Als nächsten Redner bitte ich Herrn Kollegen Seidenath ans Mikrofon. Als Nächste hat dann Frau Dr. Strohmayr das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst beschäftigt uns heute im Hohen Hause im Rahmen der Zweiten Lesung zu Ihrem Gesetzentwurf zum Bayerischen Gleichstellungsgesetz. Liebe Frau Stamm, ich ver
In den letzten Wochen haben wir uns in den Ausschüssen sehr intensiv mit dem Thema Gleichstellung von Männern und Frauen und Ihrem Gesetzentwurf befasst. Wir haben ihn ausführlich erörtert. Wir haben die Argumente ausgetauscht mit dem Ergebnis, dass wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. Das hat mehrere Gründe. Nicht, dass uns die Förderung von Frauen nicht am Herzen liegt. Ganz im Gegenteil, die Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst ist ein enorm wichtiges Ziel. Das Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, haben wir noch nicht erreicht. Nein, wir werden den Gesetzentwurf ablehnen, weil sich das geltende Bayerische Gleichstellungsgesetz bewährt hat und Ihr Gesetzentwurf neue Bürokratie aufbauen und höhere Kosten verursachen würde. Er enthält keine Lösungen zur Verbesserung der Situation der Frauen. Aus diesem Grund ist er nicht zeitgemäß.
- Liebe Frau Stahl, ich habe noch acht Minuten Redezeit. Ich freue mich, Ihnen das in den verbleibenden acht Minuten genau zu erläutern.
- Wenn Sie mir bitte zuhören würden. Das geltende Bayerische Gleichstellungsgesetz hat sich bewährt und ist sehr erfolgreich. Der öffentliche Dienst ist längst Vorreiter für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Das liegt an vielen Instrumenten, die ich an dieser Stelle schon oft genannt habe und auf die ich deshalb nicht mehr explizit eingehen möchte. Es gibt die vielen Arbeitszeitmodelle, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten sowie die Wohnraum- und Telearbeit. Das sind alles Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, und zwar für Frauen wie für Männer. Darauf kommt es an, wenn wir im öffentlichen Dienst Beschäftigte mit Erziehungserfahrung fördern und für Führungspositionen gewinnen wollen.
Seit 2008 ist die Berücksichtigung von Erziehungszeiten als Dienstzeit auf inzwischen drei Jahre verdreifacht worden. Das Staatsziel, das im Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung verankert ist Frau Stamm hat es zitiert -, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung, wird von uns also weiter konsequent verfolgt. Solche praktischen Maßnahmen helfen weit mehr als Änderungen des
Rechtsrahmens und Vorrangstellungen im Gesetz. Meine Damen und Herren, das sind die zahnlosen Tiger und nicht unser Gleichstellungsgesetz, das Sie mit diesen unschönen Worten belegt haben.
Das Gegenteil ist der Fall. Das Bayerische Gleichstellungsgesetz hat sich bewährt. Frau Stamm, Sie fordern eine Frauenquote von 50 %. Im Staatsdienst in Bayern haben wir bereits eine weibliche Beschäftigungsquote von exakt 50 %. In der gesamten öffentlichen Verwaltung in Bayern beträgt die Frauenquote sogar 55,8 %. Die Einführung einer Frauenquote ist deshalb nicht erforderlich. Das ist eine ganz einfache Antwort auf Ihre Frage. Wir brauchen keine Quote mehr. Selbstverständlich besteht weiterhin Nachholbedarf in den Führungspositionen. Die Steigerungsraten sind jedoch auch hier sehr beachtlich: 8 % in der öffentlichen Verwaltung und 7,1 % im Staatsdienst des Freistaats Bayern in den letzten fünf Jahren. Aktuell beträgt die Frauenquote in Führungspositionen im öffentlichen Dienst ziemlich genau 40 %.
- Mit Rücksicht auf die Zeit gestatte ich keine Zwischenfrage. Ich freue mich aber auf eine Zwischenbemerkung im Anschluss.
