Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

Antrag der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr, Christa Naaß, Adelheid Rupp u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter Gleichstellung im öffentlichen Dienst endlich verwirklichen! (3) Führen muss auch in Teilzeit möglich sein (Drs. 16/5969)

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Antrag der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr, Christa Naaß, Adelheid Rupp u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter Gleichstellung im öffentlichen Dienst endlich verwirklichen! (4) Gleichstellung durch Fortbildung und Schulung steigern (Drs. 16/5970)

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Antrag der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr, Christa Naaß, Adelheid Rupp u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter Gleichstellung im öffentlichen Dienst endlich verwirklichen! (5) Mehr Frauen in Gremien entsenden (Drs. 16/5971)

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Antrag der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr, Christa Naaß, Adelheid Rupp u. a. (SPD) Bayern, aber gerechter Gleichstellung im öffentlichen Dienst endlich verwirklichen! (6) Quote zur Erhöhung des Frauenanteils bei Professorinnen (Drs. 16/5972)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt nach der Geschäftsordnung zehn Minuten pro Fraktion. Die erste Rednerin ist unsere Kollegin Dr. Strohmayr.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir feiern in diesem Jahr zum hundertsten Mal den Internationalen Frauentag. Das sollte uns nachdenklich stimmen. Deswegen finde ich es richtig, dass wir heute erneut über die Gleichstellung in Bayern diskutieren.

Die Frage ist: Sind nach 100 Jahren Frauenbewegung in Bayern im Jahr 2011 Männer und Frauen gleichberechtigt? Ich stelle zunächst fest: Auch 2011 müssen Berufs- und vor allem Karrierechancen von Frauen in Bayern weiter verbessert werden. Auch 2011 gibt es in Bayern zwischen Männern und Frauen immer noch keine Lohngerechtigkeit. Es besteht bei gleicher Arbeit zu Ungunsten der Frauen eine Lohnlücke von 23 %, und das, obwohl in Bayern Frauen die besseren Schulabschlüsse machen. Circa 3 % der Frauen verlassen die Schule ohne Abschluss, aber 6 % der Männer. Abitur machen in Bayern 23 % der Frauen und 18 % der Männer. Trotzdem arbeiten in Bayern 25,6 % Frauen, aber nur 9,3 % der Männer, also weniger als die Hälfte, auf dem Niedriglohnsektor. In Bayern sind Frauen mit circa 6 % häufiger arbeitslos als Männer, die nur zu 5 % ohne Arbeit sind. Frauen schaffen in Bayern seltener den Sprung in die Führungsebene. In Nordbayern sind es gerade mal 24 %, in Südbayern nur 22 %. Deutschlandweit sind dies immerhin 25 %.

An Bayerns Hochschulen sind nur 11 % der Professorenstellen mit Frauen besetzt. Nur 16 % der 116 an der Börse vertretenen Aktiengesellschaften beschäftigen im Vorstand Frauen. Besonders bemerkenswert und traurig fand ich eine unlängst veröffentlichte Studie, in der festgestellt wird, dass auch in den MINTBerufen, also in den mathematisch-technischen Berufen, erhebliche Lohndifferenzen bestehen. Die Hoffnung, dass dann, wenn Frauen Männerberufe, etwa technische Berufe, ergreifen, solche Lohndifferenzen beseitigt werden, hat sich nicht erfüllt - im Gegenteil. Man hat feststellen müssen, dass auch hier die Lohndifferenzen erheblich sind. Dieses Beispiel zeigt, dass im Freistaat Bayern die Bemühungen bisher ins Leere gegangen sind. Gleiche Lebensbedingungen für Männer und Frauen gibt es in Bayern auch heute nicht. Das Armutsrisiko von Frauen ist also immer noch um ein Viertel höher als das der Männer.

