Protokoll der Sitzung vom 15.06.2010

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Je weniger Disziplin herrscht, umso länger dauert die Sitzung.

Wir kommen zur Abstimmung, da auf die Aussprache verzichtet worden ist. Der federführende Ausschuss

für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer dagegen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der SPD. Stimmenthaltungen? - Das sind die Fraktion der Freien Wähler und die Abgeordnete Dr. Gabriele Pauli (fraktionslos). Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Maria Noichl, Horst Arnold, Annette Karl u. a. (SPD) Senkung der Umlage gemäß § 22 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz) und Übernahme der Kosten für den Zeitraum von zwei Jahren (ber. Drs. 16/4050)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion ist auf fünf Minuten festgelegt. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Noichl das Wort. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine ungewöhnliche Zeit, aber auch ein ungewöhnliches Gesetz, um das es hier geht. Das Milch- und Fettgesetz hat in Bayern seit 1929 Bestand. Das Gesetz, das 1929 eingeführt wurde, hatte damals zum Ziel gehabt, dass jeder, der an der Molkerei Milch abgibt, etwas bezahlen muss, damit die Qualität der Milch geprüft werden kann. Dieses Gesetz gibt es jetzt seit über 80 Jahren. Man könnte sich vorstellen, dass die Qualität der Milch nach wie vor geprüft werden muss, weil die Landwirte nach wie vor Milch an der Molkerei abliefern. Es wird also wohl so richtig sein, wie es ist.

Wie schaut es aber heute mit dem Milch- und Fettgesetz aus, um das es jetzt geht? Auch heute wird Milch noch abgeliefert. Auch heute wird von der Molkerei noch Geld einbehalten, das eigentlich den Landwirten zustehen würde. 0,15 Cent pro abgeliefertes Kilogramm Milch werden einbehalten. Was sind schon 0,15 Cent? Das ist doch nicht so viel. Außerdem war es schon immer so, sodass sich die Landwirte an diese Abgabe gewöhnt haben.

Was bedeutet diese Abgabe aber bei uns in Bayern? Ein durchschnittlicher Milchviehbetrieb mit 50 Kühen hat eine Milchleistung von ungefähr 6.500 Kilogramm. Er gibt damit bei der Molkerei 500 Euro ab oder besser gesagt: Er bekommt diesen Betrag mit der Milch

rechnung nicht ausbezahlt. Wir haben hier schon über kleinere Beträge als über 500 Euro gesprochen. Es ging damals um die Milchkuhprämie, um die Weideprämie oder um sonstige Prämien. Minister Brunner hat sich dabei breitgemacht dafür, was er für die Bauern tut. Er hat gezeigt, welche Kraftanstrengungen er unternimmt, wenn es eine Kuhschwanzprämie oder eine Weideprämie gibt. 500 Euro aber bleiben für einen Durchschnittsbetrieb bei der Molkerei.

Die 500 Euro werden jedoch anders als früher nicht nur dafür einbehalten, dass die Qualität geprüft wird. Diese 500 Euro werden für ganz etwas anderes ausgegeben. Lassen Sie es mich noch einmal hochrechnen. In 20 Jahren sind es immerhin 10.000 Euro pro Betrieb, die vom Milchgeld abgezogen werden. Früher ist dieses Geld für die Prüfung ausgegeben worden, damit die Qualität der Milch in Ordnung war, damit sie in den großen Tank geschüttet und in den Verarbeitungsprozess gegeben werden konnte. Heute wird dieses Geld vielfältig verwandt. Da lohnt es sich genauer hinzusehen.

Nur noch ein Drittel des Geldes wird wirklich für die Qualitätsprüfung verwendet. Der andere Teil wandert in die Werbung - natürlich nicht für den einzelnen Bauern, sondern für das Große -, in die Marktinformation, in die Ausbildung, in die Fortbildung usw. Das heißt, mit jeder abgelieferten Milch bezahlt der Landwirt Werbung, Ausbildung und Information mit, ohne darauf Einfluss nehmen zu können.

