Protokoll der Sitzung vom 23.11.2010

(Beifall bei der SPD)

Das Schönste am Gesetzentwurf der Freien Wähler ist aber die Regelung, mit der sie es den Kommunen überlassen wollen, ob im Verwaltungsrat ihrer jeweiligen Sparkasse die Beschäftigten mitreden dürfen oder nicht. Mit Verlaub, für mich stellt sich die Frage, welchen Sinn eine solche Regelung machen soll. Theoretisch könnte dadurch ein Flickenteppich über ganz Bayern entstehen. Bei der einen Sparkasse gibt es die Mitbestimmung in Form der Mitsprache eines oder von zwei Beschäftigten, in der anderen gibt es keine Mitbestimmung. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf auch nicht als erstem Schritt zustimmen, weil er viel zu wenig enthält gegenüber dem, was wir wollen.

Auch in diesem Zusammenhang muss ich wieder den verstorbenen Bürgermeister von Ismaning zitieren, der einmal zu einem ähnlichen Ansinnen gesagt hat: "Dös is was, is aber a wieder nix, und es is a bisserl mehr nix wia was." Das ist das Wesen des Gesetzentwurfs der Freien Wähler. Deswegen können wir ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Hallitzky das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von der SPD und von den Freien Wählern haben recht: Es ist in der Tat ein ziemlich beschämendes Zeugnis, wenn wir uns jetzt zum x-ten Mal mit diesem Thema befassen müssen. Wir haben dazu Anträge und im Zusammenhang mit dem Landesbankgesetz auch eine Gesetzesinitiative eingebracht. Die SPD, die natürlich auch etwas älter ist, hat das schon vorher getan. Die Freien Wähler haben heute einen Entwurf eingebracht. Wir sollten den Artikel 175 der Bayerischen Verfassung ernst nehmen. Die Bayerische Verfassung verhindert nicht, sondern bejaht ausdrücklich eine umfassende Mitbestimmung und Mitwirkung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in öffentlichrechtlichen Unternehmen. Es gibt ein Recht, das in

der Verfassung verankert ist. Die Mitbestimmung ist damit in Bayern verfassungsrechtlich besser verankert als in anderen Ländern. Gegen diesen Verfassungssatz stemmen sich CSU und FDP seit ewig und drei Tagen.

Selbst ohne verfassungsrechtliche Verankerung wäre dieser Zustand undemokratisch, der in 15 von 16 Ländern schon längst überwunden ist. Nur in Bayern hält die Staatsregierung immer noch an einer Regelung fest, die bekanntlich aus dem Jahr 1933 stammt. Damals ging es um die Durchsetzung des Führerprinzips bei den Sparkassen. In 15 von 16 Ländern ist das längst Geschichte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht die 15 von 16 Bundesländern, die die demokratischen Regeln zur Unternehmensmitbestimmung bei den Sparkassen längst eingeführt haben, sind die politisch-juristischen "Geisterfahrer", sondern es ist die Bayerische Staatsregierung, die mit immer neuen juristisch spitzfindigen Winkelzügen zu erreichen versucht, in der zentralen Frage des Mitbestimmungsrechts nicht handeln zu müssen. Sie hatten immer wieder die Chance. SPD, GRÜNE und heute die Freien Wähler geben Ihnen die Chance, die fehlende Mitbestimmung endlich zu verankern. Sie haben sich immer wieder gegen die Beschäftigten in den Sparkassen entschieden. Das ist politisch ignorant und verfassungsjuristisch problematisch.

Ich bin froh, dass die Freien Wähler heute einen neuen Anlauf machen - steter Tropfen höhlt den Stein -, um die Regierungsfraktion aus diesem vordemokratischen Dornröschenschlaf zu erwecken, denn das Thema muss irgendwann vom Tisch. Sollte es mit diesem Gesetzentwurf gelingen, dass Sie überhaupt wach werden, haben wir die Chance, die inhaltlich strittigen Punkte konstruktiv in den Ausschüssen zu debattieren. Kollege Schindler hat auf einige Punkte hingewiesen, etwa auf die Frage, ob die Drittelparität gewährleistet sein sollte, oder insbesondere auf die Frage, inwieweit die Kommune bei der Ausgestaltung vor Ort einen eigenen Handlungsspielraum bekommen soll. Mich macht die Vorstellung relativ unglücklich, dass in jeder Sparkasse die Situation anders ist.

