Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

durchaus denkbar unterstellt. Aber dazu sage ich an anderer Stelle mehr.

Sie haben gesagt: Es ist alles prima und bestens. Aber das stimmt hier nicht. Es sind Aussagen der Art zu erwarten, dass wir einerseits einiges geschafft haben, andererseits noch viele Aufgaben zu bewältigen sind. Es wäre Aufgabe einer solchen Regierungserklärung gewesen, auszusagen, wie sich der Wirtschaftsminister die Schließung der Lücken in der Infrastruktur vorstellt. Aber auch dazu haben wir nichts gehört.

Die Sache mit dem Breitband, Herr Zeil, haben wir schon oft genug diskutiert. Aber allein immer die Position zu wiederholen, die schon eineinhalb Jahre alt ist, verkennt die Dynamik in diesem Entwicklungsbereich. Wir haben nach wie vor das Breitbandförderprogramm, das als Zielgröße eine Geschwindigkeit von 1 MBit zum Inhalt hat. Obwohl dies alles längst überholt ist, stellen Sie sich hierhin, ohne etwas zur neuen LTE-Technik zu sagen. Sie haben nichts zum Verhältnis Ihres Förderprogramms zur LTE-Entwicklung gesagt.

Sie haben des Weiteren - das hat mich nicht überrascht - nichts zu der Frage gesagt: Ist es eine staatliche Aufgabe, diese Infrastruktur für ganz Bayern zu gewährleisten? Da geht es nicht nur um MBit und auch nicht um eine Lösung bis 2010/11. Vielmehr wird dies eine Daueraufgabe sein und bleiben, wie es bei Straße und Schiene der Fall ist.

Verstehen Sie doch bitte einmal, dass es da einer Gesamtsteuerung bedarf. Es darf nicht sein, dass über 2.000 Gemeinden mit schwierigen technologischen Zugangsfragen sowie mit betriebswirtschaftlichen und Ausschreibungsproblemen konfrontiert sind, mit denen sie nicht zurande kommen können. Da ist beispielsweise auch die Marktmacht der Telekom so groß, dass auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden muss und nicht jeder einzelne Bürgermeister diese Aufgabe erfolgreich bewältigen kann.

(Zurufe von der CSU)

Das ist auch ein Thema, das wir mit den Bürgermeistern diskutieren werden. An dieser Stelle ist der Gemeindetag sehr unserer Meinung. Dies werden Sie feststellen, wenn Sie sich mit dem Thema befassen. Wir werden uns an dieser Stelle in Übereinstimmung mit dem Gemeindetag mit dieser Forderung weiterhin an die Bayerische Staatsregierung wenden, das als eigene staatliche Aufgabe zu verstehen.

Nur kurz zum Thema ÖPNV; denn auch das ist immerhin Infrastruktur. Da haben wir in den vergangenen Jahren vor allem ein Handicap erlebt, dass näm

lich die Förderung so wechselhaft war. Mir ist durchaus bewusst, dass das Geld nicht zu üppig ist und dass man natürlich auch da Balanceentscheidungen zu treffen hat. Aber einmal rein in die Pantoffel und dann wieder raus aus den Pantoffeln ist auch an dieser Stelle den Unternehmen gegenüber nicht richtig. Die Politik muss vor allem verlässlich sein, und dazu gehört auch eine Verstetigung der Förderpolitik und der Busförderung, aber auch, dass die staatliche Verpflichtung einer angemessenen Ausgleichszahlung nach § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes längst überfällig und zu erfüllen ist. Auch das soll an dieser Stelle vermerkt sein.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Noch kurz zur Infrastruktur bzw. zur politischen Kultur: Natürlich gibt es zu der Frage, wie man mit Infrastrukturprojekten umgeht, ob man dafür oder dagegen ist, unterschiedliche Positionen. Ihre Formulierung, wer bei Infrastrukturprojekten bremst und blockiert, setzt die Zukunft unseres Landes aufs Spiel, rekurriert wohl auf die dritte Startbahn oder auch auf den zweiten SBahn-Tunnel. Sie hätten in diesem Zusammenhang vielleicht auch den Donauausbau nennen können. Da bitte ich, was die demokratische Kultur angeht, anzuerkennen, dass alle zusammen, die dafür und die dagegen sind, an jeder Stelle um die bestmögliche Lösung ringen und gute Argumente vortragen können.

