Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

Herr Innenminister, Sie haben darüber geklagt, dass Flüchtlinge aus islamischen Ländern zu uns kommen. Wissen Sie, aus welchen Ländern die meisten Flüchtlinge derzeit zu uns kommen? Es sind die Länder Irak, Afghanistan und Somalia. Was ist in diesen Ländern? Es ist Krieg und es gibt schlimme Menschenrechtsverletzungen. Das liegt aber nicht am Islam, sondern an der militärischen Situation in diesen Ländern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister.

Liebe Frau Kollegin Kamm, aus diesen Ländern kommt in der Tat eine ganze Menge an Asylbewerbern. Ich werde aber gleich noch etwas zur Auseinandersetzung mit dem islamischen Fundamentalismus sagen. Darum geht es nämlich auch bei der Frage, wie wir integrieren.

Die Integrationsdebatte ist notwendigerweise auch eine Debatte über die Rechts- und Werteordnung unserer Gesellschaft. Vernünftig auf Dauer zu integrieren bedeutet nicht nur, dass die Leute Deutsch lernen. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist die Grundvoraussetzung. Ohne Beherrschen der deutschen Sprache und ohne eine vernünftige Berufsausbildung kann Integration nicht funktionieren. Der Zusammenhalt in einer Gesellschaft auf Dauer setzt aber mehr voraus, als nur die Sprache eines Landes zu sprechen. Deshalb müssen wir uns gemeinsam dessen vergewissern, was wir unter unserer Rechtsund Werteordnung verstehen und wie wir die Leute integrieren wollen. Wenn wir keinen Konsens darüber finden, welche Fundamente unsere Gesellschaft hat, können wir Menschen, die aus anderen Ländern kommen, schwerlich in diese Gesellschaft integrieren. Deshalb werbe ich nachdrücklich dafür, dass wir nicht nur über Sprache und Berufsausbildung sprechen, sondern gerade auch über die freiheitliche Rechtsordnung unserer Gesellschaft. Wir müssen über das sprechen, was den Grundbestand unserer Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren ausmacht. Ich nenne als Beispiel nur die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das ist in der Auseinandersetzung mit einem Teil der Zuwanderer ein echtes Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Ich hatte vorgestern das Vergnügen, mit Herrn Buschkowsky, Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, zu reden. Ein interessanter Mann!

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die GRÜNEN wollen offensichtlich nicht wahrhaben, was dieser Mann zumindest bei einem Teil der Einwohner in seinem Berliner Stadtteil zum Beispiel in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau wahrnimmt, die von einem Teil der islamisch gläubigen Bevölkerung dort nicht akzeptiert wird. Deswegen befinden wir uns in dieser Auseinandersetzung. Natürlich hat die Glaubensfreiheit in unserem Land einen hohen Stellenwert. Trotzdem kann jemand nicht in unser Land kommen und sagen, für mich gilt die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht, weil ich einem anderen Glauben anhänge, und deswegen kann ich sie hier in Deutschland nach Belieben außer Kraft setzen. Deswegen müssen wir über solche Probleme reden und feststellen, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau niemandem gegenüber zur Disposition gestellt wird. Wenn über hunderte von Zwangsverheiratungen in einem Jahr berichtet wird, können wir uns nicht zurückziehen und sagen, die können es machen, wie sie wollen. Wir müssen darauf bestehen, dass das, was in unserer Rechts- und Werteordnung steht, ausnahmslos für jeden gilt, der auf Dauer in unserem Land leben will. Wer das nicht akzeptieren will, kann nicht auf Dauer in unserem Land leben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen uns auch mit Leuten auseinandersetzen, die fundamentalistische und extreme Vorstellungen von ihren Werten und ihrem Glauben haben. Natürlich müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, wie es in dem einen oder anderen extrem geprägten islamischen Land aussieht. Solche Leute gibt es eben auch. Wenn einer in unser Land kommt und meint, seine Zielvorstellung sei, dass unser Land so regiert wird wie die Islamische Republik Iran, dann muss ich feststellen, dass dies in einem fundamentalen Widerspruch zu dem steht, was für uns in Deutschland wichtig und richtig ist. Frau Kollegin Kamm, ich hoffe, wir sind uns darin einig.

Deshalb müssen wir diese Diskussion auch unter dem Gesichtspunkt der Freiheit führen. Diese Diskussion ist keine Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam. Sie ist aber zumindest bei einem Teil derer, die sich hier integrieren wollen, eine Auseinandersetzung um unveräußerliche Freiheitsrechte in unserer Gesellschaft. Schauen Sie doch in den Iran, was dort vorgeblich unter islamischer Überschrift geschieht. Dort gibt es eben keine Meinungsfreiheit, dort gibt es keine Demonstrationsfreiheit. Dort gibt es keine Pressefreiheit und dort gibt es keine Gleichberechtigung von Mann und Frau. Deshalb müssen wir deutlich machen, dass die Verhältnisse dort in einem

krassen Gegensatz zu dem stehen, was wir heute unter einer modernen Gesellschaft im 21. Jahrhundert verstehen.

