Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung wird nicht müde - ich denke an die letzte Gelegenheit, als sich Herr Staatsminister Zeil am Montag auf der Magistralen-Konferenz in Mühldorf äußerte -, die dramatische Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans, insbesondere der Schieneninfrastruktur in Deutschland, zu beklagen. Dabei haben er und seine Kolleginnen und Kollegen in Berlin es selbst in der Hand, hier etwas zu tun. Aber noch schlimmer ist, dass mit dieser an Berlin gerichteten Klage darüber hinweggetäuscht wird, dass es im eigenen Beritt, hier in Bayern, nicht besser ausschaut.
Wenn es, lieber Kollege Rotter, so nicht weitergehen darf, dann frage ich Sie: Wer hat denn in der Vergangenheit unsere Anträge auf eine bessere Mittelausstattung für die Staatsstraßen stets abgelehnt? Das war doch nicht irgendeine geheime Macht zwischen den Stühlen dieses Hohen Hauses, sondern das waren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und in den letzten zwei Jahren auch die Kollegen von der FDP.
Nicht unser Bewusstsein für das Problem Staatsstraßen muss sich ändern, sondern Ihr Bewusstsein. Damit meine ich vor allem das Bewusstsein der Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Vielleicht gibt es heute eine Wende zum Besseren. Vielleicht kommt es bei der Verabschiedung des Haushalts zu der gemeinsam angestrebten besseren Mittelausstattung. Um der Klarheit und Wahrheit willen möchte ich betonen, dass der Ausbauplan, der letzte Woche im Wirtschaftsausschuss vorgestellt worden ist, nicht den wirklichen Bedarf für den Ausbau der bayerischen Staatsstraßen feststellt, sondern das von der Staatsregierung für notwendig Erachtete.
Das ergibt sich auch aus Ihren Worten, Herr Staatsminister Herrmann. Im Bulletin zur Kabinettssitzung haben Sie ausgeführt, kurz- und mittelfristig könnten nur die Projekte der ersten Dringlichkeit realisiert werden. Zwar soll jetzt noch mit den Planungsverbänden diskutiert werden, diese können jedoch keine zusätzlichen Projekte neu einbringen, sondern nur Projekte kostenneutral mit anderen tauschen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Plan nicht die Wirklichkeit widerspiegelt, sondern nur die alleräußerste Notwendigkeit, die Sie festgestellt haben.
Ich sage das nur zur Klarstellung, um der Auffassung zu begegnen, mit diesem Siebten Ausbauplan werde nun alles gut. Dieser spiegelt vielmehr die massiven Versäumnisse der vergangenen sechs bis sieben Jahre wider. Er ist eine Art Spiegelbilanz des bayerischen Staatsstraßenbaus im negativen Sinn.
Zwei Drittel der nun in die erste Dringlichkeitsstufe aufgenommenen Vorhaben sind nicht wirklich neu. Von den 668 in diesen Ausbauplan aufgenommenen Projekten waren 348 - das ist mehr als die Hälfte schon im Sechsten Ausbauplan enthalten. Neu aufgenommen wurden demnach lediglich 320 Projekte, also weniger als die Hälfte. Der in der Gesamtbetrachtung von fast 1.000 Projekten ermittelte Investitionsbedarf von 4,5 Milliarden Euro wurde auf 3,19 Milliarden Euro eingedampft, von denen der Freistaat letztlich rund 3 Milliarden finanzieren muss. Aber nur eine einzige Milliarde soll in den nächsten zehn Jahren tatsächlich investiert werden. Damit, sehr geehrter Herr Staatsminister, wird der laufende Vermögensverzehr an unseren Staatsstraßen lediglich verzögert, nicht aber gestoppt.
Bei Vorhaben, die erst im Jahr 2025 und danach realisiert werden sollen, noch von Dringlichkeit zu reden, spottet im Übrigen dieser Beschreibung.
Eher erheitert hat mich Ihre Bemerkung, Herr Staatsminister, auf Seite 6 Ihres Berichts vom 23. Februar an die Frau Landtagspräsidentin, wo Sie schreiben, selbstverständlich könne die Realisierung der drei Dringlichkeitsstufen beschleunigt werden, wenn der Bayerische Landtag dauerhaft mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr bewilligte, was Sie insbesondere im Interesse des ländlichen Raums begrüßen würden.