Interessant ist auch noch, wer an diesem Topf hängt, in dem immerhin zehn Millionen Euro liegen. Es sind nicht nur 500 Euro, sondern es sind 500 Euro pro Durchschnittsbetrieb. Insgesamt liegen in Bayern zehn Millionen im großen Topf Sondervermögen Milch und Fett. Diese zehn Millionen werden am Landtag vorbei ausgegeben, ohne dass wir darüber entscheiden können. An diesen zehn Millionen sind auch einige Ehrenamtliche beteiligt, die gut dotierte Posten an der Molkerei haben. Das schreit am allermeisten zum Himmel.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie jetzt fragen, warum wir diese Prämie immer noch haben, müssen Sie sich überlegen, wen Sie überhaupt fragen sollen. Wenn Sie die Molkerei fragen, sagt sie, das Geld braucht sie unbedingt, das Geld steht ihr zu, damit macht sie Werbung und Marktinformation. Wenn Sie aber den einfachen Bauern fragen, sagt er Ihnen Folgendes: Wenn ich auf einer großen Messe Weißwürste oder einen Kaffee spendiert bekomme, habe ich dafür schon teuer bezahlt, denn das Geld dafür wurde ursprünglich vom

Milchgeld abgezogen und wird dann verwendet, um die Milchwirtschaft zu unterhalten.

Es ist ganz interessant, über den Zaun hinweg in die anderen Bundesländer zu blicken. Nur noch in sieben anderen Bundesländern wird diese Abgabe erhoben. Unter den Bundesländern, die die Abgabe erheben, ist Bayern mit 0,15 Cent pro Kilogramm an der Spitze. Die anderen haben ein Drittel oder noch weniger. Wir sind der Meinung, dass diese Art von Zwangserhebung bei den Milchbauern eine Marktverzerrung und Wettbewerbsverzerrung darstellt. Diese Abgabe ist eine Zwangsabgabe, wie sie im Fall der CMA-Abgabe nicht mehr erlaubt ist. Auch diese Abgabe musste fallen. Man könnte auch sagen, jeder, der ein Tier zum Schlachten bringt oder ein Kilogramm Weizen produziert, muss eine Abgabe bezahlen. Die Abgabe gilt aber nur ganz speziell für die Milchwirtschaft. Das kann so nicht bleiben. Es muss sich verändern.

Wir von der SPD beantragen daher -

Frau Kollegin, darf ich Sie im Interesse des zügigen Verlaufs dieser Sitzung darauf aufmerksam machen, dass Sie schon leicht überziehen?

- Leicht, damit haben Sie recht. Ich komme zum Schluss. Wir fordern, dass diese Abgabe auf ein Drittel gesenkt wird, also auf diesen Betrag, der wirklich zur Milchprüfung gebraucht wird. Wir fordern, dass die Staatsregierung diesen Betrag für zwei Jahre übernimmt und dass wir dann konkret prüfen, ob diese Abgabe überhaupt noch notwendig ist. Es kann nicht sein, dass sich die Staatsregierung immer vor die Bauern stellt, in Wirklichkeit ihnen aber den Rahm von der Milch nimmt, indem sie ihnen Geld aus der Tasche nimmt, das ihnen zusteht.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste hat Frau Kollegin Biechl das Wort. Frau Kollegin, Sie haben ein bisschen mehr als eine halbe Minute überzogen.

(Maria Noichl (SPD): Weil Sie mich unterbrochen haben!)

- Kein Widerspruch!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Noichl, Ihr Antrag musste nachträglich im Intranet verändert werden. Von der Mehrheit der Fraktionen wurde er in den Ausschüssen bereits abgelehnt. Er wird durch Wiederholung auch nicht besser.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben gesagt, dass sich etwas verändern muss und dass die Umlage am Landtag vorbeigehen würde. Der Landtag muss nicht über alles befinden. Die Vorstandschaft der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft hat selber darüber befunden, dass sie diese Umlage ändert. Ab 1. Juli soll sie auf 0,125 Cent gesenkt werden.

(Maria Noichl (SPD): Das ist zu wenig!)

