An dieser Stelle möchte ich all den Ehrenamtlichen ein ganz, ganz dickes Lob aussprechen, den Wohlfahrtsverbänden, die sich seit Jahren in den Gemeinschaftsunterkünften engagieren und die Menschen dort begleiten und ihnen helfen. Ohne dieses Engagement wären die Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften, die ohnehin katastrophal sind, unerträglich.
(Beifall bei den GRÜNEN, Abgeordneten der SPD und der Freien Wähler und der Abgeordne- ten Brigitte Meyer (FDP))
Aber Sie reden von einer Überschwemmung mit Ausländern. Ich halte das für absolute Panikmache. Wir brauchen in diesem Land stattdessen eine Willkommenskultur, eine Kultur, die den Menschen aus anderen Ländern signalisiert: Ihr dürft hier ankommen; wir brauchen euch und wir freuen uns auch, dass ihr Deutschland als eure zukünftige Heimat ausgewählt habt.
Albert Schmid, der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, sagt dazu: Bei einigen Zehntau
senden gibt es überhaupt keinen Grund, vor irgendeiner Zuwanderungswelle Angst zu haben. Die von Herrn Seehofer angestoßene Kulturkreisdebatte ist weder fachlich begründet noch macht sie in unserer globalisierten Welt Sinn.
Der Wirtschaftsforscher Thomas Straubhaar sagt: Die Debatte hat Deutschland in der Wahrnehmung von außen um zwanzig Jahre zurückgeworfen. - Herr Ministerpräsident, ich werde nicht noch einmal sagen, dass Sie der Integration einen Bärendienst geleistet haben. Ich sage Ihnen: Sie haben ein faules Ei gelegt.
Wir haben einen Bericht über Wege zur Integration, den Frau Haderthauer in Auftrag gegeben hat. Papier ist natürlich geduldig; der Bericht wartet darauf, umgesetzt zu werden. Frau Haderthauer, Sie sagen, Bayern sei kein Einwanderungsland, sondern ein Integrationsland. Ich sage Ihnen: Bayern ist kein Integrationsland, jedenfalls bis jetzt noch nicht, aber es ist ein Einwanderungsland, und zwar schon seit vielen Jahren. Sie haben es nur noch nicht bemerkt.
Die Integrationsprojekte in Bayern funktionieren hervorragend mithilfe der Kommunen, des Bundes und Europa. Aber sie funktionieren ohne Beteiligung des Freistaates Bayern. Eine bayernweite Ausdehnung dieser funktionierenden Integrationsprojekte wäre längst überfällig.
Um Integration gelingen zu lassen, müssen wir vorhandene Potenziale nutzen und eine rückwärts gewandte Politik und ein Zündeln am rechten Rand aufgeben. Dann kann sich der Wunsch erfüllen, den der Bürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, mir mit einem Gruß, vielleicht einem Geburtstagsgruß an Sie, Frau Ministerin, mitgegeben hat: Frau Ministerin, auch Sie werden noch den Weg ins Licht finden.
Danke, Frau Kollegin Ackermann. Als Nächste hat sich Frau Meyer für die FDP zu Wort gemeldet. Bitte.
Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol
legen! Integration leben - mit diesen beiden Worten aus der Regierungserklärung wird für mich auf den Punkt gebracht, worum es bei der Diskussion um das Thema Integration eigentlich geht, nämlich darum, das Miteinander von Menschen unterschiedlichster Herkunft im Alltag mit Leben zu erfüllen. Menschen unterschiedlicher Herkunft sind längst fester Bestandteil unserer Bürgergesellschaft. Die FDP sieht Deutschland deshalb als Einwanderungsland.
Integration leben - in diesen Worten sehen wir Liberale den Auftrag, ein gesellschaftliches Wir-Gefühl zu schaffen, fest verbunden mit der Vermittlung unserer gemeinsamen Werte, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das nicht ausgrenzt, sondern in das sich alle Menschen unserer Gesellschaft mit all ihren unterschiedlichen Hintergründen im Rahmen unserer gemeinsamen Werte einbringen und in dem sie sich artikulieren können.
Menschen unterschiedlicher Herkunft sind eine Bereicherung für unsere Bürgergesellschaft. Natürlich birgt das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft auch Probleme, und das muss man deutlich ansprechen. Natürlich gibt es vielfach Ängste vor dem Unbekannten, dem Anderssein. Diese Ängste bestehen auf beiden Seiten, bei den Menschen mit und bei den Menschen ohne Migrationshintergrund. Diese Ängste gilt es, unbedingt ernst zu nehmen. Dabei bedarf es einer verantwortungsvollen, rationalen Politik. Denn bewusst vereinfachende, populistische Debatten helfen in der Sache überhaupt nicht weiter.
