Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände nicht nötig ist. Die CSU wird deshalb den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Kobler, bleiben Sie bitte am Redepult. Frau Kollegin Biedefeld hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Kollege Kobler, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es nicht nur um vier Tierschutzorganisationen und -verbände geht. Das unter Ziffer vier aufgeführte Bündnis Bayerischer Tierrechtsorganisationen stellt einen Dachverband für weitere namhafte anerkannte Tierschutzvereine in Bayern dar.

Sie haben die gleichen Argumente wie Ihr Kollege zur Beratung unseres früheren Gesetzentwurfs vorgebracht. Auch damals wurde seitens der CSU auf den Tierschutzbeirat verwiesen. Ich habe damals nachgefragt, ob man sich seitens der CSU die Mühe gemacht habe, mit den dort vertretenen Organisationen Rücksprache zu nehmen, was die Organisationen, die ehrenamtlich für den Tierschutz arbeiteten, von dem Tierschutzbeirat halten. Wenn Sie sich nicht diese Mühe gemacht haben, bitte ich Sie, das nachzuholen. Sie sollten bei diesen Organisationen anfragen, was Sie vom Tierschutzbeirat und seiner Durchschlagskraft in Sachen Tierschutz halten.

Sie sagten, mit dem Verbandsklagerecht sei eine Klageflut zu erwarten. Kennen Sie die Anzahl der Klagen, die aufgrund des in Bayern eingeführten Verbandskla

gerechts von den Umweltverbänden eingereicht wurden? Kennen Sie die Zahlen? - Wenn ja, teilen Sie sie mir mit. Ich bin gerne bereit, diese Zahlen bei den weiteren Beratungen einzubeziehen. Von "Flut" kann da wohl nicht die Rede sein.

Ein Letztes: Sie sprachen vom funktionierenden Tierschutz und davon, dass alles unter Kontrolle sei. Ich will einen Punkt herausgreifen. Wie erklären Sie sich, dass die Zahl der Tierversuche bundesweit und mit Bayern an der Spitze in den letzten Jahren enorm anstieg, obwohl es wissenschaftliche Aussagen gibt, dass es genügend Alternativen gebe? Für Kosmetik zum Beispiel benötigt man keine Tierversuche. Wie kann das passieren, wenn Tierschutz funktioniert und das Tierschutzgesetz greift?

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Biedefeld, wenn Sie diese Anschuldigungen in den Raum stellen, bitte ich Sie, Ross und Reiter zu nennen. In den Fachausschüssen können wir uns anschließend detaillierter unterhalten. Ihre Verdächtigungen treffen in keiner Weise zu. Bitte nennen Sie die Fakten.

(Susann Biedefeld (SPD): Ich habe Sie gebeten, mit den Organisationen zu sprechen. Sind Sie dazu bereit, ja oder nein?)

- Sicher bin ich bereit. Wir werden uns im Fachausschuss unterhalten.

(Susann Biedefeld (SPD): Ich meine die Organisationen im Tierschutzbeirat.)

Wir sind tagtäglich vor Ort und reden selbstverständlich mit den Verbänden. Die Tierschutzverbände fordern die Einführung des Verbandsklagerechts. Ich höre jedoch keine Klagen über die Funktion des Tierschutzes. Andernfalls müssen Sie Ross und Reiter nennen.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Anmeldungen für Zwischenbemerkungen zu Ihrem Beitrag, Herr Kobler, liegen mir nicht vor. Deswegen fahre ich in der Redeliste fort. Für die Freien Wähler hat Frau Ulrike Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände beschäftigt dieses Hohe Haus wahrlich nicht zum ersten Mal. Die Argumente dafür und dagegen sind bereits in den letzten Jahren und in der letzten Legislaturperiode ausgetauscht worden. Die Protokolle habe ich genau

gelesen und mich einschlägig über das Thema informiert.

Die Argumente der Befürworter, die ich dort gefunden habe, sind für mich als aktive Bäuerin natürlich schwer nachvollziehbar. Das muss ich hier deutlich sagen. Ich wage zu behaupten: Eine Milchkuh in einem modernen Laufstall hat es aus Sicht des Tierschutzes weitaus besser und hat mehr Lebensqualität als manch ein Hund in einer kleinen Stadtwohnung, der unter seinem großen Bewegungsdrang leidet,

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich weiß, wie wichtig vielen Menschen ihre Haustiere sind. Ich bitte jedoch um eine ehrliche Diskussion. Für Nutztiere schreiben wir Haltungsbedingungen vor; bei Haustieren interessiert sich niemand dafür. Von der Vermenschlichung von Haustieren möchte ich an dieser Stelle gar nicht reden. Das soll auch vorkommen.

