Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

endlich der Wähler entscheiden soll. Wir werden dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Tausendfreund das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich dem Aufruf des Abgeordneten Professor Dr. Peter Paul Gantzer an, die Abstimmung für die Abgeordneten "60 plus" freizugeben. Gestern Abend wurde uns vom Sprecher der Musiker attestiert, dass er gerne in diesem "Altershaus" spielt. Ich glaube, er hat eher das Gebäude und nicht die Abgeordneten gemeint. Das war ein Versprecher.

Ich meine, auch die jüngeren Abgeordneten im Hohen Hause können diesem Gesetzentwurf guten Gewissens zustimmen, weil es keine nachvollziehbare Begründung für die Altersgrenze für Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, Landräte und Landrätinnen gibt. Sie sind zwar alle kommunale Wahlbeamte, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf "Wahl" und nicht auf "Beamte". Schließlich kann jeder ohne Qualifizierungsvoraussetzungen, ohne Ausbildungsvoraussetzungen für diese Ämter kandidieren. Es kommt lediglich darauf an, die Wählerinnen und Wähler von der eigenen Person zu überzeugen. Dann kann man dieses Amt ausüben.

Die Argumentation, die Leitung einer Behörde müsse an eine Altersgrenze gekoppelt sein, greift nicht. Ob der Bürgermeister oder Landrat eine Behörde leiten kann, hängt nicht vom Alter ab oder ob er geeignet ist, sondern ob die Wählerinnen und Wähler ihm dies zutrauen. Sollte es nicht klappen, wird er das nächste Mal abgewählt. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen einem gewählten Mandatsträger und einem Beamten. Die Beamten werden eingesetzt, und die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger werden gewählt oder auch abgewählt. Die Vergleichbarkeit besteht eher mit Abgeordneten und Ministerinnen und Ministern als mit Beamten. Die Bürgermeister und Landräte sind politische Mandatsträger, die das Vertrauen der Bevölkerung haben.

Auch die Ungleichbehandlung mit den ehrenamtlichen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen ist sachlich nicht zu begründen und führt auch häufig zu Tricksereien, um unliebsame Kandidaten von dem Amt fernzuhalten bzw. Kandidaten ins Amt zu hieven. Im Ausschuss haben wir schon etliche Beispiele dafür genannt. Es war sehr durchsichtig, warum bei den Koalitionsparteien Änderungsbereitschaft erst für die Wahlen im Jahr 2020 besteht. Es ist eindeutig, dass

verhindert werden soll, dass einzelne Personen - Ude und Co. - noch einmal antreten.

Aber dies ist die Entscheidung des Souveräns. Die Wählerinnen und Wähler brauchen unsere Bevormundung nicht. Geben Sie also die Altersgrenze frei.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den Frei- en Wählern)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die FDP-Fraktion darf ich dem Herrn Kollegen Rohde das Wort erteilen.

(Christa Naaß (SPD): Jetzt bin ich gespannt!)

- Sind Sie auch gespannt, Frau Kollegin?

Lieber Herr Kollege Gantzer, zunächst muss ich meiner Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass ich in Ihrer Aufzählung der Jungspunde nicht mehr vorgekommen bin. Das ist für mich persönlich natürlich hart.

Das kann noch kommen, Herr Kollege. Das kommt noch.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Schauen Sie einmal in den Spiegel! - Heiterkeit)

Vielen Dank. Ich muss mich dann einfach selbst als mittlerweile erfahrenen Politiker klassifizieren. Die freundlichen Zurufe nehme ich zur Kenntnis.

Aber die Kolleginnen und Kollegen aus der Union und aus der FDP, die Sie aufgezählt haben, haben natürlich keinerlei Disziplinarmaßnahmen zu befürchten. Sie haben alle gemerkt, auf welche Fährte Sie sie führen möchten. Ich darf daran erinnern: Im Verlauf der Debatte gab es bereits einmal ein einstimmiges Votum der CSU-Fraktion, in dieser Frage überhaupt nichts zu ändern, sodass ich Ihnen nur wenig Hoffnung machen kann, dass die genannten Personen Ihrem Gedanken in der nachfolgenden Abstimmung nähertreten werden.

