Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

(Zurufe von der SPD)

Wir warten, bis alle wieder da sind. Das ist immer so. Wenn man raus geht, muss man wieder rein.

(Heiterkeit bei der CSU und der FDP - Dr. Tho- mas Beyer (SPD): Das war auch nicht angemessen, Frau Präsidentin!)

- Das war jetzt einfach eine Befreiung für mich. Entschuldigung.

Jetzt erteile ich Herrn Kollegen Thalhammer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in aller Form und von ganzem Herzen entschuldigen für das vorhin Gesagte. Es war eine falsche Wortwahl. Ich wollte diese Emotionen in gar keiner Weise hervorrufen und niemanden persönlich treffen. Es tut mir leid. Ich bitte darum, die Entschuldigung anzunehmen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich kann davon ausgehen, dass damit die Ältestenratsitzung nicht stattfin

den muss. Dafür darf ich mich sehr herzlich bedanken. Ich fahre in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zensus 2011: Datenschutzsensible Durchführung sicherstellen (Drs. 16/7615)

Zunächst darf ich Herrn Kollegen Hartmann das Wort erteilen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Frau Kamm!)

Entschuldigung. Das war meine Schuld. Als Nächste hat Frau Kamm das Wort.

Im letzten Dringlichkeitsantrag der heutigen Sitzung geht es um die Sicherstellung der datenschutzsensiblen Durchführung des Zensus 2011. Wir haben beim Zensus leider schon sehr viele Weichenstellungen durch das Bundesstatistikgesetz sowie auch durch das bayerische Durchführungsgesetz in diesem Hause erlebt. Der Zensus steht unmittelbar bevor. Im April werden die Bürgerinnen und Bürger mit Fragebögen zur Volkszählung konfrontiert. Daher ist dieser Antrag außerordentlich dringlich und ich bin sehr froh, dass wir ihn heute noch behandeln können.

Der Antrag gliedert sich in zwei Teile: in einen Antragsteil, der darauf abzielt, dass die Erhebungsfragebögen in fremden Sprachen nicht nur den Interviewern, den Erhebungsbeauftragten, zur Verfügung gestellt werden, sondern auch den Befragten, sodass sie selbstständig, wenn sie möchten, die Befragung online durchführen bzw. sich selbst schlau machen können, was die Kommentare zu den einzelnen Fragen in ihrer Heimatsprache bedeuten.

Zum anderen beantragen wir, dass die Hilfsmerkmale, also die personenbezogenen Daten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Erhebungszeitpunkt gelöscht werden. Die vom Zensus-Gesetz ermöglichte Löschfrist von vier Jahren darf bei Weitem nicht ausgeschöpft werden. Das gilt insbesondere für sensible Sonderbereiche. Dies sind beispielsweise Krankenhäuser, psychiatrische Einrichtungen, Justizvollzuganstalten, Frauenhäuser usw. Gerade dort ist diese Forderung besonders wichtig, weil es in diesen Einrichtungen zu einer hundertprozentigen Erfassung der Personen kommen soll. Es wäre außerordentlich fatal und sicherlich bedenklich, wenn diese personenbezogenen Daten auf irgendeine Art und Weise durch Probleme im Vollzug in die Hände Dritter gerieten.

Zum Zweiten ist im Antrag ein Berichtsteil enthalten. Wir fordern die Staatsregierung auf zu berichten, wie sie sicherstellen will, dass keine Mitglieder der NPD oder anderer extremistischer Organisationen als Erhebungsbeauftragte oder bei der Datenaufarbeitung am Zensus mitwirken. Wir streichen das Wort "rechts-" bei "rechtsextremistisch". Ich bin von mehreren Kollegen in diesem Haus gebeten worden, dies zu tun. Der Hintergrund, warum wir ursprünglich "rechtsextremistisch" geschrieben haben, ist der, dass bisher die NPD und andere rechte Organisationen ihr hohes Interesse an der Mitwirkung beim Zensus bekundet haben und glauben, dies politisch nutzen zu können. Von anderen extremistischen Organisationen war uns dies nicht bekannt; aber unbeschadet davon würden wir bei II.1 das Wort "rechts-" streichen. Uns geht es darum,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass es durch die Mitwirkung von NPD-Mitgliedern nicht dazu kommt, dass Adressdaten beispielsweise jüdischer Bürgerinnen und Bürger in die Hände von Organisationen oder Personen kommen, die diese nicht bekommen dürfen.

