Protokoll der Sitzung vom 15.07.2010

Wir tun zweitens auch etwas für diejenigen, die behindert sind.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin Georg Eisenreich und seiner Arbeitsgruppe sehr dankbar, schließe aber im Hinblick auf die Inklusion besonders die FDP mit ein. Wir lassen die Kinder mit besonderem Förderungsbedarf in diesem Land nicht allein, sondern fördern sie sehr gezielt. Lieber Herr Kollege Unterländer, wir haben sehr intensiv diskutiert, dass gerade auch die behinderten Kinder in diesem Land in jeglicher Form integriert werden, dass wir das Thema der Inklusion ernst nehmen und dass wir sie nicht allein lassen, auch was die spätere Vermittlung in ein Arbeitsleben angeht. Für ein Schulsystem ist es auch von eminenter Bedeutung, wie es mit seinen Schwächsten umgeht.

Die andere Frage lautet: Wie geht ein Schulsystem mit seinen Besten um? Dürfen wir Ressourcen brachliegen lassen? Dürfen wir jemanden ungefördert lassen? Es wäre fatal, würden wir das Gymnasium abschaffen bzw. es bei einer zehnjährigen gemeinsamen Schule auf zwei Jahre kappen.

Ich will noch eine Zeitung zitieren. Herr Pfaffmann, dieses Mal ist es der "FOCUS". Ich darf Frau Höhler aus der jüngsten Ausgabe zitieren. Die Literaturprofessorin Höhler warnt vor einer Gleichschaltung der Bildung zulasten der Leistungsstarken. Sie schreibt:

Der eine hat mehr Lust, viel zu machen, der andere weniger. Warum sollten wir den Leistungsnarren von seinem Vergnügen abhalten, wenn es allen zugute kommt? Einheitsschule organisiert Wohlstandsverluste. Warum? - Weil sie Leistung deckelt, um eine neue Lieblingsvokabel der Poli

tik zu verwenden. Einheitsschule und Überlastung des Gymnasiums sind Projekte der Neidkultur. Das Fatale: Sie schaden nicht nur Wenigen, sondern uns allen.

Dann schließt sie mit dem wichtigen Satz:

Die Welt ist zu kompliziert, um von einer Schule alleine für alle erschlossen zu werden. Wer gleichschaltet, betreibt Qualitätsvernichtung auf allen Ebenen.

Meine Damen und Herren, man sollte sich dieses Zitat wirklich vor Augen führen, wenn wir in den kommenden Wochen die entsprechende Diskussion im Lande führen.

Ich möchte auch dem Kollegen Wägemann noch etwas Zeit geben. Wir sind zu dritt, jedoch haben wir bewusst aufgeteilt, weil hier verschiedene Komponenten zur Sprache kommen sollen.

Zuvor will ich mich aber noch bedanken. Ich möchte dem Kultusminister ausdrücklich Dank sagen. Er macht eine Kärrnerarbeit an einer nicht leichten Front, an einer Diskussionsfront, die auch viel sachliche Kritik mit sich bringt. Herr Pfaffmann, Ihre Kritik lag heute wirklich oft daneben. Ich muss sagen, der Kultusminister hat es nicht verdient, so unqualifiziert und unsachlich angegriffen zu werden wie von Ihnen.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage allen Dank, die sich in der Bildungspolitik bemühen. In der Zusammenarbeit mit der FDP besteht ein hoch engagierter Arbeitskreis. Dies möchte ich ausdrücklich an Sie, Frau Will, und auch an die Fraktion sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid haben wir auch an der Spitze dieser Fraktion jemanden, der sehr wohl etwas von Bildungspolitik versteht. Lieber Herr Pfaffmann, den diesbezüglichen Satz zu Beginn Ihrer Rede hätte ich mir deshalb an Ihrer Stelle erspart. Es war peinlich, wie Sie vorhin unseren Fraktionsvorsitzenden angegriffen haben. Es war peinlich, dass dieser Satz von Ihnen gekommen ist. Ich freue mich auch, mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze in die Zukunft zu gehen, der Bildung als oberstes Ziel seiner Politik beschreibt. Wir werden sicherstellen, dass die Schwachpunkte, die die bayerische Bildungspolitik da und dort noch hat, in der Zukunft so verbessert werden, dass die Bevölkerung in diesem Lande sagt: Wir sind froh, in Bayern zu leben, damit unsere Kinder eine bayerische Schule besuchen können.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie bitte noch dableiben, Herr Kollege Gehring hat sich zu einer Intervention gemeldet.