Kollege Meißner hat die Argumente vorgebracht, warum es einen Unterschied macht, ob man ein Bürgermeister, ein Landrat oder ein Abgeordneter ist. Die Beibehaltung der Altersgrenze ist sinnvoll.

In Ihrer Begründung haben Sie auf das Beispiel Nordrhein-Westfalen verwiesen. Wenn ich mich nicht täusche - Sie dürfen mich gern korrigieren -, ist es dort getrennt. Dort gibt es den Oberbürgermeister und den Chef der Verwaltung. Bei uns fällt das zusammen, bei uns ist das eine Person.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Das war früher einmal!)

- Ist das schon wieder aufgehoben? Sie sehen jedenfalls, dass man insoweit differenzieren kann.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Du sollst einmal lesen! - Ernst Weidenbusch (CSU): Du sollst nicht lügen!)

- Entschuldigung, meine Herren. Ich glaube, ich habe die Redezeit gerade gebucht. - Weil wir die Debatte zu diesem Thema noch fortsetzen können und schon im Frühjahr, wenn wir das Gesetz dann ändern, fortsetzen werden, werden wir noch einmal recherchieren können, ob wir die Argumente richtig vorgebracht haben. Aber das ist eben der Punkt: Ein Abgeordneter hat im Normalfall - ich lasse einmal die Spezialfälle weg - einen Nachrücker. Herr Hanisch, ein Minister kann auch einfach abberufen werden, und am nächsten Tag nimmt dann jemand anderer seinen Platz ein. Das ist beim Oberbürgermeister und beim Landrat nicht der Fall. Deswegen gibt es bei uns viele Kolleginnen und Kollegen, die meinen, es sei durchaus schwierig, die Altersgrenze einfach freizugeben.

Dass wir Altersgrenzen überhaupt brauchen, ist sicherlich im politischen Geschäft unbestritten. Denn sonst könnte ein Vierzigjähriger schon in Rente gehen. Altersgrenzen müssen also in gewissen Systemen sein. Darüber, ob man sie beim Wahlsystem haben muss, kann man trefflich diskutieren. Sie wissen, dass es auch in meiner Fraktion einige Befürworter einer völligen Aufhebung gibt.

Wir haben uns in den Verhandlungen mit der Union darauf geeinigt, dass wir einen ersten Schritt in diese Richtung machen wollen. Der Gesetzentwurf wird von der Staatsregierung bereits vorbereitet, und er wird im Frühjahr eingebracht werden, um die Altersgrenze von 65 auf 67 Jahre anzuheben, was dann ab dem Jahr 2020 gilt. Frau Kollegin von den GRÜNEN, der Grund besteht nicht darin, dass wir irgendwelche einzelnen Kandidaten verhindern wollen.

(Franz Schindler (SPD): Ach nein!)

- Das ist nicht der Grund. Wir haben uns vielmehr von der berühmten Rentenformel leiten lassen, die in Berlin vereinbart wurde, sodass später einmal Kandidaten, die überlegen, ob sie mit 65 ½ Jahren noch einmal kandidieren dürfen oder ob sie dann ein Problem mit ihrer Rente bekommen, nicht in Bedrängnis kommen. Wenn das im Jahre 2020 mit unserem einfachen Gesetzesvorschlag der Fall ist, haben wir genau den Punkt erwischt, der Transparenz für die Öffentlichkeit, wie auch für die Kandidaten, die sich dann bei den zukünftigen Wahlen bewerben wollen, bietet. Wir haben

uns damit auf einen Vorschlag geeinigt, der sachgerecht ist und mit dem wir uns zumindest in die richtige Richtung bewegen.

