Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

Dann sollten Sie vielleicht noch weiterlesen in Artikel 3 des Grundgesetzes. Da steht, dass niemand wegen seines Geschlechts, wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft und seines Glaubens bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Auch das sollten Sie sich zu Herzen nehmen, wenn Sie über Integration in unserer Gesellschaft reden.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Auch die Religionsfreiheit, die Freiheit des Glaubens und des religiösen und weltanschaulichen Bekennt

nisses ist ein Grundpfeiler unserer Verfassung, auf die Sie sich immer so gerne berufen.

Auch wenn Sie sich auf das christliche Werteverständnis berufen, findet sich überhaupt kein Anlass dafür, über Menschen aus anderen Kulturkreisen, aus anderen Ländern und anderen Nationalitäten herzuziehen. Da müssten Sie sich auf die Werte von Toleranz und Akzeptanz beziehen und sehen, dass Vielfalt eine Gesellschaft bereichert und dass es nicht darum geht, die christlichen Werte als politischen Kampfbegriff zur Ausgrenzung zu gebrauchen. Wenn Sie sich auf die christlichen Werte berufen, sollten Sie sich einmal überlegen, was Sie daraus für Ihr konkretes Handeln in diesem Landtag lernen können.

Die Aussagen des Ministerpräsidenten sind völlig falsch. Wir haben das in unserem Antrag noch einmal deutlich gemacht. Wir sind in der Bundesrepublik mittlerweile eher ein Auswanderungsland als ein Einwanderungsland. Wir haben im Saldo einen größeren Wegzug als Zuzug in Deutschland. Das müssen Sie sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Da malen Sie Bilder von einer angeblich drohenden Überfremdung. Wir sind in einer völlig anderen Situation. Sie geben eine völlig falsche Darstellung der Realität.

Die Wirkungen derartiger Äußerungen sind verheerend. Sie sind verheerend für die Menschen, die für derartige Vorurteile empfänglich sind, wie die aktuelle Studie der Ebert-Stiftung zeigt. Ihre Stichworte werden von Rechtsextremen dankbar aufgegriffen. Die Wirkungen solcher Äußerungen sind aber auch verheerend für die Menschen aus anderen Ländern, die seit Jahrzehnten hier leben, die sich integriert haben, und sie sind verheerend für die Menschen, die sich in Integrationsprojekten engagieren, die Lösungen suchen, die mit den Menschen zusammenarbeiten, die ein Miteinander vorleben und das auch als Beispiel für andere tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Dann brüsten Sie sich in Ihrem Antrag, dass es in Bayern doch relativ besser aussehe als in anderen Ländern. Zum Glück sieht es, zum Beispiel in München, sehr viel besser aus als in Berlin, das ist richtig. Aber da schmücken Sie sich mit fremden Federn, lieber Herr Schmid. Es liegt nicht an der wunderbaren bayerischen Integrationspolitik,

(Georg Schmid (CSU): Sicher an Ihnen, klar!)

dass wir in München weniger Probleme haben als in Berlin. Das liegt zum einen an der stärkeren bayerischen Wirtschaftskraft, in der Tat, aber es liegt auch

an einer jahrelangen Integrationspolitik in München oder auch in Nürnberg.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD - Georg Schmid (CSU): Das war auch bayerische Politik!)

- Das war leider nicht bayerische Politik. Vieles mussten wir gegen den Widerstand des Innenministeriums durchsetzen, mit eigenen Mitteln finanzieren, weil von der anderen Seite überhaupt keine Unterstützung kam.

München hat seit Jahren ein Integrationskonzept, das auf allen Ebenen der Verwaltung durchgezogen wird. Wir haben seit Jahren eine Stelle für interkulturelle Arbeit in der Landeshauptstadt München, und das trägt Früchte. Das sollten Sie sich einmal als Beispiel nehmen für Ihre Integrationspolitik im Freistaat.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Deswegen appelliere ich an Sie. Erstens: Wischen Sie sich den Schaum vom Mund und finden Sie endlich zu einer wirklich sachgerechten und lösungsorientierten Debatte. Zweitens: Hören Sie auf mit rechtspopulistischer Stimmungsmache. Es könnte nämlich sein, dass Sie die Geister, die Sie rufen, nicht mehr loswerden. Drittens: Zerstören Sie nicht aus durchsichtigen parteitaktischen Motiven den sozialen Frieden in unserem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Bause.

Nächster Redner ist Herr Kollege Schmid für die CSU-Fraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zitieren: "Wir haben diese ungeheuere Einwanderungsflut und wir sind einfach zu lasch". Herr Rinderspacher, das sind nicht die Worte von Herrn Sarrazin, sondern von Henning Voscherau.

(Margarete Bause (GRÜNE): Aus welcher Zeit?)

