Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

Wir sind auf einem guten Weg, was die weiterhin kostenfreie Ausbildung in der Altenpflege anbelangt. Hierüber haben wir wiederholt diskutiert. Ich darf auf den Vier-Punkte-Plan, den die beteiligten Ministerien gemeinsam mit den Trägern und den Berufsverbänden entwickelt haben, verweisen. Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Kürzung in Bezug auf den Bayerischen Landesplan für Behinderte den Hinweis: Diskussionen und Entscheidungen über den Haushalt erfolgen abschließend im März. Dann diskutieren wir wieder über dieses Thema.

Gestatten Sie mir anlässlich dieser Aktuellen Stunde zum Thema "Verlässlichkeit der Sozialpolitik im Freistaat Bayern" einige grundsätzliche Bemerkungen: Ich muss feststellen, dass sowohl die Bayerische Staatsregierung als auch die Regierungsfraktionen von CSU und FDP diese Herausforderungen gut gemeistert haben. Wir müssen die Zukunft so gestalten, dass die Betroffenen mit Unterstützung rechnen können. Im Rahmen der Sozialpolitik müssen wir uns überlegen, was uns wichtig ist. Das sind insbesondere zwei Komponenten: Die Unterstützung für diejenigen, die auf Förderung, Hilfe und Unterstützung im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe angewiesen sind. Zusätzlich müssen Perspektiven für die Durchschnittsverdiener geschaffen werden. Die Durchschnittsverdiener dürfen nicht durch das Raster der Förderung fallen. Dort ist es unsere Aufgabe, für den Facharbeiter und den Mittelstand da zu sein. Das ist eine zukunftsweisende Sozialpolitik, für die CSU und FDP stehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

In diesem Zusammenhang müssen wir die gesellschaftliche Entwicklung stärker ins Auge fassen.

(Christa Steiger (SPD): Sozialpolitik ist doch kein Almosen! )

Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht weiter auseinandergehen. Ich teile ausdrücklich die Meinung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das Ziel "guter Lohn für gute Arbeit" nachhaltig zu unterstützen. Strukturpolitische Entwicklungen müssen wir in diesem Hohen Hause immer wieder diskutieren.

Das bedeutet für uns, dass wir in mindestens sieben Bereichen Schwerpunkte setzen müssen. Wir haben das Ziel, den Freistaat Bayern zum Familienland Nummer eins zu machen. Wir wollen die Kinderbetreuung bedarfsgerecht entwickeln. Ich lege jedoch auch ausdrücklich Wert darauf, neben dem quantitativen Aufbau - das kann ich nicht oft genug wiederholen - auch den qualitativen Ausbau und somit die Verbesserung der Kinderbetreuung zu realisieren.

(Diana Stachowitz (SPD): Nicht nur reden, handeln!)

Wir brauchen eine stärkere Vernetzung von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gerade in der letzten Wirtschaftskrise haben wir gesehen, wie gut es ist, dass wir einen Mix aus Firmen sowie Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsstrukturen haben, die insbesondere die mittelständische Wirtschaft stärken und zur tragenden Säule machen. Auf diese Weise wird der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt, werden Ausbildungsplätze geschaffen und Perspektiven für die Jugend aufgezeigt. Die beste Sozialpolitik besteht in der Vernetzung und

der Schaffung von Zukunftsperspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Vonseiten der Sozialpolitik müssen wir den Mittelstand als Partner anerkennen und ihn nicht immer wieder mit bürokratischen Hürden behindern.

(Diana Stachowitz (SPD): Wir müssen den Frauen die Möglichkeit zum Arbeiten geben!)

Gute Pflegebedingungen haben sozialpolitische Priorität. Ich habe auf die Ausführungen von Frau Kollegin Steiger reagiert. Die Signale, die in die Diskussion sowohl von Frau Staatsministerin Haderthauer hinsichtlich des Pflegebeauftragten als auch von Gesundheitsminister Söder hinsichtlich der Pflegekammer eingebracht worden sind, halten wir für sehr wichtig, um den Stellenwert der Pflege in unserer Gesellschaft insgesamt zu fördern und zu unterstützen. Der Stellenwert der Pflege hängt davon ab, wie ernst sie in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Die Menschen, die in der Pflege tätig sind, brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, um von ihrem Beruf leben zu können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir müssen den Weg, den wir als Haushaltsgesetzgeber entwickelt haben, stärken. Die Menschen sollen im Alter und für den Fall der Pflegebedürftigkeit in ihrer vertrauten Wohnumgebung bleiben können. Häufig erleben wir, dass unsere Strukturen noch nicht darauf abgestimmt sind. Deswegen müssen sowohl die Förderung als auch die Aufsichtsbestimmungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes hierauf Rücksicht nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Themen Migration und Integration müssen mit einem Konzept verbunden werden, das wir in diesem Hohen Hause schon wiederholt besprochen haben. Die Förderung des Einzelnen, die Sprachförderung, die Förderung des Ehrenamtes und die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine Kultur des Miteinanders müssen sichergestellt werden.

(Diana Stachowitz (SPD): Die Sprachförderung haben Sie dem Bund überlassen!)

