Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, die Befürworter einer Verfassten Studierendenschaft unterliegen zwei grundsätzlichen Missverständnissen. Sie glauben, durch die Verfasste Studierendenschaft habe der Studierende mehr Rechte und mehr Einfluss. Wenn wir die Verfasste Studierendenschaft einführen würden, würden wir den Studierenden aber nicht mehr Rechte geben, sondern im Gegenteil. Wir würden ohne zwingenden Grund in die Rechte jedes einzelnen Studierenden eingreifen. Mein Demokratieverständnis unterscheidet sich bei dieser Frage diametral von der Ihrigen, Herr Kollege Dr. Fahn.

(Beifall bei der FDP)

Demokratie ist die Freiheit zu entscheiden, ob ich in einer Hochschule einer Hochschulgruppierung angehören will oder nicht. Aber ich will nicht, dass die Studierenden zwangsweise, das heißt automatisch Mitglied werden. Das ist die studentische Freiheit, die ich will.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Es wäre ja noch schöner, wenn wir den Lehrlingen sagen würden: Wenn ihr eine Lehrstelle antretet, müsst ihr Mitglied der Gewerkschaft werden. - Auch an den Hochschulen soll das nicht so sein. Das ist Ausdruck von Freiheit.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Dr. Hans Jür- gen Fahn (FREIE WÄHLER): Dann müssen Sie die IHK-Zwangsmitgliedschaft auch abschaffen!)

Alle Studierenden haben eine Hochschulzugangsberechtigung. Sie sind intellektuell auf einem Niveau, dass sie selbst entscheiden können, was sie an einer Hochschule wollen.

Sie sehen es an der Wahlbeteiligung: Es ist kein Unterschied, ob in einem Bundesland eine Verfasste Studierendenschaft vorgehalten wird oder nicht. Dann lassen wir doch den Studierenden bitte die Freiheit!

Ich möchte an dieser Stelle noch Folgendes anmerken:

Nummer eins. Die Studierenden sitzen bei der Verteilung der Mittel aus den Studienbeiträgen paritätisch am Tisch. Es gibt keine Entscheidung ohne Zustimmung der Studierenden.

Nummer zwei. Die Studierenden wählen über ihre Fachschaften und über den studentischen Konvent mit. Sie haben doch die Rechte.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann Ihnen nur nochmals sagen: Die Studierenden haben andere Probleme als über die von den Einbringern des Gesetzentwurfs aufgeworfene Frage zu diskutieren. Es sind einige wenige, die das wollen. Das dürfen sie auch fordern. Nur, mehr Rechte entstehen daraus nicht. Die Bayerische Verfassung bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten der Mitwirkung.

Ich darf an die Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses erinnern; vielen Dank, Kollege Jörg, dass Sie sie noch einmal explizit angesprochen haben. Haben wir eigentlich vergessen, dass ich mich mit beiden Hochschulverbünden und den Studierendenvertretern darauf geeinigt habe, was wir am Bologna-Prozess verbessern wollen? Diese - schriftliche! - Einigung trägt die Unterschriften der Studentenvertreter, der Hochschulpräsidenten und des zuständigen Staatsministers. Wenn das kein Erfolg ist! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Die entscheidende Größe ist für mich der BolognaProzess gewesen.

Kollege Jörg hat ausgeführt, über welche Fragen wir in den Arbeitsgruppen diskutieren. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Ich empfehle Ihnen, abzuwarten, was herauskommt. Richtig ist: Es wird mit hundertprozentiger Sicherheit nicht das Modell "Zwangsmitgliedschaft" sein. Das werden wir nicht machen.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Dr. Hans Jür- gen Fahn (FREIE WÄHLER): Das ist aber keine Demokratie! Ich denke, es soll offen diskutiert werden?)