(Beifall bei der CSU)

Dieses Verständnis unmissverständlich deutlich zu machen, ist auch ein Teil der notwendigen Integrationsdebatte in unserem Land.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns darum bemühen, eine Diskussion darüber zu führen, wie wir integrieren wollen und welche grundlegenden Fundamente wir haben, müssen wir deutlich machen und offenlegen, dass bei uns in Bayern die Integration seit vielen Jahren offensichtlich besser gelingt als in anderen Ländern. Sie gelingt genau deshalb besser, weil wir ein stärkeres Bewusstsein dafür haben, was den Kern unserer Gesellschaft ausmacht und was die Werte unserer Gesellschaft sind. Wir haben ein Bewusstsein dafür, dass, wie Herr Buschkowsky gesagt hat, Multikulti definitiv gescheitert ist. Herr Buschkowsky sagt das. Sie brauchen gar nicht zu warten, bis das jemand aus Bayern sagt. Er sagt, Multikulti ist gescheitert.

Auf dieser Grundlage müssen wir jetzt weiterarbeiten. Wir werden weiterhin die besten Köpfe nach Bayern holen. Wir werden aber auch deutlich machen, dass unsere Lebenskultur die Leitlinie ist, dass jeder, der auf dieser Basis mit uns zusammenleben will, herzlich willkommen ist und dass er bei uns bessere Chancen bekommt als in jedem anderen Teil Deutschlands.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, halt bitte. Eine Zwischenintervention des Kollegen Prof. Dr. Bauer.

(Vom Red- ner nicht autorisiert) Herr Staatsminister Herrmann, habe ich Ihren letzten Satz so richtig verstanden, dass Sie sich für eine qualifizierte Einwanderung und Integration aussprechen? Wenn Sie Ja sagen - ich glaube, Sie können nach Ihrer Aussage im letzten Satz nur Ja sagen -, dann müssten Sie eigentlich unserem Antrag zustimmen.

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Seit ein paar Tagen, seit ein paar Wochen, seit Monaten, vielleicht schon seit Jahren ist es ein Problem in dieser Debatte, dass manche mit Begeisterung einen bestimmten Satz herausziehen und meinen, auf dieser Grundlage eine ganze Diskussion gestalten zu

können. Sie müssen schon alles im Zusammenhang sehen, was ich bisher gesagt habe. Dazu gehört auch, Herr Kollege, dass ich zum Beispiel vorhin nachdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es in der Europäischen Union 23 Millionen Arbeitslose gibt. Von denen kann jeder und jede sofort, ohne dass es irgendeiner Genehmigung bedarf und ohne dass es irgendeiner Rechtsänderung bedarf, eine Arbeit in einem bayerischen Betrieb aufnehmen. Jeder bayerische Betrieb, jede deutsche Firma kann jeden dieser 23 Millionen Arbeitslosen in der EU schon morgen ohne irgendeine Genehmigung einstellen. Ich habe mich nachdrücklich dafür ausgesprochen, dass wir, wenn wir einen massenhaften zusätzlichen Arbeitskräftebedarf hätten, diesen sinnvollerweise zunächst aus der Solidargemeinschaft der Europäischen Union befriedigen. Ich habe vorhin genauso deutlich gemacht, dass ich stolz darauf bin, dass ein Kent Nagano in München arbeitet und demnächst ein neuer russischer Generalmusikdirektor nach München kommen wird. Die haben alle ein ganz tolles Bild von München und Bayern; Herr Kollege, das wissen Sie auch. Darauf können wir stolz sein. Es gibt niemanden, der Bayern nicht als weltoffen und als freundlich gegenüber solchen Gästen oder neuen Mitarbeitern betrachten würde.

(Hubert Aiwanger (FW): Was hat unser Antrag mit Ihren Ausführungen zu tun?)

Sie zeichnen ein völlig falsches Bild von der Lage.

Ich habe Ihnen jetzt erläutert, wo die Herausforderungen liegen und wo wir in Zukunft weitere Akzente setzen. Auf dieser Grundlage können Sie jetzt abstimmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das werden wir jetzt tun. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über diese vier Anträge, die ich jetzt der Reihe nach aufrufe.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/5911 - das ist der Antrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/Die GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Wer enthält sich? - Die Freien Wähler und Frau Pauli. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/5917 - das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die

Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Das sind wiederum die Freien Wähler und Frau Pauli. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/5923 - das ist der Antrag der Fraktion der Freien Wähler - in der veränderten Form, das heißt unter Streichung des letzten Absatzes, seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Fraktionen der Freien Wähler, der SPD, der GRÜNEN, Frau Pauli und zwei Stimmen aus den Reihen der FDP. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/5925 - das ist der gemeinsame Antrag von CSU und FDP - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die CSUFraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Wer enthält sich? - Das sind die Freien Wähler, Frau Pauli und ein Kollege aus den Reihen der FDP. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FW) Zu den geplanten Stellenverlagerungen der Deutschen Telekom AG (Drs. 16/5912)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Widmann. Bitte schön, Frau Kollegin Widmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen!

