Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Bitte werfen Sie Ihre Kärtchen ein. Ich mache diesmal nach drei Minuten pünktlich Schluss.

(Namentliche Abstimmung von 19.27 bis 19.30 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die drei Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, das Ergebnis draußen zu ermitteln.

Meine Damen und Herren, wie nach jeder namentlichen Abstimmung bitte ich, die Plätze wieder einzunehmen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, gebe ich die Ergebnisse der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmungen bekannt.

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Dr. Beyer, Naaß u. a. und Fraktion betreffend "Resonanzstudien: CSU muss zweckentfremdete Steuergelder in den Staatshaushalt zurückführen", Drucksache 16/7106. Mit Ja haben gestimmt 63, mit

Nein haben gestimmt 92, Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Dann der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Mütze, Gote u. a. und Fraktion betreffend "Trennung von Staatsregierung und Partei - Beratende Äußerung des ORH zu den sogenannten ‚Resonanzstudien’ umsetzen!", Drucksache 16/7115. Mit Ja haben gestimmt 64, mit Nein haben gestimmt 92, Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag ebenfalls abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Es geht weiter in der Tagesordnung. Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Keine Aufweichung der Vorgaben für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten im Schnellschuss - Rücknahme des Kabinettsbeschlusses vom 21. Dezember 2010 (Drs. 16/7108)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Annette Karl, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) Verwaltungsanweisungen zum Einzelhandel lösen nicht das Problem der Versorgung ländlicher Regionen mit Gütern des täglichen Bedarfs (Drs. 16/7113)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FW) Einzelhandelsziel - Beteiligung des Landtags, umgehende Teilfortschreibung LEP (Drs. 16/7131)

Bevor ich die gemeinsame Aussprache eröffne, gebe ich bekannt, dass hierzu ein Antrag auf namentliche Abstimmung vorliegt. Dieser ist von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Dringlichkeitsantrag richtet sich gegen den unsäglichen Beschluss des bayerischen Kabinetts vom 21. Dezember 2010, die Genehmigungspraxis bei der Ansiedlung von Einzel

handelsgroßprojekten im ländlichen Raum zu lockern, das heißt künftig Gemeinden im ländlichen Raum die Ansiedlung von Märkten bis zu einer Verkaufsfläche

von 1.200 m2 zu erlauben, und zwar ohne Zielabweichungsverfahren. Damit richtet die Staatsregierung in unseren Augen riesengroßen Schaden an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei einer derartigen Genehmigungspraxis droht ein weiteres Ausbluten von Ortszentren. So werden beispielsweise kleine Einzelhandelsbetriebe oder kleine Handwerksbetriebe in ihrer Existenz gefährdet. Arbeits- und Ausbildungsplätze gehen verloren. Bei

1.200 m2brauche ich ungefähr 1.900 m2 Bruttogeschossfläche, ich brauche einen riesigen Parkplatz. Das können Sie in der Regel nicht im Ortszentrum realisieren, das heißt Sie müssen in Ortsrandlagen gehen. Das gibt auch das Kriterium "städtebaulich integrierte Lage" durchaus noch her. Weitere Folgen sind also: Flächenfraß, Bodenversiegelung, scheußliche Blöcke und Baracken sowie Parkplatzwüsten, die unsere Landschaft verschandeln. Bedauerlicherweise nimmt auch der Zwang zur Automobilität zu, was für nicht automobile Menschen schlecht ist, vor allem für unsere Seniorinnen und Senioren.

Wir gehen davon aus, dass unsere Gemeinden im ländlichen Raum durchaus verantwortungsvoll mit den ihnen gegebenen Möglichkeiten umgehen. Aber selbst wenn sie die von mir skizzierten negativen Folgen zu vermeiden versuchen, dann ist immer ein deutlicher Kaufkraftabfluss aus den Nachbargemeinden zu verzeichnen. Ein Ergebnis dürfte ein Wettlauf um die attraktivsten Einzelhandelsgroßbetriebe sein. Wir wissen alle, dass die Abstimmung zwischen den Gemeinden und dass eine interkommunale Kooperation Not leidet.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion: Wenn Sie jetzt das hohe Lied der kommunalen Selbstverwaltung singen, dann ist das nichts anderes als das Werfen von Nebelkerzen, dann ist das nichts anderes als ein scheinheiliges Ablenkungsmanöver, hinter welchem die Verweigerung einer offenen und ehrlichen Debatte zur Reform des Landesplanungsrechtes und des Landesentwicklungsprogramms steht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie kennen genauso gut wie wir die Entscheidungslogik und die Diskussions- und Entscheidungsmechanismen in kommunalen Gremien. Spätestens dann, wenn das Argument, der Lebensmittelgroßmarkt - ich muss jetzt keine Kette nennen - siedle sich in der Nachbargemeinde an, oder das Argument, die ande

ren machten es auch, genannt wird, dann stimmt die Mehrheit im Rat jeweils zu. Das sollten wir verhindern.

Es gibt noch andere Kritikpunkte. Die Auswirkung werden Sie sehr schnell zu spüren bekommen. Das betrifft zum Beispiel die Abgrenzung des Vollsortimenters. Eine solche Abgrenzung wird Ihnen schlicht und ergreifend nicht möglich sein, denn es gibt beispielsweise schon seit einigen Jahren auch den Betriebstypus des Markendiscounters.

Ich zitiere den "Münchner Merkur" vom 14. Januar 2011. Die Überschrift heißt: Reaktion auf Vorstoß der GRÜNEN - Kritik an größeren Supermärkten nur nostalgischer Traum von Idylle. Dann wird Kollege Bocklet dort zitiert. Dort heißt es:

Bocklet hält auch an der Forderung fest, die beschlossene Erleichterung in der Genehmigung auch für Discounter und Gemeinden im Umkreis von Großstädten gelten zu lassen.