- Herr Fahn, müssen wir uns darüber noch einmal unterhalten? Die paritätische Mitbestimmung bei der Verwendung der Studierendenbeiträge habe ich schon erwähnt. Das ist doch das Beste und Feinste, was es an demokratischer Mitbestimmung gibt. Das sind doch die entscheidenden Größen. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit die Studienbedingungen verbessert werden können. Nur das kann unser Ansatz sein, und wir werden entsprechend handeln.

Verehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen eines voraus: Wenn Sie an die Hochschulen gehen und die Studierenden fragen, warum sie eigentlich dort sind, dann werden sie Ihnen sagen: Wir sind an der Hochschule, um zu studieren, nicht, um Politik zu machen. - Das ist deren Ansatz.

Ich habe mir den doppelten Abiturjahrgang am vergangenen Montag selbst angesehen. Ich war an drei Hochschulen und habe auch mit Studierenden gesprochen. Dort herrscht ein ganz anderer Geist als das Kaderdenken, das Sie durch eine Verfasste Studierendenschaft hier glauben einführen zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Bleiben Sie bitte, Herr Dr. Heubisch. Herr Dr. Piazolo hat eine Zwischenintervention angemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, wir haben vielleicht ein unterschiedliches Verständnis von Politik. Für mich ist Studieren auch Politik.

(Zuruf von der CSU: Das ist Quatsch!)

- Ich glaube nicht, dass das Quatsch ist. Es muss das Verständnis dafür vorhanden sein, dass man, wenn man sich in einer Gesellschaft bewegt, auch Politik macht. Nicht nur Parteipolitik ist Politik. Das war meine erste Bemerkung.

In meiner zweiten Bemerkung geht es um die Konsistenz von Politik. Ich habe noch nie gehört, dass sich die FDP vehement gegen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern - IHKs, Handwerkskammern, Anwaltskammern, Kammern der anderen freien Berufe - eingesetzt hätte. Herr Staatsminister, Sie waren doch einmal als Präsident des Verbandes Freier Berufe in Bayern tätig. Sie sagen, das eine sei verfassungsrechtlich möglich, mit dem anderen hätten Sie Probleme. Wie geht das zusammen?

Drittens stelle ich die Frage, ob die FDP überhaupt intern eine konsistente Position einnimmt. In vielen Bundesländern gibt es für den Hochschulbereich zuständige FDP-Minister, die eine Verfasste Studierendenschaft durchaus zulassen und die ein anderes Modell wie die Integrierte Studierendenschaft wahrscheinlich auch teilen könnten. Warum ist die bayerische FDP völlig anderer Meinung? Wie wollen Sie das im Bund regeln? Gibt es dazu eine einheitliche FDP-Meinung vor Bundestagswahlen, oder sind die

Meinungen da ganz verschieden? Ich glaube, das ist eine wichtige Frage.

Bitte schön, Herr Dr. Heubisch.

Sehr geschätzter Herr Professor Piazolo, ich erlaube mir, mir das Recht herauszunehmen, der FDP anzugehören und gleichzeitig Bürger des Freistaates zu sein. Dass die Bayern ab und zu mal weniger, mal öfter - eine eigene Meinung haben, ist gut. Das zeigt auch der Erfolg Bayerns.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Deshalb ist es meine feste Überzeugung als Bürger des Freistaates Bayern und als Mitglied der Freien Demokratischen Partei, dass es besser ist, wenn wir das mit der "Verfassten Studierendenschaft" lassen zum Wohle der Studentinnen und Studenten. Nummer eins.

Nummer zwei. Sie haben Beispiele aus der Wirtschaft angeführt. Es geht hier um Grundprinzipien. So, wie wir uns alle einig sind, dass wir keine Zwangsmitgliedschaft in Parteien anstreben - selbstverständlich nicht! -, so steht auf der gleichen Ebene das Freiheitsrecht jedes einzelnen Studierenden, an dem Hort der Freiheit, den Hochschulen und Universitäten, diese Entscheidung selbst zu treffen. Es ist geradezu eine Auszeichnung, wenn ich niemanden der dort Studierenden in eine Zwangsjacke presse. Das ist meine Antwort hierauf. Ich bitte das auch zu würdigen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Danke, Herr Staatsminister. - Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, weshalb wir in die etwas komplizierte Abstimmung einsteigen können. Ich bitte um Konzentration.

Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/6447 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfiehlt auf Drucksache 16/7723 die Ablehnung. Die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat nach § 52 Absatz 3 der Geschäftsordnung beantragt, über § 1 des Gesetzentwurfes einzeln und damit nummernweise abstimmen zu lassen. Darüber hinaus wurde nach § 125 der Geschäftsordnung die getrennte Abstimmung über die Nummern 2 a und 2 b in § 1 beantragt. Ich gehe davon aus, dass mit der getrennten Abstimmung über die Nummern 2 a und 2 b Einverständnis besteht. -

Deshalb lasse ich jetzt über § 1 Nummer 1 des Gesetzentwurfs abstimmen. Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses der Nummer 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gibt es Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Die Stimmenthaltungen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Die Nummer 1 ist damit abgelehnt.

Wir kommen zu § 1 Nummer 2 a. Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses der Nummer 2 a zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist die Nummer 2 a abgelehnt. Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses der Nummer 2 b des § 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Keine. Die Nummer 2 b ist abgelehnt.

Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses der Nummer 3 des § 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Stimmenthaltungen? - Keine. Die Nummer 3 ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 1 Nummer 4. Die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat hierzu einen Änderungsantrag gestellt. Danach soll im neu gefassten Artikel 53 Absatz 1 der Satz 2 gestrichen werden. Der bisherige Satz 3 würde dann zu Satz 2.

Über diese Änderung lasse ich jetzt vorab abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe keine. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Deshalb können wir jetzt über § 1 Nummer 4 in unveränderter Fassung abstimmen. Wer der Nummer 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstim

men? - CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Keine. Die Nummer 4 ist damit ebenfalls abgelehnt.

Damit ist § 1, der alle wesentlichen Teile des Gesetzentwurfs enthält, insgesamt abgelehnt.

Nachdem somit in der Zweiten Lesung alle wesentlichen Teile des Gesetzentwurfs abgelehnt worden sind, unterbleibt gemäß § 52 Absatz 4 der Geschäftsordnung jede weitere Beratung und Abstimmung. Der Gesetzentwurf ist somit insgesamt abgelehnt.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, möchte ich Folgendes sagen: Wir haben hier auf dem Präsidium, glaube ich, bei Abstimmungen einen sehr guten Überblick. Es war erkennbar, wie viele GRÜNE sich im Raum befinden. Es waren fünf. Das können Sie, Herr Kollege, gern prozentual hochrechnen. Insofern lasse ich das so stehen. Es waren also nicht nur einzelne Abgeordnete da, sodass ich diese Abstimmung, wie ich sie durchgeführt habe, für völlig in Ordnung finde.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (Drs. 16/7116) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von sieben Minuten beantragt. Den ersten Redebeitrag hält Herr Professor Dr. Piazolo. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Weinbergbesitzer stellte in der Frühe Arbeiter an, die bei ihm den ganzen Tag schaffen sollten, und versprach jedem einen Groschen. Im Laufe des Tages, um 12 Uhr, 3 Uhr, 6 Uhr und 9 Uhr, heuerte er weitere Arbeiter an und versprach allen, zu zahlen, was Recht ist. Am Ende des Tages erhielten die Arbeiter, egal wie lange sie gearbeitet hatten, alle einen Groschen. Darüber murrten besonders diejenigen, die im Gegensatz zu den anderen den ganzen Tag gearbeitet hatten. Der Weinbergbesitzer antwortete: Ich habe euch nicht ungerecht behandelt, sondern ich gebe euch, was wir vereinbart haben. - Es kommt dann dieser bekannte, aber auch durchaus dunkle Satz: Also werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Das Ganze findet sich im Matthäus-Evangelium 20.1 bis 16. Das ist eine Stelle - ich sage es ganz offen -,