Die Ausschussberatungen werden zeigen, ob Sie bei Ihrer Totalverweigerung bleiben oder endlich bereit sind, den für eine moderne Verantwortungsgesellschaft unerträglichen Zustand der fehlenden Unternehmensmitbestimmung bei den bayerischen Sparkassen endlich zu beenden. Ich sehe den Antrag der Freien Wähler inhaltlich nicht ganz so skeptisch wie Sie, Herr Schindler, weil er eine erste Stufe bietet, auf der die Mehrheitsfraktion in die Debatte eintreten kann. Ich muss allerdings sagen, dass ich aus Erfah

rung etwas skeptisch bin, ob CSU und FDP mitmachen. Sie haben aber die Chancen, und ich fordere Sie auf, diese zu nutzen und mich einmal positiv zu überraschen. Ich danke Ihnen und freue mich auf die Ausschussberatungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Kollege Rohde das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Déjà-vu-Erlebnis. Wir hatten diese Debatte vor Kurzem anlässlich der Verfassungsstreitigkeit. Deswegen ist das Thema gut bekannt. Diesmal liegt der Debatte ein Gesetzentwurf der Freien Wähler zugrunde, der die Verantwortung über die Mitbestimmung in den Verwaltungsräten der Träger der Sparkassen den Kommunen überlassen möchte. Kommunale Selbstverwaltung? - Ja, wo sie hingehört. In diesem Fall hätten wir einen Flickenteppich nach dem Motto: Einmal geht es, einmal geht es nicht. Es läuft darauf hinaus, dass das davon abhängt, wer die Kommunalwahl gerade gewonnen hat, um die Beschlüsse auf Stadtebene durchzusetzen. Das würde zu nichts führen. Der Bayerische Landtag ist dazu da, die Rahmenbedingungen festzulegen. Wir müssen an dieser Stelle die Argumente austauschen, ob das sinnvoll ist. Ich denke, wir werden dem Gesetzentwurf der Freien Wähler sehr, sehr skeptisch gegenüberstehen. Das Timing ist ungeschickt, weil die Popularklage anhängig ist. Wir wissen noch nicht, was dabei herauskommt. Möglicherweise steht im Urteil ein Hinweis, wie sich der Gesetzgeber verhalten sollte.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Deshalb bitte ich, vor dem Urteil darauf zu verzichten, eine Zweite Lesung zu beantragen. Wenn sie vorher beantragt würde, würde ich davon ausgehen, dass unsere Fraktion den Gesetzentwurf ablehnt. Ich will nicht vorgreifen.

(Lachen bei der SPD - Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Was ist nachher?)

Wir hatten die Argumente in der Debatte schon ausgetauscht. Der Arbeitnehmervertreter, der in den Verwaltungsrat kommen würde, hätte mit darüber zu entscheiden, wer der Vorstandschef wird. Er hätte mit darüber zu entscheiden, wie die unternehmerische Ausrichtung, eventuell die Risikobereitschaft der Sparkasse wäre. Dann müsste er entscheiden, ob er heute ein bisschen mehr auf der Arbeitgeberseite oder mehr auf der Arbeitnehmerseite steht. Das ist ein Gewissenskonflikt. Hinzu kommt, dass durch die Fi

nanzkrise die Anforderungen an die Menschen in den Verwaltungsräten erhöht worden sind. Ich bitte die Staatsregierung, dazu Untersuchungen anzustellen. Es muss also gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmervertreter das überhaupt leisten kann. Es muss gefragt werden, was es für ihn bedeutet; denn der Bankensektor ist sehr sensibel. Deshalb müssen wir aufpassen. Da die Anforderungen an die Menschen in den Verwaltungsräten hochgeschraubt wurden, gilt das auch für die Arbeitnehmervertreter. Das ist eine überdenkenswerte Sache. Dazu sollte eine Untersuchung abgewartet werden.

Ich schlage ein gemächliches Tempo vor. Ob man etwas ändert, werden wir diskutieren und die Argumente vorbringen, die wir schon einmal ausgetauscht haben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Was ist das Problem?)