Er sagt: Eigentlich müssen wir es auch aufbohren für Discounter, und es darf nicht nur im ländlichen Raum sein, sondern es muss auch im Umkreis von Großstädten möglich sein. Das bedeutet nichts anderes als: für alles und überall. Das gilt es zu verhindern. Wir haben beispielsweise die Befürchtung, dass die Neuregelung dann auch zu einer nicht sachgerechten Ungleichbehandlung von Gemeinden, die sich bereits im ländlichen Raum befinden, und Nachbargemeinden, die noch zur äußeren Verdichtungszone gerechnet werden, führen würde.

Es kommt ein weiterer Punkt dazu, der laut gegeißelt werden muss, nämlich der hundsmiserable Umgang. Es gibt ein Arbeitsgremium, das mehrfach getagt hat und in dem kommunale Verbände, Umweltverbände und Wirtschaftsverbände vertreten sind. Man hat gesagt, man sei bei einzelnen Punkten noch nicht weitergekommen, und auf einmal werden wir von solch einer Entscheidung überrascht. Es gab beispielsweise einen Antrag der Freien Wähler zu dieser Thematik. Da hieß es, man müsse eine Entscheidung nicht über das Knie brechen und gut Ding will Weile haben. Ein Kollege der CSU hat sogar gesagt, in der Ruhe liege die Kraft.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir haben leider bei den Dringlichkeitsanträgen nur ganz wenig Zeit. Deswegen freue ich mich, wenn mir der Kollege nachher weitere zwei Minuten durch eine Kurzintervention zugesteht.

Damals kamen tatsächlich ganz andere Signale, und dann wird etwas über das Knie gebrochen, und es werden damit auch die Verbände verprellt. Anders kann man es gar nicht bezeichnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie es uns nicht glauben wollen, dann glauben Sie es doch den Verbänden und Organisationen. Ich lese nur einige Stellungnahmen im O-Ton vor, zum Beispiel Gewerbeverband Bayern, Bund der Selbstständigen; diese vertreten immerhin 20.000 Selbstständige und Kleinunternehmer mit ungefähr 300.000 Arbeitsplätzen. Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer und den Präsidenten:

Dieser Schnellschuss im Ministerrat ist uns gänzlich unverständlich und eine Verhöhnung der eingebundenen externen Fachleute. Durch den Ministerratsbeschluss wird der Druck auf die Innenstadtlagen, die Immobilienbesitzer und den Mittelstand erhöht. Das hat mit Mittelstandsförderung nichts zu tun und ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 153 der Bayerischen Verfassung.

Das nächste Zitat - Herr Kollege Huber, es ist schön, dass Sie sich aufregen - stammt von dem früheren Kollegen Traublinger. Er hat für den Bayerischen Handwerkskammertag laut einer Presseerklärung vom 22. Dezember 2010 gesagt:

Mit Empörung reagiert das bayerische Handwerk auf den gestrigen Ministerratsbeschluss. Das Anhörungsverfahren, das zur Überarbeitung des Landesentwicklungsprogramms noch durchgeführt werden soll, verkommt damit zur Farce, da ein wesentlicher Eckpunkt vorweg entschieden wurde. Unter der Umsatzverlagerung in die Einkaufsmärkte an der Peripherie würde insbesondere die Versorgung für nichtmobile Bevölkerungsgruppen massiv leiden. Auch würde die stabilisierende Form des verkaufenden Handwerks im ländlichen Raum, sowohl was Arbeitsals auch Ausbildungsplätze betrifft, infrage gestellt.

Dies war eine Stellungnahme des Handwerkskammertages, werden Sie sagen. Aber die Bürgermeister freuen sich, auch die kommunalen Spitzenverbände, vor allem der Gemeindetag.

Abschließend ein Zitat aus der Kommunalfamilie. Es handelt sich um die Vorlage des Verbandsvorsitzenden des regionalen Planungsverbandes der Region 14 vom Dezember 2008. Darüber diskutieren wir ja schon länger. Ich bringe jetzt das Zitat:

Die Erlaubnis für im ländlichen Raum gelegene nichtzentrale Orte im Lebensmittelbereich, Märkte bis zur "betriebsnotwendigen Grenze" zuzulassen, wenn sie über keine Lebensmittelversorgung verfügen, führt auf der einen Seite zu überdimensionierten Ansiedlungen, auf der anderen Seite zu nichtsachgerechter Ungleichbehandlung mit dem Nachbarort, der nur in der äußeren Verdichtungszone liegt.

Das ist eine Stimme aus der Kommunalfamilie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie diese Stimmen ernst. Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie den Beschluss des Kabinetts vom 21. Dezember bitte zurück. Nehmen Sie die Anweisungen an die Bezirksregierungen als höhere Landesplanungsbehörden zurück, und versuchen Sie, mit uns gemeinsam das Thema zu diskutieren. Die Freien Wähler haben einen entsprechenden Antrag auf Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms gestellt. Wir wissen zwar, dass die Freien Wähler in der Sache eine etwas andere Meinung vertreten als wir, aber es kann nichts dagegen sprechen, wenn wir uns mit der Thematik differenziert befassen wollen. Man kann nicht ewig zuwarten, bis wir zu einer Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms kommen.

Deswegen stimmen wir dem Antrag der Freien Wähler zu. Ebenso werden wir das bei dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD tun.

Jetzt freue ich mich auf die weiteren zwei Minuten mit Herrn Kollegen Fischer.

(Beifall bei den GRÜNEN)