Es ist ganz logisch, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst steigt. Frauen haben die besseren Noten und die besseren Studienabschlüsse. Der Staat stellt nach Note und nicht nach Quote ein. Davon profitieren insbesondere die jungen Frauen. In der Regel werden Frauen bereits in jüngeren Jahren als Männern Führungspositionen übertragen. Das ist eine richtige Entwicklung. Die Zeit läuft für die Frauen. Ich betone noch einmal, was ich versucht habe, Ihnen letzte Woche zu erklären: Sie können nicht einfach einen Schalter umlegen und die Führungspositionen sofort allesamt mit Frauen besetzen. Erst wenn eine Stelle in der Führungsebene frei wird, kann sie durch eine Frau nachbesetzt werden. Das muss und wird wachsen. Es handelt sich um einen homogenen Prozess. Der öffentliche Dienst in Bayern ist gerade für Frauen ein hoch attraktiver Arbeitgeber. Mit den bewährten Instrumenten befinden wir uns auf dem richtigen Weg.
Wir werden Ihren Gesetzentwurf aber vor allem deshalb ablehnen, weil er zusätzliche Bürokratie und höhere Kosten verursacht und zu viele detailreiche neue Standards enthält. Wir brauchen keinen Landesbeauftragen für Gleichstellung. Das ist ja das eigentlich Neue in Ihrem Gesetzentwurf. Die Einführung eines Landesbeauftragten für Gleichstellung ist das Kernstück Ihres Gesetzentwurfs. Das würde nur zusätzli
che Bürokratie und höhere Kosten verursachen. Ein Landesbeauftragter für Gleichstellung braucht eine eigene Geschäftsstelle und eigene Haushaltsmittel. Wir haben jedoch bereits eine Gleichstellungsbeauftragte in Gestalt der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer. Die Zahlen beweisen, dass sich das bisherige System bewährt hat.
Sie fordern Gleichstellungsbeauftragte für alle Dienststellen ab 20 Beschäftigten. Bisher ist das für Dienststellen ab 100 Beschäftigten vorgesehen. Das ist neue Bürokratie. Sie fordern verpflichtend Gleichstellungsbeauftragte für kreisangehörige Gemeinden ab 3.000 Einwohnern. Bisher ist das dort freiwillig möglich. Das ist neue Bürokratie. Sie fordern ein förmliches Rederecht in den kommunalen Gremien und viele neue Beteiligungstatbestände für die Gleichstellungsbeauftragten. Zudem sollen die Gleichstellungsbeauftragten ein förmliches Widerspruchsrecht erhalten. Derzeit gibt es ein Beanstandungsrecht. Das hat sich in der Praxis bewährt. An dieser Stelle besteht somit kein Regelungsbedarf. Sie fordern Einsichtsrechte in Personalakten - Bürokratie überall. Sie fordern Mindestfreistellungen von einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, gestaffelt nach der Größe der Dienststelle. Hierfür gibt es keinen Regelungsbedarf, da sich dies in der Praxis bereits gut eingespielt hat. Sie sehen ebenfalls eine Mindestausstattung der Gleichstellungsbeauftragten mit Personal und Mitteln vor. Bisher wird dies individuell und gut geregelt. Das braucht es nicht. Diese Bürokratie müssen wir nicht haben.
Das ist der rote Faden, der sich durch Ihren Gesetzentwurf zieht: Mehr Demokratie, höhere Kosten, neue Standards. Meine Damen und Herren, das ist deswegen von Nachteil, weil der im Jahre 2006 mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgehandelte Kompromiss zum Ziel hatte, im Falle einer Verlängerung des Gleichstellungsgesetzes keine zusätzliche Bürokratie und keine zusätzlichen Kosten aufzubauen. Die Kommunen haben nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass keine neue Bürokratie auf sie zukommt. Dieses partnerschaftliche Miteinander, diesen Kompromiss kündigen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf auf. Sie könnten sagen: Was stört uns das? Wir sind der Gesetzgeber. Ja, wir brauchen die Kommunen aber auch künftig. Wenn Sie diesen Kompromiss brechen, brauchen Sie künftig keine Abmachung mehr mit den Kommunen zu treffen. Dort heißt es dann: Nach drei oder vier Jahren wird sowieso wieder alles anders gemacht. Alle Versprechungen sind umsonst gewesen.
Meine Damen und Herren, in gleicher Weise wollen Sie die Berichtsintervalle auf zwei Jahre verkürzen.
Die Berichtsintervalle betragen derzeit fünf Jahre. Das war ebenfalls ein Bestandteil dieses Kompromisses mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wenn Ihnen die Berichte wirklich so wichtig sind, frage ich mich, warum Sie nicht den Vierten Bericht von Frau Staatsministerin Haderthauer abgewartet haben. Die Erste Lesung zu Ihrem Gesetzentwurf hat am 19. Oktober 2010 stattgefunden. Der Bericht ist am 9. November 2010 gegeben worden. Damit zeigen Sie, dass Ihnen der Bericht überhaupt nicht wichtig ist.
