Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben es bereits gesagt: Nach BSE-Krise und Gammelfleisch haben wir jetzt wieder einen DioxinSkandal. Die Lebensmittelskandale ereignen sich mittlerweile jährlich genauso sicher wie Weihnachten und Ostern. Wir sind alle voraussichtlich für ein paar Wochen wieder empört. Wieder wird uns erzählt: Ab jetzt wird alles anders. Ab jetzt gibt es ein 14-PunkteProgramm. Dort heißt es, dass die Futtermittelbetriebe endlich eine Zulassung benötigen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind entsetzt, weil es diese noch gar nicht gegeben hat.
Wir sind auch darüber entsetzt, dass die Produktionsströme zwischen Industrie- und Futterfetten jetzt endlich entflochten werden. Wir haben immer gedacht, dass dies schon längst geschieht.
Jetzt soll endlich eine Haftungsverpflichtung eingeführt werden. An dieser Stelle sind wir ebenfalls entsetzt. In anderen Betrieben gibt es schon längst Produkthaftung. Warum gibt es diese nicht bei den Futtermittelherstellern? Über so viel ungeahnte Lax
In dem 14-Punkte-Programm heißt es ebenfalls, dass die Zahl der Lebensmittelkontrollen erhöht werden soll. Das ist genau das, was wir immer wieder gefordert haben. Der Skandal zeigt, dass dies dringend nötig ist.
Das Gegenteil ist gerade der Fall. Aus meinem Landkreis, dem Landkreis Starnberg, habe ich gerade erfahren, dass die Zahl der Lebensmittelkontrolleure dort von vier auf drei reduziert wird. Herr Söder hat uns vor zwei Wochen erzählt, dass immer wieder Lebensmittelkontrolleure eingestellt worden seien. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ich komme zum Informationsfluss, den wir in den letzten Wochen erlebt haben. Der Informationsfluss kam hier in Bayern unverantwortlich langsam in Gang.
Herr Söder hat wochenlang geschwiegen. Von Herrn Brunner und Frau Merk war überhaupt nichts zu hören. Dem Münchner Kreisverwaltungsreferat wurde ein Maulkorb verpasst. Das Verbraucherschutzportal V.I.S., das immer so gelobt wird, hat erst am 10. Januar - 14 Tage nach Veröffentlichung der Dioxinbelastung - die Nummern der betroffenen Eier bekanntgegeben. Dies war in anderen Bundesländern schon längst geschehen. Dass Verbraucherschutz in Bayern keine hohe Priorität genießt, wird klar, wenn man die Verteilung der Zuständigkeit auf drei Ministerien betrachtet. Gesundheits-, Justiz- und Landwirtschaftsministerium schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Da fehlt einfach die Schlagkraft. Die Leidtragenden sind die Landwirte und die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Jetzt komme ich zu einem ganz wesentlichen Punkt, der über den jetzigen Aktionismus hinausgeht. Wir können nämlich vermuten, dass nach der großen Aufregung ebenfalls nicht viel passieren wird. Wir haben gehört, dass der Dioxin-Skandal einen Bio-Boom ausgelöst hat. Doch schon ohne diesen Boom übersteigt mittlerweile die Nachfrage das Angebot der in Deutschland hergestellten Bioprodukte bei Weitem. Eine neue Studie der Universität Bonn kommt zu dem Ergebnis, dass der Handelsumfang in den letzten zehn Jahren um 180 % zugenommen hat. Die Fläche
für den Ökolandbau ist jedoch nur um 75 % gestiegen. Die Ökobauern verlieren somit immer mehr Anteile am heimischen Markt, obwohl Deutschland der größte europäische Absatzmarkt für Bioprodukte ist. In der Studie wird diese Entwicklung mit der Absenkung der Förderung für den Ökolandbau begründet. Das erleben wir leider auch in Bayern. Damit wird die Umstellung auf Bio für die Bauern zu einem immer größeren finanziellen Risiko. Wir meinen, das muss sich ändern. Die Förderung für den Ökolandbau muss erhöht statt weiter abgeschmolzen werden.
