Protokoll der Sitzung vom 29.03.2011

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich Herrn Kollegen Hallitzky ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Brendel-Fischer, Sie sagten, in der Verfassung stünde die Gleichberechtigung von Mann und Frau, deshalb werde die CSU dieses Ziel schon realisieren. In der Verfassung steht auch das individuelle Recht auf Arbeit. Alleine von der Verfassung her zu denken, da wäre ich nicht ganz so optimistisch wie Sie. Im Unterschied zum Antrag haben Sie im Wesentlichen über das Thema "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" diskutiert. Herr Felbinger hat aber richtig gesagt, dass es hier vor allem um die Mittelverteilung geht. Wir wissen selbst, dass im öffentlichen Dienst in Bayern gleicher Lohn für gleiche Arbeit gewährleistet ist, es allerdings im Aufstiegsbereich Probleme gibt.

Die Forderung nach Gender Budgeting ist begründet. Sehen wir uns zum Beispiel einmal den ÖPNV an. Der ÖPNV wird von mehr Frauen genutzt, die Straßen mehr von Männern. Je nachdem, in welchen Bereich

Geld investiert wird, trifft dies Frauen und Männer unterschiedlich. Das ist einfach so. Dies müssen Sie auch so zur Kenntnis nehmen.

Aber: In der momentanen Situation ist die Einführung des Gender Budgeting eine hochkomplizierte und schwierige Sache. Berlin führt seit einigen Jahren Pilotprojekte ein und evaluiert diese Projekte. Ebenso München. Schon bei diesen wenigen Pilotprojekten ist es sehr schwierig, festzustellen, welche positiven Punkte herausgezogen werden können. In dieser Konstellation hat die SPD einen Antrag vorgelegt, der die ganze Komplexität beiseitegewischt hat. Das ist problematisch. Sie sagen, Sie wollten Pilotprojekte zur Umsetzung in allen Bereichen einführen. Herr Felbinger hat darauf hingewiesen, dass es solcher Pilotprojekte in einigen Bereichen möglicherweise gar nicht bedarf. Außerdem wollen Sie noch in diesem Jahr einen Bericht darüber haben, obwohl die Pilotprojekte in anderen Ländern mehrere Jahre gelaufen sind. Wir halten diese Forderung für unrealistisch.

Die notwendigen Schritte dafür müssten auch erst als Pilotprojekte eingeführt werden. Wir müssten beispielsweise untersuchen, wie sich konkrete Haushaltszahlen - ich habe soeben den ÖPNV als Beispiel genannt - auf die einzelnen Geschlechter auswirken. Wir müssten auch einen ernsthaften fachlichen Diskurs in den Ausschüssen oder im Plenum führen und das Finanzcontrolling beauftragen, Untersuchungen in bestimmten Bereichen durchzuführen. Diese Bedingungen sind noch nicht erfüllt. Obwohl wir inhaltlich völlig d’accord sind, tut es uns leid, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Wenn ich bösartig wäre, müsste ich sagen: Der gute Wille ist erkennbar, das Ziel ist auch richtig, aber so, wie der Antrag gestellt ist, würden wir über unsere eigenen Füße stolpern, wenn wir ihm zustimmen würden. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das letzte Wort hat heute Herr Kollege Professor Dr. Barfuß natürlich mit Ausnahme meines letzten Wortes.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion hat zwei Haushälter. Nachdem Herr Kollege Klein heute schon eine fulminante Rede gehalten hat, hat er gesagt: Weil Du immer so frech zum Zeil bist, musst Du jetzt zum Thema Gender reden. Sie sehen, bei uns gibt es schon eine gerechte Strafe.

Spaß beiseite. 56 % der Wahlberechtigten sind Frauen. Wir haben uns die Wählerinnen und Wähler nicht

ausgesucht, sondern die Wählerinnen und Wähler haben sich uns ausgesucht. Ich will damit sagen, dass wir nicht bei jedem Thema 50:50 machen können. Wir hatten einmal in Bayern - das vergessen viele - das erste Umweltministerium in ganz Europa. Ein gewisser Max Streibl war der Minister. Heute haben wir einen grünen Ministerpräsidenten in Deutschland. Es hat also gedauert, bis eine neue Idee in praktische Politik umgesetzt wurde.