Ihnen ist egal gewesen, was da drin steht. Damit widersprechen Sie sich selbst. Diese Forderung haben Sie selber widerlegt. Meine Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, reiht sich dies mühelos in die Vielzahl an schriftlichen Anfragen, mit denen einige Abgeordnete dieses Hauses die Staatsregierung überhäufen, ein. Im besten Falle werden diese schriftlichen Anfragen zur Kenntnis genommen. In der Regel werden sie jedoch gestellt, um abgeheftet zu werden.
Mit Ihrem Gesetzentwurf bringen Sie nichts Innovatives. Sie setzen auf Althergebrachtes und weiten dies in überbürokratischer Weise aus. Der Lichtblick des Gesetzentwurfs - das möchte ich nicht verhehlen - ist die Einbeziehung und Förderung von Männern in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind.
Sehr gut. Was genau brächte nun die Gleichstellung von Männern und Frauen wirklich voran? Wir müssen mehr Väter als bisher an der Familienarbeit beteiligen. Wir müssen dafür werben, dass Väter noch mehr und länger als bisher die Partnermonate im Rahmen der Elternzeit in Anspruch nehmen. In diesem Fall würde sich der Malus ausgleichen, den viele Frauen derzeit noch bei vielen Arbeitgebern haben. Erst wenn die Arbeitgeber merken, dass Männer genauso wie Frauen aufgrund der Kindererziehung pausieren können, wird es kein Einstellungs- oder Karrierehindernis für Frauen mehr geben. Aber dazu findet sich in Ihrem Gesetzentwurf nichts, überhaupt nichts, und die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen manche Passagen Ihres Gesetzentwurfes stelle ich hintan. Diese habe ich bei der Ersten Lesung bereits genannt. Ich fasse zusammen: Im öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren, haben wir das Ziel der Gleichstellung noch nicht erreicht, aber wir sind auf einem guten, auf einem stetigen Weg nach oben, auch und gerade im Bereich der Führungspositionen, mit den bisher gültigen Instrumenten, die sich bewährt haben. Ihr Gesetzentwurf bringt demgegenüber keine Verbesse
rung. Im Gegenteil, er setzt auf veraltete, bürokratische Mittel und ist in weiten Teilen nicht zeitgemäß. Er ist anachronistisch, deshalb werden wir ihn ablehnen.
Wir haben nun noch die bereits angekündigte Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Stamm. Bitte schön, Frau Kollegin.
Ich verzichte ebenfalls auf einiges, was ich in der Ersten Lesung und in den Beratungen gesagt habe, zum Beispiel dass es damals ein Meilenstein war, dieses Gesetz einzuführen, dass man aber jetzt bei der Evaluierung gemerkt hat: Es ist nicht so, wie man es gerne hätte. Deshalb steht in diesem Bericht, dass aktive Personalentwicklungsmaßnahmen notwendig sind.
Noch eine kleine Randbemerkung dazu: Ich finde es ziemlich schade, dass Sie mich sozusagen nochmals auffordern, darauf einzugehen, dass die Evaluierung sehr wohl schon im August vorlag. Ich habe mit meinem Gesetzentwurf den Evaluierungsbericht abgewartet, den Frau Staatsministerin quasi hinter unserem Rücken der Presse vorgestellt hat und den wir uns kompliziert holen mussten. Wenn Sie ihn nicht kannten, kann ich auch nichts dafür. Aber wir haben ihn uns besorgt. Ich hatte ihn im Sommer, und aufgrund dessen ist der Gesetzentwurf entstanden.
Nun aber zu meiner Frage, die Sie, Herr Seidenath, wieder nicht beantwortet haben: Meine Frage war nicht, warum in den Einstiegsämtern nicht 50 % Frauen arbeiten. Ganz im Gegenteil, ich habe gesagt nach oben kommen die Frauen nicht. Deswegen brauchen die Aufstiegsämter eine Quotierung nach oben. Die andere Frage war: Wie wollen wir als Gesetzgeber der Wirtschaft verdeutlichen, dass es eine Quote für Aufsichtsräte geben soll, wenn wir es ihnen nicht vormachen?
