Ich will nicht verschweigen, dass ich die Gelenkklasse lieber an der Grundschule angesiedelt gehabt hätte. Aber das war nicht verhandelbar. Im Koalitionsvertrag haben wir immerhin festgeschrieben, dass wenigstens eine Gelenkklasse an einer Grundschule eingerichtet werden soll. Diese Klasse startet mit dem kommenden Schuljahr an der Volksschule Erbendorf im Landkreis Tirschenreuth. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung - ISB - begleitet den Versuch des längeren gemeinsamen Lernens wissenschaftlich. Es hat sogar eigene Lehrpläne für diese eine Klasse gestrickt. Das ist für mich der Beweis: Das Kultusministerium nimmt die Gelenkklasse an den Grundschulen ernst. Ich bin auf die Ergebnisse des Modellversuchs sehr gespannt, ich möchte aber nicht orakeln. Dafür ist Krake Paul zuständig. Jedoch bin ich mir sicher: Die Ergebnisse werden sehr solide sein. Vielleicht sorgen sie bei uns in Bayern für einen Dammbruch für ein längeres gemeinsames Lernen an den Grundschulen.
Herr Dr. Spaenle hat bereits ausführlich geschildert, was wir gemeinsam erreicht haben. Bei dem Ausbau der Ganztagsangebote sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Sehr geehrter Herr Minister, unsere gemeinsame Bilanz kann sich nun bundesweit sehen lassen. Dabei sind wir mit einem durchschnittlichen Niveau gestartet. Ohne den Druck der FDP wären wir nicht so weit, wie wir es heute sind.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir haben dafür gesorgt, dass in Bay
ern verkrustete Strukturen und Denkmuster aufgebrochen worden sind. Dank unseres Einsatzes ist der Weg für mehr Qualität und mehr Chancengerechtigkeit bereitet worden. Gebundene Ganztagsschulen mit einem rhythmisierten Unterricht sind ein zentraler Baustein für eine gerechtere Verteilung der Bildungschancen. Alle Schülerinnen und Schüler, die dies wünschen, sollen eine Ganztagsschule besuchen dürfen. Ganztagsschulen sind für mich die Schule der Zukunft.
Der rein zahlenmäßige Ausbau reicht bei Weitem nicht aus. Ebenso wie bei der frühkindlichen Bildung brauchen wir eine echte und glaubhafte Qualitätsoffensive. Wir fordern die Ganztagsschulen nicht nur zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen sie, weil sie einen pädagogischen Mehrwert für die Schüler bieten. Ganztagsschulen bieten Zeit für mehr individuelle Förderung. Sie bieten Zeit für soziales Lernen und den Erwerb sozialer Kompetenz. Sie bieten Zeit für kulturelle, musische und sportliche Bildung. Die engeren sozialen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern wirken sich positiv auf das Lernklima und den Lernerfolg aus.
Wir müssen die Ganztagsschulen als Lebensraum begreifen. Ein großer Erfolg der Koalition von CSU und FDP ist, dass seit dem Bildungsgipfel 2009 der Besuch einer Ganztagsschule für alle Kinder kostenfrei ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bundesweit wird derzeit intensiv über die Schulstrukturen diskutiert. Wir Liberale wollen keine Schulstrukturdebatte führen. Wir brauchen eine Qualitätsoffensive für unsere Schulen. Eine veränderte Schulstruktur läuft ins Leere, wenn die Qualität nicht stimmt.
- In dieser Legislaturperiode ist das nicht möglich, sehr geehrter Herr Kollege Pfaffmann, zudem gibt es in der bayerischen Bevölkerung keine Mehrheit für die zehnjährige Gemeinschaftsschule. Die Bürgerinnen und Bürger befürchten eine Gleichmacherei. Wir brauchen keine Experimente, sondern eine verlässliche Weiterentwicklung unserer Schulen. Ziel ist die Steigerung der Qualität, der Flexibilität und der Freiheit. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet die Umsetzung unseres Konzeptes der eigenverantwortlichen Schule. Auf der Grundlage unseres Konzeptes entwickelt das Ministerium nun die entsprechenden Maßnahmen. Das zeigt, wir sind der Motor entscheidender bildungspolitischer Weichenstellungen. Mehr Freiheit für die Schulen mit verbindlichen Zielvereinbarungen ist der Schlüssel für die Weiterentwicklung der Qualität.
Die Schaffung von mehr Freiheit an den Schulen leistet einen Beitrag für eine bessere Chancengerechtigkeit.
Ich möchte die wichtigsten Vorzüge der eigenverantwortlichen Schule nennen. Erstens. Mithilfe der mittleren Führungsebene gelingt es, Führungsspannungen abzubauen. Die Schulen können zielgerichtet Teams bilden, mit denen die KMK-Standards implementiert und durchgesetzt werden.
Zweitens. Durch den Ausbau des Direktbewerbungsverfahrens bieten wir den Schulen die Möglichkeit, besonders engagierte Lehrkräfte einzustellen, die zum Schulprofil passen.