Ein weiteres Zitat: "Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eines: raus, und zwar schnell." Das war Ihr Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Deswegen habe ich kein Verständnis dafür, dass heute Horst Seehofer in dieser aggressiven Weise von Ihnen, Herr Rinderspacher, attackiert wird. Es

waren führende Männer in Ihrer Partei, die eine Wortwahl getroffen haben, die sogar wir am Rande sehen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Dennoch greifen Sie heute den Ministerpräsidenten in dieser Art und Weise an. Auf der einen Seite fordern Sie Rückkehr zur Sacharbeit, auf der anderen Seite reiten Sie diese massiven Attacken, die weit über die Grenzen des Zulässigen hinausgehen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): Bei allem Respekt!)

Ich sage deutlich: Die Leistung der hier lebenden Menschen mit ausländischen Wurzeln erkenne ich ausdrücklich an. Sie bereichern unsere Gesellschaft. Wir hatten gestern Abend im Hohen Haus draußen im Lesesaal einen Empfang für Unternehmer mit ausländischen Wurzeln, mit Migrationshintergrund, und es war eine überaus fruchtbare Diskussion. Dabei ist uns ausdrücklich bestätigt worden, dass die Integration zu einem hohen Prozentsatz klappt. Deshalb sollten wir nicht nur über Negativbeispiele reden, sondern auch deutlich machen, wie großartig in Bayern Integration gelingt, liebe Freunde.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Integration ist ein wichtiges, ein ernstes, aber auch ein schwieriges Thema. Ich sage: Die Anträge der GRÜNEN und der SPD sind politische Schaumschlägerei. Sie haben uns das vorgeworfen, ich sage Ihnen: Ihre Anträge helfen kein Jota weiter.

Frau Bause, ich könnte weitere Beispiele zitieren. Glauben Sie, wir müssten es als Zeichen der Integration werten, wenn türkischstämmige Mitbürger die dritte Strophe des Deutschlandliedes auf Türkisch singen können?

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Frau Bause, Sie haben in diesem Haus am 6. Dezember 2001 einen Antrag eingereicht unter der Überschrift "Förderung der Integration im Freistaat Bayern". Dort heißt es: Wir wollen islamische Feiertage wie Neujahrsfest, Geburtstag Mohammeds, Fastenbrechen oder Opferfest einführen. Das sind doch keine Beiträge zur Integration. Das ist doch das Gegenteil, das ist doch eine Parallelgesellschaft, die hier installiert werden soll.

(Beifall bei der CSU)

Frau Bause, mit diesen Vorschlägen fördern Sie nicht, sondern Sie verhindern die Integration. Ich kann mich an zahlreiche Innenministerkonferenzen erinnern. Viele Unionspolitiker - allen voran Günther Beckstein, der heute anwesend ist - haben dort Vorschläge gemacht, Deutsch als Grundlage der Integration zu fordern. Sie sind diffamiert worden. Man hat von Zwangsgermanisierung geredet. Heute reden alle davon, dass Deutsch die wichtigste Grundlage für Integration ist. Wir haben das damals schon erkannt, lieber Günther Beckstein. Wenn Otto Schily und andere von der SPD - ich denke vor allem an Vertreter aus Schleswig-Holstein - das nicht verhindert hätten - damals war bei diesen Beschlüssen Einstimmigkeit notwendig -, hätten wir inzwischen schon wesentlich mehr Erfolge gehabt.

(Beifall bei der CSU)

Ich brauche keine Nachhilfe bei der Integration. Christine Haderthauer hat vorige Woche den Migrationsbericht von Prof. Heckmann vorgestellt, der deutlich gemacht hat, dass die große Mehrzahl der in Bayern lebenden Migranten gut in unsere Gesellschaft integriert ist. Wir brauchen keine Vorschläge aus Berlin. Die Integration in unserem Land gelingt besser als an der Spree und bei uns gibt es auch kein Neukölln. Bei uns leben die Migranten überwiegend von ihrer eigenen Hände Arbeit und nicht von Hartz IV. Ich habe das gestern bei den Gesprächen mit den Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund bestätigt gefunden: Fast 70 % der Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern gehen einer geregelten Arbeit nach. Die Arbeitslosenquote liegt bei nur 8,5 %. Das ist das Ergebnis einer konsequenten Politik. Wir haben einen Grundsatz, der lautet: Wer bei uns leben will, muss mit uns leben wollen. Wenn er das tut, wird er am Wohlstand dieses Landes teilhaben.

