Protokoll der Sitzung vom 23.11.2010

Insofern sehe ich eine breite Mehrheit, die genau das will: Längere Verjährungsfristen für die betroffenen Organe im Interesse einer längeren Zugriffsmöglichkeit, ganz egal in welchem Bereich. Dafür wird sich die FDP-Fraktion einsetzen. Wir werden abwarten, welche Entscheidung der Bundesrat treffen wird. Wenn der Bundesrat entscheidet, dass die Einführung einer längeren Verjährungsfrist dem Landesrecht obliegt, müssen wir hier im Land sehr schnell handeln. Ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall sein wird. In diesem Fall erübrigt sich das Thema, weil diese Frage im Bundesrecht geregelt ist. Die FDP-Fraktion steht in beiden Bereichen ohne jede Einschränkung zu einer Verlängerung der Verjährungsfristen.

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Redner ist Kollege Graf von und zu Lerchenfeld. Bitte schön.

Herr Präsident, Hohes Haus! Die SPD beglückt uns heute mit einem Thema zur Aktuellen Stunde, das vor allem dazu dient, viel Staub aufzuwirbeln und heiße Luft zu produzieren.

(Beifall bei der CSU)

Worum geht es? Die Mitglieder des Finanz- und Wirtschaftsausschusses haben im Plenum des Bundesrates empfohlen, das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinsti

tute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung - kurz: das Restrukturierungsgesetz - dem Vermittlungsausschuss zuzuleiten. Auf die Äußerungen von Herrn Pohl möchte ich überhaupt nicht eingehen. Er hat durch seine sprachlichen Entgleisungen für mich jeden Anspruch verwirkt, sich in dieser Sache überhaupt zu äußern.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Welchen Grund hatte die Anrufung des Vermittlungsausschusses? Durch den in das Kreditwesengesetz neu eingefügten § 52 a sollen die Verjährungsfristen einheitlich für alle Ansprüche gegen Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht auf zehn Jahre verlängert werden. In den beiden Ausschüssen wird jedoch die Meinung vertreten, dass das Organverhältnis und die sich hieraus ergebenden Sorgfaltspflichten ein Teil des Organisationsrechtes seien, die bei öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken eindeutig in die Zuständigkeit der Landesgesetzgeber fallen.

Der Bundestag hat in seinen Beratungen zum Gesetz eine Neuregelung geändert, die ursprünglich für das Aktiengesetz vorgesehen war, und diese Regelung in das Kreditwesengesetz aufgenommen. Diese Änderung wirkt sich unmittelbar auf die Regelungskompetenz der Länder aus. Damit greift der Bundestag letztlich in die Gesetzgebungshoheit der Länder ein. Das ist verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Deshalb wurde im Rahmen der Ausschüsse des Bundesrates eine Ergänzung vorgeschlagen, die eine Verlängerung der Verjährungsfristen für die Organe der Sparkassen und Landesbanken durch entsprechende landesrechtliche Regelungen herbeiführen soll. Bayern ist immer der Auffassung gewesen, dass die Länder als Gesetzgeber eigene Regelungen erlassen sollten, wenn diese in die Verantwortung der Länder fallen.

Die gesetzgeberische Initiative sollte der Bund den Ländern nicht entziehen. Die uns zustehende Gesetzeshoheit sollte genutzt werden. Dieser Vorschlag geht auf eine Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zurück, das bekanntlich von Ihren Genossen regiert wird, Herr Güller. Die Überweisung an den Vermittlungsausschuss ist nicht auf Initiative Bayerns geschehen, sondern auf Vorschlag Ihrer Kollegen aus Rheinland-Pfalz. Bayern wird am Freitag entscheiden, ob es die Gesetzgebung des Bundes akzeptieren wird.

Im Übrigen hat mein Kollege Alexander König bereits ausführlich dargestellt, dass es an Ihnen gelegen

wäre, einen entsprechenden Gesetzentwurf für die Änderung des Landesbank- und Sparkassengesetzes in diesem Hohen Hause vorzulegen. Herr Güller, Sie haben in der Presse und in dieser Sitzung eine Änderung dieser Gesetze gefordert, um die Verjährungsfristen zu verlängern. Jedoch beantragen Sie eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema und zeigen damit ganz deutlich, dass es Ihnen nicht um die Sache geht. Sie wollen die Sache nur hochspielen und skandalisieren. Das hat überhaupt nichts mit dem Thema zu tun.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist ein Skandal!)

Warum machen Sie Ihre Hausaufgaben als Opposition nicht? Warum machen Sie das Landesgesetz als Entwurf nicht selber? Warum überlassen Sie jede geistvolle Arbeit der Staatsregierung und den Regierungsfraktionen?

(Lachen bei der SPD - Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist selbst unter Ihrem Niveau!)

Sie hätten noch nicht einmal sehr viel Geist aufbringen müssen. Sie hätten das Bundesgesetz abschreiben und uns vorlegen können. Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um die Aufwirbelung von Staub und das Herausblasen heißer Luft.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege von und zu Lerchenfeld, wenn die SPD-Fraktion heute einen Gesetzentwurf mit entsprechendem Inhalt eingereicht hätte, wette ich mit Ihnen, dass Sie genauso argumentiert hätten.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Kollege König, Sie philosophieren über die Frage, ob es überhaupt einen Schaden durch den Kauf der HGAA und der ABS-Papiere gegeben habe.

