Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Wir sind übrigens nicht die Einzigen. Sogar China überprüft jetzt sein Atomprogramm. Warum sollten wir dann nicht zugeben, dass es Ereignisse gibt, die uns zum Nachdenken bringen? Aufgrund dieser Erkenntnisse und aufgrund einer neuen Sicherheitsphilosophie setzen wir für die Zukunft auf eine Strategie mit folgenden Schwerpunkten:

Erstens. Wir wollen eine Sicherheitsmaximierung für die bestehenden Kraftwerke.

Zweitens. Wir wollen eine Internationalisierung der Sicherheit.

Drittens. Wir wollen einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien als geplant.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zur Sicherheitsmaximierung. Nach jetzigen Standards -das muss man immer wieder betonen, weil das für die Information unserer Bürgerinnen und Bürger wichtig ist - wäre das einfach; denn danach sind die fünf bayerischen Kernkraftwerke sicher. Sogar die rotgrüne Bundesregierung hat in der Ausstiegsvereinbarung des Jahres 2000 bestätigt - Zitat -, dass die Kernkraftwerke und sonstigen kerntechnischen Anlagen auf einem international gesehen höchsten Sicherheitsniveau betrieben werden. Alle bayerischen Kernkraftwerke wurden in den Jahren laufend modernisiert und nachgerüstet. Seit Inbetriebnahme wurden dafür in Bayern 3,7 Milliarden Euro investiert, um sie auf den jeweils aktuellen Stand der Technik zu halten.

Auch schon vor Japan haben wir uns im Zuge der Laufzeitverlängerungsdiskussion mit den Energieversorgern um weitere Nachrüstungen bemüht und einen gemeinsamen Nachrüstungskatalog vereinbart. Die Maßnahmen, die jetzt anstehen, und zwar unabhängig von Japan, haben ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro. Dazu gehören beispielsweise neue Messeinrichtungen für Kühlwasserstände, Druck und Temperatur sowie elektro- und leittechnische Komponenten wie zum Beispiel die Erneuerung von Pumpensteuerungen. All dies wurde in vielen, vielen Nachrüstungsgesprächen vereinbart.

Ich bleibe aber dabei: Japan hat uns und mir gezeigt: Wir können Sicherheit nicht hoch genug bewerten. Daher werden wir jetzt die Sicherheit mit folgenden Maßnahmen zusätzlich maximieren: Wir ordnen eine Sonderinspektion für alle bayerischen Kernkraftwerke an. Wir werden die Einrichtungen für Notstromversorgung in jedem einzelnen Kraftwerk definitiv verstärken. Wir werden die Kühlsysteme erneut bewerten und bei Bedarf verbessern. Wir werden mit dem Bund und den anderen Standortländern neue Standards festlegen, die das kerntechnische Regelwerk betreffen. Alle weltweit verfügbaren Ergebnisse, nicht nur jene aus Japan, werden dazu ausgewertet und eingearbeitet. Wir werden den Schutz vor dem möglichen Absturz großer Verkehrsflugzeuge diskutieren. Übrigens haben vier von fünf bayerischen Kernkraftwerken diesbezüglich das höchste Schutzniveau in Deutschland. Wir vertrauen aber künftig generell nicht mehr nur auf die Luftsicherheit, sondern wir wollen überall zusätzliche bautechnische Verbesserungen, und - das werden wir vor allem mit dem Innenminister

besprechen - wir werden die Kernkraftwerke auch hinsichtlich eines noch besseren Schutzes vor Terrorismus und hinsichtlich der Erdbebensicherheit prüfen.

Zusätzlich berufe ich eine bayerische Reaktorsicherheitskommission. Sie wird aus anerkannten, unabhängigen Experten bestehen. Sie soll die neue Sicherheitsphilosophie und Sicherheitsmaximierung fachkundig begleiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit gehen wir in der Tat auf eine neue Sicherheitsebene. Bei all diesen Maßnahmen gilt: Sicherheit geht klar vor Wirtschaftlichkeit. Wenn das etwas kostet, dann soll und muss es so sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das in diesem Zusammenhang beschlossene Moratorium für die Laufzeitverlängerung ist richtig und wird von uns, von der Staatsregierung unterstützt. Auch wenn Sie es immer anders sagen: Wir waren nie Kernkraftfetischisten.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig! - Lachen bei der SPD und den GRÜNEN - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Auch die Laufzeitverlängerung bedeutet, dass wir aussteigen, nur eben später.

