Protokoll der Sitzung vom 14.12.2010

Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Wir werden das Ergebnis außerhalb des Raumes ermitteln und Ihnen sobald wie möglich bekannt geben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FW) zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Erwachsenenbildung (Drs. 16/5130) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich füge hinzu: Wir müssen sie nicht ganz ausschöpfen, denn dann können wir die Abstimmung noch durchführen. Zur Einbringung bitte ich Herrn Dr. Fahn für die Freien Wähler zum Mikrofon. Bitte schön.

(Unruhe)

Ich habe jetzt einen relativ schlechten Part: Alle wollen zur Weihnachtsfeier, und da kommt noch dieser Gesetzentwurf.

(Zuruf von der SPD: Namentliche Abstimmung!)

- Nein, keine namentliche Abstimmung. Eigentlich waren 15 Minuten vorgesehen; wir sind dann auf fünf Minuten heruntergegangen. Das bitte ich auch zu beachten.

(Hans Joachim Werner (SPD): Die sind gleich um! - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

- Genau.

Das geltende Gesetz zur Erwachsenenbildung stammt aus dem Jahr 1974. Es hat sich grundsätzlich bewährt. Aber wenn ein Gesetz 36 Jahre alt ist, muss es aktualisiert werden. Warum ist es erfolgreich? - Es erreicht jedes Jahr sechs Millionen Menschen in Bayern. Die Volkshochschulen sind der zweitgrößte Hauptschulanbieter; in Bayern sind sie 217mal vertreten. Wir begrüßen auch ausdrücklich die Unabhängigkeit und Staatsferne.

Trotzdem besteht ein Handlungsbedarf. Die Aufgaben weiten sich ständig aus - das wird uns immer wieder gesagt. Die Mittel sind aber zu knapp bemessen. Bisher beläuft sich der Anteil nur auf 2 ‰ des Gesamthaushalts des Kultusministeriums. Die Arbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung hat immer wieder betont, dass ihr Finanzierungsbedarf eigentlich 25 Millionen Euro beträgt, im Moment stehen ihr aber nur 19 Millionen Euro zur Verfügung. Das entspricht lediglich der Inflationsrate seit dem Jahr 1990. Der Freistaat trägt nur 5 % zu dieser Finanzierung bei, die Kommunen dagegen 20 %. Beim Landeszuschuss pro Einwohner liegt Bayern nur an fünfzehnter und damit vorletzter Stelle. Deshalb sollte der Etat zumindest auf 20 Millionen Euro aufgestockt werden.

In einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Oktober 2010 liegt Deutschland beim Index Lebenslanges Lernen nur an zehnter Stelle in Europa, knapp vor Slowenien und Spanien. An der Spitze liegen Dänemark, Schweden und die Niederlande. Deswegen meinen wir, dass ein Steigerungsbedarf gegeben ist.

In der Bildungspolitik gibt es neue Herausforderungen im Sinne eines lebenslangen Lernens. Ich spreche von der Gesundheits- und der Umweltbildung, von der stärkeren Betonung der Integration durch Alphabetisierungskurse sowie von generationsübergreifendem Lernen vom Kindergarten bis zu den Senioren. 20 % unserer Schulabgänger können allenfalls auf Grundschulniveau lesen und rechnen. Bei den Deutsch-Kursen für Ausländer gibt es lange Wartezeiten; in der Regel betragen sie neun Monate.

Enttäuscht hat uns, dass die Vertreterin der FDP in der letzten Woche im Hochschulausschuss gesagt hat, dass das Thema Erwachsenenbildung bei der FDP eine untergeordnete oder keine Rolle spiele. Ich denke, hier spielt Unwissenheit eine Rolle.

Wir brauchen Weiterbildungsmaßnahmen. Diese gibt es aber nicht zum Nulltarif. Deshalb ist das Grundkon

zept unseres Gesetzentwurfs ein Grundbildungsangebot, das natürlich finanziert werden muss. Wir haben den Bildungsbeirat aufgenommen, der von der Staatsregierung, die hoffentlich heute eine Antwort geben wird, als "Bürokratiemonster" verspottet worden ist. Unsere Idee ist es, dass sich gesellschaftliche Gruppen verstärkt über den Bildungsbeirat in die Planungen einbringen könnten. Warum haben Sie davor Angst? Der Landtag wird doch ohnehin eigenständig entscheiden.

