Protokoll der Sitzung vom 25.01.2011

Auch Herr Dr. Wengert hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Ich will meine Ausführungen nicht ohne Not in die Länge ziehen. Aber ich muss mich schon wundern, dass es hier offensichtlich Allgemeingut ist, dass es einen Widerspruch zwischen Dienstleistungsrichtlinien- und Herkunftslandprinzip gibt und daraus Probleme entstehen. Dennoch wird schon jetzt von Teilen dieses Hohen Hauses signalisiert, dass man das Thema zwar konstruktiv behandeln werde, aber am Schluss würde man genügend Gründe finden, solche Gesetzentwürfe abzulehnen.

Ich darf Sie, Herr Kollege Huber, daran erinnern, dass wir vor 14 Monaten beieinander saßen. Ich habe bei

der damaligen Beratung der Änderung des Pressegesetzes und sonstiger Vorschriften versucht, Sie davon zu überzeugen, dass man den Artikel 6 des Änderungsgesetzes entfallen lassen sollte, um das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz am Leben zu erhalten. Sie haben die Hürde letztlich doch nicht übersprungen, aber damals gesagt - ich kann mich noch erinnern, dass der Blick klar in Richtung Staatsregierung ging und ein Nicken zu sehen war -: Wir werden schnellstmöglich die dadurch entstehende Lücke schließen.

Das Bauaufträge-Vergabegesetz hat sich bewährt. Ich kann das aufgrund kommunalpolitischer Erfahrung beurteilen. Auch in den letzten Jahren seiner Gültigkeit hat sich das Gesetz in den Kommunen bewährt. Das war sicherlich auch beim Freistaat Bayern so. Passiert ist aber leider nichts. Deswegen müssen wir jetzt handeln und entsprechende Vorschläge vortragen.

Herr Kollege Rohde, ich bin enttäuscht, dass Sie sehr oberflächlich über die beiden Gesetzentwürfe hinweggaloppiert sind und die Problemlage in der Tat völlig verkennen. Wir streben hier eine wirtschaftsfreundliche Regelung an, und zwar im Interesse unserer heimischen Industrie und unseres Handwerks, damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Wir tun das, weil wir es für einen essenziellen Bestandteil einer humanen Arbeitswelt halten, dass die Menschen zumindest so viel Geld verdienen, dass sie das Existenzminimum haben.

Deswegen ist der Mindestlohn von 8,50 Euro kein Scherz, sondern ein sehr ernstes Anliegen. Die Durchsetzung dieses Anliegens ist das eine, was wir mit dem Vergabegesetz erreichen wollen. Dafür werden wir kämpfen und entsprechend gut argumentieren. Es ist notwendig, auch diesen Teil des Marktes zukunftsfähig zu gestalten. Man darf die Gestaltung nicht, wie Sie es zu oft tun, den Marktkräften überlassen; denn dann setzt sich der stärkere Ellbogen durch. Das ist nicht immer die gesellschaftlich verträglichste Lösung und liegt nicht im Interesse unserer heimischen Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Rohde hat im Rahmen der zur Verfügung stehenden Redezeit noch einmal das Wort.

Herr Kollege Wengert, in der Stellvertreterdiskussion um den Mindestlohn haben wir die Argumente schon mehrfach ausgetauscht. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich ein bisschen galoppiert bin. Erstens ist es schon spät am Abend, und zweitens waren viele Argumente schon ausgetauscht.

Dann habe ich die Argumente nur angetippt. Wir werden sie aber sicherlich im Ausschuss vertieft behandeln. Ich bin sicher, dass Herr Kollege Kirschner in dem Ausschuss, dem wir die Entwürfe gleich überweisen werden, entsprechend argumentieren wird.

Wir haben wirklich den europäischen Rahmen zu beachten. Da liegt die Schwierigkeit.

Wir haben doch ein Vergaberecht. Eigentlich liegt das Problem nicht in der Frage: Soll derjenige den Auftrag bekommen, der das günstigste Angebot macht? Wenn wir mit Nachhaltigkeit vorgehen wollen, müssen wir uns überlegen: Wie können wir mit Kriterien argumentieren, aufgrund deren die lokale Wirtschaft bevorzugt wird und nicht ein Unternehmer, der weit entfernt ansässig ist? Wenn es um die Reparatur von Rissen im Gebäude, um Instandhaltungen und sonstige Reparaturen geht, möchte man natürlich einen Betrieb vor Ort bevorzugen. Hinzu kommt der Gesichtspunkt, dass die heimische Wirtschaft gestärkt werden muss.