Wir fordern die Staatsregierung weiterhin auf, darzulegen, in welchen sensiblen Sonderbereichen Ausnahmen von der personenbezogenen Erhebung gemacht werden und gemacht werden können. Vielleicht können wir hierbei auch noch eine Verbesserung im Hinblick auf den Datenschutz erzielen. Außerdem fordern wir einen Bericht in Hinsicht auf die Umsetzung des Konnexitätsprinzips, da bereits erste Kommunen gesagt haben, sie könnten mit den vorhandenen finanziellen Mitteln nicht auskommen.

Der Zensus ist hinsichtlich des Fragebogens bereits festgelegt. Dennoch möchte ich nochmals darauf aufmerksam machen, dass wir bedauern, dass im Vorfeld keine weitergehenden Schritte im Hinblick auf den Datenschutz getroffen werden konnten und diese jetzt leider nicht mehr möglich sind. Beispielsweise ist durchaus zu kritisieren, dass im Zensus unter anderem auch gefragt werden soll, wer bzw. wessen Eltern 1956 oder später in das heutige Gebiet der Bundesrepublik eingereist sind. Ich denke, wir brauchen gute Daten für unsere gute Politik. Wir brauchen gute Daten, aber diese Daten brauchen wir nicht. Eine bessere Bildungspolitik braucht diese Daten nicht und eine bessere Umwelt-, Sozial- oder Wohnungspolitik ebenfalls nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mehr als problematisch ist überdies die verpflichtende Erfassung der Religionsgemeinschaftszugehörigkeit. So wird zum Beispiel gefragt, ob jemand römisch-ka

tholisch ist oder der Evangelisch-Freiheitlichen Kirche, der Orthodoxen Kirche, der Jüdischen Kirche oder sonstigen Religionsgemeinschaften angehört. Aus datenschutzrechtlicher Sicht handelt es sich um ein äußerst sensibles Erhebungsmerkmal, und es wäre wirklich gut gewesen, auf dieses Merkmal zu verzichten. Umso notwendiger ist es, wenigstens sicherzustellen, dass diese Daten nicht in unbefugte Hände gelangen. Dies wollen wir mit diesem Antrag erreichen, und hierfür bitten wir um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Die nächste Wortmeldung hat Herr Kollege Lorenz; er ist schon da. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass wir im Hohen Hause sowie in diversen Ausschüssen bereits grundsätzliche Diskussionen zum Zensus geführt haben, spare ich mir die allgemeinen Ausführungen und gehe gleich auf den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ein.

Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, auch wenn wir vielen Formulierungen, die Sie in der Begründung gemacht haben, nicht folgen können. Aber das, was Sie zumindest in Ihrem Antrag fordern, wird ohnehin getan, und das, was Sie im zweiten Punkt fordern, ist ebenfalls bereits geregelt. Es spricht überhaupt nichts dagegen, über Dinge, die bereits jetzt vorgesehen und gut geregelt sind, zu berichten.

Sie fordern, dass die Übersetzung des Fragebogens den Bürgern zur Verfügung gestellt wird. Natürlich ist dies sinnvoll und richtig. Alles andere wäre nicht sinnvoll. Aber ich möchte auch klar feststellen: Beim offiziellen Fragebogen, also beim Erhebungsbogen, ist die Amtssprache Deutsch. Das heißt, das Ausfüllen des offiziellen Erhebungsbogens hat auf dem deutschen Fragebogen zu erfolgen, und selbstverständlich kann die Übersetzung hilfsweise, falls jemand dies wünscht, ausgehändigt werden. Aber ausgefüllt wird, damit kein Missverständnis auftritt, der deutsche Bogen. In welcher Form der Befragte dies tut, ob er es online oder mit Freunden, Bekannten, der Familie oder auch selbst macht, ist selbstverständlich der Person zu überlassen. Insofern trifft natürlich Ihre Begründung zu Punkt 1 nicht zu. Dies ergäbe keinen Sinn und war so auch nicht beabsichtigt.

Ich kann Ihnen auch sagen, in welchen Sprachen der Fragebogen angeboten werden soll: Das sind die Sprachen Türkisch, Russisch, Serbokroatisch, Italienisch, Polnisch und Englisch. Natürlich wird auch bei der zweiten Frage, bei der Gebäude- und Wohnraumzählung, die Möglichkeit gegeben, eine Übersetzung

in den genannten Sprachen zu finden. Diese soll online erfolgen. Ob es vielleicht noch möglich ist, dass man sie dem Erhebungsbeamten mitgibt, müssen wir noch prüfen. Aber online ist auf jeden Fall auch an ein Übersetzungsverfahren gedacht.

