Protokoll der Sitzung vom 15.06.2010

Aber da muss ich jetzt auch insbesondere die kommunalen Spitzenverbände in Schutz nehmen, die diese Vorschläge gemacht haben: Es ist auch nichts vorgeschlagen, was hier zu Einschnitten führen könnte. Wir sind derzeit dabei, diese Vorschläge noch zu bewerten, zu überprüfen. Da sind Dinge dabei wie der beheizbare Abstellplatz für Kinderwägen, die es gar nicht gibt, sondern die sich irgendein Architekt ausgedacht und als Empfehlung herausgegeben hat. Wir sind also dabei, zu überprüfen, was denn wirklich Standards sind, mit denen wir uns im Sinne des effizienten Mitteleinsatzes tatsächlich beschäftigen sollten. Wir müssen hier genau vorgehen, damit die Mittel, die wir in die Hand nehmen, auch bei denen ankommen, die sie brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das war der letzte Aspekt Ihrer Frage.

Als Zweites hatten Sie die Entwicklung des Fachkräftebedarfs nachgefragt. Die Beschäftigtenzahl in stationären Einrichtungen in Bayern liegt derzeit bei 21.745 und in ambulanten Pflegeeinrichtungen bei 6.652. Bei dem Ausdruck "derzeit" muss ich meine Aussage

etwas revidieren: Ich kann Ihnen nur den Stand von Ende 2007 nennen. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt bereits deutlich höher liegen. Aber das ist ein Anhaltspunkt. Wir schätzen, dass sich die Zahl nur der professionellen Pflegekräfte im nächsten Jahrzehnt wird fast verdoppeln müssen.

In den nächsten 20 Jahren wird meine Generation, die sogenannten Baby-Boomer der Sechzigerjahre, hoffentlich nicht voll, aber doch so nach und nach älter werden wir alle - in den Bereich der Pflegebedürftigkeit kommen, und dann wird es natürlich entsprechend eng.

Sie hatten weiter gefragt: Wie lässt sich das mit den jetzigen Kürzungen vereinbaren? Das sind keine Kürzungen! Wir haben vorhin darüber gesprochen: Der Festbetrag für die Schulgeldfinanzierung ist geblieben, und wir haben das politische Ziel, weiterhin eine hundertprozentige Abdeckung der Schulen darzustellen. Das heißt, wenn sich die Zahlen so entwickeln, dass eine hundertprozentige Abdeckung nicht mehr gegeben ist, werden wir prüfen, mit welchen Maßnahmen wir eine weitere hundertprozentige Refinanzierung sicherstellen können. Das sage ich für die gesamte Bayerische Staatsregierung.

Danke schön, Frau Staatsministerin. - Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Weikert. Bitte schön.

Frau Ministerin, ich muss leider noch einmal auf diesen Brief aus dem Ministerium für Unterricht und Kultus zurückkommen. Er ist unterschrieben von Herrn Pangerl, Ministerialrat.

Da frage ich Sie jetzt schon ziemlich konkret: Zum einen wundert es uns etwas, wie die Abstimmungen zwischen dem Sozialministerium und dem Kultusministerium laufen. Vielleicht noch einmal als Hintergrund, Frau Sozialministerin: Sie wissen, dass wir in drei Wochen eine große Anhörung zur Zukunft der Alten- und Krankenpflege haben. Ich finde es vor so einer Anhörung auch ziemlich unhöflich gegenüber den Experten, die wir eingeladen haben, gerade zum Thema Finanzierungsteil,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

dass man vorher einen Brief an die Träger hinausschickt und sie damit völlig verunsichert.

Jetzt noch einmal konkret: In diesem Brief steht wörtlich:

Im Schuljahr 2010/2011 wird der zusätzliche Schulausgleich pro Unterrichtsmonat und Schüler/in deshalb auf 100 Euro festgesetzt.

Davor ist der Zusammenhang mit dem gesamten Haushaltstitel und der zunehmenden Schülerzahl dargestellt.

