Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

Herr Fahn, erstens, in der Tat spielen die Landtagswahlen für die Freien Wähler keine Rolle. Denn ihr seid nur noch bis 2013 hier.

(Sabine Dittmar (SPD): Was war das jetzt? Muss man das verstehen?)

Aber andere Parteien haben ein größeres Interesse. Das können Sie daran erkennen, dass es bei anderen Parteien zum Teil wortgleich abgestimmte Texte zu solchen Fragen gibt. Deswegen ist die Vermutung und der Zweifel, dass es hier nicht allein um diese Frage, sondern um ideologische Gründe geht, durchaus berechtigt.

Zweitens, wenn Herr Kurth das als meldepflichtig einstuft - ich weiß nicht, wer oder was Herr Kurth genau ist. Herr Kurth vom Öko-Institut ist sicher ein respektabler Mann, aber Herr Kurth ist nicht die Referenzadresse für die nationale Aufsicht. Denn in der Reaktorsicherheitskommission sitzen ganz andere Koryphäen als Herr Kurth - Entschuldigung, Herr Kurth ist für mich nicht relevant. Aber Ihr Freund Kurth hat kurz und knapp gesagt, dass keine akute Gefahr besteht. Insofern hat Herr Kurth eine Entwarnung gegeben.

Ihre Frage zu Beschlüssen in Unterfranken nehme ich sehr ernst. Jede Gemeinde, jeder Kreistag oder Stadtrat, der eine entsprechende Resolution beschließt, bekommt natürlich, wenn sie an mich persönlich geht, eine persönliche Antwort.

Wir haben übrigens alle Standortgemeinden, den Landkreis und die zuständigen Gemeinden bereits im vergangenen Jahr zu einem Sicherheitsgespräch eingeladen und haben sie über den Stand informiert, was die Laufzeitverlängerung betrifft und über die Maßnahmen, die anstehen. Wir werden öffentlich berichten, welche weiteren Investitionen in die Erhöhung der Sicherheit getätigt werden.

Wir stellen uns der Diskussion. Ich stelle mich fast jeden Tag Diskussionen, weil ich übrigens davon überzeugt bin, dass - eine schwierige Entscheidung,

wir haben darüber im Parlament diskutiert - die Kernenergie einer Fortsetzung in Deutschland bedarf. Wenn wir die Klimaziele erfüllen wollen, wenn wir die Technologiestandards erhalten wollen, wenn wir günstigen Strom für alle sozialen Schichten in Deutschland erhalten wollen, dann wird es nicht anders gehen als mit einer begrenzten Verlängerung der Laufzeit.

Herr Lazik von der Atomaufsicht des bayerischen Umweltministeriums ist - Entschuldigung, wenn ich das sage - nicht irgendjemand, sondern einer der sachkundigsten Experten der Atomaufsicht in Deutschland und damit genau der Richtige, um mit Herrn Kurth und anderen zu diskutieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Staatsminister. Die Ministerbefragung ist damit beendet. Vielen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Schluss mit dem Schaulaufen - Bayern braucht eine seriöse und verlässliche Sozialpolitik"

Für die heutige Sitzung war die SPD-Fraktion vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema "Schluss mit dem Schaulaufen Bayern braucht eine seriöse und verlässliche Sozialpolitik."

Wie Sie wissen, gibt es Redezeiten von fünf Minuten. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, dann erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. So weit zu den Formalia.

Erste Rednerin ist Frau Kollegin Steiger. Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Mitte der Legislaturperiode lohnt es sich, einen Blick auf die bayerische Sozialpolitik zu werfen, zumal morgen der Einzelplan des Sozialhaushalts beraten wird. Ich greife zwei Schwerpunkte heraus - Schwerpunkte, die wir als SPD-Fraktion als Schwerpunkte genannt haben. Denn das Regierungsprogramm der CSU und der FDP widmet der Pflege von Menschen mit Behinderung gerade einmal jeweils ein Dutzend Zeilen. Das sagt im Grunde genommen

noch gar nichts, aber leider Gottes ist die Umsetzung bis jetzt auch etwas dürftig.

In Ihrem Koalitionspapier steht, Sie wollen für mehr Transparenz, weniger Bürokratie und einen optimalen Schutz in der Pflege sorgen.

Nun ist die Frage: Was haben Sie bisher erreicht, Frau Haderthauer, Herr Dr. Söder? Zum einen haben Sie den Pflegebeauftragten und die 24-Stunden-Hotline installiert, wobei man sagen muss, wenn nachts ein Anrufbeantworter läuft, dann ist das keine 24Stunden-Hotline. Die Pflegekammer, Herr Dr. Söder, ist sicherlich nicht weniger Bürokratie. Und mehr Transparenz? - Das wird sich zeigen. Bis jetzt sicherlich auch nicht.