Ich denke, wir werden die Debatte weiterverfolgen müssen. Deshalb bitte ich Sie, vielleicht eine Legislaturperiode zu überspringen und zunächst das Jahr 2020 abzuwarten. Dann könnten wir möglicherweise die Erfahrungen der anderen Bundesländer, die die Altersgrenzen gerade aufheben, mitnehmen. Ob es eine Gespensterdebatte darüber sein wird, ob Kandidaten in einem solchen Alter noch antreten werden oder nicht, ist eine andere Sache, denn wenn keiner mehr antritt, ist es egal, ob wir diese Grenze haben oder nicht.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Bei der heutigen Abstimmung wird sich vermutlich keine Mehrheit finden, jedenfalls werden nur sehr wenige Stimmen aus der FDP kommen, wenn überhaupt. Trotzdem werden wir die Debatte weiterführen. Ich freue mich, dass im kommenden Frühjahr die Argumente mit dem genauen Blick auf Nordrhein-Westfalen weitergeführt werden können.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/546 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 16/6676 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer demgegenüber dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktion der Freien Wähler, die SPD-Fraktion, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Frau Abgeordnete Dr. Pauli. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - CSU-Fraktion und FDP-Fraktion. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Auszählen!)

- Ich höre von meinen Schriftführerinnen nichts Gegenteiliges. Wir haben gezählt, Herr Kollege. Es war die knappe Mehrheit.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die

Tagesordnungspunkte 11 und 12 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Franz Maget, Helga Schmitt-Bussinger, Isabell Zacharias u. a. und Fraktion (SPD) zur Verbesserung der Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern

und der Mitwirkungsrechte von Jugendlichen in den Kommunen (Drs. 16/2307) - Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der Mitwirkungsrechte der Einwohnerinnen und Einwohner und der Demokratie in den Kommunen (Drs. 16/2621) - Zweite Lesung

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Zunächst erteile ich das Wort der Kollegin Schmitt-Bussinger für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesetzentwurf zur Verbesserung der Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und der Mitwirkungsrechte von Jugendlichen in den Kommunen, der heute zur Zweiten Lesung ansteht, soll die derzeit so intensive Debatte über die Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bereichern und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen und darüber hinaus die Mitwirkung von Jugendlichen in den Kommunen verbessern.

Wie ist die Situation derzeit? Erstens. Ausländerinnen und Ausländer, die nicht aus den EU-Mitgliedstaaten kommen, dürfen sich derzeit an der kommunalen Politik nicht in wirkungsvoller Weise beteiligen. Ihnen wird nur auf Beschluss der Bürgerversammlung ein Mitberatungsrecht eingeräumt.

Zweitens. Politisch interessierte und engagierte Jugendliche haben ebenfalls keine wirkungsvolle Möglichkeit, an politischen Entscheidungen auf kommunaler Ebene mitzuwirken, obwohl gerade jugendpsychologische Studien zeigen, dass viele junge Menschen bereits in deutlich jüngerem Alter als in den vergangenen Jahrzehnten politisches Wissen erworben haben und sich an der Entscheidungsfindung beteiligen wollen.

Ihr Mitberatungsrecht in der Bürgerversammlung beispielsweise beschließt ebenfalls die Bürgerversammlung, sodass sie von sich aus von einer Mitwirkung ausgeschlossen sind.

Drittens. Die Wählbarkeit zum ersten Bürgermeister oder zum Landrat ist auf Deutsche begrenzt. Damit haben EU-Ausländer, die in den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt worden sind, nicht die Möglichkeit, Bürgermeister, Landrat oder Stellvertreter zu

werden. Denn die Wählbarkeit in diese Ämter ist, wie gesagt, an das Kriterium, Deutscher zu sein, geknüpft.

Viertens. Wer Bürgermeister oder Landrat werden will, muss am Wahltag das 21. Lebensjahr vollendet haben. Wir wollen, dass das Wählbarkeitsalter, das passive Wahlrecht, dem aktiven Wahlrecht angepasst wird und entsprechend auf 18 Jahre abgesenkt wird.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in jeder Legislaturperiode gibt es vonseiten der SPD oder vonseiten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mindestens einen Gesetzentwurf, der eine dieser genannten Forderungen und darüber hinaus noch andere Petita auf mehr Demokratie und mehr Mitwirkung enthält.