Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Wir in der Region um Grafenrheinfeld fühlen uns seit dem Riss in dem Rohr nicht mehr sicher. Den Worten, die Sie heute in Ihrer Regierungserklärung diesem Parlament zur Kenntnis gegeben haben, müssen noch einige Taten folgen.

Es ist heute oft von der Notwendigkeit gesprochen worden, Isar 1 abzuschalten. Auch ich bin voll dafür. Wenn aber die Reststrommengen auf Grafenrheinfeld übertragen werden und das Restrisiko lediglich auf eine andere Region und andere Gesichter verlagert wird, dann bin ich damit nicht mehr einverstanden. Wer es mit der Sicherheit ernst meint, der kümmert sich sofort.

Herr Söder und Herr Seehofer, mir ist es wichtig, dass Sie jetzt zuhören: Im Dezember haben amerikanische Streitkräfte mit ihren Kampfjets Übungen über dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld veranstaltet. Noch im Februar meinte der damalige Verteidigungsminister, alle Sicherheitsabstände seien eingehalten worden. Für die unvermeidbaren Belastungen bat er um Verständnis. Angesichts von Fukushima können wir in der Region keine Überflüge von Kampfjets mehr gebrauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sich dafür einzusetzen, dass diese nicht mehr stattfinden, ist ein Auftrag, den ich Ihnen heute mitgebe. In einem offenen Brief fordert der Bürgermeister von Schwebheim, dass Sie mit den amerikanischen Streitkräften sofort Kontakt aufnehmen, damit solche Überflüge nicht mehr gestattet werden. Vielleicht haben mittlerweile auch die Amerikaner dafür Verständnis.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wir wollen wirkliche Sicherheit, vor allem deshalb, weil es mit den erneuerbaren Energien eine Alternative gibt. Deren Ausbau muss beschleunigt werden. Das schafft sichere Arbeitsplätze und verhindert Situationen, in denen es letzen Ende einiger Menschen bedarf, die mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass der atomare GAU oder Super-GAU für die Anwohnerinnen und Anwohner nicht so schlimm ausfällt. Das tut mir persönlich sehr leid.

Wirkliche Sicherheit erreichen wir nur mit dem Ausstieg aus der Laufzeitverlängerung und der Rückkehr zum gesellschaftlich akzeptierten, unter Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg, der gerade den Menschen in unserer Region nicht leichtgefallen ist. Aber wir stehen dazu, weil wir immer gewusst haben, dass mit dem rot-grünen Ausstiegsprogramm Grafenrheinfeld 2014 dicht gewesen wäre. Deshalb haben wir den Konsens mitgetragen. Wir müssen uns wieder auf den Weg zu diesem Konsens begeben, weil es nicht sein kann, dass einige wenige Menschen das Restrisiko dafür tragen müssen, dass sich die Mehrheit in diesem Parlament nicht dazu entschließen kann, Alternativen endlich beschleunigt wahrzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die SPD-Fraktion darf ich nun Herrn Kollegen Ludwig Wörner an das Mikrofon bitten.

(Zurufe von der CSU: Schon wieder?)

Vielen Dank für den freundlichen Empfang. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Ihre Rede, Herr Staatsminister Zeil, ein Widerspruch in sich war. Sie bedauern und beklagen zu Recht zuerst das Elend in Japan, erzählen aber, wenn es um die Kernenergie geht, sofort wieder, wie wichtig Wirtschaft und Industrie seien.

(Staatsminister Martin Zeil: Ich habe von den Energiepreisen gesprochen!)

Was ist Ihnen mehr wert: der Energiepreis oder die sozialen Kosten in einem Land, wie wir sie in Japan gerade entdecken dürfen? Das müssen Sie einmal durchrechnen. Belegen Sie doch Ihre Aussagen unter Berücksichtigung des Risikozuschlags, der angesichts der Ereignisse in Japan eingerechnet werden muss! Sie schauen doch jetzt ständig nach Japan und wollen aus den Ereignissen dort Lehren ziehen. Das Risiko, dass es schiefgeht, ist darstellbar. Das ist eine ganz einfache Geschichte.

Ferner behaupten Sie, mit einem steigenden Energiepreis kämen wir in eine schwierige Situation. Österreich ist zwar nicht ganz vergleichbar, aber dort lebt man ohne Kernenergie auch ganz gut, wie man feststellen kann.

(Staatsminister Martin Zeil: Die importieren!)

Dort wird die Wasserkraft intensiv genutzt; das will ich nicht bestreiten. Wer aber behauptet, die Wirtschaft könne ohne Atomenergie nicht leben, der sagt nicht ganz die Wahrheit. Natürlich importiert Österreich Strom; das ist unstrittig. Das tun wir, das tun andere; wir verkaufen bloß mehr.