(Beifall bei der CSU)

Herr Rinderspacher, ich muss Sie fragen, ob Sie die letzten Jahre blind und taub gewesen sind, was die Förderung der Integration von Migrantenkindern in den Schulen angeht. Es wurden 400 Schulklassen neu gebildet, in denen wir Migrantenkinder in besonderer Weise fördern. 17.000 Kindergartenkinder und 10.000 Grund- und Hauptschüler erhalten diverse Deutschfördermaßnahmen. Das sind echte Integrationsmaßnahmen und diese sollten wir auch positiv bewerten. Wir sollten nicht in einem Rundumschlag alles schlechtmachen. Es sind große Anstrengungen unternommen worden.

(Beifall bei der CSU)

Wir fordern eine klare Werteorientierung an unserer christlich-europäischen Tradition. Wir sagen Ja zum Rechtsstaat und Nein zur Selbstjustiz. Es darf keine Unterdrückung der Frauen geben und wir fordern null Toleranz gegenüber Kriminalität. Es dürfen keine Gettos gebildet werden. Bei uns gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia. In Bayern gelingt Integration. Das unterscheidet uns von anderen Bundesländern. Ich darf, Herr Rinderspacher, Ihren Parteivorsitzenden zitieren: Auch bei mir in Goslar gibt es Grundschulen mit 70 % Ausländeranteil. Die verbliebenen Deutschen ziehen aus den Stadtteilen weg, weil sie von Multikulti nichts hören wollen und Angst haben um die Entwicklung ihrer Kinder. - Jetzt frage ich: Wer hat jahrelang Multikulti und einer Multikulti-Gesellschaft das Wort geredet? Diese Parallelgesellschaften führen dazu, dass keine richtige Integration gelingt. Eine solche aber muss unsere gemeinsame Zielsetzung sein.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt zum Thema Arbeitsmarkt: Horst Seehofer hat gesagt - ich zitiere wörtlich aus dem "Focus": "Den Fachkräftemangel beheben wir nicht durch Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen. Erst einmal müssen wir das hier vorhandene Potenzial ausschöpfen." Wörtliches Zitat aus dem "Focus" vom 11.10. Ich sage Ihnen eines: Er hat mit dieser Bemerkung recht. Genauso müssen wir reagieren. Ich habe es heute Morgen schon gesagt: Wir würden den sozialen Frieden in unserem Land nicht haben, wenn wir all diejenigen, die bei uns im Land sind und nach wie vor Arbeit suchen, am Wegesrand stehen lassen. Es geht darum, im Rahmen unserer sozialen Verantwortung die Menschen in Arbeit zu bringen, die bei uns leben. Das ist unsere allererste Aufgabe.

(Beifall bei der CSU)

Wer nach Zuwanderung ruft, macht es sich zu leicht. Wir haben noch viele Hausaufgaben zu lösen. Es gibt noch vieles, was noch ungelöst ist. Ich darf darauf hinweisen, dass es Menschen gibt, die gefördert und finanziell unterstützt werden müssen, um zu einer guten Ausbildung zu kommen. Ausbildung ist das zentrale Element. Wir müssen das Potenzial von Frauen stärker nutzen und ältere Menschen stärker einbinden, auch in den Arbeitsprozess. Wir müssen auch die hier lebenden Migranten noch stärker in ihrer Arbeitskraft nutzen. Es sind wichtige Aufgaben, die vor uns liegen, aber hier zu sagen: Wir wollen das alles nicht tun, sondern setzen auf den Zuzug von Fachkräften - so einfach kann man es sich nicht machen. Wir müssen den harten Weg der Integration, der Förderung und der Begleitung von Menschen

gehen, die nach wie vor in den Arbeitsprozess eingegliedert werden wollen und können.

(Beifall bei der CSU)

Gerade auch im Interesse der bei uns gut integrierten Menschen mit ausländischen Wurzeln muss man die Probleme eines Teils der Migranten bei der Integration offen ansprechen. Wer Integrationskurse nicht besucht oder diese vorzeitig abbricht, muss die notwendigen Sanktionen spüren. Daran darf kein Weg vorbeiführen.

Wir wollen mit unserem Antrag auch einen Beitrag dazu leisten, über dieses Thema sachlich zu diskutieren. SPD und GRÜNE leisten jedoch mit ihrem Antrag und ihren Angriffen auf den Ministerpräsidenten keinen Beitrag zur Integration. Ich glaube, wir haben eine hohe Verantwortung für die Menschen in unserem Land, dass sie in Arbeit kommen, gefördert und begleitet werden. Das betrifft auch die jungen Migranten, die in besonderer Weise darauf hoffen, einen Arbeitsplatz und Wohlstand in diesem Lande zu haben. Daran müssen wir arbeiten und dürfen nicht nach Fachkräften aus dem Ausland rufen, ohne diese Aufgabe erledigt zu haben. Das ist gute Politik und diese Politik wollen wir auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Wir wollen gerade die Menschen, die bei uns leben und unsere Begleitung brauchen, in besonderer Weise unterstützen.

(Beifall bei der CSU)