Frau Marie Juchacz, die Gründerin der AWO, und andere Frauen mussten sich einmal verlachen lassen. Heute haben wir eine Bundeskanzlerin. Genauso wird es mit dem Gender Budgeting auch kommen. Das ist ein langfristiger Prozess, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht. Gehen Sie einmal auf die Homepage des einzigen Bundeslandes, wo es das Gender Budgeting bereits gibt, nämlich Berlin: Dort ist wörtlich ausgeführt "und ist als ein langfristiger Entwicklungsund Veränderungsprozess zu betrachten". Deswegen nützt hier alle Aufgeregtheit nichts. Berlin ist das erste Bundesland, das damit begonnen hat. Dort zeichnen sich eine erhöhte Kostentransparenz, eine größere Sensibilisierung, eine verbesserte Gender-Medienkompetenz usw. ab.

Wir glauben aber, dass es noch einen anderen interessanten Aspekt gibt, den ich kurz ansprechen möchte, nämlich die Gerechtigkeit. Wir meinen, dass eine gewisse Generationengerechtigkeit mindestens genauso wichtig wäre wie diese reine Gender-Gerechtigkeit. Weder die Generationen der Beitragszahler - Frauen und Männer - noch die Generation der Rentner - ebenfalls Frauen und Männer - dürfen bevorzugt oder benachteiligt werden. Warum können wir nicht in Generationsbilanzen denken? Damit würden wir das Budgeting viel nachhaltiger organisieren. Hier könnten auch die unterschiedlichen Belange von Frauen und Männern berücksichtigt werden.

Wir meinen, dass auch dieser Ansatz nachdenkenswert wäre. Das erscheint uns genauso wichtig wie das reine Gender-Anliegen. Gleichwohl wünschen wir dem Bundesland Berlin viel Erfolg. Wir werden die dortige Entwicklung beobachten und zu gegebener Zeit in Bayern diskutieren. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, heute werden wir Ihren Antrag würdigen, aber wohlwollend ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke, Herr Professor. Darf ich darum bitten, Telefonate, die nicht den Fraktionsvorstand oder die Geschäftsführung betreffen, nach draußen zu verlegen? Das gilt auch für die Gespräche auf der Seite der Regierungsbank. Ich möchte die Sitzung geordnet zu Ende führen.

Offizielle Wortmeldungen liegen uns hier nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt auf Drucksache 16/8046 die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der SPD. Ich bitte Sie, die Gegenstimmen ebenso anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der Freien Wähler und Frau Kollegin Dr. Pauli. Enthaltungen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Außerhalb der Tagesordnung gebe ich gemäß § 14 Absatz 4 bzw. § 26 Absatz 2 der Geschäftsordnung folgende Umbesetzungen im Ältestenrat und in den Ausschüssen bekannt:

Die CSU-Fraktion hat mitgeteilt, dass anstelle von Herrn Thomas Kreuzer wegen dessen Berufung zum Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht und Kultus Herr Kollege Alexander König neues Mitglied im Ältestenrat wird. Ihm ist bereits gratuliert worden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auch die Fraktion der Freien Wähler hat Umbesetzungen im Ältestenrat mitgeteilt. Danach wird anstelle von Frau Kollegin Tanja Schweiger Herr Kollege Florian Streibl neues Mitglied im Ältestenrat. Als seine erste Stellvertreterin wurde Frau Kollegin Eva Gott

stein, als sein zweiter Stellvertreter wurde Herr Kollege Hubert Aiwanger benannt. - Ebenfalls herzlichen Glückwunsch. Als erster Stellvertreter von Herrn Kollegen Peter Meyer wurde anstelle von Herrn Kollegen Professor Dr. Michael Piazolo Herr Kollege Alexander Muthmann benannt. Auch Sie sind uns herzlich willkommen. Vonseiten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wurde mitgeteilt, dass anstelle des Kollegen Thomas Mütze Herr Kollege Dr. Martin Runge erster Stellvertreter von Frau Ulrike Gote sowie zweiter Stellvertreter von Frau Christine Stahl im Ältestenrat wird. Ebenfalls von uns allen ein herzliches Willkommen!

Die Fraktion der Freien Wähler hat darüber hinaus noch folgende Ausschussumbesetzungen mitgeteilt: Neues Mitglied im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten wird anstelle des Herrn Kollegen Professor Dr. Michael Piazolo Frau Kollegin Eva Gottstein. Für Herrn Kollegen Florian Streibl wird Frau Kollegin Tanja Schweiger neues Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Im Protokoll ist alles nachzulesen.

Ich habe jetzt keine weiteren Seiten mehr in meinem Buch. Mit großer Freude darf ich Sie jetzt in den restlichen Abend entlassen. Viel Spaß!

(Schluss: 21.11 Uhr)