(Unruhe)

Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Telekom AG möchte anscheinend in großem Stil Arbeitsplätze aus ganz Bayern an zwei Standorten zusammenziehen, nämlich in Nürnberg und in Augsburg. Insgesamt bedeutet dies eine Verlagerung von nahezu 800 Arbeitsplätzen aus ganz Bayern. Allein in meiner Heimatstadt Landshut sind 40 Arbeitsplätze betroffen, in Regensburg 102 Arbeitsplätze und in München sogar 350.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte jetzt wirklich um Aufmerksamkeit. Mir ist klar, dass die Debatte vorhin etwas emotionaler war. - Herr Staatsminister, bitte!

Weitere Ortschaften sind betroffen, nämlich Bad Kissingen, Bamberg, Bayreuth, Würzburg, Kempten, Ravensburg, Rosenheim, Traunstein, Ulm und Weingarten. Die bisher 13 Standorte sollen auf nur noch zwei reduziert werden.

Wir Freien Wähler lehnen diese Pläne der Telekom AG ab. Unserer Meinung nach ist es ein falsches Signal, ohne Not und bei guter Ertragslage die bayerischen Außenstandorte der Geschäftskundensparte TSystems zu reduzieren. Die Telekom setzt dabei bewusst auf eine Verringerung der Kundennähe und den faktischen Abbau von Arbeitsplätzen in den betroffenen Regionen. Das können wir nicht gutheißen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die berechtigten Ängste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von der Führungsetage ignoriert. Die betroffenen Mitarbeiter - so heißt es lapidar könnten ja pendeln. Meine Damen und Herren, nicht jeder ist so flexibel, seinen Lebensmittelpunkt nach Augsburg oder Nürnberg verlagern zu können. Viele der Betroffenen haben natürlich auch Familie. Es kann auf Dauer niemandem zugemutet werden, tagtäglich lange Strecken zu pendeln, zum Beispiel von Landshut nach Augsburg oder nach Nürnberg, zumal es sich bei den Betroffenen auch um 200 Teilzeitbeschäftigte, wovon die meisten Frauen sind, und um 65 Schwerbehinderte handelt.

Wie soll denn das Pendeln in Wirklichkeit funktionieren? Ich nehme Landshut als konkretes Beispiel. Die Bahnfahrt von Landshut nach Augsburg dauert je nach Verbindung eineinhalb bis zwei Stunden, und man muss einmal umsteigen. Das würde jeden Tag etwa vier Stunden Fahrzeit für die betroffenen Mitarbeiter bedeuten, auch für die Teilzeitbeschäftigten, und das auch nur, wenn bei der Bahn alles klappt. Hinzu kommen die zusätzlichen Kosten, die durch das Pendeln entstehen und die sicher nicht von der Telekom AG übernommen werden. Eine Monatskarte für den reinen Nahverkehr von Landshut nach Augsburg, um bei dem konkreten Beispiel zu bleiben, kostet etwa 250 Euro, möchte man den Intercity benutzen, schon 280 Euro, und greift man gar auf den ICE zurück, dann werden es 320 Euro. Je nach Angebot müssen die Betroffenen also im Jahr mit 2.230 bis 3.060 Euro Fahrtkosten rechnen. Das Auto ist auch keine Alternative. Für die gleiche Wegstrecke braucht

man etwa eineinhalb bis zwei Stunden, und die Kosten kann sich jeder ausrechnen.

Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um eine knallharte Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, insbesondere von Arbeitsplätzen für Frauen, Teilzeitbeschäftigte und Schwerbehinderte. Die Konzernführung setzt mit der Verlagerung darauf, dass viele der Betroffenen ihren Job nicht weiter ausüben können. Diese Arbeitsplätze kann die Telekom dann natürlich einsparen. Hier sollen wieder einmal Kosten auf dem Rücken der Arbeitnehmer eingespart werden, und das lehnen wir strikt ab. Die Konzernführung hat nicht einmal den Mut, ganz klar zu sagen, was sie eigentlich vorhat, nämlich Arbeitsplätze abzubauen und Personal einzusparen.

Das Argument, die Arbeitsplätze würden nur verlagert, ist aus unserer Sicht vorgeschoben und äußerst unseriös. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Auflösung und Verlagerung der Callcenter vor einigen Jahren erinnern. Ein Großteil der Arbeitskräfte, die damals beispielsweise von Landshut nach München pendeln sollten, ist dort nie wirklich angekommen. Ähnlich wird es auch in den anderen Regionen ausgesehen haben. Ich prophezeie Ihnen: Auch bei diesen Plänen werden etliche der jetzigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf der Strecke bleiben, frei nach dem Motto: Was einmal funktioniert hat, das funktioniert auch ein zweites Mal.