Ziel liberaler Politik ist es, dass alle hier lebenden Menschen möglichst gute Bildungs-, Berufs- und Lebenschancen erhalten.
Integration bedeutet für uns ausdrücklich nicht Assimilierung. Sie bedeutet ausdrücklich nicht, dass die Menschen, die zu uns kommen und bei uns leben wollen, ihre Kultur, ihre Bräuche und ihre Religion aufgeben müssen. Sie müssen aber bereit sein, sich den Herausforderungen der Integration zu stellen und diese auch aktiv unterstützen.
Die Politik ihrerseits muss Integration - das wurde heute schon mehrfach gesagt - nicht nur fördern, sie muss sie auch einfordern. Integration kann nur dann
gelingen, wenn auf beiden Seiten, sowohl aufseiten derjenigen, die hierherkommen oder hierhergekommen sind, als auch aufseiten derjenigen, die hier leben, der sogenannten Aufnahmegesellschaft, der Wunsch und die Bereitschaft zur Integration bestehen. Damit die gesellschaftliche Vielfalt auch als Bereicherung erfahren werden kann, müssen fundamentale Gemeinsamkeiten unstrittig sein. Dazu gehören das Beherrschen der deutschen Sprache und die vorbehaltlose Akzeptanz der freiheitlichen Grundordnung und unserer Grundwerte.
Entscheidend ist für uns die Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Das gilt für Menschen, die zu uns kommen, die in zweiter oder dritter Generation bei uns leben, und es gilt ebenso - das betone ich hier ausdrücklich - für die Menschen, die zu uns als Asylsuchende ins Land gekommen sind,
und teilweise über viele Jahre bei uns leben, auch wenn sie keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben.
Die FDP vertritt die Grundeinstellung, dass Flüchtlinge einen uneingeschränkten Anspruch auf Lebensumstände haben, die ihrer Menschenwürde entsprechen. Deshalb haben wir uns massiv für die von der Koalition zwischenzeitlich gemeinsam beschlossenen Änderungen in der bayerischen Asylpolitik eingesetzt. Aus unserer Sicht sind das ganz wichtige Schritte auf dem Weg zur Integration.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist für uns die Tatsache, dass die Staatsregierung auf Betreiben der FDP 2008 das Amt des Integrationsbeauftragten geschaffen hat. Damit wurde ein klares Zeichen für den Stellenwert gesetzt, den die Integrationspolitik in dieser Koalition haben soll.
Dass heute im Bayerischen Landtag die erste Regierungserklärung zur Integrationspolitik gegeben wird, seit die neue Koalition in Amt und Würden ist, unterstreicht dies. In Bayern ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund weit vorangeschritten, auch wenn Sie dies nicht so ganz anerkennen wollen. Mit vielen integrationspolitischen Maßnahmen von staatlicher Seite, aber auch mit viel freiwilligem und ehrenamtlichem Engagement der Bürgerschaft
wurden erfolgreiche Wege zur Integration geschaffen. Die effektivste Integrationsmaßnahme beginnt bei der frühkindlichen Bildung. Die kürzlich vorgestellte neue Studie des Europäischen Forums für Migrationsstudien der Universität Bamberg belegt eindrucksvoll, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Bayern überdurchschnittlich von unserem frühkindlichen Bildungssystem profitieren. Deshalb ist es vor allen Dingen wichtig, dass wir die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund erreichen. Ich gebe Ihnen recht, das ist eine Herausforderung und eine große Aufgabe, der wir uns stellen und die wir annehmen müssen. Eine Kindergartenpflicht für Kinder vom ersten Lebensjahr an ist für mich keine Diskussionsbasis.
Um sie umfassend informieren zu können, müssen wir die Eltern erreichen und ihnen zeigen, welche Bedeutung ein möglichst früher Kindergartenbesuch für die Entwicklung der deutschen Sprachkompetenz und für die Entwicklung der Schulfähigkeit hat. Mit dem höheren Gewichtungsfaktor für Kinder mit Migrationshintergrund im BayKiBiG, mit der frühkindlichen Sprachförderung, wie sie im Bayerischen Bildungsund Erziehungsplan verankert ist, und mit dem Sprachberaterprogramm in den bayerischen Kindertageseinrichtungen sind wir in Bayern auf einem qualitativ anspruchsvollen und erfolgreichen Weg. Sprachstandsfeststellungen anhand von Beobachtungsbögen und intensive Förderung im Rahmen der Vorkurse in Deutsch sind wichtige Instrumente einer allgemeinen sprachlichen Förderung insgesamt sowie einer speziellen Förderung von Kindern unmittelbar vor der Einschulung.
