Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was soll man von diesem sogenannten Sparpaket der Bundesregierung halten? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einen Blick in die Zeitungen werfen, ist das Urteil schnell gefasst. "Sparpaket? Windbeutel!" titelt Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung". Ein Windbeutel ist jedoch eine zu nette Bezeichnung für dieses Sparpaket. Für mich ist ein Windbeutel ein süßes Gebäck mit Sahne. Es verspricht einen Genuss. Dieses Versprechen wird von diesem Paket nicht gehalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein giftiges Geschenk.

Unserer Meinung nach stellt es die Aufkündigung unseres demokratischen Konsenses dar. Es kann nicht sein, dass Hartz-IV- und Wohngeldempfänger sowie Arbeitslose die Suppe auslöffeln, die uns Finanzjongleure, Banken, die Finanzkrise und - in Bayern kommt es noch hinzu - unfähige Kontrolleure eingebrockt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen den deutschen Haushalt retten, indem Sie - da muss ich einige Maßnahmen aufführen - Wohngeldempfängern den Heizkostenzuschuss streichen. Wohnen dürfen sie noch, aber beim Heizen hört der Spaß auf. Sie wollen den Sockelbetrag beim Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger streichen. Den Menschen, die unter der Situation leiden, dass sie seit mehr als einem Jahr arbeitslos sind und Angst haben, in Hartz IV abzurutschen, wollen Sie das Übergangsgeld streichen. Dies zeigt in der Aufzählung überdeutlich, dass Sie Ihr Mütchen in diesem Paket da gekühlt haben, wo Sie am wenigsten Widerstand erwartet haben, nämlich bei denen, die sich nicht wehren können.

Wo bleiben denn die Einsparungen auf der anderen Seite der Gesellschaft, beispielsweise bei denen, die sich in der Krise um 1,6 Billionen Euro bereichert haben? Wo bleibt die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, von der der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Herr Lauk - ich kannte ihn vorher nicht, jetzt kenne ich ihn -, gemeint hat, dass er diese Möglichkeit sehe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Er hat gesagt, alle müssten ihren Beitrag zum Abbau der Schulden leisten, Arm wie Reich. Dieses Paket suhlt sich aber nur bei den Armen. Wo sind die Leistungen der Reichen für den Schuldenabbau? Wo ist die Reichensteuer für diejenigen, die über eine Million Euro an Einkommen beziehen? Wo ist die Absenkung der Erbschaftsteuerfreibeträge? Unser Minister denkt viel lieber darüber nach, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, damit diejenigen, die das Geld schon haben, noch mehr Geld bekommen. Sie meinen wohl,

dass es ausreiche, diese mit der Flugticketabgabe zur Kasse zu bitten. Das reicht unserer Meinung nach lange nicht. Dies ist ein Offenbarungseid für Ihre sogenannte christliche Politik. Gerüchteweise kann man aus Berlin vernehmen, dass weitere Steuersenkungen nach der Bundespräsidentenwahl kommen sollen. Dort heißt es ebenfalls, die Streichung der reduzierten Mehrwertsteuer solle kommen. Auch das ist wieder ein Schlag gegen die Geringverdiener, die ihr Einkommen natürlich mehr als andere für das Überleben einsetzen müssen.

Die Menschen in Deutschland sind eigentlich bereit, zu sparen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie verstehen, dass gespart werden muss, aber sie sagen auch: Wenn gespart werden muss, dann muss bei allen gespart werden. Sie wollen, dass es dabei gerecht zugeht; sie wollen auch, dass Einsparungen nachhaltig sind und nicht, dass sie zu weiteren Kosten führen, nachhaltig in den finanziellen wie ökologischen Auswirkungen.

Was ist denn dann davon zu halten, dass die Bundesregierung die Rentenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger streichen will, was ja nichts anderes bedeutet, als dass diese den Kommunen dann in den nächsten Jahren auf der Tasche liegen, weil sie in die Grundsicherung fallen. Das zahlen die Kommunen. Da hat sich der Bund dann schön aus der Finanzierung herausgewunden.