Glauben Sie denn im Ernst, dass sich die Probleme der Pflege so lösen lassen? Das ist blanker Aktionismus, gleichzeitig auch ein Stück weit Hilflosigkeit und vor allen Dingen eine Konkurrenzrangelei. Sie suchen nicht miteinander nach Lösungen, sondern benehmen sich wie Hase und Igel.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass diese Ressorttrennung komplett falsch war, dann ist es dieses Schauspiel.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich geht das zulasten der Betroffenen, der Pflegebedürftigen, der Beschäftigten, der Angehörigen und der Träger der Heime. Die Pflegebedürftigen brauchen qualitativ hochwertige Pflege und bezahlbare Pflege. Die Pflegekräfte brauchen eine ordentliche Bezahlung und Zeit für die Menschen, die sie betreuen. Die Träger brauchen eine Refinanzierung und Planungssicherheit. Es gibt jede Menge runder Tische, Arbeitskreise, Arbeitsgruppen im Sozialministerium, nicht nur zum Thema Pflege. Die Arbeit aller in den Gremien ist weder Selbstzweck noch eine Beschäftigungstherapie, sondern sie wird von allen Beteiligten sehr ernst genommen. Aber welche Konsequenzen werden aus dem Fachwissen, aus den Vorschlägen für die künftige bayerische Sozialpolitik gezogen?

Lassen Sie mich ein bisschen etwas anreißen. Das Pflege-, Wohn- und Qualitätsgesetz ist über zwei Jahre alt. Manche denken bei zwei Jahre alten Gesetzen schon über Novellierungen nach. Die Ausführungsverordnung zum Gesetz gibt es bis heute noch nicht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ach, da schau her!)

Im Moment gibt es einen Entwurf, der weit über 100 Seiten umfasst. Weniger Bürokratie? - Ich sehe das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wo bleiben die geplanten 60 Pflegestützpunkte? Ganze drei gibt es in Bayern. Die Kritik der Sozialministerin, dass die Kommunen einfach nicht so wollen, wie sie will, verfängt nicht. Die Kommunen, die sich beteiligen sollen, brauchen finanzielle Mittel. Wir haben im Land einen Pflegekräftemangel und in manchen Bereichen sogar einen Pflegekräftenotstand. Was haben Sie gemacht? Die Frau Ministerin ist leider Gottes nicht da; der Herr Staatssekretär wird ihr sicherlich berichten. Was ist im Ministerium gemacht worden? Die Staatsministerin hat es nicht fertig gebracht, sich mit ihrem Kollegen Spaenle zu einigen und den Schulgeldausgleich ordentlich zu regeln, und zwar so, dass die Schülerinnen und Schüler kein Schulgeld bezahlen müssen. Auch jetzt reicht der Haushaltsansatz für mehr Pflegekräfte und mehr Auszubildende nicht aus.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Hause hat die Ministerin gesagt, sie sorge für eine hundertprozentige Refinanzierung. Ansatzweise ist dazu im Einzelplan 10 nichts, aber auch gar nichts zu finden. Was trägt also das Sozialministerium dazu bei? Nichts. Unseren Antrag zur Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres haben Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, abgelehnt und für viele Altenpflegeschülerinnen und -schüler ist das das Aus ihrer Ausbildung, weil sie die Ausbildung finanziell nicht schultern können, gerade dann, wenn sie Späteinsteiger sind, alleinerziehend sind oder eine Familie zu versorgen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wo ist zum Beispiel in Bayern eine Analyse des Ausbildungsplatzbedarfs und des Pflegekräftebedarfs für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre? Es gibt noch nicht einmal eine für die nächsten fünf Jahre. Auf diese Weise könnte eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um endlich eine Ausbildungsumlage in Bayern auf die Beine zu stellen. Es ist aber nichts geschehen. Wir brauchen in der Altenpflege dringend Fachkräfte. Projekte wie "Herzwerker" scheitern an einer nicht vorhandenen Finanzierungsgrundlage. Eine solche Finanzierungsgrundlage bräuchten die Schülerinnen und Schüler und die Träger dringend.

Seit zwei Jahren mahnen wir eine Erhebung für den Sanierungsbedarf der Pflegeheime in Bayern an. Auf meinen letzten Brief habe ich zur Antwort bekommen, dass das dauere. Bei der Pflege haben wir Baustellen

ohne Ende, aber es passiert nichts. Nicht jeder wird im Alter pflegebedürftig, aber die Anzahl der Pflegebedürftigen wird ansteigen, das heißt, wir brauchen Pflegekräfte und die entsprechenden Rahmenbedingungen. Sie sollten unsere Initiativen ernst nehmen und zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ein zweites Schwerpunktthema ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Inklusion. Seit März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht, auch in Bayern. Sie verpflichtet Bund, Länder und die kommunale Ebene zur Umsetzung und geht weit über die schulische Inklusion hinaus. Die Experten haben im Landtag ein zum Teil vernichtendes Urteil über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bayern abgegeben. Die Konvention sieht vor, dass Menschen mit Behinderung wegen ihrer Behinderung nicht vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden dürfen, sondern sie müssen gleichberechtigt mit anderen am gesamtgesellschaftlichen Leben teilhaben können.