In diesen Tagen startet das Bundesprogramm "Offensive Frühe Chancen". Mit 400 Millionen Euro sollen damit bis zu 4.000 Kindertageseinrichtungen zu "Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" ausgebaut werden. Der Ansatz konzentriert sich dabei auf Kinder unter drei Jahren. Fachlich wie integrationspolitisch ist das Programm sehr vielversprechend, da die Effekte der Sprachförderung in diesem Alter besonders hoch sind und die Förderung in die sensible Entwicklungszeit des Spracherwerbs der Kinder fällt. In diesem Alter sind die Kinder in ihrer Sprachentwicklung noch nicht abgehängt. So wird ihnen auch nicht das Gefühl vermittelt, Defizite aufholen zu müssen. Wer sieht, wie sich Kinder entwickeln und wie wichtig es ist, ihnen die Sprache zu vermitteln und sie in der Betreuung in den Kindergärten lebendig werden zu lassen, der weiß, dass wir auf dem richtigen Weg sind, den wir erfolgreich weitergehen müssen.
Sprachentwicklung ist ein bedeutsamer Aspekt für die Entwicklung kleiner, starker, selbstbewusster Persönlichkeiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt auf dem Integrationsweg ist die Unterstützung der elterlichen Erziehungskompetenz. Auch hier ist in Bayern schon lange auf dem Weg. Es gibt eine Vielzahl und eine breite Vielfalt an Angeboten. Vieles, was vor Ort in den Kommunen passiert, ist aus den Initiativen der Kommunen heraus entstanden. Bei Besuchen in den Kommunen überrascht mich immer wieder, was in Sachen Integration vor Ort tatsächlich geleistet wird.
Als Beispiel nenne ich die Stadt Augsburg mit dem wohl höchsten Migrationsanteil und dem erfolgreichen Projekt "Herzlich Willkommen Augsburger Kinder" oder den "Stadtteilmüttern". Daran beteiligt sich der Freistaat sehr wohl.
Leider wird übrigens immer noch viel zu häufig über das gesprochen, was nicht so gut funktioniert. Das, was funktioniert, sollte man auch ab und zu einmal in den Fokus rücken.
Es gibt ein breites Spektrum niederschwelliger familienzentrierter Projekte. Auch das ist gut und wichtig. Auch auf diese Weise lassen sich neue Ansätze zur Förderung des Bildungserfolgs von Kindern erschließen und Wege für die Teilhabe bei den Eltern ebnen. Es ist aber nicht damit getan, viele Projekte anzukurbeln und sie dann schön nebeneinander laufen zu lassen, ohne genau darauf zu achten, ob und wie effektiv sie tatsächlich sind. Um hier zielgerichtet arbeiten zu können, hat der Bayerische Landtag die Erstellung eines modularen Gesamtkonzepts für die Eltern- und Familienbildung in Bayern beschlossen. Dieses Konzept wurde erarbeitet und bei der Fachtagung Elternund Familienbildung vorgestellt. Das Ergebnis zeigt bedeutsame Defizite auf. Um die Effektivität der bestehenden Projekte zu gewährleisten, muss es von uns aus meiner Sicht als gewichtiger Handlungsleitfaden genutzt werden.
So bedeutsam die frühkindliche Bildung für das Gelingen von Integration ist, so wichtig sind die Angebote auf dem weiteren Lebensweg, beim Übergang zur Schule, bei den Möglichkeiten in der Schule und anschließend bei den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Auch in der Schule hat diese Koalition wichtige integrationsrelevante Weichen gestellt. Sie reichen aber zugegebenermaßen noch nicht aus. Noch immer besuchen zu wenige ausländische Schülerinnen und
Schüler eine Realschule oder ein Gymnasium. Laut dem "Münchner Bildungsbericht" verlassen 15,2 % der ausländischen Schüler die Schule ohne Abschluss. Bei den Deutschen sind es dagegen 5,4 %. Auch die Wiederholerquote unterscheidet sich signifikant. Sie ist bei ausländischen Schülern doppelt so hoch wie bei Schülern ohne Migrationshintergrund. Hier besteht Handlungsbedarf. Hier sehen wir noch Bedarf an Chancengerechtigkeit. Wir brauchen alle jungen Menschen, die hier sind.