Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine hundertprozentige Sicherheit im Verbraucherschutz. Das Sicherheitsnetz muss aber so eng geknüpft werden, dass allein die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, abschreckt. Das ist entscheidend. Wir müssen das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen. Es darf nicht heißen: "Made in Germania" oder "in Germany" wie der Niederbayer sagen würde, sondern es muss "made in Germany" heißen. In der Qualität der Produkte besteht der Unterschied. Erst dann können wir über Tierschutz, Landwirtschaft und Massentierhaltung sprechen. Hier sind wir den GRÜNEN schon etwas näher gekommen, denn die Massentierhaltung hinterfrage ich auch. Wir brauchen mehr Klasse und weniger Masse, weil uns die Sorge der Verbraucher und die Angst um die Existenz der Landwirte am Herzen liegen. Deshalb meine ich, dass die GRÜNEN die Verbraucher in Deutschland getäuscht haben. Die grüne Welt ist von Münchhausen und nicht von der politischen Wirklichkeit geprägt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sei nichts geschehen, es sei zu langsam gehandelt worden, es sei das Falsche passiert oder was auch immer - Herr Wörner, durch viel Wiederholen wird es auch nicht richtiger.
Wie wir gerade gehört haben, hat die Kontrolle funktioniert. Maßnahmen sind ergriffen worden, auch wenn Sie es nicht so gerne hören. Wir sind der Überzeugung, dass der wirksamste Schutz letztendlich Transparenz ist. Wirksame Kontrollen und Sanktionen durch Transparenz werden in Zukunft noch stärker durch die Veröffentlichung von Lebensmittelwarnungen auf einem gemeinsamen Internetportal gewährleistet. Die Meldepflicht soll verschärft werden. Mit der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes
Die Abschreckung müssen wir, wie es Kollege Bertermann gesagt hat, nicht nur mit Transparenz, sondern auch mit strafrechtlichen Mitteln verstärken. Wir haben gerade gehört, es sei früher nichts passiert. Das stimmt auch nicht. Das Verbraucherrecht wurde bereits nach den vorangegangenen Lebensmittelskandalen durch vielfältige Änderungen des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches verschärft. Wer vorsätzlich schädliches Futter in Verkehr bringt, kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren belangt werden. Auch Fahrlässigkeit ist strafbar. Bei gewerbsmäßigem und planmäßigem Handeln droht sogar eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Diese Strafbestimmungen müssten auch konsequent abgewendet werden.
Nichtsdestoweniger müssen wir jetzt überprüfen, ob der Strafrahmen noch passt oder ob wir anders handeln müssen. Diese Überprüfung ist vor dem Hintergrund notwendig, dass die Wirtschaftsströme inzwischen sehr viel komplexer geworden sind. Die Vermischung, die Vermengung und die Verarbeitung sind komplexer geworden, und Abnehmer können plötzlich damit konfrontiert werden, dass sie selbst in hohem Umfange nicht rechtskonforme Produkte in Verkehr bringen, wenn sie nicht rechtskonform erzeugte Produkte verarbeiten. Damit können sie selber großen Schaden erleiden. Wir müssen deshalb überprüfen, ob die Strafbedingungen noch stimmen oder ob der Strafrahmen im einen oder anderen Fall angehoben werden muss.
Zweitens sind wir der Ansicht, dass die Effizienz bei der Ermittlung und Verfolgung von Straftaten gesteigert werden muss. Aber auch da sind wir nicht untätig geblieben. Auch hier ist auf Vorfälle in der Vergangenheit reagiert worden. Bereits heute gibt es bei den Staatsanwaltschaften besondere Ansprechpartner und Sonderdezernenten für Lebensmittelstraftaten.
Bereits heute gibt es regelmäßige Besprechungen dieser Ansprechpartner mit der Polizei und den Lebensmittelüberwachungsbehörden. Wir sind der Ansicht, dass man noch einen Schritt weitergehen und mit der Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften eine noch stärkere Abschreckung bewirken sollte. Dabei soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass für die Verfolgung solcher Straftaten sehr spezielle Kenntnisse erforderlich sind und dass man gerade in dem sehr komplexen Bereich der Le
bens- und Futtermittelindustrie bei der Strafverfolgung und den nachfolgenden Maßnahmen von sehr guten Branchenkenntnissen und Strukturkenntnissen in erheblichem Maße profitieren kann. Deshalb werden wir den Strafrahmen und damit den Abschreckungseffekt überprüfen.