Drittens. Mithilfe eines Budgets können die Schulen ihr eigenes Profil bilden. Wir geben den Schulen die Möglichkeit, eigenverantwortlich Erzieher oder Sozialarbeiter einzustellen.
Viertens. Durch die höhere Beteiligung der Eltern und der Sachaufwandsträger im Schulforum schaffen wir ein gemeinsames Verständnis der Schule. Dies ist ein wichtiger Schritt, damit die Schulfamilie an einem Strang zieht.
Fünftens. Durch die interne und externe Evaluation können sich die Schulen qualitativ weiterentwickeln. Die Umsetzung der eigenverantwortlichen Schule hängt an der Bereitschaft des Finanzministeriums, diesen Weg mitzugehen. Die eigenverantwortliche Schule kann nicht allein durch Umschichtungen im Etat des Kultusministeriums umgesetzt werden.
Leider ist der Herr Finanzminister nicht da. Dennoch möchte ich sagen: Bayern muss auch in Zukunft an der Spitze bleiben. Wir brauchen zusätzliche Mittel für die Umsetzung der mittleren Führungsebene und die entsprechende Fortbildung der Lehrkräfte. Ansonsten können wir die erforderliche Qualität nicht dauerhaft sichern, und die eigenverantwortliche Schule wird keinen Erfolg haben. Mehr Verantwortung führt zu mehr Profilbildung und mehr individueller Lernförderung. Herr Pfaffmann, das nehmen wir natürlich auf. Sie leistet somit einen wichtigen Beitrag, um die Zahl der Wiederholer und Schulabbrecher zu senken, die uns im Übrigen sehr viel Geld kosten.
Jeder Schüler, der die Schule ohne Abschluss verlässt, ist einer zuviel. Es ist unverantwortbar, dass acht Prozent eines Jahrgangs ohne Abschlusszeugnis ins Leben geschickt werden. Wir müssen alles daran setzen, die Zahl der Bildungsverlierer deutlich zu reduzieren. Das Kooperationsmodell mit der vertieften Zusammenarbeit von Haupt- und Realschule unter einem Dach ist hervorragend für die Förderung dieser Risikoschüler geeignet. Beim Besuch der Kooperati
onsschule am Gotzinger Platz in München habe ich mich davon überzeugt. Dieses Modell funktioniert. Es ist ein Gewinn für alle Schülerinnen und Schüler. Risikoschüler, die die Realschule ohne Abschluss verlassen würden, erhalten durch zusätzliche Förderung in Kleingruppen enormen Auftrieb. Sie haben jetzt die realistische Chance, einen guten Quali zu machen. Gute Hauptschüler haben dank der vertieften Zusammenarbeit mit der Realschule endlich die Möglichkeit, eine vollwertige Mittlere Reife zu erwerben. Das ist das Modell der Zukunft: flexibel, passgenau und an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler und der jeweiligen Region ausgerichtet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister Spaenle! Ich freue mich auf weitere drei Jahre der Zusammenarbeit mit Ihnen.
Ich bin mir sicher, gemeinsam werden wir noch viel erreichen. Wir werden gute Reformen auf den Weg bringen. Schließen möchte ich mit einem Appell an den Finanzminister, der gerade leider nicht da ist. Dies gilt für alle, die den Haushalt beschließen: Wir haben in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, nicht an der Bildung zu sparen. Wir haben vereinbart, bis 2013 pro Jahr mindestens 1.000 neue Lehrer einzustellen. Wir haben vereinbart, dass die Lehrer, die durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werden, im System bleiben. Ich weiß, das sind ambitionierte Ziele.
Bitte beherzigen Sie die Vereinbarungen bei der Aufstellung des Haushaltes. Alle, die für den Haushalt zuständig sind, sind angesprochen. Wir stehen bei den Bürgerinnen und Bürgern im Wort. In unserem Koalitionsvertrag heißt es wörtlich:
Gemeinsam wollen wir einen neuen Aufbruch wagen. … Bildung ist der Schlüssel zur Persönlichkeitsentwicklung und entscheidende Voraussetzung für die Wahrnehmung der Lebenschancen.
Diese Worte gelten ohne Wenn und Aber; denn Bildung genießt oberste Priorität. Ohne beste Bildung ist der Aufbruch nicht möglich.
Nächster Redner ist Herr Kollege Freller. Ihm folgt dann noch im Rahmen der Redezeit Herr Kollege Wägemann. Bitte sehr, Herr Kollege Freller.
Herr Präsident, Hohes Haus! Wer sich in der Bildungspolitik auskennt, der weiß, dass viele Faktoren für den erfolgreichen Bildungsverlauf bei einem Kind maßgebend sind. Die Lehrerbildung, die Lehrpläne, die Stundentafeln, die Klassenstärke, die Stundenzahl, die Lehrmittel, die Räumlichkeiten all das muss aufeinander abgestimmt sein, es muss passen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schule ist ein komplexes System. Umso mehr muss man die Ergebnisse des aktuellen Ländervergleichs werten. Bayern hat im aktuellen Vergleich aller 16 Länder aller Schularten in allen getesteten Bereichen Platz eins belegt. Man muss sich das noch einmal vor Augen führen: Bayern hat im aktuellen Vergleich aller 16 Länder aller Schularten in allen getesteten Bereichen Platz eins belegt.
- Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen, Herr Pfaffmann. - Das heißt ganz konkret, dass in Bayern die Bedingungen an vielen Stellen stimmen müssen, und zwar seit Jahren stimmen müssen, wenn wir so ein hervorragendes Ergebnis haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß noch, dass wir uns, bald nachdem wir das erste Mal bei Pisa vorn lagen, anhören mussten: Wir können nicht mehr hören, dass wir bei Pisa Erster sind; in der Schule ist noch viel zu ändern, damit es wirklich gut ist. Das ist bereits acht Jahre her. Immer wieder gab es seither Untersuchungen, und immer wieder lag und liegt Bayern an der Spitze. Jetzt liegt es in allen Bereichen aller Schularten an der Spitze. Dies ist ein Lob auch und gerade für die Bildungspolitik in diesem Lande. Dies ist ein Lob für die Lehrer, dies ist auch ein Lob für die Schüler. Das wurde von allen Sprechern gesagt. Aber es bestätigt uns vor allem, dass wir bei der Ausrichtung dieser bayerischen Schulpolitik richtig liegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Letzte, der nicht weiß, dass es auch noch Dinge gibt, die verbesserungswürdig sind. Wer aufhört, besser
sein zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es noch Bereiche gibt, in denen Nachbesserungen nötig sind. Ich weiß, dass es auch noch Bereiche gibt, in denen wir noch mehr Ressourcen brauchen. Aber ich erkenne wirklich an, was gerade in den zwei letzten Jahren an den Stellen geleistet worden ist, die man vielleicht nach den ersten Pisa-Untersuchungen noch als Schwachstellen bezeichnet hat. Wir können in manchen Übergängen noch Korrekturen vornehmen. Das ist mir völlig klar. Diesbezüglich ist allerdings in den letzten Monaten und Jahren sehr viel geschehen. Einige Punkte werde ich am Ende noch nennen, bei denen ich auch sage, dass vielleicht noch Handlungsbedarf besteht.
Aber kommen wir zum Wesentlichen, nämlich zur Frage des gegliederten Schulwesens. Wer von Ihnen Kinder hat - es sind viele Zuschauer hier; ich bin sicher, viele Kinder haben auch Geschwister -, weiß, wie unterschiedlich die Neigungen, Begabungen und Fähigkeiten eines jeden einzelnen Kindes sind. Das zeigt sich schon bei drei Kindern. Ich habe drei. Alle drei waren unterschiedlich. Nun kann man sich vorstellen, in welcher Weise 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche im Land unterschiedlich sind. Diesen 1,7 Millionen Kindern wollen Sie ein Schulsystem überstülpen, das in den Klassen eins bis zehn alle zusammenfasst, und wollen alle über einen Kamm scheren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Individualität eines Kindes, wer die Fähigkeiten, Begabungen und Neigungen eines einzelnen Kindes ernst nehmen will, kann und darf die Kinder nicht über einen Kamm scheren.
Das heißt, wir müssen achtgeben. Ich merke, was hier im Moment geschieht. Wir verfolgen die Diskussion in anderen Ländern, aber gestern Nacht sind auch in Bayern schwere Gewitterwolken aufgezogen, da möglicherweise auch ein großer Lehrerverband die Einheitsschule aller Klassen von eins bis zehn propagieren wird. Ich muss sagen: Jeder, der verantwortlich für ein Kind und für diese Jugend im Land ist, muss auch dafür kämpfen, dass dieses Kind so gefördert wird, dass es dessen Begabungen gerecht wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Presse großen Zuspruch für das bayerische Bildungssystem erhalten.
- Lieber Herr Pfaffmann, ob es Ihnen passt oder nicht, die "ZEIT", sicherlich über Jahre hinweg mit der bayerischen Bildungspolitik nicht unkritisch, hat in hohem
Maße anerkannt, was hier geleistet wird, und zwar sowohl mit dem differenzierten Schulsystem als auch für die Schwächeren dieser Gesellschaft.
Zwei Ergebnisse möchte ich an dieser Stelle noch nennen, die ebenfalls hochinteressant sind und die zeigen, wie individuell das bayerische Schulsystem auch auf die Leistungsschwachen ausgerichtet ist.
Erstens. Bayern hat neben Baden-Württemberg den geringsten Anteil an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss. Man muss sich das einmal vorstellen: den geringsten Anteil an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss. Das heißt, in den von Ihnen regierten Ländern haben weitaus mehr Kinder nicht einmal einen einfachen Hauptschulabschluss. Und Sie geben hier vor, Fürsprecher dieser Gruppe zu sein. Das stimmt nicht, meine Damen und Herren. Wir tun etwas für unsere leistungsschwächeren Kinder.