Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

(Zuruf der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

- Ja, aber auch das muss gesagt werden, weil Sie den Eindruck vermitteln, wir hätten keine studentische Mitbestimmung. Es gibt sie aber; auch in Bayern ist sie vorhanden.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Es gibt den Fakultätsrat, den Berufungsausschuss und auf studentischer Ebene den Studentischen Konvent, den Fachschaftsrat und den Sprecherinnen- und Sprecherrat. Es besteht auch die Pflicht zur Evaluation der Lehrer. Dabei zeigt sich, dass der Studierende als Partner der Universität gesehen wird, er kann Kritik üben und seine Universität verbessern. All das ist wichtig für das Selbstbild der Studierenden der Zukunft. Die Studierenden können auch über die Höhe und die Verwendung der Studienbeiträge mitbestimmen. Zu nennen ist auch die Erhöhung der Zahl der Vertreter der Studenten im Senat. Derzeit befindet sich ein Vertreter der Studierenden im Senat. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, die Zahl auf drei anzuheben. Herr Kollege Jörg hat es schon ausgeführt, wir haben in dieser Frage verfassungsrechtliche Bedenken, denn es geht um die Wissenschaftsfreiheit. Auch deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Ich möchte die fünf Gründe, weshalb wir den Gesetzentwurf ablehnen, noch einmal zusammenfassen:

Erstens, die Verfasste Studierendenschaft. Vielleicht sind es keine Zwangsbeiträge, sondern Pflichtbeiträge, trotzdem werden hier Gelder für die Studierenden fällig.

Zum Zweiten soll der studentische Anteil am Senat von einem auf drei Mitglieder aufgestockt werden. Das ist verfassungswidrig.

Drittens. Der Master als Regelstudienabschluss konterkariert den Bologna-Prozess.

Viertens. Eine Verlängerung der Regelstudienzeit würde unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr sicherstellen.

Fünftens. Wenn wir das Gleichwertigkeitserfordernis aufheben, käme es zu starken Qualitätseinbußen. Solche wollen wir in Bayern vermeiden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Frau Kollegin, bleiben Sie doch bitte noch am Rednerpult. Herr Kollege Professor Piazolo hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Er hat das Wort.

Frau Bulfon, mich hat natürlich interessiert, warum Sie den Entwurf ablehnen werden. Aber noch viel mehr interessiert mich, was Sie dagegensetzen. Was wollen Sie machen? Es reicht nicht aus, zu sagen, was andere nach Ihrer Einschätzung falsch machen. Ich ermuntere Sie also, etwas dazu zu sagen, welches die Vorstellungen der FDP sind. Was soll sich beim Bologna-Prozess tun?

Sagen Sie bitte auch etwas dazu, wie Sie über eine größere Mitwirkung der Studierenden denken. Die Mitwirkung gibt es zwar schon, aber sie ist nirgendwo so schwach wie in Bayern.

Ich habe noch etwas Zweites zu sagen. Wenn ich bei der letzten Ministerbefragung den Minister richtig verstanden habe, soll die Beweislastumkehr, die Sie planen, für die Anerkennung von Studienleistungen gelten, die im Ausland erbracht worden sind. Bei Ihnen klang es so, als ob das für den Beginn des Studiums gelten soll. Dann soll es also darum gehen, ob jemand zum Studium zugelassen wird oder nicht. Ist es wirklich so, dass in Zukunft die Professoren jedem Betroffenen sagen müssen, warum er nicht zum Studium zugelassen wird - das ist die Beweislastumkehr -, und der Studierende nicht nachweisen muss, dass er studierfähig ist?

Frau Kollegin Bulfon, Sie haben das Wort.

Herr Piazolo, das bezieht sich in der Tat nur auf die Vergleichbarkeit zwischen ausländischen Studiengängen und der Zulassung zu inländischen Studiengängen. Ich möchte mich entschuldigen, wenn da ein Missverständnis entstanden sein sollte.

Was die Arbeit der genannten Gruppe betrifft, so möchte ich deren Ergebnissen nicht vorgreifen. Wir sollten sie abwarten. Da geht es um mehr studentische Mitbestimmung. Diese wollen wir in der vorgesehenen Form gewährleisten.

Sie haben die Studentenproteste zum Bologna-Prozess erwähnt. Wir nehmen diese Proteste sehr ernst. In vieler Hinsicht stehen wir sogar hinter den Studierenden. Das gilt zum Beispiel bezüglich der Prüfungsdichte oder in der Hinsicht, dass wir einen achtsemestrigen Diplomstudiengang nicht im Verhältnis 1 : 1 in einen sechssemestrigen Bachelorstudiengang umwandeln. Wir wollen auf keinen Fall, dass so etwas passiert.