Das Ehrenamt hat eine wichtige Position in der Sozialpolitik inne. Das vorbildliche Gemeinschaftsleben in Bayern bestätigen uns auch sozialdemokratische Kriminologen. Aus meiner Sicht schließt sich das prinzipiell aus, aber so etwas gibt es. Herr Professor Pfeiffer ist vielen von Ihnen bekannt. Aufgrund der guten Sozialstrukturen kommen viele Dinge in Bayern nicht in der gleichen Weise vor wie in anderen Bundesländern. Darauf sollten wir aufbauen. Die Weiterentwicklung des Ehrenamtes und des bürgerschaftlichen Engagements müssen unterstützt werden.

Es ist notwendig, für die Schaffung dieser Rahmenbedingungen gemeinsam und parteiübergreifend zu arbeiten. In diesem Zusammenhang ist mir die Frage nach der Bedarfsstruktur in den sozialen Berufen besonders wichtig. Dort ist es erforderlich, sich für die finanzielle Entlastung dieser Berufe einzusetzen. Wir müssen uns jedoch über die Konsequenzen der Kostenerstattung im Klaren sein. Soziale Berufe haben Priorität. Bei der Sozialpolitik, den notwendigen Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen handelt es sich nicht um ein Schaulaufen, sondern um die Setzung von Prioritäten vonseiten der Staatsregierung und der Regierungsfraktionen. Wir werden diesen Weg weitergehen. Wir laden sie gerne ein, diesen Weg mitzugehen, wenn Sie sich daran beteiligen wollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der nächste Redner ist Herr Professor Dr. Bauer. Ihm folgt Frau Kollegin Ackermann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Ergebnisse der letzten Jahrzehnte der bayerischen Sozialpolitik möchte ich Ihnen schon ins Stammbuch schreiben, dass Sie nach Ansicht der Freien Wähler dafür die politische Verantwortung zu übernehmen haben. Sie haben immer die absolute Mehrheit gehabt.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

In den letzten Jahrzehnten ist doch einiges schiefgelaufen. Es ist schön, wenn man politisch die absolute Mehrheit hat, jedoch muss man auch die Verantwortung tragen. Selbst in Zeiten boomender Wirtschaft und steigender Steuereinnahmen haben Sie die Chance nicht genutzt, in der Sozialpolitik einen konsequenten Richtungswechsel einzuschlagen. Die Herausforderungen angesichts der negativen demokratischen Entwicklung kennen Sie genauso gut wie wir. Leider stecken Sie auch heute noch den Kopf in den Sand und betreiben Vogel-Strauß-Politik erster Klasse. Meine Damen und Herren, damit ist niemandem geholfen.

Es ist schön, wenn man nach zehn Jahren endlich einen Sozialbericht erhält. Für die Erstellung des Sozialberichtes muss ich das Ministerium ausdrücklich loben. Wenn man über diese lange Zeit jedoch keinen Sozialbericht vorgelegt hat, kann auch nicht über die Defizite geredet werden. Das gehört zur politischen Klarheit und Wahrheit. Im Sozialbericht werden zwei Bereiche genannt, in denen sich Defizite auftun: Das sind einmal die von Armut betroffenen Alleinerziehenden. Das geht ganz klar aus dem Sozialbericht her

vor. Was wird für diese Gruppe gemacht? Die Haushaltsberatungen werden es zeigen. Das ist gerade vom geschätzten Herrn Kollegen Unterländer erklärt worden. Wir können hier Reden halten, entschieden wird jedoch im März oder im April. Auf die Entscheidung bin ich gespannt.

Die Kinderbetreuungsplätze fehlen. Erinnern Sie sich noch? Gerade war doch der Bundespräsident bei uns. Das hat er ganz klar als Defizit in der bayerischen Sozialpolitik hervorgehoben: In Bayern gibt es viel zu wenige Kinderbetreuungsplätze.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Weiterhin möchte ich Sie an die Regierungserklärung vom 25. Januar und an den Koalitionsvertrag, den Sie abgeschlossen haben, erinnern. Was steht im Koalitionsvertrag? Ich meine nicht das Wahlprogramm, dort steht es auch. Aber das kann man nicht ernst nehmen. Im Koalitionsvertrag steht es jedoch ganz klar.

(Eberhard Sinner (CSU): Ihr Wahlprogramm auch nicht!)

- Wir haben ein Wahlprogramm. Gern bin ich bereit, es Ihnen zu erklären. Wir haben Leitlinien. Wir haben ganz klar strukturierte Vorstellungen von unserer Politik, auch von unserer Sozialpolitik. Es wäre schön, wenn Sie nicht nur Zwischenrufe machen würden, sondern wenn Sie sich endlich einmal mit den Inhalten und Positionen der Freien Wähler beschäftigen würden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Am 25. Januar gab es die Regierungserklärung. Damals waren Sie sehr unglücklich darüber, dass Hubert Aiwanger in seiner Rede gesagt hat, Sie hätten in Ihrem Koalitionsvertrag ein kostenfreies Kindergartenjahr vereinbart. Was sehen wir bei den Haushaltsberatungen 2011/2012?