Sie fragen sich jetzt sicher: Warum stelle ich das alles dar? Denn das eigentliche Thema lautet: Gleichberechtigung oder Gleichstellung im öffentlichen Dienst. Es ist ganz einfach: Gerade in Anbetracht dieser Situation ist es besonders wichtig, dass wir im öffentlichen Dienst mit einem guten Vorbild vorangehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Vierte Gleichstellungsbericht, der unlängst vorgelegt wurde, hat offengelegt, dass es auch im öffentlichen Dienst noch Erhebliches zu tun gibt. Im Bericht selbst heißt es - ich zitiere, um es ganz förmlich zu machen -, dass die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen bayerischen Dienststellen noch nicht gleichmäßig erfolgreich angekommen

sei. Höre, höre! So steht es im Gleichstellungsbericht selber. Auch im öffentlichen Dienst gibt es vor allem in Führungspositionen noch unheimlich viel nachzuholen. In den Besoldungsgruppen C 4 sind nur 8,5 %, in der Besoldungsgruppe B 9 sogar nur 6,7 % Frauen tätig. Angesichts so vieler gut ausgebildeter Frauen ist das ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD)

Hier muss sich etwas ändern; denn wir wollen unsere gut ausgebildeten jungen Frauen doch nicht demotivieren. Deswegen fordern wir die Staatsregierung auf, hier etwas zu ändern.

Wir fordern zunächst, dass in Führungspositionen Teilzeitbeschäftigungen gefördert werden. Man muss wissen, dass 40,5 % der Führungspositionen im öffentlichen Dienst nie für Teilzeitbeschäftigungen ausgeschrieben wurden. Man hält also eine unheimlich große Anzahl an Stellen überhaupt nicht für teilzeitfähig. Das entspricht nicht der Realität. Insofern müsste man sich mehr anstrengen und auf diesem Gebiet mehr tun. Jede Stelle ist teilzeitfähig.

(Beifall bei der SPD)

Der Vierte Gleichstellungsbericht empfiehlt - dem kann ich mich nur anschließen -, wegen der nachteiligen Auswirkungen auf Karrierechancen und -verläufe von Frauen mit Kindern dringend abzustellen, dass nur 60 % der Stellen für Teilzeitbeschäftigungen ausgeschrieben werden. Es müssen alle Stellen für Teilzeitbeschäftigung ausgeschrieben werden!

Des Weiteren fordern wir für Frauen und Führungskräfte mehr Fortbildungsmaßnahmen; denn Fortbildungsveranstaltungen sind die Voraussetzung dafür, dass Frauen aufsteigen und Karriere machen können. Fortbildungsveranstaltungen sind der Schlüssel für Karriere und Aufstieg. Wir müssen die Fortbildungen so organisieren, dass Frauen teilnehmen können. Das heißt, die Fortbildungen müssen auf kurzen Wegen erreichbar sein und zu Zeiten angeboten werden, an denen die Frauen Zeit haben. Was die derzeitige Situation betrifft, möchte ich den Gleichstellungsbericht zitieren. Danach haben 79 % der Dienststellen ihre Frauen nie aufgefordert, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen, obwohl Frauen unterrepräsentiert sind. Auch das muss sich dringend ändern. Wir brauchen hierfür ein anderes Bewusstsein.

Ferner müssen Fortbildungen zum Thema "Chancengleichheit" angeboten werden, damit sich das Bewusstsein hinsichtlich dieser Problematik ändert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ferner ist es wichtig, das bestehende Gleichstellungsgesetz umzusetzen. Auch das ist noch nicht überall der Fall. Es gibt immer noch Dienststellen ohne Gleichstellungsbeauftragte. Es gibt immer noch Dienststellen, die für ihre Gleichstellungsbeauftragten keine Vertretung bestellt haben. Auch das müssen wir ändern. Dort, wo Gleichstellungsbeauftragte tätig sind, brauchen sie gute Arbeitsbedingungen. Die Gleichstellungsbeauftragten müssen von ihren dienstlichen Aufgaben freigestellt und entlastet werden. Nur so kann Gleichstellung letztendlich verwirklicht werden.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb fordern wir auch, dass alle zwei Jahre über die Verbesserungen hinsichtlich der Gleichstellung berichtet wird. Wir fordern, dass in diesem Bericht konkrete Ziele vorgegeben werden, um kontrollieren, schneller reagieren und besser gegensteuern zu können. Das sind unsere Ziele.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) und Christa Naaß (SPD))

Wir fordern zudem, dass an den bayerischen Hochschulen künftig mehr Professorinnen tätig werden können.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen an den Hochschulen eine 50-ProzentQuote. Freiwillig hat sich in den letzten Jahren nichts geändert, und es wird sich auch nichts ändern.