Damit rennen Sie bei uns offene Türen ein. Wir sagen dies schon seit Jahr und Tag. Wenn demnächst unse
re Anträge zum Staatsstraßenausbau zur Abstimmung kommen, können Sie beweisen, wie ernst Sie es damit meinen. Wir wollen wie die Freien Wähler eine deutliche Aufstockung der entsprechenden Titel über das hinaus, was Sie schon selbst angekündigt haben, und zwar um 15 Millionen Euro in diesem Jahr und um 30 Millionen Euro im nächsten Jahr. Diese Bemerkung hätten Sie sich, so denke ich, gut und gern sparen können.
Spannend ist die nähere Betrachtung der 201 Projekte, die nicht in den Siebten Ausbauplan übernommen wurden. Denn im letzten Ausbauplan wurde ja zumindest ein Teil davon für dringend notwendig erachtet. Es wäre schon interessant zu wissen, wie sich diese 201 Projekte auf die drei auf Seite 12 Ihres Berichts genannten Kriterien verteilen. Wie viele fallen unter die neue Mindestgrenze von 1 Million Euro? Wie viele werden außerhalb des Ausbauplans, zum Beispiel von den Kommunen, realisiert? Und vor allem: Welches und wie viele Projekte mit welcher Investitionssumme werden von diesen 201 Projekten als nicht bauwürdig erachtet?
Die Liste, die uns letzte Woche vorgelegt worden ist, enthält also viele Fragezeichen und vor allem einigen Sprengstoff. Sie muss in den nächsten Wochen intensiv geprüft werden, und sie ist vor allem eines: eine Liste der enttäuschten Erwartungen.
Das lässt sich an vielen Einzelbeispielen festmachen. Ich will im Hinblick auf die mir noch zur Verfügung stehende Zeit nur auf die Ortsumfahrung für Eslarn an der Grenze zur Tschechischen Republik hinweisen. Sie hatte im Sechsten Ausbauplan oberste Priorität; jetzt ist sie komplett herausgefallen. Die Vorplanungen sind beendet, die Umweltprüfung ist abgeschlossen. Diese Umgehung sollte die Schönseer Region an die A 6 anschließen und damit wichtigen Gewerbebetrieben in dieser Grenzregion einen Anschluss an die A 6 und damit in die große weite Welt ermöglichen. Dieser ist nach wie vor ein außerordentlich wichtiger Standortfaktor, der jetzt durch die Streichung dieser Straße quasi konterkariert wird. Die A 6 wäre auch im Hinblick auf die Verbindung zu den Handelswegen nach Osten wichtig. Aber die A 6 ist keine zentrale Örtlichkeit.
Dieses Beispiel zeigt die Problematik der sogenannten Raumwirksamkeitsanalyse auf, die nunmehr als weiteres Kriterium neben der Kosten-Nutzen-Analyse und der Umweltverträglichkeitseinschätzung in die Bewertung eingeflossen ist. Je höher die Verbindungsfunktion einer Straße und je strukturschwächer
der Raum ist, desto größer wird die raumordnerische Relevanz des Projekts gesehen. Das bedeutet: Würde sie ein Oberzentrum mit einem Oberzentrum verbinden, so hätte sie oberste Priorität. Aber solche Oberzentren gibt es nun einmal im ländlichen Raum höchst selten, und schon gar nicht wäre dies dann ein strukturschwacher Raum.
Diese Konstellationen gibt es eben im ländlichen und im strukturschwachen Raum höchst selten. Hier wäre es wichtig, den Anschluss ans übergeordnete Straßennetz, gerade hier an eine Bundesautobahn, entsprechend zu gewichten und zu sagen: Das wird genauso behandelt wie die Verbindung zu einer zentralen Örtlichkeit, und deswegen erhält eine solche Straße eine höhere Bewertung. - So fällt sie einfach durch das Sieb.