Herr Kollege, stimmen Sie mit mir überein, dass wir uns hinsichtlich der Schulstruktur darum bemühen sollten, nicht hinter unseren Möglichkeiten zurückzubleiben? Wenn Sie darauf hinweisen, dass 1,7 Millionen Kinder sehr verschieden sind, dann stimme ich Ihnen darin zu. Kinder sind sehr verschieden. Der Bildungsphilosoph Herbart hat einmal gesagt: Das Problem der Schule beginnt mit der Verschiedenheit der Köpfe. Wenn wir also von 1,7 Millionen verschiedenen Köpfen ausgehen, dann stimmen Sie mit mir doch darin überein, dass ein dreigliedriges Schulsystem immer noch unterkomplex ist, genauso wie ein eingliedriges Schulsystem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir dürfen uns dann nicht einfach die Frage stellen, welches System am besten in der Lage ist, die 1,7 Millionen Verschiedenartigkeiten besser zu organisieren. Wir stellen im internationalen Vergleich fest, dass viele Systeme das können, das heißt, wenn die Schüler ein bis zehn Jahre gemeinsam lernen. Voraussetzung ist auch, dass das System anders aufgebaut ist. Wir sehen das an den Montessori-Schulen und den Jenaplan-Schulen. Wir können über Wege reden, über Unterrichtskonzepte reden oder über die neue Lehrerrolle reden. Wir können darüber streiten, sollten aber nicht in schmalspuriger ideologischer Art und Weise eine Diskussion führen.

Herr Kollege Freller, bitte.

Ich bin Ihnen dankbar für Ihren Hinweis; denn er gibt mir die Chance, darauf hinzuweisen, dass wir mehr haben als ein dreigliedriges Schulsystem. Ich habe immer formuliert, dass wir ein vielgliedriges Schulsystem haben. Sie müssen einmal sehen, welch hohes Maß an äußerer und innerer Differenzierung wir haben. Sie müssen einmal sehen, wie viele verschiedene Zweige an den Gymnasien und den Realschulen angeboten werden. Wir leisten uns in der Tat - übrigens durchaus auch finanziell ein vielgliedriges Schulsystem, das an die 20 verschiedene mittlere Bildungsabschlüsse ermöglicht. Wir versuchen, den jungen Menschen so gerecht zu werden, dass ihre Begabungen, Neigungen und Fähigkeiten bestmöglich gefördert werden. Es ist gut so, dass wir das machen; denn im Prinzip sind wir auf die Fähigkeiten der jungen Menschen angewiesen. Es ist unsere Aufgabe, den jungen Menschen zu helfen, ihre Fähigkeiten zu entdecken und sie entsprechend zu

fördern. Das ist ein wichtiger Maßstab. Für mich ist ein guter Lehrer ein Schatzsucher, der die Fähigkeiten und Begabungen eines Kindes entdeckt und fördert. Ich bin froh, dass wir sehr viele Lehrer haben, die - vielleicht an der Beratung der Eltern vorbei sagen: Der Junge ist so gut, er gehört auf das Gymnasium; den müssen wir fördern. Oft haben gerade die Eltern nicht den Mut, ihr Kind an eine andere Schule zu geben, werden aber dann von den Lehrkräften ermutigt. Wir haben in Bayern eine Vielfalt, wie es sie in keinem anderen Land gibt. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass das bayerische Schulsystem in seiner jetzigen Form durchaus weiterentwickelt werden kann, aber in seiner Gesamtheit nicht zerstört werden darf.

(Beifall bei der CSU)

Wir wären unvernünftig: Wir schließen seit Jahren überall mit den besten Ergebnissen ab und würden unser eigenes Schulsystem zerstören. Wer kann denn so etwas verlangen? Wir können es weiterentwickeln, müssen es aber in dieser Differenziertheit belassen. Das kommt den Kindern zugute.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Wägemann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was man kritisiert, sollte man für sich selbst auch als Anspruch erheben und besser machen. Das muss ich hinsichtlich zweier Oppositionsredner sagen. Herr Kollege Pfaffmann, hier nur von heißer Luft und Volksverdummung zu sprechen und selbst das Gleiche abzulassen, ist nicht in Ordnung. Genauso, Frau Gottstein: Sie haben von einer langweiligen Darstellung des Kultusministers gesprochen. Sie haben von Betrug gesprochen und davon, dass der Kultusminister nur verwalten würde. Sie müssen sich schon an die eigene Nase fassen. Die Kritik ist nicht nur am Kultusminister unangebracht, sondern auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern, die Sie so nebenher mit angegriffen haben. Wenn Sie von berufsunfähigen Schülern sprechen und sie mit jenen gleichsetzen, die keinen qualifizierten Hauptschulabschluss haben, ist das für die Schüler eine schallende Ohrfeige und Diskriminierung, die so nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der CSU)