SPD und GRÜNE sollten bitte Verständnis dafür haben, dass wir das Thema Bildungsfreistellung nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen haben. Das ist natürlich ein wichtiges Thema. Wir meinen aber, dass die Bildungsfreistellung in einem eigenen Gesetz, nicht in diesem Gesetz verankert werden sollte.

Zum politischen Sachstand in Bayern: Der Landtag hat bereits auf Antrag der CSU am 14. Februar 2008 beschlossen, das Gesetz den aktuellen Anforderungen anzupassen. Seitdem haben sich alle Oppositionsgruppierungen bemüht und Anträge sowie Gesetzentwürfe eingebracht. Die CSU hat aber nichts getan. Der Landtag hat zum Beispiel damals eine Qualitätssicherung und eine Qualitätssteigerung beschlossen. In Artikel 20 a des Gesetzentwurfs der Freien Wähler ist genau das vorgesehen. Dann hat jedoch der Vertreter der CSU, der wahrscheinlich gleich reden wird, in der letzten Sitzung gesagt, er lehne den Gesetzentwurf der Freien Wähler ab, weil diese Evaluation überflüssig sei und die Qualitätssicherung bereits erfolge. Verkehrte Welt. Das ist genau das, was der Landtag im Jahr 2008 beschlossen hat.

Staatssekretär Dr. Marcel Huber, der heute nicht da ist, sagte am 1. Dezember 2009, das Gesetz werde zeitnah aktualisiert. Meine Damen und Herren, inzwischen ist ein Jahr vergangen. Die Staatsregierung ist langsamer als eine Schnecke. Deswegen hoffe ich, dass jetzt etwas passieren wird. Ich bin sehr gespannt darauf, was die Staatsregierung sagen wird. Herr Staatsminister, Bildungspolitik wird heute zu stark als Schulpolitik angesehen. Bildungspolitik ist heute mehr: Sie reicht vom Kindergarten über die Schulen und Hochschulen bis zu den Senioren in allen gesellschaftlichen Gruppen. Deswegen ist es wichtig, dass das lebenslange Lernen eine stärkere Bedeutung bekommt.

Herr Kultusminister, ich bin sehr gespannt auf das, was Sie heute sagen werden und inwieweit dieser Beschluss aus dem Jahr 2008 umgesetzt wird. Ich bin auch gespannt darauf, ob Sie bereit sind, inhaltlich etwas zur Weiterentwicklung eines guten Gesetzes beizutragen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bevor wir mit der Debatte fortfahren, gebe ich Ihnen das Endergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf der Drucksache 16/5873 - das ist der Tagesordnungspunkt 7 bekannt. Mit Ja haben 148 Abgeordnete, mit Nein 18 Abgeordnete gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltung.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel "Gesetz über Gewährleistungen im Zusammenhang mit der Bewerbung und der Austragung der XXIII. Olympischen und der XII. Paralympischen Winterspiele 2018 (Olympiagesetz)".

Wir fahren in der Debatte fort. Für die CSU-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Berthold Rüth ans Mikrofon bitten. Ich erinnere daran, dass freiwillige Kürzungen der eigenen Redezeit sehr willkommen sind.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland liefert sich alljährlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit China um den Titel des Exportweltmeisters. Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, von denen 40 Millionen erwerbstätig sind. China ist ein Milliardenvolk. Deutschland hat keine Rohstoffe außer dem Rohstoff Geist. China hat viele wichtige Rohstoffe. Das können wir täglich in den Zeitungen lesen.

Wenn man bedenkt, dass gerade der Süden Deutschlands - Bayern, Baden-Württemberg und Hessen einen großen Anteil zu diesem Export leistet, muss man darüber nachdenken, warum der Süden und die Menschen dort so stark sind. Eine Antwort auf diese Frage lautet, dass die Menschen dort bereit sind, sich den globalen Herausforderungen zu stellen und lebenslang zu lernen. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir in Bayern ein hervorragendes System der Erwachsenenbildung haben. Dafür möchte ich erneut ausdrücklich den sieben Trägern der Erwachsenenbildung danken. Ich führe Sie aus Zeitgründen nicht einzeln auf.

