Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Alles hat seine Zeit. Frau Bause hat darauf hingewiesen: Eine Debatte über die Kabinettsumbildung hat an diesem Tag keinen Raum.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin - Zuruf von der SPD: Wir sind hier im bayerischen Parlament!)

Die FDP gratuliert Dr. Marcel Huber und Thomas Kreuzer zur Berufung in ihre neuen Ämter. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Der Chef der Staatskanzlei ist an herausragender Stelle auch für das Funktionieren der Koalition wichtig. Wir danken beiden für das bisher Geleistete. Dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Fraktion danken wir insbesondere für die auch in schwierigen Phasen sachliche Zusammenarbeit. Ich bin mir sicher, das wird auch in der neuen Funktion so weitergehen. - Die FDP-Fraktion stimmt den Neubenennungen natürlich zu.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke schön. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident hat mitgeteilt, dass der bisherige Staatsminister und Leiter der Staatskanzlei, Herr Siegfried Schneider, den Rücktritt von seinem Amt mit Wirkung vom 16. März 2011 erklärt hat. Dieser freiwillige Rücktritt eines Kabinettsmitglieds bedarf nicht der Zustimmung des Landtags.

Herr Kollege Schneider, ich darf Ihnen im Namen des Hohen Hauses ganz herzlich danken, vor allen Dingen für Ihre gute Zusammenarbeit mit dem Parlament, hier insbesondere im Ältestenrat. Alle guten Wünsche für Ihr neues hohes Amt begleiten Sie. Alles Gute!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir kommen nunmehr zur Beschlussfassung über die beantragte Zustimmung des Ministerpräsidenten zur Berufung von Mitgliedern der Staatsregierung. Der Herr Ministerpräsident hat den Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Herrn Dr. Marcel Huber, zum Staatsminister als Leiter der Staatskanzlei und Herrn Thomas Kreuzer zum neuen Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus berufen. Die Berufungen bedürfen gemäß Artikel 45 der Bayerischen Verfassung der Zustimmung des Landtags.

Mir ist schon signalisiert worden, dass kein Einverständnis besteht, über beide Berufungen gemeinsam abzustimmen. Ich lasse also einzeln abstimmen.

Wer der Berufung von Herrn Dr. Marcel Huber zum Staatsminister als Leiter der Staatskanzlei seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind CSU, FDP, Freie Wähler und eine Stimme aus der SPD-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der SPD

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - 1 Stimmenthaltung aus der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Damit hat der Landtag gemäß Artikel 45 der Bayerischen Verfassung die Zustimmung zur Berufung von Herrn Dr. Marcel Huber zum Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister erteilt.

Wer der Berufung des Herrn Kollegen Thomas Kreuzer zum Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind CSU und FDP. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - 2 Stimmenthaltungen aus den Reihen der Fraktion der Freien Wähler.

Damit hat der Landtag gemäß Artikel 45 der Verfassung seine Zustimmung zu der Berufung erteilt.

Vereidigung des Staatsministers und des Staatssekretärs

Die Bayerische Verfassung schreibt in Artikel 56 vor, dass sämtliche Mitglieder der Staatsregierung vor ihrem Amtsantritt vor dem Landtag den Eid auf die Verfassung zu leisten haben. Ich darf nun den neuen Herrn Staatsminister Dr. Marcel Huber und den neuen Staatssekretär Herrn Thomas Kreuzer zur Eidesleistung zu mir bitten.

Ich spreche den zu vereidigenden Kabinettsmitgliedern jetzt die Eidesformel vor:

Ich schwöre Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten, so wahr mir Gott helfe.

Ich bitte Sie, jeweils einzeln nachzusprechen: "Ich schwöre es" und, soweit Sie wollen, mit dem Zusatz: "so wahr mir Gott helfe" den Eid zu bekräftigen.

Herr Staatsminister Dr. Huber!

Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Herr Staatssekretär Kreuzer!

Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Ich stelle fest, dass Herr Staatsminister Dr. Marcel Huber und Herr Staatssekretär Thomas Kreuzer den von der Verfas

sung vorgeschriebenen Eid ordnungsgemäß geleistet haben.

Herzlichen Glückwunsch! Alle guten Wünsche des Hohen Hauses begleiten Sie. Wir freuen uns auf die gute Zusammenarbeit. Glückauf! Gesundheit und Gottes reichen Segen!

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CSU, der FDP und Abgeordneten der Freien Wähler)

Da sicher noch weitere Glückwünsche ausgesprochen werden sollen vor allen Dingen auch seitens der Familien, unterbrechen wir jetzt für fünf Minuten.

(Unterbrechung von 9.35 bis 9.40 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die Sitzung wieder auf. Der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit hat mitgeteilt, dass er beabsichtigt, in der heutigen Plenarsitzung eine Regierungserklärung zum Thema "Bericht zu den Ereignissen in japanischen Kernkraftwerken und den Auswirkungen auf Bayern" abzugeben. Gemäß § 177 Absatz 1 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Söder hierzu außerhalb der Tagesordnung das Wort.