Aber alles Mäkeln und Negieren von positiven Leistungen sowie Schlechtreden durch die Opposition wird durch den Ländervergleich 2009 klar widerlegt. Die Praxis im Land sieht anders aus, als immer wieder negativ dargestellt wird. Ich werde nicht mehr auf

die einzelnen Feststellungen und positiven Ergebnisse eingehen, aber diese wirklich rundum positiven Ergebnisse dieses Ländervergleichs sprechen eine klare und eindeutige Sprache für unser bayerisches gegliedertes Schulsystem - mit alters- und begabungsgerechten Angeboten und klar gegen die von Ihnen so bezeichnete Einheitsschule - sei es Gemeinschaftsschule, Gesamtschule oder was auch immer. Wir brauchen diese Schulstrukturdebatte nicht. Auch das ist ein klares Ergebnis.

Allerdings - das ist durchaus etwas negativ -: Wie schon bei den Pisa-Studien lässt auch der Ländervergleich 2009 außer Acht, das wir gerade in Bayern ein Schulsystem mit einem starken beruflich orientierten Bereich haben, der nicht ausreichend abgebildet wird. Deswegen ist auch dieses ständige Gerede und das Gleichsetzen von Bildungserfolg mit Gymnasialbesuch bzw. Abitur nicht angebracht. Der Mensch beginnt nicht beim Akademiker, und Bildungserfolg hat auch ein guter Handwerksmeister, der ein ausreichendes und gutes Einkommen erzielt.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf Ihnen auch ein Zitat des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus vortragen, der feststellt - ich meine zu Recht -: Der Besuch eines Gymnasiums ist keinesfalls vom Geldbeutel der Eltern, sondern vom Leistungsvermögen und Leistungswillen der Kinder abhängig. Man muss gebotene Bildungschancen auch nutzen wollen. Es gibt eine Holschuld bei den Familien. Das muss man zumindest immer wieder in Erinnerung rufen.

Wenn ich von der Opposition höre: keine Taten, keine Bemühungen der Staatsregierung und der Regierungskoalition, dann halte ich dem entgegen: Betrachten Sie die finanzielle Entwicklung im Einzelplan 05 vom Jahr 2003. Er hatte damals einen Ansatz von 7,3 Milliarden und hat jetzt einen von 9,5 Milliarden Euro. Wir hatten einen Zuwachs von 1,3 Milliarden Euro in den letzten beiden Jahren. Die Ausgaben für Bildung und Forschung haben sich um fast 13 % erhöht. Die zusätzlichen neuen Lehrerstellen im letzten Doppelhaushalt belaufen sich auf über 2.700 - all das sind Dinge, die man nicht unter den Tisch fallen lassen sollte. Man kann sie vielleicht unter den Tisch fallen lassen, wenn man sich in der Mathematik etwas hart tut.

Herr Pfaffmann, da muss ich Ihnen sagen: Eine 3,5fach geringere Chance gibt es nicht, es gibt eine 3,5fach bessere, aber eine 3,5-mal schlechtere gibt es nicht, weil es nicht weniger als null geben kann. Wer solche Mathematikkenntnisse hat, kann auch die anderen positiven Zahlen nicht zur Kenntnis nehmen.

Genauso ist es, wenn Sie davon sprechen, es sei ja nur ein Punkt Abstand oder es seien fünf Punkte Abstand; denn dann wird damit nur ein einziger Kompetenzbereich herausgepickt. Wir haben aber auch andere getestete Bereiche, bei denen der Abstand von Bayern zum Zweitbesten bei 14 Punkten liegt. Auch das gehört zur Wahrheit. Auch das muss entsprechend berücksichtigt werden.

