Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

(Beifall bei der CSU)

Die Zerfledderung, die entstehen würde, wenn wir vor Ort alle möglichen Ideen der Schulgestaltung zulassen würden, steht in direktem Gegensatz zu dem, was ich bei jeder Versammlung zu hören bekomme, bei der sich Lehrer, aber auch Eltern zu Wort melden. Die Leute wollen Kontinuität und Verlässlichkeit. Sie wollen nicht ständig neue Schulmodelle. Sie wollen eine Schule, die sich entwickeln kann, an der man Verbesserungen vornimmt, die in die Zukunft gerichtet sind, aber sie wollen nicht ständig neue Schulversuche und neue, ganz andere Schulen.

(Widerspruch des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Wenn die jungen Leute oder die Eltern die richtige Schulartwahl treffen wollen, haben sie oft das Problem, dass sie gar nicht mehr überblicken können, wel

che differenzierten Möglichkeiten unser durchlässiges Schulsystem bietet.

(Widerspruch der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Dieses vielfältige Angebot schlägt sich in vielen Bildungsbiographien aus Bayern, die alle hochinteressant sind, nieder. 42 % der Hochschulzugangsberechtigten können zur Hochschule, ohne am Gymnasium das Abitur abgelegt zu haben. Das zeigt doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind, möglichst vielen jungen Leuten den Weg zur Hochschule zu ebnen. Sie werfen uns vor, dass wir zehn Jahre lang einen Fehler gemacht haben. Diesen Fehler geben wir nicht zu, denn seit zehn Jahren sind es die Menschen gewohnt, dass wir bei allen Tests deutschlandweit am besten abschneiden. Mit der "Steinzeitschule", wie Sie sie immer bezeichnen, sind wir auf dem richtigen Weg, weshalb wir es den Menschen nicht zumuten wollen, dieses System zu gefährden.

(Beifall bei der CSU)

Zu diesem Tagesordnungspunkt haben wir keine Wortmeldungen mehr vorliegen. Deswegen können wir die Aussprache schließen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Damit besteht sicher Einverständnis. Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Bevor wir weiterfahren, gebe ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hacker, Rohde, Dr. Fischer und anderer und Fraktion (FDP) und der Abgeordneten Georg Schmid, Kreuzer, Meißner und Fraktion (CSU) betreffend Weiterentwicklung des Kommunalwahlrechts, Drucksache 16/6109, bekannt. Mit Ja haben 86 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 67 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Es gab zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 c auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes (Drs. 16/5922)

- Erste Lesung

Ich weiß, dass Sie alle wegen dieses Gesetzentwurfs hier geblieben sind. Ich muss Sie aber enttäuschen, wir verzichten auf die Aussprache.

(Hubert Aiwanger (FW): Der ist beerdigt!)

Es geht hier um Grabsteine aus Kinderarbeit. Nachdem wir mit unserer Zeit eineinhalb Stunden in Verzug sind, schlagen wir vor, den Gesetzentwurf gleich dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Damit besteht sicher auch Einverständnis. Dann ist es so beschlossen.

Ich verkünde auch gleich, dass die gemeinsam aufzurufenden Tagesordnungspunkte 5 und 6 ohne Aussprache behandelt werden, damit Sie sich schon darauf einstellen können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 d auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Susann Biedefeld, Adelheid Rupp u. a. und Fraktion (SPD) zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände (Bayerisches Tierschutzverbandsklagegesetz - BayTierSchVbklG) (Drs. 16/5966) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird begründet. Verbinden Sie die Begründung gleich mit der Aussprache?

(Susann Biedefeld (SPD): Begründung und Aussprache zusammen!)

Dann bitte ich Sie ans Redepult, Ihnen stehen zehn Minuten zur Verfügung. Frau Biedefeld spricht für die SPD.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die Zeit nicht ausschöpfen, das sage ich gleich vorab. Trotzdem möchte ich den einen oder anderen Punkt im Vorfeld der Beratungen in den Ausschüssen ansprechen.

Zum wiederholten Mal unternehmen wir den Versuch, in Bayern ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen einzuführen. Wir versuchen zum wiederholten Mal, den Tieren damit eine Stimme zu geben und dem Tierschutz, wie er im Grundgesetz und auch in der Bayerischen Verfassung verankert ist, mehr Rechnung zu tragen. Wir wollen ein Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen.