Auf der anderen Seite werden wir schauen, wie wir die Strafverfolgung durch die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften noch effizienter voranbringen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dabei auf einem guten Weg sind. Natürlich können wir nie garantieren, dass irgendwelche kriminellen Kräfte am rechtswidrigen Handeln gehindert werden. Der jetzige Vorfall hat aber auch gezeigt, dass eine effiziente und schnelle Handhabung durch die Politik und durch die überprüfenden Behörden gewährleistet ist, wenn es zu solchen Verstößen kommt.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es gibt eine Romanserie "Die drei Fragezeichen" mit Alfred Hitchcock in einer Nebenrolle. Diese Serie war sehr beliebt, und die drei Fragezeichen sitzen bei uns im Landtag auf der Regierungsbank. Es sind nämlich die Minister, die zuständig sind - jeder irgendwie und doch wieder nicht. Wir haben für den Verbraucherschutz eine hochgeschätzte Kollegin. Der hochgeschätzte Landwirtschaftsminister weiß gar nicht, weshalb welcher Betrieb stillgelegt wird. Gesundheitsminister Dr. Söder hat diesbezüglich vor Weihnachten auf "Stillsein" gemacht.
Die drei Fragezeichen sind nicht nur ein persönliches, sondern sie sind ein politisches Problem. Wir haben von Anfang an angemahnt, den Verbraucherschutz dorthin zu geben, wo effiziente Ergebnisse erarbeitet werden können.
Frau Aigner hat am 19. Januar 2011 einen sogenannten Pisa-Test für die Lebensmittelkontrolle ausgerufen und dazu erklärt, um die besten Lebensmittelkontrollen solle ein Wettkampf der Länder eingeleitet werden. Erstens ist zu fragen, wer wen kontrolliert. Zweitens ist anzumerken: Wir haben derzeit 313 staatliche Kontrolleure. Bei dem Gesetz, das Frau Aigner vorsieht, reichen diese 313 staatlichen Kontrolleure allenfalls entweder für Nordbayern oder für Südbayern - je nachdem. Die Kontrolleure sind überfordert. Jeweils 60 bis 62 wären das für die kreisfreien Städte und darüber hinaus noch sechs Kontrolleure insgesamt. Würden Sie es mit der massiven und intensiven Kon
trolle ernst meinen, dürften Sie für die Lebensmittelkontrolleure keine Wiederbesetzungssperre von zwölf Monaten vorsehen.
Diese Maßnahme könnte der Freistaat Bayern umsetzen. Was machen Sie? - Zwölf Monate Wiederbesetzungssperre. Es kann sein, dass irgendwann ein Amt nicht mehr existiert, weil die Wiederbesetzungssperre die Stellenbesetzung behindert.
Ich komme zum Vorschlag, Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu bilden. Ja, das hätten wir machen können, wie wir das für Doping gemacht haben. Warum geschieht es nicht? Warum wird es von der CSU gefordert, obwohl die CSU die ganze Zeit über schon an der Regierung ist? - Ich verstehe das nicht. Herr Kollege Dr. Bertermann, ich glaube, Sie haben ein geschichtsklitterndes Bild. Als Freier Demokrat müssen Sie das in diesem Zusammenhang auch haben; denn es waren nicht die Bauern, die die Verseuchung verursacht haben, sondern das war die Wirtschaft.
Hierbei nur von grundsätzlichen, kriminellen Maßnahmen zu sprechen, ist ebenfalls eine Klitterung, weil es systemimmanent ist, Dioxin bis zu einem gewissen Grenzwert abzubauen, um damit Gewinn zu machen. Das System fördert momentan solches Handeln. Wir müssen die Gewinne ins Auge fassen. Insofern ist es wichtig, Hand anzulegen.
Der Meilenstein der Verbraucherpolitik, das Verbraucherinformationsgesetz, wurde schon angesprochen. Da heutzutage ein Abgeordneter nicht erfahren kann, welche Betriebe möglicherweise von Stilllegung betroffen sind, frage ich: Was nutzt das Gesetz dann den Verbrauchern? Wenn der Verbraucher bis zu 1000 Euro Gebühren zahlen muss, schreckt ihn das ab. Deshalb ist es nötig, dass der Verbraucherschutz betriebsübergreifend vom Bund geregelt wird. Das Verbraucherinformationsgesetz hat die Zugangsschranken Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. So mancher juristische Kollege wird ins Feld führen, dass es Betriebs- und Geschäftsgeheimnis sei, aus welchen Zutaten ein Futtermittel gemischt wird. Ich kann mir vorstellen, dass das Verbraucherinformationsgesetz deshalb nicht greifen wird.
Wir müssen offen und ernst miteinander reden. Folgendes dürfen wir nicht machen: Politik mit Angst und ängstliche Politik. Wir sollten aus dem Vorfall lernen. Wir sollten die Zuständigkeit klären, die Wiederbesetzungssperre abschaffen und offen und transparent informieren.