Der Dioxin-Skandal hat gezeigt, dass wir ein anderes System für die Lebensmittelerzeugung benötigen. Wir müssen von der Hochleistungsagrarindustrie mit Tierfabriken, Gentechnik und Dumpingexporten wegkommen.
Wir müssen wegkommen von diesem System, das mit seinen komplizierten Stoffströmen geradezu zu kriminellen Machenschaften einlädt. Wir müssen von einem System wegkommen, das Tiere misshandelt, durch Agrochemie unsere Böden kaputt macht und unser Wasser gefährdet.
- Einen Satz noch. Wir brauchen eine ökologische Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel erzeugt - Lebensmittel, in die wir Vertrauen haben können. Das ist der einzige und längst überfällige Weg zu überschaubaren regionalen Kreisläufen für die Erzeugung von Lebensmitteln.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Wörner, Sie hätten mir keine bessere Steilvorlage geben können als die Geschichte des Verbraucherschutzes, die im Jahre 2006 beginnt. Haben Sie denn die Dioxin-Skandale vergessen, die im Jahre 1998 bekannt wurden? Damals wurde Dioxin in der Milch gefunden. Wer waren denn damals die verantwortlichen Minister? Ich lese hier Funke und Künast. Das sind doch keine Christsozialen oder Christdemokraten. Es waren die SPD und die GRÜ
NEN, die damals die Verantwortung hatten. Wer war 1999 für Dioxin in Lebensmitteln, im Schweinefleisch verantwortlich? Wer war 1999 die verantwortliche Ministerin?
(Ulrike Gote (GRÜNE): Wer hat zum ersten Mal aufgeklärt? Künast! Sie hat aufgeklärt! Sie war die Erste, die aufgeräumt hat!)
Damals waren die GRÜNEN schon im Doppelpack verantwortlich. Es ist doch Geschichtsklitterung, wenn Sie sagen, dass die Geschichte erst im Jahr 2006 anfängt.
Ich sage es ganz klipp und klar: Seit 1998 hatten grüne Minister die Chance, Regelungen zu treffen, mit denen so etwas verhindert werden konnte.
Der Dioxinskandal ist doch keine Eintagsfliege. Wenn die Rahmenbedingungen anders gewesen wären, hätte die Chance bestanden, ihn zu verhindern. Wir tragen nicht die Verantwortung. Es sind die GRÜNEN und die Roten. Auch der liebe Herr Gabriel war 1999 bis 2003 in Niedersachsen verantwortlich. Auch der hat die Rahmenbedingungen nicht so gestaltet, dass diese Skandale hätten verhindert werden können.
Der Hinweis auf kriminelle Energie ist richtig. Die GRÜNEN und die Roten haben es aber versäumt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Dioxinskandale nicht mehr auftreten.
Lassen Sie mich etwas sagen: In Bayern hat die Kontrolle funktioniert. Kein Verbraucher ist zu Schaden gekommen. Auch die Information hat funktioniert. So viel zu Bayern.
Darüber, wie es auf Bundesebene war, kann man diskutieren. Vielleicht hat Frau Aigner am Anfang nur mit angezogener Handbremse gehandelt. Später hat sie aber doch den vierten Gang eingelegt. Das muss man der Wahrheit halber sagen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine hundertprozentige Sicherheit im Verbraucherschutz. Das Sicherheitsnetz muss aber so eng geknüpft werden, dass allein die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, abschreckt. Das ist entscheidend. Wir müssen das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen. Es darf nicht heißen: "Made in Germania" oder "in Germany" wie der Niederbayer sagen würde, sondern es muss "made in Germany" heißen. In der Qualität der Produkte besteht der Unterschied. Erst dann können wir über Tierschutz, Landwirtschaft und Massentierhaltung sprechen. Hier sind wir den GRÜNEN schon etwas näher gekommen, denn die Massentierhaltung hinterfrage ich auch. Wir brauchen mehr Klasse und weniger Masse, weil uns die Sorge der Verbraucher und die Angst um die Existenz der Landwirte am Herzen liegen. Deshalb meine ich, dass die GRÜNEN die Verbraucher in Deutschland getäuscht haben. Die grüne Welt ist von Münchhausen und nicht von der politischen Wirklichkeit geprägt.