(Zurufe von der SPD und den Freien Wählern: Nichts!)

- Nichts! Nichts ist drin für diese sozialpolitisch ganz wichtige Forderung. Das müssen wir ganz klar benennen. Wir werden immer wieder den Finger in die Wunde legen. Da nützen auch irgendwelche schlauen Zwischenrufe nichts. Die Fakten sprechen für sich. Ich halte mich da an Herrn Söder, der immer so schöne Worte hat, wie wir vorhin gehört haben: Erst denken, dann sprechen!

(Beifall bei den Freien Wählern)

Der "Aufbruch Bayern" ist ein anderes wichtiges Stichwort. Sie behaupten, besonders Familien fördern zu wollen. Ich kann da aber nicht viel erkennen. In Sonntagsreden sagen Sie immer: Kinder sind unsere Zukunft. Das ist richtig. Wo sind aber die konkreten Taten, die diesen Sonntagsreden folgen müssen? Was folgt daraus? Was bringen Sie auf den Tisch?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Kommen wir zum Pflegenotstand, lieber Kollege Unterländer. Sie erinnern sich doch an dieses unwürdige Schauspiel im Sozialausschuss. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass nur auf hartnäckiges Betreiben der Opposition beim Schulgeldausgleich für private Pflegefachschulen ein Fortschritt zustande gekommen ist. Das war nicht in Ordnung.

Beim Bevölkerungsschwund im ländlichen Raum komme ich auf den Zukunftsrat. Nordostbayern bis zur Grenze bei Passau ist auch im Sozialbericht erwähnt. 40 Jahre hatten Sie mit Ihrer absoluten Mehrheit Zeit, dort mehr zu gestalten. Der Bevölkerungsschwund, der dort stattfindet, äußert sich auch darin, dass sogar Wahlkreise verloren gehen. Das ist Fakt. Das ist die Wahrheit. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Weitere Bausteine sind die Schaffung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser. Dazu werden wir Anträge stellen. Ich bin gespannt, ob Sie unseren Anträgen zur Förderung der Mehrgenerationenhäuser bei den Haushaltsberatungen zustimmen. Ich würde mich freuen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit einer gemeinsamen Sozialpolitik, denn die Menschen draußen brauchen sie, die Menschen erwarten sie von uns, und die Menschen haben ein Anrecht darauf.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Ackermann. Ihr folgt dann Frau Meyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man könnte den Titel der Aktuellen Stunde auch dahingehend umwandeln: Schluss mit den Hochglanzbroschüren, lasst uns endlich Taten sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man den Sozialhaushalt im Verhältnis zum Gesamthaushalt sieht, muss man feststellen, dass er immer kleiner wurde. 2003 hat er noch 9,23 % des Gesamthaushalts ausgemacht. 2004, im Supersparjahr des Ministerpräsidenten Stoiber, hat er 7,56 % ausgemacht. 2011 - ich überspringe jetzt einige Jahre - macht er 7,22 % aus. Das bedeutet, dass der Anteil des Sozialhaushalts gegenüber dem Supersparjahr noch weiter gesunken ist. Herr Unterländer, Sie können hier nicht behaupten, dass Sie eine so vorbildliche Sozialpolitik betreiben, wenn Sie in der Sozialpolitik zugunsten anderer Ressorts permanent zurückrudern. Frau Ministerin, ich fordere Sie auf, sich im Ministerrat besser durchzusetzen, damit die Sozialpolitik nicht immer noch weiter nach hinten rutscht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir uns einmal an, wo gespart wird. Es gibt zukunftsweisende Aufgaben, die Sie in Ihren Hochglanzbroschüren immer hochjubeln. Ein Beispiel ist die frühkindliche Bildung. Darin sind Sie nach eigenen Aussagen hervorragend. Nach eigenen Aussagen haben Sie bei Kinderkrippen einen Ausbaugrad von 21 %. Wenn Sie Ihr Ausbauziel erreichen wollen, müssen Sie in den nächsten zwei Jahren noch 50 % des Ausbaus schaffen. Ich bin gespannt, Frau Ministerin. An den leeren Rängen sieht man, wie engagiert Sie hier sind. Wenn Ihnen die frühkindliche Bildung wirklich am Herzen liegen würde, wie Sie immer beteuern, frage ich mich schon, warum Sie heute Morgen beim Bundespräsidenten nicht applaudiert haben, als er den Wert der frühkindlichen Bildung hervorgehoben hat. Da war auf der rechten Seite dieses Hauses Stillschweigen. Das hat mich sehr verwundert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Alexander König (CSU): Das ist infam!)

Die frühkindliche Bildung ist nicht nur wichtig, weil sie die Weichen für die Zukunft stellt, sondern sie ist auch aktuell wichtig. Alleinerziehende Mütter und Familien, die eine Infrastruktur für ihre Kinder vorfinden, können auch berufstätig sein. Die zahlen auch Steuern. Wenn Sie schon die Bedeutung der Bildung nicht anerkennen, dann erkennen Sie doch wenigstens die Wirkung für den Staatssäckel an. Tun Sie endlich etwas, damit die Krippen in Bayern flächendeckend ausgebaut werden.