Es ist unheimlich schwierig, einen Gedanken zu Ende auszuführen, wenn man ständig unterbrochen wird. Herr Güll hat aber natürlich die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage. Ich finde schon wieder hinein. Hoffentlich finden Sie auch wieder hinein.
Ich habe nur zwei Fragen. Woraus lesen Sie, dass an jeder Schule ein Ganztagesplatz sein muss? Es muss nur in erreichbarer Nähe ein Platz zur Verfügung stehen. Zweitens: Haben Sie überlesen, dass wir den Ganztagesplatz nicht nur an der Grund-, der Haupt- und der Mittelschule haben wollen, sondern auch an Realschulen und Gymnasien? Ich kenne aber nur große Realschulen und Gymnasien. Ich glaube, dort hätten wir überhaupt kein Problem, in einer Jahrgangsstufe solche Angebote zu schaffen. Dass wir als Ziel gerne die Ganztagsschule hätten, ist wieder etwas anderes. Jetzt geht es erst einmal darum, ein Recht auf einen Ganztagesplatz zu schaffen. Es wird doch nicht so schwierig sein, so etwas in Bayern umzusetzen.
Ich sage es jetzt ein drittes Mal. Die Klasse, die gebildet werden muss, gibt es vielleicht nicht an jeder Schule. Wenn ich sie aber nicht an jeder Schule, an der das Angebot nachgefragt wird, bilde, habe ich als Alternative einen riesigen Schülertourismus. Um in der Fläche dem Anspruch gerecht zu werden, muss ich entweder an jeder Schule, an der die Nachfrage besteht, eine Ganztagesklasse bilden oder ich fahre die Kinder hin und her. Beides haben Sie in diesem Hause schon mehrfach kritisiert.
Jetzt aber noch einmal zur Umsetzung. Wir haben am 3. Februar 2009 im Ministerrat damit begonnen, die Verwirklichung der Ganztagesangebote an allen Schularten umfassend auf den Weg zu bringen. Das Gesamtkonzept zur Einführung von Ganztagesangeboten halte ich angesichts unserer Haushaltssituation wirklich für sehr ehrgeizig. Dass wir bei diesen Angeboten einen Nachholbedarf haben, will ich gar nicht leugnen. Die Zahlen der Angebote bedeuten für uns eine große Kraftanstrengung. Jedes Jahr läuft ein dreistelliger Millionenbetrag in den Ausbau dieser Angebote. Damit gehen wir an die Grenzen dessen, was wir machen können.
Sie haben von Verlässlichkeit gesprochen, Herr Güll. Verlässlichkeit heißt für mich, dass eine Kommune, die einen Antrag stellt, in absehbarer Zeit auch eine Genehmigung bekommt. Von den Kommunen, die genehmigungsfähige Anträge gestellt haben, haben alle eine Zusage bekommen. Im Gegenteil, wir hätten sogar mehr anbieten können, als tatsächlich von den Kommunen nachgefragt worden ist. Die Ausbaugeschwindigkeit unter Berücksichtigung der Nachfrage war so hoch, wie es nur möglich war. Das geht in der Systematik, die wir uns zurechtgelegt haben, bis 2013 auch so weiter. Dabei werden ab 2011/2012 auch die Realschulen und die Gymnasien mit einbezogen. Das hat aber auch Frau Will schon gesagt.
Meine Damen und Herren, ich halte den Gesetzentwurf zur Schaffung eines Rechtsanspruchs nicht für tauglich, um uns in dem gemeinsamen Bestreben, den Ausbau von Ganztagesangeboten voranzubringen, zu unterstützen. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass wir mit unseren Aufwendungen, die wir leisten, auf einem guten Weg sind, unser gemeinsames Ziel erreichen, möglichst flächendeckend ein Ganztagesangebot in Bayern zu realisieren, soweit es die Haushaltsmittel zulassen. Geld spielt leider auch eine Rolle, wenn man solche Maßnahmen durchführen will.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/4790 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt auf Drucksache 16/6073 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der GRÜNEN, der SPD und der Freien Wähler und Frau Pauli. Die Ablehnung bitte. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes auf Drucksache 16/4021 bekannt. Mit Ja haben 48 Abgeordnete gestimmt und mit Nein 95. Es gab zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Klare Absage an eine Realisierung des AutobahnSüdrings A 99 (Drs. 16/5217)
Antrag der Abgeordneten Dr. Otmar Bernhard, Erwin Huber, Eberhard Rotter u. a. (CSU), Thomas Hacker, Tobias Thalhammer. Dr. Franz Xaver Kirschner u. a. (FDP) Autobahn-Südring A 99 (Drs. 16/5379)
sollen im Einvernehmen mit allen Fraktionen von der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Damit werden diese Tagesordnungspunkte von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.
Offen sind noch die Listennummern 6, 18, 33 und 48 der Anlage zur Tagesordnung, zu denen Einzelberatung beantragt worden ist.
Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)
Antrag der Abgeordneten Diana Stachowitz, Angelika Weikert, Christa Steiger u. a. (SPD) Finanzierungsmöglichkeiten Kindergrundsicherung (Drs. 16/4945)
sollen heute abgesetzt werden. Besteht mit der Absetzung Einverständnis? - Ich sehe keinen Widerspruch. Damit werden die beiden Tagesordnungspunkte abgesetzt.
Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbstbestimmungsrecht stärken - Zwangsheirat bekämpfen - Stigmatisierung verhindern! Menschenrechtsbildung in der Schule (Drs. 16/5255)
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Worum geht es heute? - Zufällig hat sich heute das Bundeskabinett auch mit der Zwangsheirat beschäftigt. Dabei ist beschlossen worden, dass die Zwangsheirat ein eigener Straftatbestand werden soll.
- Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, auch wenn Sie jetzt "sehr gut" brüllen, so ist das doch Alibipolitik. Das ist Kosmetik.
Zwangsheirat ist jetzt schon strafbar und kann mit einem Strafmass von fünf Jahren geahndet werden. Selbst Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat eingeräumt, dass die strafrechtliche Verfolgung der Zwangsheirat erstens auch dann schwierig bleiben wird, nachdem der Straftatbestand eingeführt ist, und zweitens der neue Straftatbestand keine wirksamere Abschreckung bringen wird. Ich frage also, was die Einführung bringen soll. - Ich meine, wir sollten nicht die Symptome bekämpfen, sondern das Problem an der Wurzel packen.
Frauen und Männer, die von Zwangsheirat betroffen sein können, müssen wir stärken. Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten. Da der sozialpolitische Ausschuss die entsprechenden Anträge bereits abgelehnt hat,
kann ich das auch erwähnen: Wir brauchen Prävention, Beratung und Schutzwohnungen. Dazu gibt es eine "nette" Geschichte. In München gibt es einen Verein, der sich des Themas Zwangsheirat annehmen soll. Er bekommt aber dafür keinen Cent zusätzlich zu den Mitteln für seine bisherigen Aktivitäten gegen den Frauenhandel - und hat damit schon einen großen Auftrag.
Zurück zum Antrag. Uns GRÜNEN geht es vor allem um eine sinnvolle, präventive Arbeit. In der Schule erreicht man alle Kinder und Jugendlichen. Dort sind alle eventuell Betroffenen, und dort müssen die Lehrer und Lehrerrinnen sensibilisiert werden. Außerdem muss es mehr Schulpsychologen und -psychologinnen geben, die sich des Themas annehmen und die sich darum kümmern. Ich kenne das Argument, das im Ausschuss bei der Beratung angeführt wurde; es hieß, man habe und mache schon alles. Dabei wurde uns eine neue Broschüre des Bundesministeriums der Justiz mit der Bemerkung in die Hand gedrückt, damit sei alles abgedeckt.
Ich meine, eine Broschüre reicht nicht, dieses tiefschichtige Problem zu bewältigen und ihm zu begegnen. Da wir in letzter Zeit unsägliche Debatten zu dem Thema hatten, möchte ich Folgendes betonen. Bei der Zwangsheirat handelt es sich nicht um ein Problem des Islam. Vielmehr ist sie ein Problem einer Gesellschaft, die zutiefst patriarchalisch strukturiert ist. Es handelt sich also nicht um ein Problem einer Religion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, wir GRÜNE verschließen die Augen nicht vor dem Problem, das die Migranten und Migrantinnen haben. Im Gegenteil, wir sehen das Problem differenziert. Deswegen fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir den Problemen in unserer Gesellschaft differenziert begegnen können. Das pauschale Draufhauen, wie es manchmal passiert, hilft auf keinen Fall. Für die, die wirklich kleinlich sind, will ich anmerken, dass dieser Antrag nichts kostet. Es geht lediglich darum, die Lehrer und Lehrerinnen zu sensibilisieren, dass es dieses Problem gibt, und es vertieft in die Schulen zu tragen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich rede nicht als Betroffener. Ich habe freiwillig geheiratet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung, die es mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen gilt. Die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration der Bundesregierung, Frau Maria Böhmer, hat dies gesagt. Eine Ehe, die unter Druck, Nötigung, Erpressung und Ausübung von Gewalt geschlossen wird, ist mit unserer Wertordnung und unserer Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben nicht vereinbar, sondern inakzeptabel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind aufgefordert, Stärke zu zeigen, Betroffenen beizustehen und Hilfen anzubieten.
Einer der Punkte ist heute schon angesprochen worden. Zur Bewältigung des Problems gehört auch, dass die Gesellschaft in Form von Gesetzen reagiert. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Straftatbestand Zwangsheirat einzuführen, und damit Ihre Haltung nach außen deutlich dokumentiert. Unter dem Straftatbestand der Nötigung war es schwierig, die Zwangsheirat zu verfolgen. Mit einem eigenen Straftatbestand Zwangsverheiratung wird es etwas leichter. Vor allem wird der Gesellschaft und den Gerichten ein Zeichen gegeben. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Wir brauchen Wege, um den Betroffenen aus diesem Dilemma zu helfen. Wir brauchen eine Umgebung, in der das erkannt und verhindert wird. Ein zentraler Ort ist die Schule.
Wir werden den Antrag trotzdem ablehnen, weil das Thema Zwangsheirat schon längst bei den Schulen angekommen ist. Frau Stamm hat erfreulicherweise davon gesprochen, dass während der Beratungen auf eine Broschüre hingewiesen wurde, die von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter maßgeblicher Beteiligung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erarbeitet wurde. Dieser Leitfaden ist für alle Lehrkräfte wichtig, um sich in dieses Thema einzuarbeiten. Zusätzlich gab es eine Reihe anderer Maßnahmen, die ich aufzählen möchte: Die Beratungslehrkräfte in Bayern und die Schulpsychologen werden bereits sensibilisiert. Es gibt auch einen eigenen Kurs an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen, an der Multiplikatoren für diesen Bereich ausgebildet werden. Im nächsten Jahr soll es auch sogar einen Kongress zu diesem Thema geben. Die interkulturelle Erziehung und die interkulturelle Kompetenz sind Bestandteil der Schule, der Lehrpläne, des Unterrichts und der Elternarbeit. Außerdem muss es Netzwerke geben. Zum Beispiel gibt es das Online-Netzwerk "Wir für Bayern - Hilfe für jugendliche Zuwanderer" oder den Schülercampus
"Mehr Migranten werden Lehrer". Das sind alles Bausteine, die zeigen, dass wir uns bemühen, die Schulfamilie zu sensibilisieren, Aufklärung zu betreiben und frühzeitige Prävention sicherzustellen. Deswegen nehmen wir den Antrag gerne zur Kenntnis, da es sich dabei um ein wichtiges Thema handelt. Die Staatsregierung zu etwas aufzufordern, was sie ohnehin schon macht, ist nicht notwendig.