Das ist eine Anweisung an die Träger. Im Brief steht "festgesetzt". Meine konkrete Frage ist jetzt: Sind Sie nach Ihrer heutigen Erklärung bereit, mit Ihrem Kollegen Kultusminister Dr. Spaenle darüber zu reden, dass er diesen Brief zurückzieht und einen neuen Brief an die Träger verschickt mit dem konkret jetzt von Ihnen genannten Inhalt, dass zumindest die Frage, wie viel Schulgeldausgleich ab dem Schuljahr 2010/2011 gezahlt wird, zunächst erst einmal neu geprüft wird?

Die zweite Frage, die ich habe, Frau Sozialministerin, betrifft das Thema Umlagefinanzierung bzw. Zukunft der Alten- und Krankenpflege. Wir werden uns bei der angekündigten Anhörung ausführlich damit beschäftigen. Das setzt allerdings auch voraus, dass das Sozialministerium aktiv wird. In einigen Nebensätzen ist schon einmal über die Umlage im Finanzierungssystem gesprochen worden. Frau Ministerin, Sie wissen genau, dass der Freistaat Bayern dazu eine Rechtsverordnung erlassen müsste. Die Voraussetzung für so eine Rechtsverordnung, Frau Ministerin, wäre die Feststellung aus dem Ministerium, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Jetzt frage ich Sie konkret: Wollen Sie das in den nächsten Monaten erklären? Sagen Sie, es gibt keinen Fachkräftemangel, dann brauchen Sie die Rechtsverordnung nicht zu erlassen. Wenn es aber diesen Fachkräftemangel gibt, dann müssen Sie das tun. Denn bis eine Rechtsverordnung in Kraft tritt und ein Umlagesystem wirkt, wird nach meiner politischen Erfahrung noch einige Zeit vergehen. Da werden Sie mir sicher recht geben. Dazu braucht es vorbereitende Arbeiten.

Wäre es nicht auch im Sinne des bayerischen Haushalts besser, Sie würden sich diesem Schritt nähern, weil Sie dann die unterschiedlichsten Töpfe heranziehen könnten? Sie haben selbst davon geredet: 3.000 Euro Zuschuss im Rahmen von "Fit for work", 300.000 Euro, Frau Ministerin, haben Sie für die Kampagne "Herzwerker" ausgegeben, die wir uns übrigens bei der letzten Ausschusssitzung einmal angeschaut haben. Wir fanden sie nicht so toll, aber darüber kann man streiten. Sie geben auf jeden Fall eine Menge Geld aus für Kampagnen, um Menschen für diesen Beruf zu begeistern, sind aber nicht bereit festzustellen, dass es einen Fachkräftemangel gibt, und die notwendigen Schritte in der Umlagefinanzierung vorzubereiten. Das würde den Trägern der Ausbildung sehr entgegenkommen. Diese sehnen sich dieses System herbei, weil es für diejenigen, die Auszubildende haben, einen eindeutigen Wettbewerbsnachteil

bringt, wenn diese Kosten im Umlagesystem nicht mitfinanziert werden.

Ich glaube, ich habe zwei ganz konkrete Fragen gestellt. Ich freue mich auf Ihre Antworten.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Weikert, ich möchte mit dem Umlageverfahren beginnen. Wenn ich diese Rechtsverordnung erlassen würde, würde ich sehenden Auges und vorsätzlich etwas Rechtswidriges tun. Das täte ich ungern, nicht nur weil ich Mitglied dieser Staatsregierung bin, sondern weil ich als Juristin ein gestörtes Verhältnis dazu hätte. Ich erkläre Ihnen auch, warum.

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 29. Oktober 2009 festgestellt, dass ein Land nur dann berechtigt ist, eine Ausbildungsumlage per Rechtsverordnung einzuführen, wenn es einen Ausbildungsplatzmangel gibt, nicht wenn es einen Fachkräftemangel gibt. Wir haben aber keinen Ausbildungsplatzmangel,

(Renate Ackermann (GRÜNE): Wenn Sie so weitermachen, schon!)

sondern wir haben einen Mangel an Bewerbern. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste wenn Sie zuhören, können Sie schlauer werden kann derzeit 100 Ausbildungsplätze in der Altenpflege nicht besetzen. Wir haben keinen Ausbildungsplatzmangel, sondern wir haben einen Mangel an geeigneten Leuten, die diesen Beruf ergreifen wollen. Deswegen liegen die Voraussetzungen für eine Verordnung für eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage nicht vor. Das heißt, diese würde stante pede aufgehoben.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Weikert (SPD))

Wenn wir einmal einen Ausbildungsplatzmangel haben, können wir uns erneut darüber unterhalten. Das habe ich auch immer zugesagt. Diese Voraussetzung haben wir nicht in Bayern.