Sie sanieren sich also nicht nur auf dem Rücken der Armen, sondern auch auf Kosten der Kommunen - in der derzeitigen Lage der Kommunen ein absolutes Unding, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zur ökologischen Nachhaltigkeit dieses sogenannten Sparpakets. Das Umweltbundesamt, eine renommierte Bundesbehörde, die der Staatsregierung hier in Bayern schon lange ein Dorn im Auge ist, weil sie immer sehr innovative Forderungen und Vorschläge macht, hat vor Kurzem eine Liste mit ökologisch schädlichen Subventionen vorgelegt, die allein auf Bundesebene eine Summe von 48 Milliarden Euro aufweist. Wenn Sie hier eine Kürzung vorgesehen hätten, meinetwegen in Stufen von 20 %, hätten Sie in jedem Jahr 10 Milliarden Euro einsparen können und hätten ökologisch gehandelt. Das wäre ein Beitrag zur Nachhaltigkeit gewesen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie werden jetzt auf die Brennelemente-Steuer hinweisen, die doch auch in dem Paket vorhanden sei; das müsste uns GRÜNEN doch gefallen. Das gefällt uns eben nicht; denn mit dieser Einnahme von

2,3 Milliarden Euro pro Jahr erkauft sich die Atomindustrie doch nur die Verlängerung der Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke und einen Gewinn - Sie wissen das so gut wie ich - in dreistelliger Milliardenhöhe. Von daher ist es für uns überhaupt nicht nachhaltig, und es ist auch keine ökologische Entscheidung; denn die Entscheidung für die Verlängerung der Laufzeiten bedeutet ja nichts anderes, als dass es einen echten Wandel zur ökologischen Stromerzeugung in Deutschland auf Sicht nicht geben wird.

Was ist das für ein Sparpaket, liebe Kolleginnen und Kollegen, das über Luftbuchungen in Milliardenhöhe verschleiert, woher die Summen überhaupt kommen sollen?

Ich nenne ein Beispiel. Da steht drin: Globale Mindereinnahmen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro in 2014. Punkt. Globale Mindereinnahmen - das muss man mir einmal erklären: Warum hat man nicht gleich 10 Milliarden Euro hingeschrieben, dann wäre die Summe größer gewesen, sähe besser aus. 5,6 Milliarden Euro - man weiß heute noch nicht, wo dieses Geld herkommen soll. Schreibt es mal rein, das passt dann ganz gut! - Das nennen Sie nachhaltig.

Wo gekürzt werden soll, ist natürlich bei der Verwaltung. Auch die Beamten können sich nicht dagegen wehren; das ist einfach und geht genauso schnell.

Noch ein Beispiel: die Dividende, die die Bahn leisten soll. Das heißt, die Bahn soll aus ihrem Gewinn - den sie nicht macht - 500 Millionen Euro an den Bundeshaushalt zahlen. Die Bahn gibt uns also Geld, und wir geben es dann als Land der Bahn wieder, damit sie den Verkehr organisiert. Also, etwas Widersinnigeres als diesen Vorschlag kann ich mir auch nicht vorstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Interessant ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass selbst der Vizekanzler meinte, dass den Sparvorschlägen noch Leben eingehaucht werden muss. Das hat der Herr Außenminister gesagt. Wenn ich das jetzt zu Ende denke, bedeutet das ja nichts anderes, als dass dieses Paket, dieses sogenannte Sparpaket der Bundesregierung, eine Totgeburt ist, die nicht lebensfähig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Diese Totgeburt muss weg. Ich würde Ihnen anraten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und von der FDP: Nehmen Sie die Kritik ernst, nehmen Sie sie mit in den Bundesrat, sagen Sie Ihrem Ministerpräsidenten, wie er im Bundesrat zu diesem Paket abstim