Meine Damen und Herren, wir haben im Jahre 1974 ein flexibles System geschaffen. Dieses System ist ein, wenn Sie so wollen, lernendes System und den Erfordernissen angepasst. Dieses System wird von den Trägern bestens betreut. Sie haben das Kunststück fertiggebracht, sich sehr stark an den aktuellen Bedürfnissen ihrer "Kunden" - ich sage das in Anführungszeichen - auszurichten. Deshalb haben sie so gute Teilnehmerzahlen. Herr Kollege Fahn hat bereits

erwähnt, dass jedes Jahr fast sechs Millionen Menschen diese Kurse besuchen.

Die Erwachsenenbildung zeichnet sich durch Freiheitlichkeit aus. Das bedeutet, der Staat beschränkt sich auf das Setzen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und auf finanzielle Leistungen. Die Träger haben das Recht auf selbstständige Lehrplangestaltung, auf die Freiheit der Lehre und können den Leiter und die Mitarbeiter ihrer Einrichtungen selbst bestimmen. Sie haben also ein Selbstverwaltungsrecht.

Konkret zum Gesetzentwurf der Freien Wähler: Die Freien Wähler wollen erreichen, dass der Landtag die Höhe der finanziellen Mittel auf Vorschlag des Landesbeirats für die Erwachsenenbildung festlegt. Dieser Landesbeirat setzt sich aus den Trägern der Erwachsenenbildung zusammen. Das bedeutet, zu der bereits erwähnten Freiheitlichkeit würde quasi noch die Möglichkeit kommen, über das eigene Budget zu entscheiden. Eine solche Regelung würde nicht einer ordentlichen Haushaltspolitik und auch nicht den Regeln eines guten Parlamentarismus entsprechen. Deshalb und weil in den beratenden Ausschüssen außer dem Antragsteller selbst niemand diesem Gesetzentwurf zugestimmt hat, plädiert die CSU-Fraktion für die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der CSU)

Für die SPDFraktion darf ich Frau Karin Pranghofer ans Mikrofon bitten.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich will es kurz machen; denn die Debatte über die einzelnen Teile dieses Gesetzentwurfs haben wir ausführlich im Ausschuss geführt.

Ich möchte Folgendes deutlich machen: Wenn wir von Weiterbildung und Erwachsenenbildung sprechen, sollten wir klar definieren, was wir damit meinen und was wir davon halten. Weiterbildung oder Erwachsenenbildung ist die Fortsetzung des Lernens auf der Grundlage einer Erstausbildung an den Schulen, aus dem Beruf oder aus dem Studium heraus. Diese Bildung braucht dringend ein integriertes System. Wir brauchen ein integriertes Bildungsmodell, das für Erwachsenenbildung und Weiterbildung steht.

Insofern finde ich es gut und richtig, dass die GRÜNEN mit einem Gesetzentwurf, die Freien Wähler heute mit einem Gesetzentwurf und wir von der SPD mit einem Antrag versucht haben, dieses Thema voranzubringen und eine Weiterentwicklung zu erreichen.

Herr Rüth, warum haben Sie 2008 einen Antrag auf Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung gestellt, wenn Sie sagen: Alles ist schön und gut? Bis heute haben wir kein Ergebnis, da das Problem immer wieder hinausgeschoben und auf Eis gelegt worden ist. Insofern glaube ich, dass es im Rahmen des Gesetzentwurfs gut ist, dieses Thema erneut aufzugreifen. Ich hoffe sehr, dass die CSU und die FDP diesen Gesetzentwurf unterstützen. Ich appelliere vor dem Hintergrund der kommenden Haushaltsdebatte an Sie, die Organisation der Phase des Lernens nach der Schule weiterzuentwickeln und mit Mitteln auszustatten. Bitte nehmen Sie den Spickzettel, den ihnen Frau Landtagspräsidentin Stamm in die Postfächer gelegt hat, zur Hand und statten Sie die Erwachsenenbildung im Rahmen der Haushaltsverhandlungen mit ordentlichen Fördermitteln aus. Damit haben wir schon den ersten Schritt getan.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin darf ich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Simone Tolle an das Mikrofon bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte alle Oppositionsfraktionen loben, weil sie sich seit dem vergangenen Jahr mit dem Thema Erwachsenenbildung beschäftigt haben. Das kann ich abkürzen. Ich wollte mich bei den Freien Wählern dafür bedanken, dass sie das Thema am Laufen gehalten haben. Die inhaltliche Kritik wurde im Ausschuss bereits geäußert. Deshalb will ich aus Zeitgründen darauf verzichten. Wir erkennen ihre Mühen an. Deshalb enthalten wir uns.