Regierungserklärung des Staatsministers für Umwelt und Gesundheit "Bericht zu den Ereignissen in japanischen Kernkraftwerken und den Auswirkungen auf Bayern"

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem letzten Freitag hält die Welt den Atem an. Das Erdbeben und der Tsunami haben Japan verwüstet und, so glaube ich, die ganze Welt verändert. Die Bilder, die uns erreichen, gehen allen unter die Haut. Wir werden quasi via Fernsehen Zeugen einer historischen Katastrophe. Das gewaltige Erdbeben und der Tsunami haben Tausende Todesopfer gefordert. Tausende werden vermisst, und Hunderttausende sind obdachlos geworden. Die Insel Japan hat sich sogar um drei Meter verschoben. Es scheint wie eine Apokalypse. Das Leid der Menschen ist unermesslich; es erschüttert uns. Wir denken an die Verstorbenen und die Angehörigen. Wir fühlen mit ihnen.

Durch die Katastrophe sind jedoch nicht nur Häuser, Brücken und Straßen zerstört worden. Es sind auch erhebliche Schäden am Kernkraftwerk Fukushima entstanden. Mittlerweile ist in Fukushima die gesamte Anlage außer Kontrolle. Zwar haben sich die Kraftwerke dort selbst abgeschaltet, doch der Tsunami hat die entscheidenden und notwendigen Notstrom- und

Kühleinrichtungen förmlich weggespült. Die Folgen sind unabsehbar. Ein Block nach dem anderen droht ins Chaos zu versinken. Wahrscheinlich sind gerade Kernschmelzen im Gange. Genaues kann man aus der Entfernung nicht sagen.

In einem Radius von 30 km um das Kraftwerk haben die Behörden die Menschen evakuiert. Die Millionenmetropole Tokio ist von radioaktiver Strahlung bedroht. Die Außenminister der EU-Staaten sagen, ihre Bürger sollten den Großraum Tokio besser verlassen; denn dort wurden temporär rund zehnfach erhöhte Strahlenwerte gemessen. Im unmittelbaren Umkreis der Kraftwerke dagegen werden Strahlenwerte gemessen, die den üblichen Wert um das Millionenfache übersteigen. Nur die bisherigen Windverhältnisse das muss einem wirklich gegenwärtig werden haben für das Festland Schlimmeres verhindert. Was am Ende wirklich passieren wird, weiß keiner. Man kann nur hoffen und als gläubiger Christ beten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele fragen: Wie kann das passieren? Viele Menschen stellen uns die Frage: Wieso kann in einem so hoch entwickelten Land wie Japan so etwas passieren? Japan steht doch für hochwertige und zuverlässige Technik, für gut ausgebildete und gewissenhafte Ingenieure. Die Japaner haben nach eigenen Angaben mit die beste Sicherheitstechnik der Welt, gerade für Erdbeben. Meine Damen und Herren, es hat sich eines gezeigt: Nicht einmal dieses Land mit seiner Hochtechnologie und seinen hohen Sicherheitsstandards kann die Folgen beherrschen, die sich aus einer derart schweren Naturkatastrophe ergeben. Das ist die entscheidende Erkenntnis. Sie bewegt uns; und sie bewegt mich auch ganz persönlich.

Es gibt Tage, an denen verändert sich die Welt. Der vergangene Freitag war so ein Tag. Für uns in Bayern bedeuten diese Ereignisse nach menschlichem Ermessen und nach den Aussagen von Experten keine unmittelbare Gefährdung. Fukushima ist rund 10.000 Kilometer von uns entfernt. Nach Auskunft der Bundesregierung und des Deutschen Wetterdienstes besteht selbst bei einer erheblichen Freisetzung von Radioaktivität in Japan keine Gefahr für Bayern und Deutschland. Dennoch nehmen wir die Sorgen der Menschen in Bayern sehr ernst. Wir messen rund um die Uhr mit unseren 31 Messstationen etwaige Radioaktivität.

Diese Ergebnisse können übrigens von den Bürgerinnen und Bürgern jederzeit im Internet eingesehen werden. Dadurch wird schnell und transparent informiert. Außerdem haben wir gerade wegen der Besorgnis vieler Bürger sofort beim Landesamt für Umwelt eine Bürger-Hotline geschaltet, die täglich von

8.00 Uhr bis 20.00 Uhr erreichbar ist. Die Bürgerinnen und Bürger können dort anrufen und Fragen zu den Ereignissen und deren Auswirkungen bei uns stellen. Sie erhalten hier eine fachkundige Auskunft. Bislang wurde diese Hotline von mehr als 300 Anrufern genutzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei aller Bedeutung muss uns zunächst klar sein: Bayern ist sicher nicht Japan. Bei uns gibt es keine derart starken Erdbeben und keine Tsunamis. Unsere Kraftwerke sind - dies ist wichtig - nach dem nationalen deutschen Atomgesetz und dessen Standards sicher.