Im Übrigen wird Ihnen nicht entgangen sein, dass beispielsweise die FDP-Stadtratsfraktion in der Stadt München zum zweiten S-Bahn-Tunnel ein Ratsbegehren gegen dieses Projekt initiiert hat. Das sollten wir gegenseitig schon anerkennen und an jeder Stelle miteinander ringen dürfen, ohne uns dem Vorwurf auszusetzen, nicht zukunftsfähig zu sein oder die Zukunft des Landes aufs Spiel zu setzen. Das, würde ich unterstellen, tut in diesem Haus niemand. Wir haben beste Gründe dafür, die Großprojekte, die Sie da genannt haben, abzulehnen.

Letzter Punkt: Maßnahmen für gleichwertige Lebensbedingungen. Welche denn? Dass Artikel 72 des Grundgesetzes uns dazu verpflichtet, habe ich schon gesagt. Die Regionalförderung, deuten Sie an, soll auf dem bisherigen Niveau fortgesetzt werden. An dieser Stelle darf ich Sie selbst zitieren: "Es wird davon ausgegangen, dass viele Investitionen, die derzeit" - das war ein Schreiben vom 07.05.2010 - "auf Eis liegen, bei einer anziehenden Konjunktur in 2010 nachgeholt werden. Dann wäre die Mittelausstattung völlig unzureichend." Ich bitte Sie, sich auch dieser Einschätzung wieder zu erinnern, die Sie noch im Mai dieses Jahres hier in diesem Haus selbst präsentiert haben.

Welche Konsequenzen sind möglich? Die EFRE-Förderung (EFRE: Europäischer Fonds für regionale Ent- wicklung, Anm.) über das Jahr 2013 hinaus zu sichern, ist ein Punkt, den wir auch dieser Tage von der Bayerischen Staatsregierung wieder gehört haben. Aber dann müssen Sie schon die Europaregion als eine Idee unterstützen, die aus den Regionen kommt und in den Regionen neue Impulse setzen will. Da genügt es nicht, wenn Staatsminister Schneider sagt, die Staatsregierung lehne eine Verlagerung von Kompetenzen ebenso wie eine Zersplitterung der Förderzuständigkeiten durch Übertragung auf die regionale oder lokale Ebene ab. - Ja, wo sind wir denn? Es ist schön zu sagen: Europaregion, das wollen wir unterstützen. Wir unterstützen zwar eine Struktur, aber zu sagen haben darf sie dann nichts. Das ist kein Beitrag zu einem vernünftigen, kooperativen Mit- und Nebeneinander.

(Beifall bei den Freien Wählern)

"Mut zu Neuem!" würde ich Ihnen zurufen wollen. Mut zu mehr regionalen Kompetenzen, weg vom Zentralismus Bayerns, weg vom Machtmonopol der Ministerien, das wäre auch ein Beitrag dazu, die Politikverdrossenheit aufzuheben und ein Stück weit mehr Mitwirkung in den Regionen und durch die Menschen zu ermöglichen.

Lieber Herr Zeil, Sie haben gesagt, mich wundert es, wie schnell wir aus der Krise gekommen sind. Ich denke, das bezog sich vor allem auf die Wirtschaft. Auf die Krise der Staatsregierung kann sich das nicht bezogen haben, wenn Sie so weitermachen. Da muss noch mehr kommen. Wir haben Ihnen eine ganze Reihe von Ideen mit auf den Weg gegeben. Wir diskutieren das mit Ihnen auch künftig gerne weiter und unterstützen Sie darin, wenn Sie das auch selbst an Innovationskraft aufbringen, was die Wirtschaft seit Jahren aufbringt und die wirtschaftliche Entwicklung in Bayern in dieser Form ermöglicht hat.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als nächster Redner hat Herr Dr. Martin Runge das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, werte Staatsregierung! Wir sind immer noch so naiv, dass wir hoffnungsvoll und hoffnungsfroh in eine Regierungserklärung reingehen. Aber man muss einfach konstatieren, es war nichts Neues, nichts Überraschendes; kein Bröckchen davon, zumal wir heute früh schon, Herr Kollege Sauter, die Regierungserklärung in der Zeitung nachlesen konnten. Man muss aber auch sagen: Auch da war es für uns nichts Neues und nichts Überraschendes.

Eine dürre Presseerklärung oder zwei, drei Minuten Redebeitrag hätten genügt, um das vorzutragen und rüberzubringen, was letztlich in einer halben Stunde es waren nur 23 Minuten - verpackt gewesen ist.

Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, wir sind selbstverständlich alle froh, dass wir erstmal so schnell aus der Krise gekommen und mit allenfalls einem blauen Auge davongekommen sind. Nur, Herr Minister, wir bitten Sie, schon einmal ernsthaft zu reflektieren: Was ist hier Rolle, was ist Beitrag der Staatsregierung? Wir wissen alle - und ich hoffe, Sie sind sich dessen genauso bewusst wie wir -, dass in Deutschland die Länder in der Wirtschaftspolitik nur eine ganz, ganz kleine Rolle spielen. Das heißt, der eigentliche Spieler ist der Bund. Verstärkt ist es auch die Europäische Union - das kann man bewerten, wie man will - und das sind auf der anderen Seite die Kommunen. Auf Landesebene haben wir es gerade mal mit der Wirtschaftsförderung zu tun, wobei die meisten Gelder, die wir ausreichen, nur durchgereichte Gelder sind, also woanders herkommen. Und dann kann die Staatsregierung noch den Troubleshooter, also Feuerwehr, spielen, wenn es brennt. Ansonsten ist das Instrumentarium in der Wirtschaftspolitik sehr, sehr begrenzt. Das Recht der Wirtschaft ist Bundesrecht, das Recht der Arbeit ist Bundesrecht. Auch sehr, sehr viele andere Rechtsfelder, die dann letztlich die Wirtschaftspolitik bestimmen, sind eben an anderer Stelle angesiedelt. Also, bitte nochmals ernsthaft nachdenken: Was ist und was war Ihr Beitrag? Dabei scheinen Sie, Herr Minister Zeil, sehr schnell zu lernen und sich in diesem Haufen sozialisieren zu können.

Die Backen werden aufgeblasen. Es wird angegeben, dass es nur so pfeift. Ich darf aus Ihrer Rede zitieren: "Der größte Erfolg der schwarz-gelben Regierung in Bayern ist die Entwicklung am Arbeitsmarkt."

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Das nächste Zitat, Zitat zwei: "Hervorragende Entwicklung ist kein Wunder." Und dann stellt sich die Staatsregierung "aufgrund ihrer mutigen Weichenstellungen" in eine Reihe mit - das war wiederum Zitat "den Unternehmen, Unternehmern, den Mitarbeitern in den Unternehmen und den Tarifparteien". Also, Herr Minister Zeil, Sie drohen wirklich nach den Stoibers und Wiesheus in ihrer Großspurigkeit nahtlos weiterzumachen. Geht’s gut, dann war es immer die Staatsregierung. Geht’s schlecht, dann sind’s immer die anderen.

(Thomas Hacker (FDP): Die Opposition ist halt schuld!)

Das ist immer so gewesen, und scheinbar machen Sie weiter so, egal ob es im Kleinen ist, egal ob es beispielsweise Unternehmensschicksale betrifft oder ob es um die gesamtgesellschaftliche, die gesamtwirtschaftliche Lage geht.

Herr Schmid, weil Sie gerade so seicht dazwischenplappern

(Lachen bei der SPD)

"sehr leise" sage ich, wenn Ihnen die Begrifflichkeit nicht gefällt -, Sie haben zweimal in Ihrem Redebeitrag den Begriff "mutige Entscheidung" gewählt.

(Georg Schmid (CSU): Ja!)

Da muss ich wirklich sagen, Herr Schmid: Es war "mutig", die Milliarden anderer, nämlich der Steuerzahler, zu riskieren und letztlich auch zu versemmeln. Also, Hut ab vor Ihren mutigen Entscheidungen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD - Ulrike Gote (GRÜNE): Ja, genau!)

Wieder zurück zur Wirtschaftspolitik und zu den Ländern. Sie sind in der Wirtschaftspolitik im engeren Sinne kein großer Spieler, aber was den Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung anbelangt, gibt es tatsächlich Felder, wo ganz wichtige, elementare Weichenstellungen getroffen werden können und auch zu treffen sind. Da ist beispielsweise die Infrastrukturpolitik und da ist auch die Bildungspolitik.

In der Bildung - das haben wir beim letzten Tagesordnungspunkt erlebt - läuft es alles andere als rund. Es gab vorhin durchaus berechtigte Kritik. Wir haben es jetzt mit den Absolventen des G 8 und des G 9 zu tun, die an die Hochschulen drängen. Hier gibt es massive Defizite. Wir haben beispielsweise viel zu viele Studienabbrecher, viel zu viele Abbrecher in der Lehre, wir haben eine viel zu frühe Selektion. Das alles ist nicht gut für den Wirtschaftsstandort Bayern. Das schreiben Ihnen so auch die Verbände ins Stammbuch.