Wenn ich sehe, auf welchen Gebieten inzwischen Verbandsklagen möglich sind, frage ich mich, warum

dies gerade beim Tierschutz nicht der Fall ist. Inzwischen wurde die Verbandsklage auf einigen Gebieten des Privatrechts ermöglicht. Auch für die Verbandsklage im Naturschutz haben wir lange gekämpft. Gemeinsam mit den GRÜNEN haben wir lange dafür gekämpft, dass wir die Verbandsklage auch im Naturschutzrecht verankern konnten. Das ist uns gelungen, und darüber haben wir uns sehr gefreut. Im Wettbewerbsrecht ist sogar die Möglichkeit einer Verbandsklage für Verbraucherschutzorganisationen geschaffen worden, wobei einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher durchaus die Möglichkeit hätten zu klagen. Obwohl betroffene Personen bereits eine Klagebefugnis haben, gibt es zusätzlich ein Verbandsklagerecht für Verbraucherschutzverbände. Ich könnte die Liste von Fällen, in denen das Verbandsklagerecht schon eingeführt worden ist, fortsetzen.

Diese vielen Beispiele machen deutlich, dass ein Argument, das in dieser Diskussion immer wieder kommt, nicht gilt. Speziell aus den Reihen der CSU wurde immer wieder argumentiert, dass das Verbandsklagerecht für den Tierschutz eine Flut von Klagen auslösen würde. Dieses Argument trifft nicht zu. Das haben wir in allen anderen Fällen, in denen die Verbandsklage eingeführt worden ist, gesehen. Die Wirklichkeit hat uns eines Besseren belehrt, und sie müsste eigentlich auch die CSU eines Besseren belehren. Nachdem auf vielen Gebieten die Verbandsklage eingeführt worden ist, erachten wir, die SPDLandtagsfraktion, es für umso wichtiger und notwendiger, dass nach der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in die Bayerische Verfassung und in das Grundgesetz den Tierschutzverbänden ebenso eine derartige Klagebefugnis eingeräumt wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht haben die einen oder anderen Kollegen ein Stück dazugelernt. Einige Kolleginnen und Kollegen haben immer auf rechtspolitische Aspekte hingewiesen und gesagt, die Einführung des Verbandsklagerechts sei rechtspolitisch nicht möglich, weil das Tierschutzgesetz Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes sei. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist eine konkurrierende, das heißt die Länder können Gesetze erlassen, solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Daher sind auch keine rechtspolitischen Einwände gegen ein Verbandsklagerecht für den Tierschutz möglich. Solche Argumente von der einen oder anderen Fraktion hier im Hause können uns auch nicht davon abhalten, ein Verbandsklagerecht für den Tierschutz einzufordern.

Um einer Flut von Klagen oder dem Missbrauch des Verbandsklagerechts vorzubeugen, haben wir das Klagerecht in unserem Gesetzentwurf ganz bewusst auf einige wenige Tierschutzorganisationen begrenzt, nämlich auf den Deutschen Tierschutzbund, Landesverband Bayern e.V., auf den Bund gegen den Missbrauch der Tiere e.V., Landesverband Bayern, auf animal 2000 - Menschen für Tierrechte Bayern e.V. und auf das Bündnis Bayerischer Tierrechtsorganisationen, welches der Dachverband einer Reihe namhafter Tierschutzorganisationen ist.

Wir haben uns das gut überlegt. - Das sind die Verbände, die bayernweit tätig sind, die eine hohe Mitgliederzahl vorweisen, die sach- und fachkompetent sind und somit die Leistungsfähigkeit besitzen, eine derartige Verbandsklage auf den Weg zu bringen. Das ist der Grund für diese Auswahl, die aber kein Grund für die Ablehnung des Gesetzentwurfs sein sollte. Darüber kann man mit uns reden. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen in den Ausschüssen.

Denjenigen, die über einen derartigen Gesetzentwurf oder über solche Anträge lächeln, sei gesagt, dass es viele Tausend Tierschützerinnen und Tierschützer in Bayern gibt. Viele Menschen sind Tierliebhaber, die bei Aktionen im Bayerischen Landtag von sich aus reagieren, ohne dass man sie darauf hinweisen müsste. Alleine der Deutsche Tierschutzbund, Landesverband Bayern, beherbergt 115 Tierschutzvereine mit 120.000 Mitgliedern. Das ist ein einziger Verband. Auch das sind Wählerinnen und Wähler. Sollte der Gesetzentwurf wieder abgelehnt werden, werde ich meiner Fraktion vorschlagen, zusammen mit den vielen Tierschutzverbänden, den Tierschutzorganisationen, den Tierärzten und vielen anderen, die hinter einem derartigen Gesetz stehen, einen Kampagne zu starten.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Für die CSU bitte ich Herrn Kobler nach vorne.