Zum nächsten Punkt. Die Staatsregierung wird aufgefordert, über die drei Punkte zu berichten. Auch dies ist geregelt, und zwar auch im Zensusgesetz, § 14 Absatz 1. Darin steht ganz klar, dass es ein strenges Auswahlverfahren für die Auswahl der Prüfer, der Erhebungsbeamten gibt. Das ist gängige Praxis, im Übrigen auch bei anderen Statistiken wie dem Mikrozensus. Darin ist klar geregelt, dass nur solche Personen eingesetzt werden, die die Gewähr für Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit bieten. Sofern zum Beispiel aufgrund der beruflichen Tätigkeit oder aus anderen Gründen Anlass zur Besorgnis besteht, dürfen diese Personen nicht ausgewählt werden.

Die Daten sind selbstverständlich vertraulich zu behandeln. Wenn jemand dagegen verstößt, dann steht das unter Strafe. Hier gilt § 203 des Strafgesetzbuchs. Die Sache ist also ganz klar geregelt. Es handelt sich da um eine gängige Praxis, die auch für andere Erhebungen maßgebend ist.

Bezüglich der Konnexität gibt es eine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Auch da ist ganz klar geregelt, wie die Kostenerstattung vorgenommen wird. Ich kann Ihre Frage explizit beantworten. Für jede Erhebungsstelle werden 38.300 Euro als Basiszuweisung vorgesehen. Im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung werden für jedes bearbeitete Gebäude 10,99 Euro erstattet. Und so geht das weiter.

Heute haben wir den 2. März. Am 1. März, also gestern, haben die Kommunen bereits 65 % der prognostizierten Kosten als Abschlagszahlung auf ihrem Konto erhalten.

(Beifall bei der CSU)

Wenn das keine prompte Erledigung der Wünsche ist, dann weiß ich nicht, was wir noch tun sollen. Die Kommunen haben also 65 % bekommen, obwohl noch keine Kosten angefallen sind. Der Rest der Kosten wird überwiesen. Darüber gibt es ein Einvernehmen mit dem Städtetag.

Ich will Ihnen jetzt nicht erzählen, wie die Einzelheiten geregelt sind. Das kann die Staatsregierung machen. Da bekommen Sie das auch schriftlich.

Insofern ist es völlig unproblematisch, Ihrem Antrag zuzustimmen, mit der von Ihnen genannten Ein

schränkung, dass das Wort "rechts-" im Wort "rechtsextremistisch" gestrichen wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Ritter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon fast befürchtet, dass, nachdem Kollege Lorenz versucht hat, hier vorab den Bericht zu geben, der Antrag jetzt für erledigt erklärt wird. Aber es wird durchaus noch einiges zu regeln sein.

Es ist klar, dass man für eine so große Maßnahme wie den Zensus 2011 Vertrauen herstellen muss. Datenschutz ist Vertrauenssache. Deshalb muss versucht werden, das Zensusverfahren für die Bürgerinnen und Bürger so transparent wie möglich und auch so sicher wie möglich zu gestalten.

Es hat im Vorfeld eine ganze Reihe von Diskussionen über den Datenschutz gegeben. Viele Dinge wurden umgesetzt, manche aber leider nicht. Der Datenschutzbeauftragte für den Freistaat Bayern verweist unter anderem darauf, dass versucht worden ist, auf eine personenscharfe Erhebung in den sogenannten Sonderbereichen zu verzichten, auf die Kollegin Kamm schon hingewiesen hat.

Diese Dinge konnten im Gesetz leider nicht umgesetzt werden. Dafür wird aber versucht, frühzeitig eine Trennung und Löschung der personenbezogenen Hilfsdaten oder Hilfsmerkmale umzusetzen.

Nichtsdestotrotz beträgt hier die maximale Speicherfrist für die Hilfsdaten vier Jahre. Wir sind der Auffassung, dass man diese vier Jahre nicht bis zum Letzten ausnutzen muss.

Der Antrag greift einige Probleme auf, die es im Zusammenhang mit dem Zensus nach wie vor gibt.

Die Bestrebungen der NPD, sich in Maßnahmen der Zählung einzuschleichen, sind mittlerweile bekannt geworden; die machen immer mehr die Runde. Ich denke, auch hier ist vonseiten der staatlichen Stellen eine möglichst gute Transparenz notwendig, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht verunsichert werden. Für den Zensus wäre nichts tödlicher, als wenn sich die Bürgerinnen und Bürger massenhaft Sorgen darüber machen müssten, was mit ihren Daten geschieht.

Für die bayerischen Bürgerinnen und Bürger muss also eine Gewissheit hergestellt werden. Dazu dient der Antrag. Aus diesem Grund werden wir ihm zustimmen.