Dennoch beschäftigt mich das Thema Umlage. Das hat damit zu tun, dass zum einen die Ausbildungskosten derzeit nicht pflegesatzfähig sind. Das andere Thema ist -

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Doch!)

- Nein, sie sind pflegesatzfähig, wenn es eine gesetzliche Umlage ist, aber nicht, wenn Sie eine freiwillige machen. Wir können das Problem aber derzeit eben nur über eine freiwillige Ausbildungsplatzumlage lösen. Wir haben darüber auch viele Gespräche geführt. Die Träger wären grundsätzlich dazu bereit, aber nur dann, wenn die Ausbildungsplatzumlage auch pflegesatzfähig wird. Pflegesatzfähig wird eine freiwillige Umlage derzeit nicht. Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege Beyer, wir sind darüber oft im Gespräch. Wir sind derzeit in Berlin darüber im Gespräch, sie pflegesatzfähig zu machen, damit wir uns vielleicht mit Aussicht auf Erfolg einer freiwilligen Ausbildungsplatzumlage nähern können. Das wäre deshalb wichtig, weil die Träger, die ausbilden und dann erleben, dass ihnen die gut ausgebildeten Kräfte abgeworben werden von einem Träger, der nicht ausgebildet hat, eine Benachteiligung erleiden, die wir über eine freiwillige Ausbildungsplatzumlage beenden könnten. Ich kann aber diese gesetzliche Ausbildungsplatzumlage mangels Voraussetzungen nicht einführen.

Der zweite Teil Ihrer Aussage war, dass Sie noch einmal das Schreiben des Kultusministeriums aufgegriffen haben, vor allem vom Timing her kurz vor der Anhörung zur Zukunft der Alten- und Krankenpflege im Landtag. Ich freue mich sehr darüber, dass Sie diese Anhörung durchführen. In sie wird sicherlich vieles einfließen, was letztes Jahr und auch dieses Jahr auf dem Gipfel "soziale Berufe" besprochen wurde. Ich sage dazu: Natürlich hat das die Träger irritiert. Wir haben offene Briefe bekommen vom Bayerischen Roten Kreuz, von der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände - LAGFW -, von der Diakonie Neuendettelsau. Aber möglicherweise ist es auch so, dass sie dadurch und durch meine heutigen Aussagen, die ich für die ganze Staatsregierung mache, besser dastehen, als hätte es den Brief und die Irritationen um das Thema nicht gegeben.

(Angelika Weikert (SPD): Sind Sie bereit, den Brief zurückzunehmen?)

- Ich bin nicht der Kultusminister.

Frau Weikert, Sie haben jetzt nicht das Wort.

Ich gehe trotzdem darauf ein. Der Kultusminister ist mit mir einer Meinung, dass das Ziel weiterhin die hundertprozentige Refinanzierung sein muss. Insofern ist die Meinung der Staatsregierung stärker als ein Schreiben, das zeitlich vorher hinausging.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin, für diese Klarstellung. Als Nächste hat wieder Frau Kollegin Ackermann das Wort.

Frau Staatsministerin, für diese Klarstellung möchte ich Ihnen auch danken. Das heißt also, dass Minister Dr. Spaenle sein im Dezember 2009 gegebenes Wort jetzt hält und die 200 Euro weiterhin an die Schüler gehen, sodass sie sich keine Sorgen mehr machen müssen. Meine Frage ist jetzt nur noch: Wie wird das bekannt gemacht? Wie wird für die Beruhigung der aufgebrachten Schulleiter gesorgt, damit wieder Ruhe einkehrt und die so notwendige Ausbildung der Alten- und Krankenpflegerinnen ohne Ängste fortgesetzt werden kann?

Leider steht der zuständige Minister jetzt nicht hier vorn, sonst hätte ich ihn gefragt, wie das Ministerium den Vorschlag beurteilt, den Schulgeldausgleich im Schulfinanzierungsgesetz zu verankern. Dann wäre diesem Hin und Her ein Ende gesetzt, und das wäre eine verlässliche Planung für die Träger.