(Beifall bei der SPD)

Das fängt in der frühkindlichen Einrichtung an und hört im Alter nicht auf. Es ist ein Querschnittsthema, das federführend das Sozialministerium betrifft. Die Ministerin ist dafür zuständig, aber wo bleibt die Initialzündung? Wo sind entsprechende Initiativen aus diesem Hause?

In Bayern leben 1,2 Millionen Menschen mit Behinderung. Das sind rund zehn Prozent der Bevölkerung. Dazu kommen die Familien, die Angehörigen, der Freundeskreis und das ganze Umfeld. Es fehlt der geforderte Aktionsplan, den zum Beispiel RheinlandPfalz bereits hat. Es fehlt ein Konzept zur Umsetzung der Inklusion, die vor der Schule beginnt und weit über die Schule hinausgeht. Wo sind die Initiativen, zum Beispiel für eine inklusive Ausbildung, für eine inklusive Arbeitswelt und das Leben im Alter und das Leben mittendrin in der Gesellschaft?

(Beifall bei der SPD)

Was passiert stattdessen? Im Doppelhaushalt 2011/2012 werden die Mittel für den bayerischen Landesplan für Menschen mit Behinderung um 3 Millionen Euro gekürzt. Wo bleiben die Menschen mit psychischen Behinderungen? - Ich erinnere an den Streit über die regionale Aufstockung der Sozialhilfe, die die Ministerin in München nicht mehr zulassen wollte. Kritik kam von allen Seiten und gerade aus den Reihen der CSU. Diese Beispiele allein zeigen, dass die Aussage des Diakonie-Präsidenten richtig ist: Die Politik beschränkt sich auf Ankündigungen und findet für

Probleme, die schon seit Jahren bekannt sind, keine Lösungen. Er sagt weiter: Diese Sozialpolitik handelt nicht nachhaltig, sondern nach Kassenlage.

Ich denke, nach zweieinhalb Jahren ist es Zeit, endlich im Ministerium anzukommen. Gerade ist die Frau Ministerin auf der Regierungsbank angekommen. Im Ministerium angekommen zu sein, bedeutet, eine soziale Politik für Bayern zu machen und zu gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Unterländer. Ihm folgt dann Herr Professor Bauer. Bitte schön, Herr Unterländer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einmal festzustellen, dass die Bemerkungen, die zu dieser Aktuellen Stunde geführt haben, in der Sache und bezüglich der Personen völlig daneben sind. Die bayerische Sozialpolitik ist im Bundesvergleich hervorragend aufgestellt. Der Bayerische Sozialbericht zeigt, dass wir in den meisten Bereichen gut aufgestellt sind, und das lassen wir uns von der Opposition nicht streitig machen.

(Beifall bei der CSU)

Nachdem Frau Kollegin Steiger bewusst einen bestimmten Themenbereich hervorgehoben hat, erlaube ich mir, darauf nur ganz kurz einzugehen. Thema Pflegestützpunkte: Liebe Frau Steiger, es stellt sich die Frage, um welches Konzept es sich da handelt. Die Pflegestützpunkte, so, wie sie existieren, sind Modell Ulla Schmidt. Es handelt sich um kein Modell des Freistaates Bayern. Es ist kein Modell, das sich in der Realität in den bayerischen Kommunen entwickelt hat. Was hilft uns ein anonymer, von Kassen entwickelter, bürokratischer Weg, der das, was sich vor Ort entwickelt hat, nicht berücksichtigt? Wir wollen, dass die hervorragenden Angehörigen-Beratungsstellen und das, was sich aus den Trägerstrukturen entwickelt hat, sowie das, was sich in den Kommunen bereits getan hat, qualitativ weiterentwickelt werden.

Wir sind auf einem guten Weg, was die weiterhin kostenfreie Ausbildung in der Altenpflege anbelangt. Hierüber haben wir wiederholt diskutiert. Ich darf auf den Vier-Punkte-Plan, den die beteiligten Ministerien gemeinsam mit den Trägern und den Berufsverbänden entwickelt haben, verweisen. Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Kürzung in Bezug auf den Bayerischen Landesplan für Behinderte den Hinweis: Diskussionen und Entscheidungen über den Haushalt erfolgen abschließend im März. Dann diskutieren wir wieder über dieses Thema.