(Unruhe bei der SPD - Christa Naaß (SPD): Was habt ihr für Töne gespuckt!)

Für die Laufzeitverlängerung gab es gute Gründe; denn, meine Damen und Herren, nach wie vor - dies hat sich nicht so einfach verändert - brauchen wir für den Umbau unserer Energieversorgung Zeit. Erneuerbare Energien sind noch nicht grundlastfähig. Es fehlt an Speichertechnologie, Stromnetzen und Effizienz. Das müssen Sie sich in der heutigen Debatte schon sagen lassen. Diesbezüglich geht es um das Versäumnis vergangener Bundesregierungen in der Energiepolitik, an denen Sie beteiligt waren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Ganz genau! - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich gestehe aber zu, dass Japan auch bedeutet, dass wir das nicht nur auf die Zeit schieben können. Wir brauchen jetzt ein anderes Tempo. Wir brauchen grundlegende Weichenstellungen. Wir dürfen in den drei kommenden Monaten nicht nur reden und prüfen, sondern wir müssen am Ende auch glaubwürdig handeln. Nach drei Monaten muss in Deutschland auch tatsächlich etwas passieren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sind wir an der Regierung? - Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin)

Die Bundesregierung hat jetzt entschieden: Alle Kernkraftwerke werden überprüft, und die ältesten deutschen Kernkraftwerke werden vorübergehend vom Netz genommen. Auch Isar 1 ist von dieser Diskussion betroffen. Der Reaktor ist vom Betreiber bereits freiwillig auf eine Leistung von 15 % heruntergefahren worden. Wir haben heute Morgen im Umweltministerium in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium und nach Rücksprache mit dem Ministerpräsidenten die Anordnung nach § 19 Abs. 3 Nummer 3 des Atomgesetzes erlassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Isar 1 geht damit vom Netz, und zwar zunächst einmal für die Dauer von drei Monaten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das bedeutet übrigens nicht, dass Isar 1 nach den Standards, die wir im deutschen Atomrecht haben, nicht sicher wäre, sondern das bedeutet, dass wir jetzt überprüfen, ob die Standards angemessen sind. Dabei stellt sich eine wichtige Frage, über die wir diskutieren: Was unterscheidet Isar 1 beispielsweise von den anderen vier bayerischen Reaktoren? Mir ist wichtig, das herauszustellen, damit auch die Bürgerinnen und Bürger in Bayern wissen, wie die Situation ist. Vier von fünf bayerischen Kernkraftwerken weisen schon heute die höchste Schutzstufe beispielsweise gegen mögliche Flugzeugabstürze auf. Das sind übrigens die unmöglichen Risiken, die wir jetzt neu bewerten. Das ist genau die Diskussion, die in Japan stattfand: Wie wahrscheinlich oder wie unwahrscheinlich sind ein Erdbeben und ein Tsunami dieses Ausmaßes? Damals hat man gesagt: So etwas ist eher unwahrscheinlich, also muss man das Kraftwerk danach wohl nicht auslegen. Wir gehen jetzt einen neuen Weg, indem wir sagen: Das, was wahrscheinlich ist, ist eine Sache. Das, was vielleicht möglich ist, ist etwas anderes und das Neue. Deswegen wollen wir den Schutz vor Flugzeugabstürzen prüfen. Die bayerischen Kernkraftwerke, meine Damen und Herren bitte hören Sie zu, weil dies nachher für eine sachliche Diskussion wichtig ist; und ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns eine sachliche Debatte über das Thema, keine Parteipolitik -, die Reaktorgebäude in Bayern halten dem Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges wie Airbus A 340 oder Boeing 747 stand. Dies hat die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit schon im Jahr 2002 - man höre und staune -, in der Amtszeit von Bundesumweltminister Trittin, bestätigt. Wir stehen damit hinsichtlich der Sicherheit bei Flugzeugabstürzen im deutschen, im europäischen und im weltweiten Vergleich, meine Damen und Herren, mit an der Spitze.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auch Isar 1 - um das nicht falsch zu verstehen - hat neben den Maßnahmen bezüglich der Luftsicherheit die Anschläge des 1. Septembers 2001 in New York waren die entscheidende Basis hinsichtlich der Sicherheit übrigens nicht nur von Kernkraftwerken, sondern von allen industriellen Anlagen - einen soliden baulichen Grundschutz. Das Reaktorgebäude widersteht dem Absturz von mittelschweren Verkehrsflugzeugen, aber - diese Diskussion wird geführt - nicht von ganz großen Verkehrsflugzeugen. In diesen drei Monaten werden wir nun prüfen, ob eine Nachrüstung und bauliche Schutzmaßnahmen möglich sind. Nach Ansicht von Experten ist dies bei Isar 1 schwer umzusetzen. Insofern macht es auch durchaus Sinn, dass die Stilllegung gerade jetzt erfolgt.