Die Tierhaltungsverordnungen für Nutztiere werden jährlich angepasst und verschärft. Ich weiß, was wir bei der Rind-, Schwein- und Geflügelhaltung auf uns nehmen mussten. Ganze Betriebszweige können im Rahmen der Gesetzgebung aus Bayern, Deutschland, und vielleicht sogar aus der EU verbannt werden. Als Beispiel möchte ich die Geflügelhaltung anführen. Als die Geflügelhaltungsverordnung in Kraft getreten ist, sind einige Betriebe bei uns abgebaut und in Tschechien oder in Mazedonien aufgebaut worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sicher richtig, dass der Tierschutz in der Verfassung verankert wurde. Sicher ist es richtig, dass ein solches Staatsziel auch in der Praxis umgesetzt wird. In der Begründung für den vorliegenden Gesetzentwurf wird den Bürgern Bayerns jedoch indirekt der notwendige Fachverstand in diesem Bereich abgesprochen. Nach Ansicht der SPD ist dieser Fachverstand bei vier oder mehr Verbänden - das haben Sie ausgeführt, Frau Kollegin - angesiedelt.

Tierschutz ist in unserer Bevölkerung tief verankert. Im Gegensatz zu Naturschutzbelangen und Großprojekten sind Tierschutzverstöße für den einzelnen Bürger sehr wohl erkennbar und anzeigbar. Das Naturschutzklagerecht sollte nicht mit dem Tierschutz gleichgestellt werden. Meiner Meinung nach kommt dem Naturschutz ein größeres öffentliches Interesse zu.

Die Tierschutzverbände werden jetzt schon informiert und eingebunden. Mein Vorredner, Herr Kobler, ist ausführlich auf den Tierschutzbeirat eingegangen. Frau Kollegin, ich weiß, dass die SPD als einzige Fraktion Mitglied im Tierschutzbeirat ist. Das ist auch in Ordnung so. Ich befürchte, dass mit diesem Ge

setzentwurf dem Tierschutzbeirat die Kompetenz entzogen wird. Das ist nicht zielführend. Dieser Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht unnötig. Außerdem ist er wegen der konkurrierenden Gesetzgebung auf Bundesebene - auch das hat mein Vorredner bereits angesprochen - fragwürdig. Wir werden diesem Vorschlag so nicht zustimmen.

(Susann Biedefeld (SPD): Wie macht das Bremen? Wie macht das Nordrhein-Westfalen?)

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich Herrn Dr. Magerl ans Redepult.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es ist nicht das erste Mal, dass wir um das Klagerecht für die Tierschutzverbände kämpfen. Das ist schon mehrmals erwähnt worden. Ich befürchte, aufgrund der Unbeweglichkeit der Regierung und der Freien Wähler wird es nicht das letzte Mal sein. Sicherlich werden wir nicht locker lassen. Diesen Gesetzentwurf oder einen ähnlichen, wie auch immer, werden wir zur Umsetzung bringen und das Klagerecht für die Tierschutzverbände in Bayern einführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verankerung des Tierschutzes in Artikel 141 der Bayerischen Verfassung und die Fixierung des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz waren Meilensteine. Dies reicht jedoch aus unserer Sicht nicht aus. Herr Kollege Kobler, sicherlich gibt es eine Menge Schutzbestimmungen. Wenn diese so gut sind, wie Sie meinen, dann brauchen Sie das Klagerecht der Verbände auch nicht zu fürchten.

Genauso wie Frau Kollegin Biedefeld kenne ich die Debatten, die wir bei der Einführung des Klagerechts für Naturschutzverbände geführt haben. Welche Schreckgespenster sind dort an die Wand gemalt worden: Das Land würde von einer Klagewelle überzogen, und nichts wäre mehr möglich. Mittlerweile haben wir das Klagerecht für die Naturschutzverbände, und es funktioniert. Ich bin in einem Naturschutzverband groß geworden und dort sehr aktiv. Allein die finanziellen Mittel, die für eine Klage benötigt werden, verhindern eine Klagewelle der Naturschutzverbände. Dies ist auch bei der Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände zu erwarten. Aufgrund der knappen Mittel müssen die Verbände außerordentlich gewissenhaft auswählen, ob und wo sie eine Klage einreichen. Außerdem müssen sie prüfen, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Sie können das Land nicht einfach mit einer Klagewelle überziehen. Das wird nicht passieren. Dies hat es beim Naturschutz nicht gegeben, und beim Tierschutz wird es sich ähnlich verhalten. Insofern, Herr Kollege Kob