men muss, nämlich, dass er dieses Paket in der Form ablehnen muss.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege. - Für die CSU bitte ich Herrn Winter ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, werte Kollegen, Hohes Haus! Warum überhaupt sparen? Die Frage muss man sich stellen; denn vielen, die es betrifft, tut man damit weh. Das bedeutet Einschränkungen, es ist ein Stück weniger als bisher. Deshalb ist die Frage ganz wichtig: Ist es notwendig, gäbe es auch andere Lösungen, ist es nur Selbstzweck, ist es nur die Idee von Ewiggestrigen, die nicht erkannt haben, dass die Welt im Großen und Ganzen auch anders läuft? - Nein, meine Damen und Herren, Sparen ist heute notwendiger denn je. Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Das erste Stichwort ist der Euro. Wir alle haben erlebt, was es bedeutet, wenn in unserer Währungszone, der Eurozone, plötzlich Länder Schwächen aufweisen, welche Kraft es auch erfordert, wie viel Geld man in die Hand nehmen muss, um den Euro abzuschirmen, - eine riesige Herausforderung. Sie alle wissen, dass das Thema mit Griechenland nicht beendet ist, sich mit Spanien und mit anderen Ländern fortsetzt. Wir wollen gar keine Negativauflistung vornehmen, aber es ist eine riesige Herausforderung in der Eurozone. Das ist jetzt eine große Kraftanstrengung für uns alle. Warum? Wir wissen es, wenn es um andere geht: weil dort nicht rechtzeitig gespart worden ist.

Andererseits muss man sagen - wir sehen es auch an den Griechen, an den Spaniern -: Wenn man sehr spät mit dem Sparen beginnt, dann wird es wirklich richtig grausam. Wir konnten das anhand der Bilder erleben. Einige von uns konnten es direkt in Griechenland vor wenigen Wochen selbst miterleben. In der Zeit, als die Unruhen dort waren, waren wir vor Ort in Griechenland, haben uns davon überzeugt: Es ist alles, alles andere als einfach, auch wenn bei diesen Ländern heute die entsprechende Erkenntnis da ist. Aber die Frage ist: Warum haben wir so spät begonnen, warum wurde das Geld in guten Zeiten ausgegeben und verwirtschaftet?

Ein Zweites möchte ich ansprechen, unser Grundgesetz. Das Grundgesetz sieht hier ganz klare Regelungen vor, nämlich die Schuldenbremse, die ab 2019 gilt. Sie gilt sowohl für den Bund als auch für die Länder, ist also eine klare Aufforderung zum Sparen. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir uns dem rechtzeitig stellen. Es gibt hierzu keine Alternativen.

Meine Damen und Herren, für uns von der Union ist Sparen, ist solide Finanzpolitik ein Grundpfeiler unserer Ausrichtung und deshalb auch kein Selbstzweck. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Abgeordneter Mütze, wenn Sie sagen, wir sollten das in Berlin ablehnen, antworte ich: Wir werden es nicht ablehnen. Wir werden die Anträge hier ablehnen. Warum? Weil gerade wir Bayern ein ganz fundamentales Interesse daran haben müssen, dass gespart wird.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das ist doch kein Sparen, das ist Kürzen! - Zuruf von den GRÜNEN: Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie!)

- Liebe Frau Kamm, ob Sie das Sparen, Kürzen oder Streichen nennen - man kann das mit negativen Ausdrücken fortsetzen -, es ist halt die schwierigste Aufgabe der Politik, die es überhaupt gibt, das Einschränken, das Sparen. Es ist auch zu Hause so, wenn man sagt: Wir haben jetzt weniger.

Wir leben seit 60 Jahren in einem Trend, der immer nach oben zeigt. Die Frage war nur: Wie schnell geht es nach oben, sind es 1 %, 3 % oder 5 %? Dann gab es eine Zeit, in der Sie von den GRÜNEN gefragt haben: Ist Wachstum gesund, verkraften wir das auf Dauer, wäre weniger Wachstum nicht besser? Oder überhaupt: Was richtet das böse Wachstum alles an? - 2009 haben wir erlebt, was uns alles fehlt, wenn wir kein Wachstum haben, wenn es ins Minus geht. Jetzt sagen Sie genau das Gegenteil.

Da, meine ich, sollten die GRÜNEN einmal in sich gehen, sich einmal fragen: Sind wir jetzt für oder gegen Wachstum, wo soll das Geld herkommen? Wenn Sie diese Fragen beantworteten, wäre das ganz gut, dann kommen Sie auch Ihren Umfrageergebnissen näher. Also das wäre ein ganz entscheidende Aufgabe für Sie.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Aber ich möchte hier ganz klar ausführen, warum es für Bayern so wichtig ist. Unser Fraktionsvorsitzender wird heute bei dem weiteren Antrag zum Länderfinanzausgleich dazu ausführlich Stellung nehmen. Meine Damen und Herren, es sind nur noch drei Länder, die im Wesentlichen einzahlen, und der ganz große Rest sind die Nehmerländer. Deswegen müssen wir doch ein Interesse haben, dass im Bund und im Land, in den Ländern insgesamt gesunde Staatsfinanzen da sind, dass die Nehmerländer wieder weniger werden und dass wir nicht auf Dauer Finanzausgleich leisten müssen. Das ist unser vitales Interesse, und deswegen kann es gar nicht gut sein, wenn wir in Berlin diese Anträge ablehnen würden. - Wie gesagt,

