Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Vielen Dank, Herr Kollege. Kollege Klaus Steiner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet, für die ich ihm das Wort erteile. Bitte schön.

Herr Kollege, meine Frage bezieht sich auf Ihre letzten drei Sätze. Sie sagen, die Freien Wähler stehen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für regionale Konzepte. Im Landkreis Traunstein wurde in Waging am See vor vier Wochen von einem Bürgermeister Ihrer Partei eine Windparkanlage, die dort heftig diskutiert wurde, beerdigt. Das passt überhaupt nicht mit dem zusammen, was Sie erzählen. Was Sie erzählen, passt nicht zu dem, wie die Vertreter Ihrer Partei draußen agieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege, Sie haben das Wort zur Erwiderung, bitte.

Das mag in Traunstein der Fall sein. Sie haben im Parlament gegen den Ausstieg aus Isar 1 gestimmt, den die CSU in Landshut gefordert hat. Entscheidungen werden auf der lokalen Ebene manchmal anders getroffen. Wir Freien Wähler haben aber eine klare Zielrichtung, und die lautet: Ausbau der erneuerbaren Energien, auch der Windkraft.

(Beifall bei Abgeordneten der Freien Wähler)

Mir liegen keine weiteren Zwischenbemerkungen vor. Nächste Rednerin für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist Frau Kollegin Bause, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nahezu jeder Redner der CSU und der FDP hat heute betont, dass sich angesichts der Katastrophe in Japan ein "Weiter so" verbieten würde. Da sage ich: Gut so. Ich freue mich, dass Sie das heute hier sagen. Alles andere wäre aus meiner Sicht auch undenkbar gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist aber auch die Stunde der Wahrheit; heute müssen Sie sagen, ob Sie es mit Ihrer Aussage tatsächlich ernst meinen, dass es nicht mehr so weitergehen kann, dass wir umdenken müssen, dass wir unsere Energiepolitik auf eine andere Grundlage stellen müssen. Fukushima symbolisiert in der Tat das Ende des Atomzeitalters. Dieses Ende muss so schnell wie möglich besiegelt werden. Dieses Ende darf jetzt nicht zerredet werden, und das Ende darf nicht erst in 20, 30 oder gar 40 Jahren sein. Das Ende des Atomzeitalters muss so schnell wie möglich besiegelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Japan hat sich auf furchtbare Art und Weise gezeigt, was "Restrisiko" für die Menschen in Japan und vielleicht im ganzen pazifischen Raum bedeutet. Angesichts dieser Katastrophe verbieten sich jegliche Relativierung und Verharmlosung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere mich gut an all die Debatten, die wir seit 30 Jahren über Risiko, Gefahr und um eine angeblich hundertprozentige Sicherheit führen, die es gar nicht

geben kann. Alles von Menschen Gemachte kann niemals hundertprozentig sicher sein. Weil die Gefahren der Atomenergie so gigantisch sind und weil es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, verbietet sich die Nutzung der Atomenergie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir entscheiden nicht nur für uns, sondern auch für Menschen in anderen Ländern, die vielleicht gar keine Atomenergie nutzen, zum Beispiel in Österreich, und wir entscheiden für viele Generationen nach uns, die noch die Folgen unserer falschen Politik tragen müssen. Deswegen ist die Nutzung der Atomenergie nicht zu verantworten. Wir müssen schnellstmöglich aussteigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Sicherheitsversprechen, das uns die Atomlobby und die bis jetzt atomfreundlichen Parteien gegeben haben, hat sich als Lüge herausgestellt. Jetzt reden alle von Nachdenklichkeit. Sie wollen jetzt umdenken, sie wollen neu denken. Sie wollen Ihre bisherige Politik auf den Prüfstand stellen. Aber ich frage mich und mich fragen viele Menschen, mit denen ich rede: Wie ehrlich meinen Sie es mit Ihrer Nachdenklichkeit? Wie ernst ist es Ihnen tatsächlich damit, Herr Hünnerkopf? Meinen Sie es wirklich ehrlich oder inszenieren manche nicht nur ihre Betroffenheit und Lernfähigkeit, um nach dem sogenannten Moratorium die alte Politik fortzusetzen?