Damit bin ich bei dem Grund, warum ich mich noch einmal gemeldet habe. Wenn wir uns darauf verständigen können, im Sinne der vorbeugenden Gefahrenabwehr Kernkraftwerke abzuschalten - man hört immer, vorbeugen sei besser als heilen -, dann ist das in meinen Augen die gesetzliche Grundlage, Isar 1 abzuschalten. Wenn Sie meiner Diktion in dieser Frage folgen, dann können wir heute im Zusammenhang mit dem Dringlichkeitsantrag tatsächlich etwas entscheiden. Ich wiederhole: Wenn wir der Meinung sind, das, was wir bei Isar 1 tun - ich rede ausdrücklich von Isar 1 -, gehöre zur vorbeugenden Gefahrenabwehr, dann müsste das unter dieser Diktion und der juristischen Perspektive möglich sein. Ich sage Ihnen das deswegen so eindringlich, weil nicht ich allein, sondern auch einige andere diesen Gedanken hatten, unter anderem einer der Geschäftsführer der Unionsfraktion des Bundestages. Bedenken Sie also auch diesen Aspekt in der ganzen Debatte; sonst wird möglicherweise wieder argumentiert: "Die Juristen sagen, es gehe nicht." Das will ich damit verhindern.

Eine Anmerkung zum Thema Flugzeugabsturz generell. Ein A 320 hat 25.000 Liter Kerosin, wenn er startet, und braucht vielleicht 2.000 Liter, bis er oben angekommen ist. Wenn er dann blödsinnigerweise herunterfällt, was Gott verhüten möge, dann hat man keine Chance, die schon beschriebenen Folgen zu verhindern. Die Kernschmelze wäre nicht aufzuhalten,

weil in der Kürze der Zeit das Wasser nicht herantransportiert werden könnte. Die Pumpen, die, wie wir wissen, in Ohu 1 nicht optimal arbeiten - dort muss nachgerüstet werden -, könnten das nicht leisten. Wenn es ganz dumm läuft, haben wir in der Isar zu wenig Wasser, weil es trocken ist. Dann wäre sowieso Schluss. Bis das Wasser aus Sylvenstein zugeführt werden kann, wäre es endgültig vorbei. Wir sollten uns also nicht auf irgendwelche Berechnungen verlassen, sondern den Irrglauben aufgeben, es gebe in dieser Frage Sicherheit.

Ein Weiteres: Herr Minister Söder, Sie haben gesagt, die Grundlast könne nicht gesichert werden. Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass dies mit Geothermie, Biogas - aus Gas sowieso - möglich ist.

(Erwin Huber (CSU): 6 %!)

- Herr Huber, wenn Sie eine Zahl nennen, ist sie falsch. Das wissen wir doch. Das haben Sie doch bewiesen.

(Beifall bei der SPD - Erwin Huber (CSU): Das, was Sie erzählen, ist etwas fürs Kabarett!)

- Sagen Sie lieber nichts! Das wäre viel gescheiter in Ihrer Rolle.

(Erwin Huber (CSU): Spaßvogel!)

Wir sagen: Die Sicherung der Grundlast ist möglich. Wir müssen die Grundlastfähigkeit nur ändern. Wenn wir davon ausgehen, dass sich in dem Grundlastpreis von wenigen Eurocent die Wertigkeit der verschiedenen Stromarten ausdrückt, dann ist die Bezeichnung "Grundlastfähigkeit" eine höfliche Umschreibung für die Feststellung, dass die bestehenden Kraftwerke nicht regelbar sind und wechselnde Anforderungen nur mit unsinnigen Zeitverzögerungen nachvollziehen können. Deswegen glaube ich, dass wir bei der Grundlast eine andere Betrachtungsweise brauchen.

Lassen Sie mich zum Schluss uns allen etwas zum Nachdenken mitgeben: Wir haben erlebt, dass Undenkbares denkbar wird, wissen aber nicht, was noch undenkbar ist; das nennen wir "Restrisiko". Dieses Restrisiko bedeutet: Verderben, Zerstörung, Krankheit und, wenn es blöd läuft, Tod. Es müsste doch der Minimalkonsens sein, zu sagen: Zurück zum alten Atomkonsens - und so schnell wie möglich heraus aus dem, was wir haben, möglicherweise noch schneller, als es bisher geplant war.

Aber auch ich sage - damit will ich dem dummen Gerede, das immer zu hören ist, vorbeugen -: Niemand in der SPD-Fraktion sagt zu allen Kraftwerken "sofort abschalten!". Das hat niemand gesagt und wird nie

mand sagen. Denn auch wir sind realistisch genug, zu wissen, was noch notwendig ist. Aber hier stellt sich die Frage der Anstrengung, wie schnell wir etwas machen können. In dieser Hinsicht halten wir Ihren Weg für verfehlt. Denn wir glauben, dass es schneller geht, wenn wir uns anstrengen. Wir sind ein Hightech-Land, und das sollten wir hier nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Für die CSUFraktion darf ich nun Herrn Kollegen Erwin Huber ans Mikrofon bitten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich nicht vor, heute zu reden. Aber für manche Leute auf der linken Seite des Hohen Hauses bin ich offenbar eine Reizperson, ohne die sie kaum auskommen. Da werde ich ihnen nicht die Möglichkeit geben, mich der Feigheit zu zeihen.