Herr Kollege Kreuzer hat auf seine Wortmeldung verzichtet, sodass Sie, wenn Sie heute Abend fünf Minuten eher zuhause sind, wissen, bei wem Sie sich bedanken können. Deswegen darf ich abschließend Frau Staatsministerin Dr. Merk das Wort erteilen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Arnold, der Witz mit den drei Fragezeichen mag recht lustig scheinen, ist für Sie aber nicht mehr lustig, wenn ich hinzufüge, dass am Ende die drei Fragezeichen jeden Fall lösen. Das machen auch wir.
- Wissen Sie, würden wir so arbeiten, wie Sie reden, hätten wir beim Verbraucherschutz ein echtes Problem; denn ohne Fakten kann man keinen Verbraucherschutz machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben deutlich gehört, dass immer wieder kritisiert worden ist, dass Informationen sehr spät kamen. Man muss die Informationen erst haben. Die Probleme sind nicht in unserem Land aufgetaucht; das wissen Sie inzwischen. Die Firma, die gemeint hat, aus Dreck Geld machen zu müssen, ist auch nicht in unserem Land. Ohne Informationen können auch wir nicht handeln. Die Informationen müssen erst ins Land kommen. Das war Punkt eins.
Zweitens. Zu Ihrer Behauptung, wir würden nichts tun, muss ich Ihnen schlichtweg sagen, dass Sie keine Ahnung haben, wovon Sie reden. Wir handeln längst. Wir sorgen zum Beispiel für eine weitreichende Verbraucherbildung. Sie schließt die Ernährungsbildung mit ein, für die sich Kollege Brunner intensiv einsetzt.
Wir haben auf seinen Vorschlag hin die Errichtung des Kompetenzzentrums Ernährung beschlossen. Dort werden künftig alle Fäden zum Thema Ernährung zusammenlaufen. Das ist längst beschlossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat sich weiterhin gezeigt, dass die eigentliche Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern liegt. Sie liegt bei der Urverantwortung der Produzenten. Heute hat jeder schon einmal gesagt, dass die Landwirte die Leidtragenden seien. Von ihnen verlangen und erhalten wir Produktion nach guter fachlicher Praxis. Wir verlangen die Einhaltung der gesetzlichen Standards, und zwar vom kleinen Landwirt genauso wie vom großen. Den Landwirten muss man ein dickes, fettes Lob aussprechen, weil sie diesen Erwartungen hervorragend gerecht werden.
Das Problem liegt woanders. Das Problem liegt bei den kriminellen Machenschaften Einzelner im Bereich der Futtermittelindustrie. Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir arbeiten konsequent mit Kontrolle auf der einen Seite und Verfolgung und Bestrafung auf der anderen Seite. Wir tun alles für effiziente, engmaschige Kontrollen der Betriebe. Missstände müssen möglichst im Keim erstickt werden. Es kann aber nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir mit blindwütigen Forderungen antreten. Es ist eine Binsenweisheit, man muss sie nur immer wieder in Erinnerung bringen: Die besten Kontrollen und das engmaschigste Aufsichtsnetz verhindern nicht, dass einzelne Kriminelle, die jedes Verantwortungsgefühl über Bord geworfen haben, gigantische Schäden anrichten können. So schwer es fällt, 100-prozentige Sicherheit kann und wird es auch dann nicht geben, wenn wir neben jede Henne einen Bodyguard und neben jeden Produzenten einen Kontrolleur stellen. Wir verlangen auch nicht für jedes Auto einen Fahrtenschreiber, weil immer wieder Unfälle wegen zu hohem Tempo passieren.
Richtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Kontrollsystem, das jetzt schon gut funktioniert - das haben wir vorhin auch gehört - weiter optimiert wird. Das ist keine Frage. Der Entwurf der Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes - Herr Arnold, wollen Sie auch zuhören? - hat uns zufällig heute erreicht. Damit entsteht mehr Verbraucherinformation und den Verbrauchern werden mehr Möglichkeiten gegeben. Nur, Herr Arnold, sagen Sie bitte nicht immer falsche Sachen. Bei Verstößen spielen Betriebsgeheimnisse keine Rolle. Wenn es sich um Rechtsverstöße handelt, gibt es die Möglichkeit der Einsicht. Damit ist auch das geklärt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die zuständige Ministerin und die zuständigen Minister im Bund und in den Ländern haben partei- und länderübergreifend - auch die GRÜNEN - mit dem 14-Punkte-Aktionsprogramm die völlig richtige Reaktion gezeigt. Wir unterstützen es ohne jeden Vorbehalt.
Für mich als Justizministerin ist es elementar, dass kriminelle Machenschaften konsequent verfolgt und hart bestraft werden. Liebe Petra Guttenberger, ich unterstütze voll, was du gesagt hast. Mit harter Bestrafung meine ich nicht Geldstrafen, die möglicherweise aus den ergaunerten Gewinnen bezahlt werden. Wir müssen vielmehr an das Eingemachte gehen. Die Sanktion muss gespürt werden.