Für Sie ist das zu wenig, aber die in der Milchbauernvereinigung handelnden Personen haben sehr wohl einen Einblick, wofür das Geld verwendet wird. Sie wissen auch, dass die Abgabe notwendig ist. Die Betriebe, Erzeuger und Verarbeiter in Bayern sind relativ klein strukturiert. Es macht durchaus Sinn, die Maßnahmen, für die dieses Geld verwendet wird, unter dem gemeinsamen Dach Bayerns durchzuführen.

Liebe Kollegin, Sie sagen immer, die Umlage wird vom Milchgeld abgezogen. Die Umlage ist auf keiner Milchgeldabrechnung ausgewiesen. Wenn die Umlage gesenkt oder ganz abgeschafft wird, haben Sie keinerlei Garantie dafür, dass sie dem Milchgeld zugeschlagen wird. Bei der Gelegenheit darf ich daran erinnern, dass wir auch für die Centrale MarketingGesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft - CMA eine Abgabe hatten.

(Maria Noichl (SPD): Also doch eine Abgabe!)

Der Milchpreis ist um keinen Deut in die Höhe gegangen, als es die CMA-Abgabe nicht mehr gab. Wir haben aber eine Organisation verloren, die wir heute dringend bräuchten, weil ein Land, das bei Käse 300 % und bei der Milch 170 % des Eigenbedarfs erzeugt, jeden zweiten Liter außerhalb Bayerns verkaufen muss. Dafür brauchen wir starke Organisationen und starke Partner.

Liebe Kollegin Maria Noichl, Sie sagten gerade, bei der Landesvereinigung gebe es gut dotierte Vorstände. Da sind Sie auch nicht gut informiert. Diese Aufgabe ist ehrenamtlich. Sie haben in Ihrem Antrag, der wiederum Fehler enthält, behauptet, die Milchleistungsprüfung würde von diesem Geld bezahlt. Das ist total falsch. Das macht das Landeskuratorium für tierische Veredelung in Bayern e.V. - LKV -, und das hat mit dieser Abgabe überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Das habe ich schon das letzte Mal versucht, Ihnen zu sagen.

Sie haben auch wieder Thüringen angeführt, wo die Abgabe nur 0,05 Cent beträgt. Wenn Ihre Einschätzung richtig wäre, müsste der Milchpreis in Thüringen um einiges höher sein. Fakt ist aber: Der Milchpreis in Thüringen war im vergangenen Jahr um 1,15 Cent niedriger als der Durchschnitt in Bayern. Dieses Argument ist also auch nicht richtig.

(Maria Noichl (SPD): 10 Millionen Euro! Wem gehören dann die 10 Millionen Euro?)

- Die werden für unsere Anliegen, für unsere Organisationen genutzt. Ich könnte Ihnen das alles aufzählen, aber ich habe es Ihnen schon das letzte Mal gesagt. Sie haben das anscheinend nicht verstanden.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

Ich könnte das jetzt wieder alles aufzählen, doch eigentlich wissen Sie das auch alles.

(Maria Noichl (SPD): Die zahlen die Bauern! Aber wir brauchen es!)

- Wir brauchen diese Organisationen. Ich könnte das alles gern aufzählen.

(Harald Güller (SPD): Also, die Bauern zahlen und Sie verbrauchen es? - Allgemeine Unruhe Glocke des Präsidenten)

- Ich habe gerade versucht, Ihnen das zu erklären. Passen sie doch ein bisschen auf.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe gerade erklärt: Wir haben keinerlei Garantie, dass dieses Geld auf den Milchpreis draufgelegt wird. Das zeigt sich ganz eindeutig bei der CMA. Ich bin deshalb der Meinung, dass es uns mehr schaden als nützen würde, wenn wir die Umlage nicht mehr hätten.

(Maria Noichl (SPD): Aber zahlen müssen es die Bauern!)

- Liebe Frau Kollegin Noichl, es ist unverantwortlich, sich hier vorne hinzustellen und den Bauern vorzugaukeln, sie würden einen höhern Milchpreis erhalten, wenn die Umlage wegfiele.

(Maria Noichl (SPD): 10 Millionen Euro!)