Ich gehöre zu den Abgeordneten, die bereits die Diskussion um Tschernobyl hier erlebt haben. Ich kann mich sehr gut an die Rede erinnern, die Alois Glück seinerzeit gehalten hat. Darin hat er gesagt: Es ist notwendig, dass die menschliche Verantwortung mit dem technischen Können steigt und entsprechend wahrgenommen wird. - Das ist ein Wort, das weit über den Tag hinaus für unser gesamtes Verhalten und den Einsatz der Technik bedenkenswert und richtungweisend ist.

Heute stelle ich fest: Nach den Ereignissen in Japan führen wir heute eine ähnliche Diskussion wie seinerzeit nach Tschernobyl. Aber heute, eine Woche nach den Vorgängen in Fukushima, ziehen wir in Deutschland mehr Konsequenzen als seinerzeit in der Folge der Katastrophe von Tschernobyl.

Dies wird von der linken Seite des Hauses überhaupt nicht anerkannt. Es wird heruntergemacht und als Wahlmanöver hingestellt. Die Leute, die darüber nachdenken, werden als "Wendehälse" bezeichnet. Das ist weit unter dem Niveau dieses Hauses.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich habe einen großen Sinn für Polemik. Auf dem Gebiet habe ich mir in meinen Leben schon einiges geleistet; das räume ich ohne Weiteres ein. Man muss aber auch bedenken, welche Situation gegeben ist.

Herr Kollege Wörner, ich muss Ihnen eines sagen: Angesichts der zwischen 10.000 und 20.000 Opfer in Japan von Erdbeben und Tsunami und der Tatsache, dass von den Kernkraftwerksunfällen viele Menschen

betroffen sind, würde ich mir sehr überlegen, hier im Landtag eine kabaretthafte Rede zu halten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Jetzt komme ich zu der Frage, welche Konsequenzen gezogen wurden. Einmal ist es das Moratorium. Die Kanzlerin hat nach ihrem Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke betrieben werden, einen Beschluss gefasst. Mit wem sollte sie denn sonst reden? - Mit den Ausstiegsministerpräsidenten zu reden würde eher keinen Sinn machen. Dieser Beschluss besagt: In den nächsten drei Monaten werden alle Kernkraftwerke, die vor 1980 ans Netz gegangen sind, vom Netz genommen. In dieser Zeit wird eine Überprüfung vorgenommen.

Ich möchte dem Umweltminister ausdrücklich sagen: Es ist natürlich sinnvoll, die Erkenntnisse von Japan zu nutzen. Natürlich haben wir in Deutschland eine gute Sicherheitsphilosophie. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass Deutschland die schärfsten Sicherheitsvorschriften der ganzen Welt hat. Die Kernkraftwerke in Japan wären nach den deutschen Vorschriften nicht genehmigt worden und dürften nach Lage der Dinge dann auch nicht betrieben werden.

Manchmal hatte ich in den letzten vier bis fünf Stunden den Eindruck, vor allem, wenn ich die Reden der GRÜNEN hörte, es wäre ein Kernkraftwerk in Deutschland oder gar in Bayern in die Luft gegangen, aber nicht in Japan. Es sind nicht unsere Vorschriften, die nun widerlegt worden sind.

Dennoch kann in der Theorie nichts so gut sein, als dass es vom Leben nicht noch verbessert werden könnte. Vor allem werden in Fukushima Siedewasserreaktoren verwendet. Solche haben wir auch in Bayern. Aus den Erkenntnissen in Japan über den Ausfall der Kühlsysteme und von Notstromaggregaten kann und muss man selbstverständlich Konsequenzen für uns ziehen. Diese Konsequenzen in den nächsten drei Monaten zu ziehen, ist absolut richtig.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Auch die Abfolge, jetzt abzuschalten, dann zu überprüfen und danach zu entscheiden, ist absolut richtig und sachgerecht.

Der Umweltminister hat heute gesagt: Es wird eine bayerische Reaktorsicherheitskommission mit unabhängigen Fachleuten eingerichtet. Dem stimmen wir ausdrücklich zu. Er hat gesagt: Auch die übrigen Kernkraftwerke in Bayern werden einem besonderen

Stresstest unterzogen. Auch dem stimmen wir uneingeschränkt zu.

Der Umweltminister hat heute eine Regierungserklärung abgegeben, die dem Ernst der Lage und den Notwendigkeiten voll gerecht geworden ist.