Wir wollen hin zu weniger Faktenwissen und weg vom Bulimielernen, gegen das sich die Studierenden sehr häufig wenden. Wir wollen hin zum Erwerb von Kompetenzen und zur Outcome-Orientierung. Es ist also nicht wichtig, was der Lehrende sagt, sondern das, was beim Studierenden ankommt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Als Nächster hat Herr Staatsminister Dr. Heubisch das Wort.

Sehr verehrtes Präsidium, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend ein paar Bemerkungen machen. Wir haben über diese Thematik in der letzten Woche ungefähr eineinviertel Stunden gesprochen. Auch heute haben wir sehr intensiv darüber beraten. Das wird der Sache in der Tat gerecht.

Herr Piazolo, ich möchte mich an einer Stelle etwas entschuldigen und an einer anderen Stelle etwas klarlegen.

Ich habe gesagt, dass die Leitlinien selbstverständlich in einer Website des Internets eingestellt sind. Meines Wissens habe ich aber auch zugesagt, dass ich die Leitlinien dem Ausschuss zukommen lasse. Frau Zacharias hat sie schon in Papierform. - Wie ich höre, hat auch Frau Gote die Leitlinien in Papierform. - Herr Piazolo, ich lasse sie selbstverständlich auch Ihnen zukommen.

Der Hauptpunkt des Gesetzentwurfs zielt vor allem auf die Einführung der Verfassten Studierendenschaft auch in Bayern. Herr Jörg und Frau Bulfon haben aus meiner Sicht überzeugend dargelegt, warum wir das nicht brauchen. Sie haben sich dabei auf das Ziel bezogen, Zwangsmitgliedschaften einzuführen. Ich habe in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass ich die Zwangselemente ablehne. Sie entsprechen nicht meiner Einstellung zur Demokratie.

Entscheidend ist für mich, von der anderen Seite her zu argumentieren: Lasst doch den einzelnen Studierenden entscheiden, ob er sich einer Hochschulgruppierung anschließen will, und sagt ihm nicht, dass er sich einer Teilkörperschaft anschließen müsse. Das ist für mich Demokratie. Hier sehe ich den wahren Sinn.

Ich arbeite viel lieber daran, dass die anderen Bundesländer von dem Zwangsinstrument ablassen. Denn wir haben gesehen: Es bringt nichts; es bringt keine Substanz. Wir haben uns klar für den dargelegten Weg entschieden. Ich glaube, damit verwirklichen wir mehr Freiheit.

Im Zusammenhang mit der Hochschulpolitik wird das ist schon angesprochen worden - die gewöhnlich niedrige Wahlbeteiligung kritisiert. Vor allem wenn die Wahlbeteiligung unter zehn Prozent liegt, bekomme ich ein Legitimationsproblem. Die Verfassten Studierendenschaften können ja Beiträge erheben. Sie haben Satzungshoheit. Aber bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung scheint mir die Legitimation der Gremien und ihres Handelns äußerst zweifelhaft. Das muss einmal ausgesprochen werden.

Hier handelt es sich um Teilkörperschaften, nicht um freiwillige Vereinigungen. Daher erscheint es mir in der Tat höchst fraglich, ob man eine sehr niedrige Wahlbeteiligung verfassungsrechtlich überhaupt akzeptieren könnte. Ich habe jedenfalls große Zweifel.

Nach meiner Meinung hat Bayern absolut zu Recht auf die Verfasste Studierendenschaft verzichtet. Ehrlich gesagt: Wer bei den Demonstrationen in diesem Jahr einmal ein bisschen hingesehen hat, muss doch zugeben: Da ging es nicht um das entscheidende Thema. Wir haben doch ganz andere Themen. Es stand mehr der Bologna-Prozess im Vordergrund. Wir sollten uns an diesem Punkt nicht festbeißen. Wir sollten über andere Formen der Mitwirkung und ihre Stärkung nachdenken.

Frau Bulfon hat es deutlich gemacht: Wir haben schon die Fachschaften. Sie sind gewählt. Es gibt auch den Konvent, der aus den Fachschaften hervorgeht. Außerdem haben wir den Sprecherrat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind demokra

tische Instrumente, die in vollem Maße die Mitwirkung der Studierenden erlauben. Genau da müssen wir ansetzen. Dort, wo es Sinn macht, müssen wir intensiver weitermachen. Was Sinn macht, werde ich unterstützen.