Alle bayerischen Kraftwerke erfüllen genau die Sicherheitsanforderungen, die auch von den Bundesumweltministern Trittin und Gabriel festgelegt wurden.

(Beifall bei der CSU)

Das Bundesumweltministerium hat uns dies - und nicht nur uns, sondern vielen Parlamentariern der unterschiedlichsten Fraktionen im Deutschen Bundestag - auf zig Anfragen in den letzten Jahren immer wieder bestätigt. So wird jedes bayerische Kraftwerk im Jahr rund tausendmal geprüft. Für jeden bayerischen Standort sind Erdbeben- und Hochwassergefährdung individuell ermittelt und im Sicherheitskonzept zugrunde gelegt worden. Anders als in Japan das ist ein großer Unterschied - gibt es bei uns bis zu fünf voneinander unabhängige Notstromversorgungen. Viele Kraftwerke haben sogar unabhängig davon einen Anschluss an ein benachbartes Wasserkraftwerk. Auch bei der Kühlung der Reaktoren gibt es einen Unterschied. Bei uns sind drei- bis vierfache Nachkühlsysteme vorhanden, die beispielsweise mit Flusswasser gefüllt werden können. Wichtig für die Bestandsaufnahme ist die Feststellung: Wir haben uns bis auf den heutigen Tag nichts vorzuwerfen, was die Sicherheit in Bayern betrifft.

Aber reicht das? Reicht bloß der Hinweis darauf, dass in Deutschland und Bayern noch nichts passiert ist? War es das? Es gibt kein Problem mehr, wir können das möglicherweise abhaken? Wissen Sie, Japan verändert alles, auch bei mir. Ich glaube, wir können nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Ein einfaches "Weiter so" wäre aus meiner und aus unserer Sicht unangemessen. Das Vertrauen in die Möglichkeiten der Technik und des wissenschaftlichen Fortschritts ist natürlich erschüttert. Es geht hier nicht nur um Technik. Für mich hat Japan auch eine moralische Dimension. Der Glaube, alles bis ins Kleinste beherrschen und technisch steuern zu können, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen; denn die Natur schreibt ihr eigenes Drehbuch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dieses Signal verstanden. Ich finde nicht, dass dies unglaubwürdig ist. Ich halte es nicht für eine Schande, wenn man zugibt, dass es Ereignisse gibt, die einen zum Nachdenken bringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nachdenklichkeit ist besser als Rechthaberei.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich glaube, es wäre zu wenig, einfach nur Betroffenheit zu zeigen. Das ist der eine Teil. Wir wollen aber handeln; nicht aus Angst oder Hysterie, sondern schon besonnen. In meiner Fraktion gab es gestern eine tiefgehende Debatte, die gezeigt hat, wie ernsthaft unsere Abgeordneten mit dieser Thematik umgehen. Jeder, der versucht, dieses ernsthafte Bemühen in diesem Hohen Hause auf eine bloße Parteitaktik zu reduzieren, verkennt aus meiner Sicht den Ernst der Lage. Uns geht es ganz sicher nicht um Landtagswahlen; in Bayern haben wir keine.

Meine Damen und Herren, wir machen es uns trotz der Horrorbilder nicht leicht. Es gäbe einen einfachen Weg. Wir verteufeln aber die Kernenergie nicht per se, auch wenn das leicht wäre. Wir stülpen auch nicht alles von heute auf morgen um. Wir hinterfragen aber Standards und Zeitachsen der Energiepolitik. Dabei sind wir fest überzeugt, dass wir aufgrund der Ereignisse in Japan eine neue Sicherheitsphilosophie brauchen. Meine Damen und Herren, das deutsche Atomrecht und alle Regelungen in diesem Zusammenhang haben sich bisher, auch unter den Umweltministern, die von Rot-Grün gestellt wurden, immer an den Gefahren orientiert, die wahrscheinlich sind. Bislang hat es keine Debatte darüber gegeben, andere Standards zu setzen. Ich glaube aber, dass uns das Ereignis in Japan zu einem zwingt: In Zukunft müssen wir nicht nur über Risiken und Schäden diskutieren, die wahrscheinlich sind, sondern auch über Risiken und Schäden, die überhaupt möglich sind. Vielleicht müssen wir sogar an das Unmögliche denken. Das ist die Lehre aus Japan.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Harald Güller (SPD): Die hätte man aus Tschernobyl auch schon ziehen können!)

Wir sind übrigens nicht die Einzigen. Sogar China überprüft jetzt sein Atomprogramm. Warum sollten wir dann nicht zugeben, dass es Ereignisse gibt, die uns zum Nachdenken bringen? Aufgrund dieser Erkenntnisse und aufgrund einer neuen Sicherheitsphilosophie setzen wir für die Zukunft auf eine Strategie mit folgenden Schwerpunkten: