Herr Präsident, Frau Ministerin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit der Geburtstagsgratulation für die Ministerin beginnen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und für die Zukunft eine gelungene Integrationspolitik.
Bevor Sie sich Ihrem Nachbarn zum Gespräch zuwenden, möchte ich Ihnen gleich noch einmal gratulieren, nämlich dazu, dass Sie zum ersten Mal in der Geschichte des Landtags eine Regierungserklärung zur Integration gehalten haben. Das ist ein großer Schritt, den wir durchaus anerkennen.
Die Bayerische Staatsregierung hat in der Vergangenheit diese Notwendigkeit offensichtlich nicht gesehen.
die Integration ignoriert und sich dem Thema verweigert. Ich frage Sie: Wo sitzen die Integrationsverweigerer?
Frau Ministerin, Sie haben in dieser Regierungserklärung wieder den Begriff "Leitkultur" bemüht, der für ein ethnisch-kulturelles Nationalverständnis steht. Wir GRÜNE bevorzugen eine republikanische Integration in unsere Gesellschaft unter dem Dach des Grundgesetzes. Dieses Grundgesetz steht für alles, was Sie einfordern. Es steht für Gleichberechtigung, für Religionsfreiheit und für unsere Werte. Weshalb brauchen wir immer noch diesen alten und überkommenen CSU-Begriff "Leitkultur"?
Sie haben gesagt, wir wüssten, wo wir herkommen und wofür wir stehen. Damit meinten Sie Bayern. Ich sage es Ihnen: Wir stehen mitten in einem Multi-KultiLand. Bayern ist schon immer ein Multi-Kulti-Land gewesen. Von Süden, von Westen, von Norden und von Osten sind Menschen nach Bayern eingewandert, haben unser Land bereichert und gestaltet. Sie leben seit Jahrhunderten hier.
Damit will die CSU jetzt Schluss machen? Frau Ministerin, Multi-Kulti lebt und wird seine Potenziale gewinnbringend für die Gesellschaft entwickeln, wenn man die Chance dazu nicht kaputtredet und kaputtregiert. Sie haben vor dem Sozialministerium ein riesengroßes Plakat aufstellen lassen, auf dem steht: "Integration lohnt sich." - Wie wahr! Wir müssen das nur noch umsetzen. Sie haben einen Bericht in Auftrag gegeben, der Wege zur gelungenen Integration aufzeigen soll. Bevor Sie all das begonnen haben, gab es bereits eine große Anzahl Migranten und Migrantinnen, die sich aus eigener Kraft, mit eigenen Mitteln und enormen Anpassungsleistungen sehr, sehr gut integriert haben. Wir haben in Bayern erfolgreiche Migranten und Migrantinnen als Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Facharbeiter oder Krankenschwestern, die Hervorragendes leisten. Aber gerade dort, wo für die Menschen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, sich zu qualifizieren und Karriere zu machen, Unterstützung notwendig gewesen wäre und Rahmenbedingungen hätten geschaffen werden müssen, hat der Staat in den letzten Jahrzehnten komplett versagt.
Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien gedacht. Auch sie sind geblieben. Sie wollten aber nicht hinsehen. Hier handelt es sich um eine Jahrzehnte dauernde Realitätsverweigerung.
Realitätsverweigerung ist Integrationsverweigerung. Da Ministerpräsident Seehofer sagt, wer sich der Integration verweigere, solle konsequenter sanktioniert werden, frage ich Sie: Wer sanktioniert staatliche Integrationsverweigerer?
Im Übrigen handelt es sich um reine Spekulation. Anlässlich einer Anfrage an den Deutschen Bundestag, wie viele Integrationsverweigerer es gebe, wurde auch in den Ländern nachgefragt. Kein Land konnte belastbare Zahlen nennen. Es handelt sich also um Verdächtigungen, die nicht belegt werden können. Anstatt über Integrationsverweigerer zu schwadronieren, wäre es viel besser, die versäumten Integrationsmaßnahmen endlich nachzuholen. Es wäre viel besser, die Familien, die über geringe Bildung verfügen, zu unterstützen, damit deren Kinder ausreichende Bildung erhalten. Hier sind die Versäumnisse der Staatsregierung aber geradezu eklatant.
Ihre Begründung ist, dass Integrationsdefizite über Generationen hinweg vererbt würden. Ich frage Sie: Warum ist das wohl so? - Seit Jahrzehnten wird in Bayern der Bau von Kinderkrippen vernachlässigt. Sie wurden als sozialistisches Teufelszeug diffamiert. Die Krippenlandschaft Bayerns hat riesige weiße Flecken. Die Krippen sind jedoch der Schlüssel zu einer gelungenen sprachlichen und sozialen Integration. Hier haben wir aber Defizite. Sie wollen noch eins draufsetzen, indem Sie das Betreuungsgeld einführen wollen, das die bildungsfernen Schichten wieder bestärken wird, ihre Kinder nicht in die Bildungseinrichtungen zu schicken.
Damit machen Sie das Falsche. Darüber können die wohlklingenden Worte Ihrer Regierungserklärung nicht hinwegtäuschen. Hinzu kommt, dass ein Krippenplatz teuer ist. Wer wird denn viel Geld für einen Krippenplatz ausgeben, wenn er Geld bekommt, wenn er den Platz nicht in Anspruch nimmt?
ist unzulänglich. Die Erzieherinnen müssen unter falschen Bedingungen und mit viel zu großen Gruppen arbeiten, was sie überlastet. Wie soll vor einem solchen Hintergrund die sprachliche Integration gelingen? - Das ist völlig unmöglich. Sie brüsten sich damit, dass Sprachberater und Sprachberaterinnen eingestellt werden, die die Erzieherinnen beraten werden, wie sie die sprachliche Integration vermitteln sollen. Die Erzieherinnen können das nicht, weil sie dazu keine Zeit haben. Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen, dann werden Sie Erfolg haben!
Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky hat am Dienstagabend gesagt, er fordere die Kindergartenpflicht ab dem ersten Lebensjahr. Frau Ministerin, er weiß, wovon er redet. Ein solcher Schritt würde die Integration befördern. Die Kinder wären sprachlich gebildet, wenn sie eingeschult werden. Sie hätten keinen schlechten Schulstart.
Wir brauchen die Gemeinschaftsschule, und wir brauchen eine längere gemeinsame Schulzeit, weil es nicht gut ist, die Kinder nach vier Jahren Grundschule auszusortieren; denn das bewirkt für die Migrantenkinder ein Bildungsdesaster. Nur 7,5 % aller Abiturienten haben Migrationshintergrund, aber 16 % der Hauptschulabgänger ohne Abschluss sind Migrantenkinder. Migrantenkinder sind nicht dümmer, sie sind nur schlechter gefördert. Das Projekt in München "Schulanaloger Unterricht für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge" - SchlaU-Projekt - beweist dies. Dort werden minderjährige Flüchtlinge ab 16 Jahren von einem engagierten Lehrerkollegium gefördert: 100 % bestehen den Hauptschulabschluss. 16 von 33 Schülern haben im letzten Jahr den qualifizierenden Hauptschulabschluss erreicht, einer besucht das Gymnasium, und drei haben den Realschulabschluss geschafft. Ein junger Mann aus Nigeria ist Bundessieger als Meister für Vulkanisation und Reifentechnik geworden. Schau an! - Es geht also. Dazu muss ich wieder fragen: Wer verweigert hier was?
Schauen wir uns den Arbeitsmarkt an. Manche haben noch eine Barriere im Kopf und schrecken zurück, wenn sie einen türkischen Namen auf der Bewerberliste sehen. Es gibt aber auch Nachteile, die sich wegen der schlechten Schulbildung in geringeren Chancen bei der Berufsfindung auswirken. Außerdem gibt es viele Menschen, die in Bayern leben, deren Abschluss aber nicht anerkannt wird. Allem Gerede zum Trotz ist noch nicht in Sicht, dass Bayern gewillt ist, im Ausland erworbene Abschlüsse anzuerkennen.