Hier liegt eben ein Problem. Uns ist noch nicht der entscheidende Clou eingefallen. Aber wir beteiligen uns an der Debatte. Es ist schon den Schweiß der Edlen wert, uns in den Beratungen diesem Problem zu widmen. Bei einem Mindestlohn, der die Leute ausgrenzt, werden wir nicht mitmachen. Sie werden sicherlich verstehen, dass die bayerischen Liberalen Ihnen da widerstehen werden.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Vielen Dank, Herr Kollege Rohde. Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 d auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Meldegesetzes (Drs. 16/6701) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Damit ist gleichzeitig auch die Aussprache verbunden. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Immer

wieder erreichen die Datenschutzbeauftragten der Kommunen, aber auch den Landesdatenschutzbeauftragten Anfragen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, denen ihr Widerspruchsrecht zur Weitergabe der Daten in den Melderegistern nicht bekannt ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die derzeitige Praxis zeigt seit Langem, dass eine effektive Wahrnehmung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur bei einer wirklichen Einwilligungslösung möglich ist. Eine solche gibt es im Augenblick nicht. Momentan gibt es nur die Widerspruchslösung. Auf diesen Missstand haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits im Jahre 1988 bei ihrer 56. Konferenz in Wiesbaden und in der Folgezeit immer wieder hingewiesen.

Der Zustand ist aber leider nicht geändert worden. Jetzt könnte man natürlich sagen, wir warten darauf, dass der Bund handelt. Denn es wurde in der Föderalismusreform im Jahre 2006 festgelegt, dass das Melderecht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes übergehen solle.

Allerdings wurden auf Bundesebene bisher leider weder die unterschiedlichen Landesmeldegesetze zu einem einheitlichen Bundesmeldegesetz zusammengefasst - es gibt nur ein Melderechtsrahmengesetz noch wurde die Chance wahrgenommen, den Datenschutz wirklich in das Melderecht zu integrieren.

Das bayerische Meldegesetz gilt daher in der bisherigen Form weiter fort und auch das bayerische Innenministerium geht davon aus, dass dieser Zustand mindestens bis zum Jahre 2012 fortdauert.

Das heißt, es wird keine schnelle Lösung geben, weil der Bundesgesetzgeber hier ein Handlungsproblem hat und sich offenbar nicht einigen kann, sodass hier keine Lösungen vorangetrieben werden.

So lange allerdings können wir nicht warten. Wir wollen, dass das Melderecht möglichst schnell datenschutzgerecht gestaltet wird, und schlagen Ihnen deshalb vor, das bayerische Melderecht entsprechend zu ändern.

Im Moment können Meldepflichtige nur in sehr wenigen Fällen wirklich verhindern, dass ihre Grunddaten an jedermann herausgegeben werden. Dies entspricht bei Weitem nicht dem garantierten Schutz der Privatsphäre. Es existieren sogar Fälle, in denen beispielsweise mutmaßliche Gewalttäter oder auch Stalker die Adresse ihrer Opfer durch eine einfache Melderegisterauskunft bekommen haben. An mich hat

sich einmal eine junge Frau gewandt, die extra umgezogen ist, damit einer bestimmten Person ihre Adresse nicht mehr bekannt wird. Die Adresse wurde aber trotzdem an die nachfragende Person über das Melderegister weitergegeben.

Das ist das eine. Das andere ist die Gefahr des Missbrauchs der Meldedaten durch die Informationswirtschaft. Die Daten werden nur für Verwaltungszwecke erhoben, aber Dritten für eine Vielzahl von Zwecken zur Verfügung gestellt. Adresshändler und Adresshändlerinnen haben aus diesem Auskunftsverfahren der rund 5.600 Meldeämter hierzulande längst Geschäfte gemacht; sie rückkoppeln ihre irgendwie zustande gekommenen Adressdateien über die Meldeämter und überprüfen und verifizieren sie dadurch.

Wir wollen diesen Missstand unverzüglich dadurch beenden, dass das Melderecht entsprechend modifiziert und geändert wird. Die Weitergabe von Adressdaten soll nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung und Einwilligung der Betroffenen möglich sein. Wir fordern eine echte Zustimmungslösung, die im Gegensatz zu der derzeit vorhandenen Widerspruchslösung steht.

Wir schlagen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der den Datenschutzanforderungen Rechnung trägt. Wenn Sie diesen Entwurf annehmen, tragen Sie dazu bei, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf die Zustimmung zu verankern, ob private Dritte ihre Meldedaten erhalten können. Gleichzeitig gelingt es damit, den Opferschutz zu verbessern, den Handel mit Personendaten einzudämmen und ein besseres Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für den Datenschutz zu schaffen. Ich denke, es ist Zeit zu handeln, und bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kamm. Nächster Redner ist Kollege Dr. Herrmann für die CSU.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde liegt uns hier ein interessantes Thema vor, allerdings meine ich, dass die richtige Antwort, die in den Ausschussberatungen zu dem Gesetzentwurf gegeben werden muss, die gesetzgeberische Zurückhaltung ist. Meiner Ansicht nach ist der Gesetzesvorschlag der GRÜNEN sowohl überflüssig als auch im Kern falsch.

Ich will das begründen. Die Kollegin Kamm hat den Regelungsinhalt kurz dargestellt. Sie will im Grunde genommen den Ist-Zustand umkehren, nämlich vom derzeitigen Regel-Ausnahme-Verhältnis hin zum

genau umgekehrten Verfahren. Nach dem aktuellen Gesetzesstand ist es möglich, die einfache Melderegisterauskunft auf einfache Weise zu bekommen. Das heißt, jedermann kann eine einfache Auskunft auf eine Person bezogen bezüglich der einfachen Daten, nämlich Name, Doktorgrad und Adresse, erhalten. Der Gesetzentwurf der GRÜNEN aber sieht genau das Gegenteil vor, nämlich statt einer einfachen Auskunft ein kompliziertes Verfahren einzuführen, und zwar nur noch dann, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt.