(Thomas Kreuzer (CSU): Leier, leier, leier!)

Zur Infrastrukturpolitik. Es sind schon einige Vorredner auf Ihre Worte zur Breitbandinitiative eingegangen. Das Selbstlob, das hier kam, ist an dieser Stelle völlig falsch. Bayern hinkt weit hinterher. Fragen Sie Kommunen, fragen Sie Unternehmer.

Sie können jetzt sagen: Wir haben es nicht verbockt. Das ist richtig, das waren andere. Wir erinnern uns an einen Ihrer Vorgänger, der hier gesagt hat, der Ausbau des Breitbandes sei nicht nur keine öffentliche Aufgabe, sondern es gebe dafür auch überhaupt kei

nen Bedarf. Das haben wir an dieser Stelle erleben müssen, und das zu einem Zeitpunkt, als sich andere Länder, beispielsweise Rheinland-Pfalz, bereits längst ihre Förderprogramme haben notifizieren lassen. Diesen Punkt wieder herauszukehren, ist einfach armselig.

Spannender sind für uns allerdings die Ausführungen zur Verkehrsinfrastruktur, denn diese sind schon bemerkenswert. Herr Minister, nehmen wir als Beispiel den Flughafen München II. Dass eine Verlagerung von Riem weg notwendig war, ist überhaupt keine Frage. Aber es geht um den Standort, und es geht auch um die Größenordnung und den Größenwahn. Diesen tragen wir nicht mit.

Ein weiteres Beispiel ist die A 94. Auch das haben Sie nicht zu verantworten, das sei Ihnen zugestanden, Herr Minister Zeil. Aber bei diesem Projekt hat die damalige Staatsregierung die Bevölkerung und auch die Wirtschaft jahrzehntelang in Geiselhaft genommen, nur um eine bestimmte Trasse durchzudrücken. Die Trasse über Haag wäre wesentlich schneller und Jahrzehnte vorher realisierbar gewesen. Aber man hat sich auf etwas versteift, was in unseren Augen und auch in den Augen der Bevölkerung nicht gut war. Diese Defizite sind Ihnen anzulasten.

Zur Strecke München - Mühldorf - Freilassing haben wir nachher noch einen ganz famosen Dringlichkeitsantrag. Ich weiß gar nicht, wie wir abstimmen sollen, denn selbstverständlich sind wir für den Ausbau auch des genannten Teilstücks nach Tüßling. Aber wenn es heißt, Herr Huber: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich weiterhin einzusetzen," dann bedeutet das ja, dass wir weitere 50 Jahre warten dürfen.

Das wäre eigentlich eher kontraproduktiv.

Fazit ist: Seit 1985 ist die Maßnahme in der ersten Priorität, und seitdem haben Sie es nicht geschafft, über Bund und Bahn auch nur ansatzweise weiterzukommen. Wir fragen uns, woran es hapert. Es klemmt ganz klar an den von Ihnen immer wieder falsch gesetzten Prioritäten. Wenn Sie einen Wunschzettel präsentieren, der letztlich alles enthält und überhaupt nicht finanzierbar ist, dann werden wir bei den wirklich wichtigen Projekten in Bayern niemals weiterkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor allem, meine Damen und Herren von der Staatsregierung und den sie tragenden Fraktionen, fordern und befördern Sie milliardenteure Prestigeprojekte von zweifelhaftem Nutzen, und die dort vergeudeten Gelder fehlen dann selbstverständlich für die wichtigen Vorhaben.

Ihr Anknüpfen an die Vorgänge zu Stuttgart 21 ist etwas, was ich wirklich bemerkenswert finde. Da haben wir in Ihrer Rede gehört und auch nachlesen dürfen: Ausführungen zum rechtsstaatlichen Verfahren. Wir kennen die Sätze, es sei ja durch alle Parlamente gelaufen, lange diskutiert und beschlossen worden.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sind Sie für den Ausbau Ulm - Stuttgart oder dagegen?)

- Ich bin massiv gegen den Ausbau, wie er jetzt geplant ist, aber nicht realisiert werden wird. Wir haben im Bundestag dagegen geredet, und wir haben hier schon vor zehn Jahren dagegen argumentiert.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie sind ein reiner Populist!)

- Ich erkläre Ihnen auch, was passiert.