Sie sollten die Fachkräfte nicht nur unter der deutschen Bevölkerung suchen; denn sie sind als Migranten mitten unter uns vorhanden. Erkennen Sie deren Abschlüsse an, und wir haben genügend Fachkräfte. Bayern bietet auch keine Nachqualifikation an. Vielmehr haben hochqualifizierte Menschen große Probleme. Ein Beispiel: Ein Student aus Äthiopien, der in Würzburg wohnt, hätte in Schweinfurt einen Studienplatz bekommen, den er nicht antreten kann, weil ihm der Zuzug nach Schweinfurt verweigert wird. - So viel zur Integrationspolitik in Bayern! Thüringen erkennt Abschlüsse von Krankenpflegerinnen längst an. Ich stelle noch einmal die Frage: Wer verweigert hier was?
Ich mache Sie auf ein kommendes Problem aufmerksam. Die erste Generation der Migranten und Migrantinnen kommt in das Renten- und Pflegealter. Sie sollten sich jetzt schon darauf einstellen, dass sie eine kultursensible Pflege werden vorhalten müssen. Werben Sie für die Ausbildung Migrantinnen an. Verschlafen Sie nicht wieder die Zukunft. Bitte handeln Sie jetzt.
Frau Ministerin, Sie brüsten sich mit den Worten "Einbürgerung steht für eine gelungene Integration". Aber die Einbürgerungszahlen Bayerns liegen unter dem Bundesdurchschnitt. Nur 1,5 % der einbürgerungsberechtigten Personen werden nach einem enormen bürokratischen Aufwand eingebürgert. Da werden Dokumente gefordert, die schwer oder gar nicht beizubringen sind, zum Beispiel Geburtsurkunden von Uiguren. Ich frage Sie: Wer verweigert hier was?
Die Migranten wollen Teilhabe auf allen Ebenen. Allein in München haben sich 517 Menschen aus allen Nationen für den Ausländerbeirat beworben, weil das ihre einzige Chance ist, politisch mitzubestimmen. Warum führen Sie nicht das kommunale Wahlrecht für alle Menschen ein, die bei uns leben, für alle, die hier ihre neue Heimat gefunden haben?
Es gibt islamische Verbände, die sehr integrationswillig sind, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, die integrativ tätig sind. Ich nenne hier nur das Stichwort "Penzberg". Sie wollen Lotsen für die Integ
ration ausbilden, sie bekommen keine Zuschüsse dafür, im Gegenteil: Der Imam Idriz wird vom Verfassungsschutz beobachtet und diffamiert. Diese Lotsen könnten Kreise erreichen, die Deutsche nicht erreichen können. Sie könnten diese Kreise an unsere Gesellschaft heranführen. Das ist offensichtlich nicht gewollt. Wir könnten mit diesen Glaubensgemeinschaften, mit diesen aufgeschlossenen Muslimen zusammenarbeiten. Wir könnten Familienmütter installieren, die in die Familien gehen, dort auf die Frauen einwirken und mit den Müttern arbeiten könnten. Das ist offensichtlich nicht gewollt. Einerseits wird Integration gefordert, andererseits wird sie behindert. Sie spielen hier ein doppeltes Spiel.
Sie brüsten sich damit, die Zwangsehe unter Strafe gestellt zu haben. Glauben Sie denn nicht, dass es auch notwendig wäre, für Frauen, die von Zwangsehe bedroht sind, präventive Maßnahmen wie Beratung, Auffangmöglichkeiten und Begleitung bereitzustellen? Zu all dem haben wir, die GRÜNEN, im Landtag Anträge gestellt, die von der Fraktion der CSU allesamt abgelehnt wurden.
Wer verweigert hier was? - Viele Flüchtlinge bleiben zum großen Teil für immer in unserem Land. Sie werden über Jahre in die Isolation der Gemeinschaftsunterkünfte geschickt. Sie werden physisch und psychisch krank gemacht, und irgendwann finden sie keinen Anschluss mehr an die Gesellschaft.
An dieser Stelle möchte ich all den Ehrenamtlichen ein ganz, ganz dickes Lob aussprechen, den Wohlfahrtsverbänden, die sich seit Jahren in den Gemeinschaftsunterkünften engagieren und die Menschen dort begleiten und ihnen helfen. Ohne dieses Engagement wären die Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften, die ohnehin katastrophal sind, unerträglich.