Zum Schluss will ich nicht vergessen, an die Probleme zu erinnern, die unsere Kommunen haben. Im Informationsbrief 2/2011 des Bayerischen Städtetags wird ausgeführt, dass für die 18.000 km Kreisstraßen und 100.000 km Gemeindestraßen dasselbe wie für die 13.600 km Staatsstraßen gilt. Denn alle bilden zusammen ein zusammenhängendes, eng verwobenes Netz, und überall hat der Winter seine Spuren hinterlassen. Deswegen halten wir es für dringend erforderlich, dass auch den Kommunen und Gebietskörperschaften geholfen wird. Es muss im Interesse des Freistaats Bayern liegen, eine funktionierende Straßeninfrastruktur zu haben, und zwar im gesamten Bereich des hierarchisch aufgebauten Straßennetzes. Wir dürfen die Kommunen mit den Schlaglöchern auf ihren Straßen nicht allein lassen.
Deswegen fordern wir auch einen entsprechenden Mittelansatz zur Unterstützung der auch insofern notleidenden Städte, Kreise und Gemeinden in unserem Freistaat Bayern.
Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat der Kollege Thomas Mütze das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift zur heutigen Aktuellen Stunde auf Vorschlag der Freien Wähler ist eigentlich falsch gewählt. Richtig müsste sie heißen: Der Erhalt der Staatsstraßen ist unterfinanziert.
Das ist diesem Hohen Hause und auch dem Herrn Innenminister sehr wohl bekannt. Ein paar Fakten dazu: Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat erst letztens in seinem Bericht 2010 nach 1995, 1998, 2001 und 2004 erneut darauf hingewiesen, dass für den Neu-, Um- und Ausbau der Staatsstraßen in Bayern weiterhin mehr Geld ausgegeben wird als für den Erhalt. Der aktuelle Haushalt enthält 48,8 Millionen Euro für die Bestandserhaltung, insbesondere für den Deckenbau mit Verbesserungen im Grund- und Aufriss. Im Jahr 2012 werden es 47,8 Millionen Euro sein. In den Haushalt ist also schon einmal wenig Geld für den Bestandserhalt eingestellt. Dafür, wie es mit dem Soll und dem Ist so ist, ein Beispiel aus dem Soll 2008: Dort ist von 71 Millionen Euro die Rede. Das klingt relativ gut im Vergleich zu dem, was in den nächsten beiden Jahren eingestellt werden soll. Wenn wir uns das Ist ansehen, also den Betrag, der tatsächlich für die Bestandserhaltung ausgegeben worden ist, stehen da aber nur noch 60 Millionen Euro für das Jahr 2008. Das bedeutet: Der Bestandserhaltung geht es bei der Haushaltsumsetzung definitiv immer an den Kragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut der Obersten Baubehörde - Herr Poxleitner hat im "Staatsanzeiger" erst kürzlich wieder ein Interview gegeben - haben wir bei der Bestandserhaltung einen Nachholbedarf von 720 Millionen Euro. Diese 720 Millionen Euro müssten wir eigentlich in den nächsten Jahren abbauen. Der vergangene Winter hat sicher ein Übriges dazu getan, dass hier Mittel notwendig wären.
Jetzt kommt der Siebte Plan zum Ausbau der Staatsstraßen. Der nächste Wunschzettel für 668 neue Projekte liegt damit auf dem Tisch. Allein diese Planungen haben ein Finanzvolumen von 3,2 Milliarden Euro. Letzte Woche wurde im Wirtschaftsausschuss dargestellt, dass für die Umsetzung pro Jahr 100 Millionen Euro vorgesehen sind. Das ist eine einfache Rechnung: Wir werden 32 Jahre an diesem Plan arbeiten müssen, um ihn umzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, langsam stellt sich schon die Frage, ob es die Staatsregierung nicht wahrhaben will oder ob sie es intellektuell nicht nachvollziehen kann, dass es so nicht weitergehen kann.
Wir haben Staatsstraßen im Umfang von 13.500 km. Dank dem ORH wissen wir, dass 63 % der Staatsstraßen, was ihren Zustand angeht, die Warn- bzw. Schwellenwerte überschreiten. Sie sind damit in einem so schlechten Zustand, dass Beobachtung bzw. unverzügliches Handeln notwendig ist. Bei jeweils 48 Millionen Euro in diesem Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre muss ich feststellen: Die
Der Finanzbedarf, den der ORH nur für den Bestandserhalt nennt, beläuft sich auf 100 Millionen Euro. Wenn wir auch noch diese Summe abarbeiten wollten - ich erinnere an die genannten 720 Millionen Euro -, wären wir schon bei 170 Millionen Euro. Herr Kollege Glauber hat darauf hingewiesen. Merken Sie etwas? - 100 Millionen Euro sind die Summe, die uns überhaupt für den Aus- und Umbau der Staatsstraßen zur Verfügung steht. Hier kann irgendetwas nicht stimmen.