Von daher: Qualität und Gerechtigkeit sind tatsächlich Maßstab und Richtlinie der bayerischen Bildungs- und Schulpolitik. Wir werden diese auch für unsere Schülerinnen und Schüler erfolgreich fortsetzten. Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Sie wissen, dass wir in einigen Punkten Handlungsbedarf haben. Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte, aber wir haben keinen Anlass, in Sack und Asche zu gehen, und zwar gerade nach diesen offiziell bestätigten positiven Ergebnissen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Wägemann, einen Moment bitte. Herr Kollege Güll zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Freller, es ist schon etwas eigenartig -

(Zuruf von der CSU: Herr Freller ist schon weg! - Gerhard Wägemann (CSU): Herr Freller ist nicht mehr da!)

- Herr Kollege Wägemann, sehen Sie mir das nach?

(Zuruf von der CSU: Nein!)

Anscheinend war ich von Herrn Freller sehr beeindruckt. Sie und Herr Freller haben eines gemeinsam: Sie müssen die erfolgreiche Bildungspolitik Ihrer Fraktion mit so viel Power verteidigen. Wenn Sie die Zahlen gebracht hätten, wäre alles in Ordnung gewesen.

Ich will noch etwas anderes sagen. Herr Wägemann, sind wir uns einig, dass wir in der Bildungspolitik die Eltern, die Betroffenen immer mitnehmen und auch ihre Sorgen ernst nehmen müssen? Es könnte sein, dass Eltern andere Ideen haben. Warum haben Sie nicht die Größe zu sagen: Liebe Eltern, wenn ihr bessere Bildungsbedingungen in der Einheitsschule, in der Schule für alle, wie Sie es nennen, oder in der Gemeinschaftsschule seht, dann probiert es einmal aus, und dann schauen wir einmal. Sie können das doch mit Großzügigkeit sagen, nachdem wir in Bayern so gut unterwegs sind. Warum lassen Sie das nicht einfach einmal zu? Das wäre doch eine großzügige und eine souveräne Haltung.

Herr Wägemann, bitte. - Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Lieber Her Güll, ich habe selbst praktische Erfahrung; ich war fast 23 Jahre Geschäftsfrüher des Zweckverbandes SenefelderSchule Treuchtlingen, einer Gesamtschule mit Hauptschule, Realschule und Gymnasialzug. Ich kenne die praktische Erfahrung genauso wie Kollegin Gottstein. Nach den Erfahrungen, die vor allem mit der integrierten Form gemacht wurden, kann ich mir nicht vorstellen, was uns das bringen soll. Selbstverständlich beteiligen wir die Eltern. Das merken wir jetzt auch bei der Schaffung der bayerischen Mittelschule. Ich meine, wir lassen durchaus Spielraum. Jetzt gibt es das Modell der flexiblen Grundschule und andere Dinge mehr. Man kann aber nicht auf der einen Seite immer beklagen, dass man endlich Ruhe in die Schulfamilie bringen soll, auf der anderen Seite aber ständig etwas Neues bringen wollen.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zur Zusammenfassung hat Herr Staatsminister Spaenle das Wort. Danach folgt eine Mittagspause, Kolleginnen und Kollegen. Ich sage Ihnen noch die genauen Zeiten, aber zunächst kommt Herr Staatsminister. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend einige zusammenfassende Bemerkungen machen. Führen Sie sich die gesamte Regierungserklärung noch einmal vor Augen. Ich möchte schon Wert darauf legen, dass sich fast zwei Drittel der Regierungserklärung mit den Aufträgen beschäftigt haben, die ganz konkret aus dem Ländervergleich für Bayern angemahnt sind. Es geht um die Frage der sozialen Disparität, es geht um die Frage der Verbesserung der Situation der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Wir haben uns ganz intensiv mit der Frage des Ausbaus der individuellen Förderung beschäftigt und einen entsprechenden Beschluss des Kabinetts zur Umsetzung, für Integration und schulische Bildung gefasst. Wir haben uns heute und hier mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen wir aus den einzelnen Bereichen der Länderuntersuchung ziehen. Ich lasse mir von niemandem in diesem Haus Arroganz im Umgang mit Fragen unterstellen, die das so leuchtende Bild der bayerischen Bildungspolitik nicht weiter erhellen ganz im Gegenteil. Ich habe von Anfang an klar gesagt, dass Stärken zu benennen sind und dass Aufgaben und Schwächen aufzugreifen und zu verbessern sind.