Danke schön, Frau Ackermann. Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort zur Beruhigung.

Der Minister wäre hier vorne, wenn Sie ein anderes Thema gewählt hätten, zum Beispiel die Privatschulfinanzierung. Aber die Zukunft der Altenpflege ist eben ein Thema der Sozialministerin.

Zum Zweiten. Wir sind bei dem Ehrgeiz, für die Altenpflege zu kämpfen, sehr nahe beieinander, Frau Kollegin Ackermann. Ich möchte aber noch einmal klarstellen, dass die Aussage für die Staatsregierung ist, dass wir weiterhin eine hundertprozentige Finanzierung der Altenpflegeschulen sicherstellen wollen. Welcher Betrag dazu notwendig ist, das werden wir überprüfen müssen. Es gibt durchaus Meinungen, wonach die jetzigen 200 Euro eine über hundertprozentige Refinanzierung der Altenpflegeschulen bewirken. Ich weiß es nicht, aber ich sage Ihnen zu, dass wir das überprüfen, dass die hundertprozentige Refinanzierung auf jeden Fall gewährleistet ist.

Danke schön, Frau Staatsministerin. Als Nächster hat Herr Kollege Imhof das Wort.

Herr Präsident, Frau Staatsministerin! Ich glaube, die Klarheit, mit der Sie eben das Signal nach draußen in die Schulträgerlandschaft

gesandt haben, war absolut notwendig, um ein Stück weit die Unruhe und Irritation zu beseitigen.

Ich habe den Herrn Kultusminister, obwohl er heute nicht beteiligt ist, sehr wohlwollend nicht nur nicken sehen, sondern er hat zusammen mit der Sozialministerin auch den politischen Willen erklärt, dass es bei dieser kompletten Refinanzierung bleibt. Das ist wichtig, damit Ruhe in die Landschaft einkehrt. Das ist der erste wichtige Punkt.

Denn, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn wir es politisch nicht täten, was wäre dann die Konsequenz? Als Erstes hätten wir eine Kontraproduktivität, denn die Schülerzahlen würden sofort wieder zurückgehen. Die Schülerzahlen würden wegen des Schulgeldes zurückgehen. Was würde das in sozialpolitischer Hinsicht bedeuten? Ein Rückgang der Schulgelder müsste draußen unmittelbar von den Kostenträgern getragen werden, denn die Träger würden diese Gelder mit Recht - sie hätten keine andere Chance - auf die Pflegesätze umlegen. Deshalb sage ich auch ein Dankeschön an die Träger, die Jahr für Jahr enorme Anstrengungen vollbringen. Sie müssen enorme Summen an Eigenmitteln zur Verfügung stellen. Die Zahlen steigen ständig.

Frau Ministerin, ich hätte noch eine Frage: Die Beschäftigungsaussichten in Pflegeberufen sind grandios. Hier herrscht eine unglaubliche Nachfrage. Womit hängt es aber zusammen, dass diese Berufe nicht im erforderlichen Umfang ergriffen werden? Ich denke, dass wir bei Altenpflegerinnen und Altenpflegern immer noch Nachholbedarf bei der Entlohnung haben. Die Frage lautet: Welche konzeptionellen Ideen kann das Staatsministerium beisteuern, damit diese Berufe noch attraktiver werden?

Damit hat die CSU-Fraktion das Kontingent ihrer Fragezeit erschöpft. Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Imhof, Hauptargument für die Attraktivität von Berufen ist nicht nur die gesellschaftliche Wertschätzung, sondern es sind natürlich auch die finanziellen Rahmenbedingungen. Die Politik hat nicht die Möglichkeit, die Aufgaben der Tarifvertragsparteien wahrzunehmen. Wir können aber viel dafür tun, dass die gesellschaftliche Wertigkeit, das Ansehen dieser Berufe, gesteigert wird. Niemand würde sagen, dass ein Pilot zu viel verdient. Er hat einen höchst verantwortungsvollen Job. Einen höchst verantwortungsvollen Beruf haben aber auch all diejenigen, die in der Altenpflege professionelle Arbeit leisten.