Da wir gerade beim Geld sind: Wir wissen schon heute, wo dieser Staatsstraßenausbauplan vorgelegt wird, der für die nächsten 32 Jahre konzipiert sein soll, dass die Mittel in den nächsten 20 Jahren mit Sicherheit nicht steigen werden. Ich erinnere an die Schuldenbremse des Grundgesetzes, die im Jahr 2020 auf die Länder ausgedehnt wird. Die finanziellen Spielräume werden dadurch sicherlich nicht erweitert.
Was ist das Fazit? Diese Ausbaupläne sind wie alle vorherigen Pläne hoffnungslos unterfinanziert und außerdem gnadenlos überdimensioniert. Welche Wirkungen hat ein solcher Plan? Erstens. Wirklich wichtige Planungen werden nicht umgesetzt, obwohl möglicherweise in der Region für sie ein breiter Konsens besteht. Weil sie unter "Ferner liefen …" rangieren, sind sie nur noch ein Projekt unter vielen. Zweitens. Die Aufnahme eines solchen Projektes in einen Plan ist immer ein Versprechen an die Kommune, dass sie ihre Ortsumfahrung bekommt; vielleicht nicht morgen, vielleicht aber übermorgen. Sie kommt auf jeden Fall. "Wir bauen eure Straße." Drittens. Was erreicht man dadurch bei den Menschen? Man schürt entweder Erwartungen oder sorgt bei denen, die darunter leiden werden, für Ängste, dass sie in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt werden könnten. Und dann kommt die Straße doch nicht. Die Erfahrungen sprechen Bände. 200 Projekte des Sechsten Ausbauplans sind nicht in den Siebten Ausbauplan übernommen worden. Das bedeutet: Diese Projekte standen über ein Jahrzehnt im Plan und werden jetzt nicht verwirklicht. Was das für die Bevölkerung bedeutet, wage ich nicht, hier auszuführen. Dafür fehlt mir auch die Zeit.
Reduzieren Sie den Ausbauplan auf die wirklich wichtigen Projekte. Gehen Sie an die Bestandserhaltung der Staatsstraßen. Schaffen Sie keine weiteren Straßenkilometer, für die Sie dann auch nicht sorgen könnten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Aufgabe der Opposition ist es, auf ein Problem aufmerksam zu machen. Beim Straßenbau ist dies angebracht. Wir haben dort schon seit längerer Zeit ein Problem. Das ist aus den Zahlen abzulesen.
Wenn man zu einem späteren Zeitpunkt in die Debatte eingreift, dann sind bereits alle Zahlen genannt. Herr Glauber und Herr Mütze haben auf die 720 Millionen Euro aufmerksam gemacht, die nach Auffassung des Obersten Rechnungshofs zu investieren wären. Im neuen Plan sind 668 Projekte enthalten. Herr Kollege Rotter hat vorgerechnet, wie viel Geld wir aufwenden wollen und in Aussicht gestellt, dass es mehr werden könnte. In Zeiten knapper Kassen müssen jedoch sehr oft Wünsche offen bleiben, wie das beim Straßenbau seit einiger Zeit der Fall ist.
Die Liberalen haben eine klare Prioritätensetzung: Wir wollen zuerst die Sanierung der Straßen, dann den Ausbau bestehender Straßen und erst dann den Bau von Umgehungsstraßen. Aus umweltpolitischer Sicht ist dieser Gedankenansatz nicht der schlechteste. Wir haben gemeinsam die Aufgabe, darum zu ringen, wie wir diese Ziele erreichen können. Ich muss bemängeln, dass kein Redner der Opposition auch nur einen Gedanken auf die Frage verwendet hat, wo das Geld herkommen soll.
(Hubert Aiwanger (FW): Wo kommt es in fünf Jahren her, wenn die Kosten dreimal so hoch sein werden?)