Dennoch möchte ich etwas zum Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung sagen. Das Gesetz ist 36 Jahre alt. Das Gesetz ist so alt, dass darin immer noch DM-Beträge stehen. Die Welt hat sich jedoch in diesen 36 Jahren geändert. Die Bedeutung des lebenslangen Lernens hat sich auch geändert. In der Europäischen Union gibt es inzwischen eine "Lifelong Learning Strategy". Alle wissen, Bildung ist nicht nur Schule, sondern muss weitergedacht werden. Für den Zeitraum vor der Schule ist schon viel getan worden. Für die Zeit nach der Schule sollte ebenfalls viel getan werden. Ich frage mich: Was passiert auf der Grundlage dieser Erkenntnis in der CSU? - Gar nichts. Was passiert in der FDP? - Überhaupt nichts. Erwachsenenbildung bei Schwarz-Gelb beschränkt sich auf das Abwiegeln berechtigter finanzieller Interessen. Diese berechtigten finanziellen Interessen sind nicht vermessen. Die Träger der Arbeitsgemeinschaft verlangen nichts weiter als einen Inflationsausgleich. Selbst

dieser wird ihnen im Moment verwehrt. Verehrte Damen und Herren, das halte ich für einen Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich wünsche mir, dass die CSU zumindest quantitativ auf die Höhe der Zeit kommt. Die Forderung, zusätzlich eine Million Euro für die Erwachsenenbildung einzusetzen, kann nicht so einfach vom Tisch gewischt werden. Herr Kollege Rüth, alles, was Sie tun, ist die verbale Hervorhebung der Erwachsenenbildung. Das haben Sie heute wieder getan. Schwarz-Gelb hat sich um die Erwachsenenbildung überhaupt nicht verdient gemacht. Was Sie den Trägern der Erwachsenenbildung an quantitativer Unterstützung verwehren, müssen diese ausgleichen. Das geht die nächsten Jahre aber nicht mehr so weiter.

Der Landessozialbericht hat in Bezug auf die Erwachsenenbildung eine soziale Selektion festgestellt. Noch nicht einmal dieses Thema gehen Sie an. Das finde ich beschämend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen gibt es für die Änderung des Gesetzes zur Förderung der Erwachsenenbildung einen Beschluss, der fast drei Jahre alt ist und immer noch nicht umgesetzt worden ist, weil finanzielle Forderungen ignoriert werden. Das lässt für den kommenden Doppelhaushalt auf nichts Gutes hoffen. Ich will nicht, dass sich die Debatten zur Erwachsenenbildung nur um das Geld drehen. Geld brauchen wir jedoch auch. Frau Will, Sie brauchen gar nicht zu nicken. Das schwarze Loch in der Qualität der Erwachsenenbildung ist durch Gelb auch nicht besser geworden.

Ich möchte eine inhaltliche Debatte, in der die Frage nach der Finanzierung am Ende geklärt wird. Für den zusätzlichen Drive in der inhaltlichen Debatte haben zumindest die Oppositionsparteien gesorgt. SchwarzGelb wäre nun an der Reihe, drei Hausaufgaben vorzulegen: die Gewährung des Inflationsausgleichs im Rahmen des Doppelhaushaltes, die Ausführung des Landtagsauftrags nach drei Jahren und das Führen einer ehrlichen Debatte, die verbalen Bekundungen Taten folgen lässt. Das neue Jahr gibt uns etwas Hoffnung. Ich freue mich auf Ihre Vorschläge im neuen Jahr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als möglicherweise letzte Rednerin der Debatte darf ich Frau Kollegin Will an das Mikrofon bitten. Mit etwas Kürze können wir vielleicht noch vor 18 Uhr abstimmen. Das wird schwierig. Sie haben es in der Hand.