ler, zieht das Argument nicht. Sie widersprechen sich selbst. Wenn die Gesetze so gut sind, warum erwarten Sie dann eine Vielzahl von Klagen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir befinden uns jetzt in der Ersten Lesung. Wir werden die kommenden Ausschusssitzungen dafür nutzen, den Gesetzentwurf ausführlich zu diskutieren. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit mache ich es kurz. Ich signalisiere vonseiten unserer Fraktion bereits Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP bitte ich Herrn Kollegen Thalhammer nach vorne.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tierschutz ist in der Bayerischen Verfassung fest verankert. Endlich ist er Anfang des Jahrtausends ebenfalls im Grundgesetz angekommen. Die heutigen Redebeiträge zeigen jedoch, dass der Tierschutz noch nicht in den Herzen und Köpfen aller unserer Politiker angekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Zwar haben wir einen Tierschutzbeirat - darauf wurde explizit hingewiesen - und enge Regelungen für Tierversuche, aber gleichzeitig haben wir - das ist nicht wegzudiskutieren - verwerfliche Zustände. Tierschutz ist leider häufig noch ein zahnloser Tiger. In diesem Zusammenhang nenne ich nur das Beispiel Masthühner. 33 Masthühner müssen auf kleinster Fläche zusammenleben. Zum Glück haben Sie nur ein sehr kurzes Leben. Ich rede von einer artgerechten Haltung erster und zweiter Klasse. Der gleichen Tierart wird in einem Zoo ein anderes Minimum an Lebensstandard zugestanden als beispielsweise in einem Zirkus.

Meine Damen und Herren, Tierschutz ist eine ethische und - ich verwende dieses Argument sehr spärlich - auch eine christliche Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abge- ordneten Susann Biedefeld (SPD))

Sie sprechen sehr häufig von der Wahrung der Schöpfung. Zur Wahrung der Schöpfung gehört auch die Bewahrung unserer Mitgeschöpfe. Der Mensch hat das Privileg, dass er die Gesetze auf dieser Welt aufstellen darf. Dabei hat er nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für seinen Nächsten, seine Umwelt oder die Tierwelt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abge- ordneten Susann Biedefeld (SPD))

Tiere brauchen einen Vormund, brauchen eine Stimme. Im aktuellen Gesetzentwurf sind die Verbände als ein mögliches Instrumentarium vorgeschlagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie werfen uns von der FDP sonst immer vor, wir würden nur Verbandsinteressen vertreten und nur Lobbypolitik betreiben. Sie selbst liefern hier das beste Beispiel dafür, dass man auch sinnvolle Lobbypolitik betreiben kann. Wir befinden uns jetzt in der Ersten Lesung. Das heißt, das ist der erste Aufschlag dieses Themas hier. Ich mag kein Ergebnis vorwegnehmen - aus Respekt vor dem Parlament, aus Respekt vor den parlamentarischen Abläufen und aus Respekt vor der Sacharbeit, die in den Ausschüssen stattfindet, und, Herr Kollege Kobler, auch aus Respekt vor dem Koalitionspartner. Wir werden über dieses Thema sprechen. Ich weiß, dass ein ähnlicher Gesetzentwurf in der letzten Legislaturperiode abgelehnt wurde. Ich weiß auch, dass ein ähnlicher Gesetzentwurf in der vorletzten Legislaturperiode abgelehnt wurde. Ich weiß aber auch, dass es in dieser Legislaturperiode nicht mehr nur eine Partei in der Regierung gibt. Deswegen werden wir in den kommenden Verhandlungen gemeinsam über alles sprechen.

Meine Damen und Herren, ich bin mir nicht sicher, ob der Weg des Verbandsklagerechts wirklich der Weisheit letzter Schluss und wirklich die beste Lösung für den Tierschutz ist. Ich weiß nur, dass der Schutz unserer Tiere auch in Bayern eine noch größere Aufmerksamkeit verdient hat, und ich weiß auch, dass gut Ding oft Weile braucht.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU und der SPD)

Danke, Herr Kollege Thalhammer. Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Dem ist so, damit ist das so beschlossen.

Ich rufe gemeinsam die Tagesordnungspunkte 5 und 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Reform der parlamentarischen Kontrolle der Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (Drs. 16/2323)