Verehrte Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der SPD ist alter Wein in neuen Schläuchen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil nichts passiert!)

Frau Biedefeld hat von dem wiederholten Versuch gesprochen, den Gesetzentwurf betreffend die Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände voranzubringen. Bereits vor drei Jahren wurde ein

Gesetzentwurf mit etwa dem gleichen Text eingebracht. Der Wortlaut ist abgekupfert.

(Susann Biedefeld (SPD): Aber in der Sache nach wie vor richtig!)

Frau Kollegin, Sie haben lediglich eine Neuerung aufgenommen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir warten, dass Sie gescheiter werden!)

Als einzige Neuerung haben Sie aufgenommen, dass Bremen das einzige Bundesland ist, das das Verbandsklagerecht eingeführt hat. Sie haben nichts davon gesagt, dass es bereits 2004 eine Bundesratsinitiative gab, die kläglich an der breiten Mehrheit der Länder gescheitert ist. Das sind die Fakten.

Um vielen Tieren Schutz zu gewähren, haben wir die vielfältigsten Schutzbestimmungen. Sie reichen von der Haltung über den Transport bis hin zu den Schlachtformen. Alles ist fein säuberlich geregelt. Da der Tierschutz in Bayern großen Stellenwert hat, wurde er 1998 als Staatsziel in der Bayerischen Verfassung festgelegt. Wir haben einen geordneten und funktionierenden Tierschutz. Außerdem ist das Verbandsklagerecht nicht unproblematisch. Wir haben bestens funktionierende und sehr engagierte Tierschutzverbände und Tierschutzorganisationen, die die institutionelle Möglichkeit haben, beispielsweise im Tierschutzbeirat des Umwelt- und Gesundheitsministeriums Ihr Anliegen sowohl im Hinblick auf allgemeine Tierschutzfragen als auch im Hinblick auf ganz konkrete Fälle einzubringen. Das klappt.

Frau Kollegin Biedefeld und Kolleginnen und Kollegen der SPD, die vier im Tierschutzbeirat vertretenen Tierschutzorganisationen - Sie haben sie aufgeführt - werden seit jeher über anstehende Rechtsetzungsverfahren informiert und bekommen Gelegenheit, ihre Stellungnahmen einzubringen. Das ist Fakt.

Herr Kollege Kobler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sie haben lediglich vier Gruppierungen genannt. Es gibt aber eine Reihe zusätzlicher Organisationen, die Sie damit ausschließen. Darüber hinaus werden die Verbände auf Landes- und Bundesebene im Rahmen der Verbandsanhörungen einbezogen. Auch das klappt.

Ich sage Ihnen klipp und klar, wir werden dem Gesetzentwurf insbesondere deshalb nicht zustimmen, weil wir der Überzeugung sind, dass es auf europäischer, auf Bundes- und auch auf Landesebene aus

gedehnte Regelwerke zum Tierschutz gibt und weil in der Zwischenzeit viel für den Tierschutz getan wurde.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der SPD, wohin würde Ihr Vorschlag führen? - Ihr Vorschlag würde dazu führen, dass den Tierschutzorganisationen die Möglichkeit eingeräumt wird, gegen tierschutzrechtliche Genehmigungen, Erlaubnisse und behördliche Anordnungen zu klagen. Darauf wollen Sie hinaus. Wegen des großen Engagements der Tierschutzverbände, das man respektieren muss, gäbe es, egal ob wegen den Tierversuchen, der landwirtschaftlichen Tierhaltung oder der Heimtierhaltung ein breites Feld für eine Vielzahl von Klagen, was zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen für die Wirtschaft und die Forschung führen würden. Wir reden sehr häufig von wuchernder Bürokratie und davon, dass sie abgebaut werden müsse. Mit dem Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände würden Behörden und Gerichte wegen der zu erwartenden Klageflut erheblich höher belastet werden.

Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände nicht nötig ist. Die CSU wird deshalb den Gesetzentwurf ablehnen.