unser Fraktionsvorsitzender wird gerade diesen Aspekt heute nochmals umfassend beleuchten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass dieser Antrag von uns, von CSU und FDP, heute auf der Tagesordnung steht.

Jetzt zur Frage: Was ist denn sozial? Natürlich muss man dem nachgehen, aber da kann ich auch nur sagen: Eine nachhaltige und solide Finanzpolitik ist doch im Interesse unserer Kinder und Enkel. Damit ist auch klar: Die beste Sozialpolitik, die es überhaupt geben kann, heißt Sparen.

Ich möchte es an drei Stichworten festmachen. Zunächst: der Generationenvertrag. Sie alle wissen: Es muss doch so sein, dass der Generationenvertrag für unsere jungen Leute noch bezahlbar ist, dass wir sie nicht überfordern, dass nicht noch mehr in die Schweiz und in andere Länder auswandern müssen, die guten und tüchtigen Kräfte, weil sie es da besser haben als bei uns zu Hause, weil sie da nicht diese Herausforderungen erwarten.

Ich nenne zwei Beispiele, wo dieser Generationsvertrag in Gefahr geraten kann.

Das ist erstens der große Schuldenberg, der im Bundeshaushalt mehr als 10 % für Zins und Tilgung erfordert. Das ist eine riesige, weil zweistellige Zahl. In Bayern sind es 2,7 %. Im Bund sind es über 10 %.

Der zweite Punkt ist, dass heute drei Erwerbstätige notwendig sind, um einen Rentner zu versorgen. In 20 Jahren, also im Jahre 2030, sind es nur noch zwei Personen, die für einen Rentner aufkommen müssen. Daran wird deutlich, dass sich allein durch die demografische Entwicklung eine riesige Herausforderung ergibt. Dürfen wir da noch riesige Schuldenberge hinterlassen, die das Ganze noch weiter erschweren? Das kann nicht sein. Deswegen ist Sparen die beste Sozialpolitik.

Im Übrigen werden Bildung, Forschung und Innovation ausgenommen. Damit wird deutlich: Wir sparen so, dass das Land zukunftsfähig bleibt.

Wenn Sie nun den Vorwurf des Unsozialen machen, sage ich nur: Wenn der Sozialetat des Bundes nahezu 50 % des Gesamtvolumens ausmacht, kann man doch nicht vom Sparen reden, wenn man um 50 % des Gesamthaushalts einen Bogen macht. Das ist immerhin die Hälfte. Wenn ich also eine Hälfte auslasse und sage, nur die andere Hälfte solle das Ganze schultern, dann wird es zu viel, es wird einseitig und unsozial. Deswegen hat man auch diesen Bereich einbeziehen müssen. Immerhin ist es anteilsmäßig wesentlich weniger als in den anderen Bereichen. In

Zahlen ausgedrückt handelt es sich um ein Drittel der Gesamteinsparungen.

Es gilt also festzuhalten: Gerade dann, wenn sich alle beschweren, wenn alle sagen, es sei falsch, egal ob es die Wirtschaft ist, der soziale Bereich oder auch Jung und Alt, dann wissen doch die Politiker, dass so, wie wir die Lasten verteilt haben, es nicht schlecht gelaufen ist. Unter diesem Aspekt können wir diesen Antrag guten Gewissens ablehnen und uns den Herausforderungen der Zukunft stellen.

(Harald Güller (SPD): Da hat aber die Bundesregierung auch noch mitzureden!)

Kollege Güller, es wäre natürlich schöner, wenn wir es nicht tun müssten, aber da sage ich an dieser Stelle nur "Euro". Es war ja immerhin die rot-grüne Bundesregierung, die die Griechen zu früh in die Eurozone mit aufgenommen hat.

(Beifall bei der CSU)