(Alexander König (CSU): Nicht der HGAA!)

Darf ich Sie einmal daran erinnern, welche Nöte diese Staatsregierung und Ihr früherer Parteivorsitzender und Finanzminister und welche Nöte dieses Haus hatten, 10 Milliarden Euro bereitzustellen, um zu verhindern, dass die Bayerische Landesbank den Bach runtergeht?

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Das sollten Sie wirklich besser wissen! Das ist schwach!)

Herr Kollege König, wir können schon darüber philosophieren, ob es überhaupt einen Schaden gibt. Aber darauf kommt es nicht an. Sie sind doch ein kluger Kollege.

(Georg Schmid (CSU): Wo er recht hat, hat er recht!)

Sie wissen, dass es darauf überhaupt nicht ankommt, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens. Ich habe noch gelernt - Herr Kollege König, Sie wahrscheinlich auch -, dass sich ein ordentlicher Kaufmann überhaupt nicht auf die Verjährung beruft. So etwas tut man nicht. Das gehört sich nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man etwas falsch gemacht hat, dann steht man auch dazu. Für einen ordentlichen Kaufmann ist es unehrenhaft, sich auf Verjährung zu berufen.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Zweitens. Meine Damen und Herren, es geht um die Unterbrechung oder den Verzicht auf die Einrede der Verjährung oder um die Verlängerung von Verjährungsfristen. Alle drei Möglichkeiten bedeuten nicht, dass damit ein Unwert-Urteil gefällt oder eine Vorverurteilung vorgenommen würde. Diese Möglichkeiten dienen ausschließlich der Sicherung möglicher Ansprüche, falls auf die Einrede der Verjährung nicht freiwillig verzichtet wird. Herr Kollege König, Sie haben erklärt, dass mit der Verlängerung von Verjährungsfristen allenfalls ein Restrisiko ausgeschaltet werden könnte. Genau darum geht es doch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wissen heute nicht, ob Ansprüche realisiert werden können. Wir wollen uns aber die Option für den Fall offenhalten, dass Vorstände und Verwaltungsräte entweder für ihr Tun oder ihr Unterlassen haften.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie wollen das offensichtlich nicht. Man muss den Eindruck gewinnen, dass es Ihnen darum geht, möglichen Schaden von den Verwaltungsräten abzuwenden. Darum geht es Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Uns geht es darum, möglichen Schaden vom Freistaat abzuwenden. Das ist der Unterschied zu Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen Verwaltungsräte schonen, so gut es geht. Dafür habe ich Sympathie und Verständnis. Das ist aber nicht die Aufgabe dieses Landtags. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn sich der Bundestag für die Zurückweisung des Einspruchs des Vermittlungsausschusses entscheidet - das ist möglich -, und die Verlängerung der Verjährungsfristen nicht eintritt, kündige ich an, dass wir einen eigenen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen werden. Wir freuen uns darüber, dass die FDP signalisiert hat, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, um ein Restrisiko auszuschalten.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Radwan. Ihm wird Frau Kollegin Dodell folgen.

(Vom Redner nicht autori- siert) Meine Damen und Herren! Wir haben heute angeblich eine Aktuelle Stunde. Würden wir uns mit den aktuellen Themen dieses Tages auseinandersetzen, würden wir relativ schnell und ohne große Aufgeregtheit zu einem entsprechenden Ergebnis kommen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Uhr tickt bis zum 31.12.!)

- Hören Sie mir doch bitte zu.

Heute wurde ein großes Szenario zum Thema "Verjährung" aufgebaut. Ich vertraue voll und ganz dem bayerischen Finanzminister und der Staatsregierung, dass sie ihre Zusage halten, die Interessen des Freistaats Bayern zu wahren. Heute ist der Einspruch zu einem Gesetz auf Bundesebene das Thema. Dazu wurde bereits gesagt, dass das Land Rheinland-Pfalz dieses Gesetz aus Kompetenzgründen, nicht einmal aus inhaltlichen Gründen, angegriffen hat. Sicherlich gibt es in diesem Gesetz einige Punkte, die auch vom Freistaat Bayern zu kritisieren sind, zum Beispiel die Mittelstandskomponente und die Frage, wie das mit der Bankenabgabe funktionieren soll. Zu diesen inhaltlichen Themen hat der Freistaat Bayern für den Mittelstand zu Recht Einspruch erhoben.

Ich habe mich gerade beim bayerischen Finanzminister erkundigt, und er hat mir bestätigt: Wenn dieses Thema heute im Kabinett diskutiert würde, würde sich der Freistaat Bayern nicht gegen eine Verlängerung der Verjährungsfrist wenden, sondern diese Verlänge

rung im Bundesrat unterstützen. Ich kann nur sagen: Die Interessen und die Rechte des Freistaats Bayern werden durch die Bayerische Staatsregierung, durch den Finanzminister und durch den Ministerpräsidenten bestens vertreten. Hätten Sie sich über das aktuelle Thema und das mögliche Ergebnis einer Beratung in der Staatskanzlei informiert, hätten Sie diesen Popanz heute nicht aufbauen müssen.

(Beifall bei der CSU - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Wir werden doch wohl noch fragen dürfen!)