Eine endgültige Stilllegung - das ist wichtig; das ist auch für die spätere Antragsberatung wichtig - kann Bayern selbst rechtlich nicht durchsetzen. Dies geht nur, wie Sie aber alle wissen, durch Bundesgesetz oder durch eine Vereinbarung mit den Betreibern. Nach diesen drei Monaten muss der Bund den rechtlichen Rahmen für eine endgültige Entscheidung setzen, um Isar 1 möglicherweise dauerhaft vom Netz zu nehmen. Meine Damen und Herren, ich persönlich kann mir das aber gut vorstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sicherheitsmaximierung ist ein Punkt bei uns. Sicherheit ist aber nicht nur eine bayerische oder eine deutsche Frage. Sicherheit ist international. Die Sicherheit der Menschen in Bayern und Deutschland hängt nicht nur davon ab, wie die Sicherheit in unseren Kernkraftwerken ist, sondern eben auch davon, wie es in Tschechien oder in Frankreich aussieht. Tschechien liegt nun einmal deutlich näher als Japan, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es macht wenig Sinn, allein in Deutschland zu sagen, wir schalten ab, wenn gleichzeitig anderswo eingeschaltet wird. Daher haben wir bereits im letzten Jahr - ich danke dem Ministerpräsidenten, weil er durch seinen Besuch in Prag den Dialog und den Korridor für diese Gespräche deutlich erweitert und geöffnet hat - einen intensiven Sicherheitsdialog mit der tschechischen Regierung begonnen. Unabhängig davon ist die Bundesregierung im engsten Austausch mit unseren Nachbarn, um genau hinsichtlich dieses Themas Sicherheitsfragen zu diskutieren. Aber auch hier gilt der Grundsatz: Nach Japan braucht es einheitliche Standards für alle Reaktoren in Europa, und am besten auf dem deutschen Niveau, meine Damen und Herren.

Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat am Dienstag EU-Energiekommissar Günther Oettinger gemacht. Er hat mit den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten sowie den Herstellern und Betreibern von Kraftwerken vereinbart, dass bei Kernkraftwerken europaweit ein Sicherheitsstresstest durchgeführt werden soll. Ich bin der festen Überzeugung, dass das nicht das Ende, sondern erst der Anfang ist. Die EUKommission ist jetzt aufgefordert, die hohen deutschen Sicherheitsstandards und die Kontrollen in ganz Europa einheitlich zu fixieren. Der Freistaat Bayern, das heißt die Staatsregierung, wird dazu bei der Europäischen Union auf allen Ebenen Initiativen bezüglich der Sicherheit der Kernkraftwerke in Europa starten. Wir wollen, dass nicht nur die bayerischen Kernkraftwerke sicher sind, sondern wir wollen, dass auch benachbarte Kernkraftwerke dieselben Standards haben, wie das bei uns im Land der Fall ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Sicherheit in der Energieversorgung spielt auch eine große Rolle bei dem von uns diskutierten Thema. Sicherheit in der Energieversorgung bedeutet nicht ausschließlich Sicherheit bei der Kernkraft. Sie bedeutet auch Versorgungssicherheit für die Menschen und die Unternehmen. Sie bedeutet bezahlbaren Strom für alle Einkommensschichten und in Bezug auf wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in unserem Land. Bayerns Stellung als Wirtschaftsstandort und Hightech-Land hängt auf das Engste mit einer bezahlbaren Energieversorgung zusammen. Außerdem muss die Energieversorgung von morgen klimafreundlich und CO2neutral werden. Das ist eine Herausforderung, die der Klimawandel an uns stellt. Eine romantische Energiepolitik nach dem Motto "Der Strom kommt schon aus der Steckdose" passt leider nicht zu einem Innovationsland wie Bayern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wenn ich heute lese und höre, dass auch Parlamentarier fordern, wir müssten auf der Stelle alles abschalten, dann muss ich dazu sagen: Das ist reines Wunschdenken. Ich möchte auf eines hinweisen: Wir befinden uns auf der Zeitachse an einem Punkt, an dem die Laufzeitverlängerung noch gar nicht begonnen hat. Selbst Rot-Grün wollte nach dem Ausstiegsbeschluss die Kernenergie bis zum Jahre 2022 laufen lassen. Das letzte Kraftwerk, das hätte vom Netz gehen sollen, wäre Neckarwestheim im Jahr 2022 gewesen. Wenn heute im Parlament jemand fordern sollte - ich weiß nicht, ob das geschieht -, sofort alles abzuschalten, dann kann ich nur sagen: Das wäre genauso unglaubhaft, wie wenn man beschließt, Kernkraftwerke bis 2022 laufen zu lassen, während man hier das Gegenteil fordert.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Da wir heute das Unmögliche denken wollen, möchte ich einmal kurz erläutern, was das für Bayern bedeutet. Was würde es bedeuten, wenn wir heute nicht nur die Anordnung für Isar 1 erstellt hätten, Herr Ministerpräsident, sondern für alle bayerischen Reaktoren? Das würde bedeuten, dass wir ab heute Nachmittag oder morgen auf einen Schlag rund 60 % unserer Stromversorgung im Lande ersetzen müssten. Wie ginge das? Es ginge auf die Schnelle nur durch einen Import von Strom. Dieser Stromimport würde dann wenn niemand im Haus diese Forderung erhebt, bin ich dafür dankbar, aber es gibt diese Diskussion bei den Bürgern; die Bürger stellen uns die Frage, ob wir nicht gleich dauerhaft aussteigen könnten - dazu führen - wir müssen das auch den Bürgern sagen -, dass wir jetzt Strom importieren müssten und dass solche Mengen nur durch einen Import von Atomstrom aus anderen Ländern verfügbar wären. Wenn wir bei uns vielleicht mit gutem Gewissen und ehrlichen Motiven generell aussteigen würden, weil wir die Technik nicht für verantwortbar halten, würden wir damit den Aufbau von Atomindustrien in anderen Ländern massiv unterstützen. Das wäre für mich wenig glaubhaft und nachhaltig. Deshalb werden wir diesen Weg nicht gehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Glauben Sie mir, wir wissen eines - wir wollen auch die Konsequenzen daraus ziehen -: Das Atomzeitalter geht zu Ende, und zwar auch in Bayern. Auch wenn der eine oder andere, der für eine Laufzeitverlängerung war, das vielleicht für sich noch nicht so ganz durchdacht hat, steht definitiv fest, dass mit der Laufzeitverlängerung das Atomzeitalter beendet ist. Bis dahin - dies ist auch die Lehre aus Japan - müssen wir unseren ursprünglichen Zeitplan zum Umbau der Energieversorgung spürbar beschleunigen, weil es gar nicht anders geht. Je schneller uns dieser Umbau gelingt, desto kürzer werden die Laufzeiten. Wir müssen das überlegt und gemeinsam durchführen.

In Bayern liegt der Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung schon heute bei knapp 25 % und damit übrigens deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 17 %. Doch wir sind uns darin einig - wir haben es gestern im Kabinett beschlossen-: Wir wollen diesen Anteil deutlich erhöhen und die Situation schneller als in der Vergangenheit verbessern. Wir müssen vor allem daran arbeiten, wie es unser Wirtschaftsminister immer wieder darstellt, die erneuerbaren Energien grundlastfähig zu machen. Unser Programm für die Zukunft heißt "Bayern regenerativ". Bis Mitte Mai wird die Staatsregierung ein Konzept erstellen, wie und in welchem Umfang in den nächsten

zehn Jahren ein kompletter Umstieg Bayerns auf regenerative Energien erreicht werden könnte.

Wir müssen aber auch darüber diskutieren, was das bedeutet. Das bedeutet mehr Windkraft-, mehr Biogas- und mehr Photovoltaikanlagen. Aber mit mehr Anlagen allein ist es nicht getan. Es geht bei den regenerativen Energien nicht um Quantität, sondern um Qualität. Wir brauchen einen echten technologischen Quantensprung durch neue Speichertechnologien und deutlich höhere Speicherkapazitäten, wie beispielsweise Pumpspeicher. Wir brauchen intelligent und flexibel steuerbare Energienetze. Wir brauchen ein noch ehrgeizigeres Konzept für Elektromobilität, zum Beispiel mit einem flächendeckenden Netz von E-Tankstellen an Autobahnen und am Ende sicher auch Steuersenkungen für Elektroautos als Investitionsanreiz. Diese und noch viel mehr Maßnahmen werden Geld kosten. Sie werden aber nicht nur Geld kosten, sondern auch ein Stück weit das Gesicht unserer bayerischen Landschaft verändern. Ich meine, wir müssen an einem solchen Tag den Menschen auch ehrlich sagen, was ein derart grundlegender Umbau unserer Energieversorgung bedeutet. Ich möchte das an einem Beispiel erläutern, damit alle wissen, in welchen Dimensionen wir arbeiten und welche Dimensionen wir zu bewältigen haben.

