässt und bei der man Schulden ganz gezielt auf die kommunale Ebene durchdrückt. Es ist hier der richtige Ort, um zu erwähnen, dass die bayerischen Kommunen im deutschen Durchschnitt mit zu den verschuldetsten gehören.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das ist so, wie wenn ein Halbstarker zum Einkaufen geht und die Rechnung auf die kleine Schwester schreiben lässt, die sich nicht wehren kann.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Auch hier wird wieder Geld von der Realwirtschaft abgelenkt, um die Spekulationswirtschaft - sprich die Landesbank, sprich die ABS-Papiere - irgendwie ausgleichen zu können und um so die Defizite abzuarbeiten, die dort aufgelaufen sind.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es nötig, in die Zukunft zu schauen und festzustellen, was wir uns noch leisten können und was als Erstes nötig ist. Brauchen wir wirklich eine dritte Startbahn? Brauchen wir eine zweite S-Bahn-Stammstrecke für zwei Milliarden Euro? Brauchen wir den Donauausbau?