Das hört sich theoretisch gut an, bedeutet aber in der Praxis einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Denn wo ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden muss, muss dieses berechtigte Interesse auch jemand prüfen. Das heißt, es muss in der Behörde jemand sein, der in jedem Einzelfall prüft, ob wirklich ein berechtigtes Interesse vorliegt.

Aus meiner Sicht ist es, wie gesagt, überflüssig, das geltende Gesetz zu ändern. Einfache Melderegisterauskünfte sollten auch in Zukunft einfach möglich bleiben, und zwar nicht zuletzt aus Gründen des Gläubigerschutzes. Ich weiß ja nicht, wer von Ihnen schon einmal versucht hat, einer Person habhaft zu werden, die etwas schuldet, seien es Mietzinsen oder andere Schulden. Nichts ist einfacher, als sich zu entziehen, wenn eine Auskunft über die Meldedaten nur noch erfolgen kann, wenn vorher die Einwilligung der jeweiligen Person notwendig ist.

Herr Kollege Dr. Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lieber am Ende!

Im Übrigen geht es um den Gläubigerschutz, aber auch darum, dass in unserer Gesellschaft niemand den Anspruch darauf hat, völlig ohne Kommunikation mit seiner Umwelt zu leben. Also muss auch in Zukunft die einfache Melderegisterauskunft möglich sein.

Die Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist übrigens auch ein Wertungswiderspruch zum Publizitätsgedanken, den wir in anderen Bereichen haben. Erst kürzlich wurde im GmbH-Recht verankert, dass der Sitz der Gesellschaft mit den Büroanschriften im Handelsregister vermerkt und sogar eine Zustellungsfiktion eingeführt wird. Das heißt, auch wenn die GmbH dort nicht mehr ihren Sitz hat, kann zugestellt werden. Das ist eine Erleichterung für den Rechtsverkehr und ein stärkerer Schutz der Gläubiger. Widersprüchlich und geradezu kontraproduktiv wäre es, im normalen Bereich, wo man es nicht mit Gesellschaften zu tun hat, anders tätig zu werden. Daher ist die bisherige Opt-Out-Lösung völlig ausreichend.

Falsch ist es aber auch - darauf ist die Kollegin Kamm nicht eingegangen -, wenn es um die Regelung in Artikel 32 des Meldegesetzes geht, die Auskunft in besonderen Fällen - das betrifft uns alle -, nämlich die Auskünfte über Jubiläen, Ehejubiläen, Geburtsdaten oder sonstige Auskünfte, die Parteien oder Mandatsträger erhalten können, um entsprechende Zielgruppenbriefe zu verfassen, um Bürger, Neubürger, Jugendliche anzusprechen. Ich halte es für einen falschen Ansatz, auch hier nur dann Auskünfte zu erteilen, wenn vorher eingewilligt wurde. Das wäre nämlich faktisch das Ende derartiger Schreiben, derartiger Möglichkeiten, mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten. Das halte ich für undemokratisch und auch für einen Verstoß gegen das Privileg der Parteien gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes.

Es ist deshalb auch ein Beispiel für die Widersprüchlichkeit grüner Politik: auf der einen Seite Ja für Kommunikation mit dem Bürger, Ja für den Dialog mit den Bürgern, Ja zu der Haltung, alles zu erläutern und alles auszudiskutieren; aber auf der anderen Seite wollen Sie die Zugangsmöglichkeiten erschweren und die Möglichkeiten, in Kontakt zu treten, nicht durchsetzen.

Aus meiner Sicht ist es immer noch die beste Methode, sich gegen unerwünschte Schreiben zu wehren, indem man sie einfach wegwirft. Ich kann Ihnen sagen: In den letzten beiden Jahren, in denen ich hier bin, habe ich sehr viele Briefe an Bürgerinnen und Bürger zu Jubiläen, zu Geburtstagen, zu ähnlichen Anlässen geschrieben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Mir bitte nicht!)

- Sie sind Gott sei Dank auch nicht in meinem Stimmkreis. Viele von Ihnen haben das wahrscheinlich auch gemacht. Das waren mit Sicherheit mehrere Tausend Briefe. Davon kamen genau zwei Beschwerden, die nachgefragt haben: Warum schreiben Sie mir? Unzählige haben sich darüber gefreut und haben gesagt: Das ist schön. Ich richte mich lieber nach denen, die sich freuen, als nach denen, die griesgrämig zu Hause sitzen und sich über Dinge aufregen, mit denen man den Leuten eine Freude machen will.

(Christa Naaß (SPD): Woher hatten Sie denn die Daten?)

In diesem Sinne sollten wir in die Debatte gehen und uns gesetzgeberisch zurückhalten. Vielen Dank.