Um das Kernkraftwerk Isar 1 mit einer Leistung von über 800 Megawatt zu ersetzen, bräuchten wir nach aktuellem wissenschaftlichen Stand entweder über 1.000 neue Windkraftanlagen - wir haben zum Vergleich im Moment in Bayern ganze 400 - oder 2.300 neue Biogasanlagen - derzeit haben wir 2.000 - oder zusätzliche Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von 65 Quadratkilometern - derzeit haben wir eine Fläche von 50. Wenn Sie sehen, dass wir, nur um einen Reaktor zu ersetzen, mehr anstellen müssten, als wir bislang in allen Bereichen gemacht haben, dann würde das bedeuten - für die Bürgerinnen und Bürger, die heute zusehen, ist das wichtig zu wissen -, dass wir unsere Anstrengungen deutlich verbessern müssten. Dazu brauchen wir neue Stromtrassen, um Solarstrom aus Nordafrika oder Windstrom von der Küste nach Bayern zu bringen. Dabei müssen wir gemeinsam sehr engagiert um die Akzeptanz der Menschen werben. Wir können uns nicht mehr den Luxus leisten, irgendwie gegen alles zu sein.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eines aber wird nicht gehen: Man kann nicht aus der Kernkraft aussteigen und gleichzeitig gegen jedes Pumpspeicherkraftwerk, gegen jedes Windrad oder gegen neue Stromleitungen sein.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Alle müssen sich nach Japan bewegen, nicht nur wir, aber wir tun es. Wir bewegen uns. Auch die Opposition muss - das ist wirklich wichtig - im Land mithelfen und manche Bürgerinitiative beruhigen, anstatt ständig neu anzustacheln.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Hier geht es um die Glaubwürdigkeit von uns allen. Wir sind gespannt, ob auch Sie das schaffen. Wir brauchen in Bayern einen breiten Energiedialog mit Forschern, Versorgern, der Wirtschaft und allen Bürgern, um diesen Prozess vorzubereiten. Nehmen Sie uns bitte das ernsthafte Bemühen um diesen Weg ab; er ist der richtige, aber nicht leicht oder bequem.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Japan ist eine Zäsur. Sie merken das an der Stimmung im Land und den Motiven, die uns bewegen. Dank unserer bisherigen hohen Standards hat es in Bayern und Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bislang keinen größeren Unfall mit der Kernenergie gegeben. Japan hat aber uns und auch mir gezeigt, dass das Unwahrscheinliche Realität werden kann. Darauf müssen wir reagieren, und wenn nicht jetzt, wann dann?

(Harald Güller (SPD): Reagieren schon, aber was geschah in den letzten Jahren?)

Es gibt unterschiedliche Konzepte, um darauf zu reagieren. Die einen fordern einen sofortigen Ausstieg und gefährden damit eine bezahlbare Stromversorgung, Wohlstand und Arbeitsplätze sowie letztlich auch den Klimaschutz. Andere wiederum plädieren offen oder verdeckt für eine unbegrenzte Nutzung der Kernenergie und ignorieren damit - jedenfalls sehe ich das so -, was passiert ist. Wir von der Staatsregierung und den Regierungsfraktionen gehen einen dritten Weg. Dieser Weg wird von uns allen Anstrengungen abverlangen. Wir könnten es uns leicht machen und an unseren Positionen festhalten. Wir könnten einfach sagen: Bei uns ist nichts passiert. Was soll das? Das ist lediglich Aufgeregtheit. Dies tun wir aber nicht. Für uns und für mich ist nach Japan ein solcher Weg undenkbar. Sich selbst zu hinterfragen, ist kein Zeichen von Schwäche. Der Weg, den wir gehen, ist mutig und richtig. Ich bin mir sicher, dass am Ende ein ökonomisch und ökologisch gestärktes Bayern stehen wird. Ich möchte heute einen Appell starten, und ich glaube, dass diese Debatte heute eines zeigen kann: Wir sollten gerade nach einem solchen Ereignis wie dem in Japan versuchen, die Gemeinsamkeiten herauszustellen. Wir sollten nicht streiten, um möglicherweise parteipolitische Vorteile zu erheischen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben doch einen Konsens!)