(Karl Freller (CSU): Das ist eine Unterstellung!)

- Das ist meine Frage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Frage stellen sich viele Menschen in diesem Lande. Ich frage mich: Meinen Sie es wirklich ernst mit einer neuen Energiepolitik, oder reden Sie nur auf der Vorderbühne von Nachhaltigkeit, während Sie sich auf der Hinterbühne alle Türen offen halten, um in ein paar Monaten die alte Politik fortsetzen zu können? Ich frage mich: Was passiert mit Ihren aktuellen Ankündigungen? Sind sie ernst gemeint, oder sind sie nur ein Beschwichtigungsversuch, um Ihre politische Haut zu retten? - Deswegen ist heute die Stunde der Wahrheit. Auf diese Fragen müssen Sie eine glaubhafte und ehrliche Antwort geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eines ist klar: Die Katastrophe in Fukushima ist auch ein Desaster für Ihre Glaubwürdigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU und der FDP.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts dessen, was Sie uns 30 Jahre lang über die Atomenergie erzählt haben, und angesichts dessen, dass eingetreten ist, was sich kein Mensch jemals hätte vorstellen können, geschweige denn in den schlimmsten Alpträumen sich hätte ausmalen wollen, liegt Ihre Glaubwürdigkeit zertrümmert am Boden. Wenn Sie heute sagen, Sie möchten die Dinge anders machen und neu nachdenken, müssen Sie Ihre zerstörte Glaubwürdigkeit von Grund auf neu aufbauen. Das geht nicht mit ein paar schönen Sätzen wie: Wir denken neu nach. Wir haben uns das auch nicht so vorstellen können. Wir sind auch erschüttert.

Wenn Sie Ihre Glaubwürdigkeit auf eine neue Grundlage stellen wollen, müssen Sie zunächst ein paar Schritte tun, die nachvollzogen werden können. Sie müssten als Erstes sagen: Wir haben uns geirrt. Wir sind 40 Jahre in die falsche Richtung gelaufen. Wir haben das erst heute bemerkt. Das müssten Sie schon tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Größe müssten Sie haben. Sie müssten sich bei den Menschen entschuldigen, denen Sie all die Jahre die Sicherheit versprochen haben, die sich jetzt als Täuschung herausgestellt hat. Das wäre angezeigt, um überhaupt zu einer neuen Glaubwürdigkeit zu kommen.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Wir erwarten auch, dass Sie spätestens jetzt auf jegliches Täuschungsmanöver verzichten und dass Sie tatsächlich handeln. Wir erwarten in diesem Zusammenhang, Herr Umweltminister Söder - Sie sind wieder da -, dass Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden und Ihre Handlungsmöglichkeiten ausnutzen. Ich erinnere Sie daran, Herr Söder, dass Ihr Ministerium die Aufsichtsbehörde für Isar 1 ist. Sie müssen prüfen, ob die Sicherheit in Isar 1 noch gegeben ist. Wenn Sie daran berechtigte Zweifel haben, was die Aussage vermuten lässt, dass Isar 1 nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sei, was wir seit vielen Jahren sagen, müssen Sie handeln und den Betreibern von Isar 1 sofort die Betriebsgenehmigung entziehen. Das ist Ihre Aufgabe und Ihre Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Erwin Huber (CSU): Sie haben doch keine Ahnung! Das ist Bundesrecht!)

Richtig, das Atomgesetz ist Bundesrecht. Aber im Atomgesetz ist geregelt, dass den Ländern die Auf

sicht obliegt. Das Umweltministerium ist die Aufsichtsbehörde in Bayern unter anderem für das Atomkraftwerk Isar 1.

(Erwin Huber (CSU): Das ist Auftragsverwaltung des Bundes!)