Ein Nein kann ich zur Abwälzung auf die kommunale Ebene ankündigen. Wir werden uns nicht raushalten und eine eigene Antwort geben. Ich würde mir eine eigene Antwort wünschen. Wir werden die Debatte sicherlich fortsetzen. Das haben wir angekündigt. Sie werden das bestimmt verfolgen, das ist überhaupt keine Frage. Ich bin gespannt auf die Beratungen im Ausschuss und die Informationen, die wir im Laufe der Beratung weiter zum Thema sammeln können. Dabei will ich es für heute in der Ersten Lesung bewenden lassen.

(Beifall bei der FDP)

Als letzter Redner hat nun Herr Staatssekretär Gerhard Eck das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will die Debatte nicht in die Länge ziehen, aber die Argumente ein Stück weit geraderücken. Herr Kollege Schindler, Sie haben in Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht, dass dieses Thema in der Vergangenheit schon oft diskutiert worden sei. Das akzeptiere ich so. Sie haben aber weiterhin ausgeführt, dass alles, was in diesem Zusammenhang vom Innenministerium angesprochen worden ist, falsch gewesen sei. Ich möchte diesen pauschalen Vorwurf zurückweisen. Ich will nicht ins Detail gehen. Aber so, glaube ich, können wir, lieber Herr Schindler, nicht miteinander umgehen. Punkt!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich räume sehr wohl ein, dass es zu dieser Thematik ein Für und Wider gibt. Alle Redner, die hier gespro

chen haben, haben Ansätze vorgetragen, die verfolgenswert und auch unterstützenswert sind. Wir sind aber heute an einem Punkt angelangt, bei dem wir mitten im Nebel stehen und darin herumstochern. Wir sollten zunächst das Gerichtsverfahren abwarten, die Erkenntnisse und das Urteil des Gerichtsverfahrens zur Kenntnis nehmen und ein vernünftiges Fundament bauen. Daraufhin sollten wir über die Zukunft diskutieren. Deshalb bitte ich, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Das war der erste Punkt.

(Christa Naaß (SPD): Er muss doch erst beraten werden!)

Der zweite Punkt ist, dass mit dem Änderungsentwurf inhaltliche Details angesprochen werden - darin pflichte ich Herrn Schindler und Herrn Rohde bei -, die faktisch falsch sind. Das ist der zweite Punkt, weshalb ich an dieser Stelle ganz herzlich bitte, diesen Entwurf abzulehnen. Ich sage noch einmal zum Abschluss: Wir sollten auf einem vernünftigen Fundament und mit den Ergebnissen der Gerichtsentscheidung diese Diskussion neu aufbauen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als dem federführenden Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? Ich bitte um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.

Bevor ich zum nächsten Tagesordnungspunkt 4 komme, kündige ich an, dass zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7, den beiden letzten der heutigen Tagesordnung, namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Ich bitte das bei der eigenen Terminplanung entsprechend zu berücksichtigen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Überprüfung der Gültigkeit des Volksentscheids vom 4. Juli 2010 nach Art. 80 Landeswahlgesetz

Hierzu findet keine Aussprache statt. Wir kommen daher sofort zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf der berichtigten Drucksache 16/6198 folgende Beschlussfassung: "Die Gültigkeit des Volksentscheids vom 4. Juli 2010 wird festgestellt."

Wer mit diesem Vorschlag einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen

der CSU, der SPD, der Freien Wähler, der GRÜNEN, der FDP und die Abgeordnete Dr. Gabriele Pauli, fraktionslos. Gibt es Gegenstimmen? - Ich sehe keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 1)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen.

(Renate Dodell (CSU): 17, 18 wie im Wirtschaftsausschuss, oder?)

Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der Freien Wähler, der SPD, der GRÜNEN und die Abgeordnete Frau Dr. Pauli. Gegenstimmen? - Ich sehe keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Wir kommen nun zur gemeinsamen Behandlung der Tagesordnungspunkte 6 und 7:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Klare Absage an eine Realisierung des AutobahnSüdrings A 99 (Drs. 16/5217)

Antrag der Abgeordneten Dr. Otmar Bernhard, Erwin Huber, Eberhard Rotter u. a. (CSU), Thomas Hacker, Tobias Thalhammer, Dr. Franz Xaver Kirschner u. a. (FDP) Autobahn-Südring A 99 (Drs. 16/5379)

Ich habe darauf hingewiesen, dass dazu namentliche Abstimmung beantragt ist.