(Beifall bei der SPD)

Derzeit sind in Bayern gerade noch 14 % der Professuren von Frauen besetzt; bundesweit sind es 18 %. Man muss sich vorstellen: Selbst in der Türkei gibt es an den Hochschulen mehr Professorinnen als in Bayern. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP))

Schließlich ist es wichtig, dass bei der funktionsgebundenen Entsendung in Gremien der Anteil an Frauen deutlich gesteigert wird. Auf diesem Gebiet mussten wir in den letzten Jahren einen Rückgang von 37 % auf 21 % registrieren. Das, liebe Frauen, muss uns aufhorchen lassen; denn wir wollen in der Frauenbewegung keine Rückschritte, sondern nach vorne kommen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, lasst uns gemeinsam für Verbesserungen kämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Männer, auch ihr könnt davon profitieren. Stellt euch doch einfach einmal vor, ihr tragt nicht mehr die alleinige Last des Geldverdienens. Ihr habt endlich mehr Zeit für eure Kinder, für die Küche, für die Kirche. Ihr werdet von euren Partnerinnen regelmäßig zum Essen eingeladen, und bei Veranstaltungen werdet ihr mit den Worten: "Hinter jeder starken Frau steht ein starker Mann" begrüßt. Wenn sich das nicht lohnt!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ab- geordneten Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP))

Für die CSUFraktion darf ich nun dem Kollegen Seidenath das Wort geben.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über sechs Anträge zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatwirtschaft. Die ersten Minuten Ihrer Ausführungen, Frau Kollegin Dr. Strohmayr, waren also nicht ganz am Thema.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Stimmt trotzdem!)

Ich beschränke mich auf den öffentlichen Dienst und möchte mit einer Gemeinsamkeit beginnen, nämlich mit dem Grundkonsens, der uns alle hier verbindet: Wir wollen Frauen auch im öffentlichen Dienst weiter fördern. Die Kopfzahlparität ist inzwischen erreicht, aber die Karriereparität noch nicht. Das heißt, in den Führungspositionen des öffentlichen Dienstes holen die Frauen zwar auf, doch sind die Männer weiterhin in der Überzahl.

Das sollte sich im Sinne der Gleichstellung von Frauen und Männern ändern und das wird sich auch ändern. Hier sind wir nämlich mit den aktuell gültigen Instrumentarien auf einem sehr guten Weg. Die Entwicklung ist auch bei den Führungspositionen im öffentlichen Dienst günstig, sehr günstig für die Frauen.

Ihre sechs Anträge formulieren entweder Vorschläge oder Maßnahmen, die selbstverständlich sind,

(Christa Naaß (SPD): Aber nicht umgesetzt werden!)

die entweder schon Bestandteil der Politik der Staatsregierung sind oder die nicht geeignet sind, Verbesserungen zu erreichen. Wir werden deshalb alle Anträge ablehnen.

Bevor ich aber auf die Anträge im Einzelnen eingehe, möchte ich noch ein paar allgemeine Sätze vorausschicken. Der öffentliche Dienst ist in Bayern Vorreiter für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Das liegt auch am Bayerischen Gleichstellungsgesetz, das seit 1996 gilt. Dieses Gesetz war und ist sehr erfolgreich. Ich möchte daran erinnern, dass es auf seiner Grundlage viele segensreiche Instrumente gibt, zum Beispiel die vielen Arbeitszeitmodelle, die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist ja alles recht und schön!)

Es gibt eine Vielzahl von Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten. Es gibt die Möglichkeit von Wohnraumund Telearbeit. Das sind blendende Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Frauen wie für Männer, und darauf kommt es doch an. Wenn wir Beschäftigte mit Erziehungserfahrung im öffentlichen Dienst fördern wollen, wenn wir Beschäftigte mit Erziehungserfahrung in Führungspositionen haben wollen, dann müssen wir diese Maßnahmen treffen. Hier spreche ich bewusst von Frauen und von Männern.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kein Thema!)

Ich möchte nur ein Beispiel nennen, das in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, aber über das viel zu wenig gesprochen und berichtet wird, nämlich die Berücksichtigung von Erziehungszeiten als Dienstzeit.