Ich bin auch neugierig auf den Abschlussbericht. Auf seiner Grundlage werde ich den Weg weitergehen. Ich werde die Themen weiterhin konsequent abhandeln.

Der vorliegende Gesetzentwurf schlägt eine Erhöhung des Anteils der Studierenden im Senat vor. Es wurde ausgeführt, dass das aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht so einfach verwirklicht werden kann. Zumindest würde dadurch eine Bürokratie aufgebaut. Das wollen wir nicht. Die Professorinnen und Professoren müssen im Hochschulsenat weiterhin die Mehrheit haben.

Ich gehe kurz auf die Vorschläge zum Thema Bologna-Prozess ein. Sehr verehrte Damen und Herren von der Opposition, Sie haben mir den Vorwurf gemacht: Jetzt überlässt er alles den Hochschulen.

(Isabell Zacharias (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Frau Zacharias, vielleicht können wir uns am Schluss verständigen. Ich habe nur eine begrenzte Redezeit. Ich bitte Sie herzlich, am Schluss darauf zurückzukommen.

Frau Kollegin Zacharias, der Herr Staatsminister hat erklärt, dass er jetzt keine Zwischenfrage zulässt.

Wir haben an unseren Hochschulen zwischen 2.000 und 46.000 Studierende. Glauben Sie denn im Ernst, dass wir es mit einer strengen staatlich vorgegebenen Regelung schafften, die höchst unterschiedlichen Organisationsformen der Hochschulen in ein Schema zu pressen? Die Freiheit liegt bei den Hochschulen. Ihnen diese Freiheit zu belassen, ist genau der Sinn der Leitlinien.

Und wer wurde denn überhaupt eingeladen? Es war immerhin der Vorsitzende der Landes-ASten-Konferenz. Er hat mit unterschrieben. Ich weiß keinen Studentenführer in Bayern, der kompetenter gewesen wäre, diese Leitlinien mit mir auszuhandeln. Sehr verehrte Damen und Herren, bitte beschäftigen Sie sich mit den Leitlinien, wirken Sie auf Ihre Hochschulen ein und setzen Sie sie um.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Isabell Zacha- rias (SPD): Haben wir!)

Was in einer Hochschule mit gut 2.000 Studierenden in Ansbach gilt, muss noch lange nicht für Nürnberg mit 26.000 gelten. Lassen Sie doch die Individualität vorherrschend sein. Ich meine, das ist der Weg, der Freiheit, Verantwortung und internationalen Anspruch darstellt.

Sie fordern den Master-Abschluss als Regelabschluss, zweitens die Ausweitung der gesamten Regelstudienzeit und schließlich, drittens die Beseitigung der Gleichwertigkeitserfordernisse bei der Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen. Alle drei Forderungen würden, wenn wir sie denn umsetzen wollten, Bayern im internationalen Wettbewerb benachteiligen. Wir werden sie deshalb ablehnen.

Ich messe mich in Bayern nicht mit anderen Bundesländern. Das kann nicht unser Anspruch sein. Wir wollen an Europa und international gemessen werden. So will ich die Hochschulen ausrichten. Das ist das Ziel. Dann muss ich auch entsprechend handeln, nach den internationalen Regeln. An individuellen Maßnahmen in Bayern werden wir festhalten, und wir werden selbstverständlich auch die Orchideenfächer aufrechterhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie verkennen aus meiner Sicht,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

dass der Bachelor ein akademischer Abschluss ist. Wir bleiben dabei: Die Hochschule hat das Recht, zwischen sechs und zehn Semestern zu gestalten. Und dieses Recht wurde viel zu wenig ausgeübt. Das gebe ich gerne zu. Das wird sich aber ändern. Das ist bereits zum Teil in den Studiengängen geändert worden. Ich meine, dass wir dadurch auch die Fähigkeit und die Begabung der Studierenden angemessen fördern.

Was die Master-Studiengänge betrifft, so ist Bayern beim Punkt Umstellung in der Tat mit an letzter Stelle. Ich muss sagen: Gott sei Dank. Jetzt können wir nämlich einen Blick auf die anderen Bundesländer werfen. Praktisch in allen anderen Bundesländern ist es ein Problem, den Übergang vom Bachelor zum Master zu bagatellisieren, was den Andrang betrifft. Es gibt einige ausgewählte Studiengänge, da werden wir hinschauen müssen. Das werden wir lernen. Ich sage Ihnen, in Bayern gibt es das Problem nicht.

(Isabell Zacharias (SPD): Warum gibt es dann Anträge?)

Ich will, dass sie nach dem Bachelor-Abschluss rausgehen, arbeiten, sich in der Welt umsehen und dann