Das waren die beiden Fragen, die ich nach wie vor nicht beantwortet bekommen habe. Vielleicht können Sie sie auch nicht beantworten, aber gut.
Noch etwas zu "nicht zeitgemäß": Ich denke, dass sich der Katholische Deutsche Frauenbund, mit dem ich eine Pressekonferenz gegeben habe, um diesen Gesetzentwurf vorzustellen, sehr darüber freut, wenn er als größter Frauenverband Bayerns hört, dass das, was er unterstützt, nicht zeitgemäß sei. Normalerweise sind das natürlich Verbündete von Ihnen, das ist
Zum einen, liebe Frau Stamm: Das können Sie mit dem Frauenbund selbst ausmachen. Ob er den Gesetzentwurf unterstützt hat, können Sie ihn selbst fragen. Das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Davon, dass Sie den Vierten Bericht gekannt haben, liebe Frau Stamm, ist in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nichts zu sehen und zu spüren. Deswegen konnte ich auch nicht davon ausgehen, dass Sie den Evaluierungsbericht gekannt haben.
Zur Quote möchte ich jetzt nicht groß einsteigen, sondern nur sagen: Wir sprechen hier über den öffentlichen Dienst, wir sprechen nicht über eine Quote in der Privatwirtschaft. Wir sprechen auch nicht darüber, wie es in der Privatwirtschaft per Saldo sein könnte. Es geht uns hier um die Verhältnisse im öffentlichen Dienst, und ich habe festgestellt - mehr werde ich auch nicht tun -, dass der öffentliche Dienst schon heute sowohl mit den Zahlen an weiblichen Beschäftigten, die wir haben, Vorreiter ist und sich die Wirtschaft schon heute sehr viel von dem abschneiden kann, was im öffentlichen Dienst des Freistaates Bayern insbesondere für die Frauen und vor allem auch für Beschäftigte mit Erziehungserfahrung geboten ist. Wir sind im öffentlichen Dienst Vorreiter für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Das ist es, was ich sagen wollte. Ich gebe es Ihnen gerne noch einmal auf Ihre Frage zur Kenntnis. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe 129 Kollegen leider sind nicht alle da -, liebe 58 Kolleginnen! Es ist gut, dass wir heute erneut im Rahmen der Zweiten Lesung zum Gleichstellungsgesetzentwurf der GRÜNEN über Gleichstellung diskutieren können. Wie dringend nötig dies ist, zeigt allein das Zahlenverhältnis von 129 Kollegen zu 58 Kolleginnen. Ich habe bereits in der vorigen Woche darauf hingewiesen, dass wir in diesem Jahr zum 100. Mal den Internationalen Frauentag feiern. Ich denke, das ist ein besonderer Anlass, hier noch einmal genauer hinzuschauen und Defizite, die nach 100 Jahren Frauenbewegung immer noch vorhanden sind, endlich zu beseitigen.
Der öffentliche Dienst hat eine Vorbildfunktion, und diese muss er auch wahrnehmen. Meine Kollegin hat eben schon darauf hingewiesen. So gebe ich auch die Hoffnung nicht auf, die männliche Mehrheit hier im Hause und die Frau Staatsministerin - ich habe Sie gerade da oben gesehen - von einer aktiven Gleichstellungspolitik zu überzeugen. Frau Haderthauer, ich sehe sehr wohl, dass in einer Riege von acht Männern und nur drei Frauen im Kabinett Gleichstellung nicht ganz oben auf der Agenda steht. Aber, Frau Haderthauer, es ist doch an Ihnen, etwas zu ändern.
Es ist an Ihnen, ein anderes Selbstverständnis einzufordern und ein Gender-Bewusstsein zu schaffen, Zielvorgaben zu machen und diese zu kontrollieren. Das sind Ihre Aufgaben, und ich fordere Sie nachdrücklich auf, diese auch wahrzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen leider feststellen, dass Berufs- und Karrierechancen auch 2011 im öffentlichen Dienst in Bayern noch verbessert werden müssen. Wir haben die Zahlen schon hundertmal ausgesprochen. Frauen erreichen auch in Bayern die besseren Schulabschlüsse. Es machen zum Beispiel 23 % der Frauen und nur 18 % der Männer Abitur. Trotzdem schaffen Frauen seltener den Sprung in die Führungsebene. Es gibt nur 11 % Professorinnen an Bayerns Hochschulen. Das ist weniger als in der Türkei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das kann doch nicht sein!