Wenn der Minister neue Erkenntnisse hat, wonach Isar 1 unsicher ist, muss er die Betriebsgenehmigung sofort entziehen. Er muss in Bayern handeln und darf die Verantwortung nicht nach Berlin schieben. Alles andere ist billig und unglaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daran bemisst sich Ihre Glaubwürdigkeit. Hier müssen Sie mit Taten zeigen, dass Sie gelernt haben und dass Sie bereit sind, Ihre Politik zu revidieren. Sie müssen sich auch im Bundestag mit Ihrer Bundestagsgruppe und im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Laufzeitverlängerung so schnell wie möglich zurückgenommen wird. Heute wurde schon mehrfach auf Ihre Aussage hingewiesen, dass wir einen neuen Energiekonsens brauchen. Ich erinnere noch einmal daran: Wir haben den Energiekonsens in den Regierungsjahren von Rot-Grün auf den Weg gebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich kann Ihnen sagen, dass uns GRÜNEN das sehr schwer gefallen ist, weil wir an manchen Kompromissen hart zu schlucken hatten. Wir hätten gerne einen schnelleren Ausstieg gehabt. Es war schwierig genug, den Energiekonsens zum Ausstieg so hinzubekommen. Wir haben es aber geschafft. Sie haben diesen Konsens gebrochen. Ihn jetzt neu einzufordern, ist nicht sehr glaubhaft. Sie haben den Konsens mutwillig zerstört.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie werfen uns vor, wir hätten auch nicht sofort abgeschaltet. Stimmt, das haben wir auch nicht getan, als wir an der Regierung waren, weil wir die Widerstände gesehen haben. Wir waren aber die ersten, die die Nutzung der Kernenergie in diesem Land begrenzt haben. Das hat Rot-Grün geleistet, und Sie haben diese Begrenzung aufgehoben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ein weiterer Punkt, an dem sich Ihre Glaubwürdigkeit bemisst, Kollege Glauber hat es angesprochen: Sorgen Sie dafür, dass es keine Übertragung von Restlaufzeiten geben kann. Was passiert denn im Moment? - Die Betreiber fahren die acht ältesten AKWs herunter, um ein bisschen Beruhigung in die Situation zu bekommen. Ich hoffe, dass sie endgültig abge

schaltet und stillgelegt werden. Die Betreiber rechnen aber damit, dass sie die Strommenge der alten AKWs auf die anderen AKWs übertragen können. Was bedeutet das konkret? - Das heißt, dass in Deutschland Atomkraftwerke möglicherweise bis 2050 laufen werden. Das ist kein Ende des Atomzeitalters. Das ist auch kein schneller Ausstieg. Das kann auch nicht die Konsequenz aus Fukushima sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich will zum Ausbau der erneuerbaren Energien etwas sagen, weil mehrfach sowohl von Herrn Kollegen Schmid als auch von Herrn Zeil angesprochen wurde, dass wir die Genehmigungsverfahren beschleunigen müssten. Ich bin sehr für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Ich bin aber absolut gegen die Beschneidung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir dürfen den Ausbau nicht vorantreiben, indem wir die Bürgerbeteiligung unterbinden. Wo sind wir denn?

(Eberhard Sinner (CSU): Acht Jahre reichen doch!)

Wir müssen den Ausbau mit den Menschen vorantreiben. Was glauben Sie denn, was passieren wird, wenn wir den Ausbau schnell durchziehen möchten? Sie werden große Widerstände haben. Meine Erfahrung aus vielen Gesprächen mit Bürgerinitiativen, die beispielsweise gegen Starkstromleitungen sind, ist, dass sie die Energiewende haben möchten, aber nicht haben möchten, dass durch die Leitungen, die über ihr Gebiet gehen, Atomstrom geleitet wird. Das ist die Grundlage.

(Erwin Huber (CSU): Das ist zum Lachen! Sie sind nicht politikfähig!)