Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Das Ganze findet sich im Matthäus-Evangelium 20.1 bis 16. Das ist eine Stelle - ich sage es ganz offen -,

die mich früher sehr zum Nachdenken brachte und auch heute noch zum Nachdenken bringt und die doch auch Fragen nach Recht und Gerechtigkeit aufwirft, sicherlich in diesem Zusammenhang - aber das lassen wir hier weg - auch nach dem Glauben und dem Akzeptieren dessen, was man ausmacht.

Wir behandeln heute eine ähnliche Frage, nämlich die Frage, was die gerechte Bezahlung eines Lehrbeauftragten ist, was vielleicht ausgemacht ist, was aber auch gerecht ist. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich das.

Wir können natürlich sagen, bis jetzt ist alles in Ordnung, denn es entspricht der Vertragslage. Jeder macht etwas aus, und dann ist das auch Recht. Das ist sicherlich auch richtig, wenn man es rein juristisch durchdenkt. Ich meine aber, gerade als Politiker im Bayerischen Landtag ist man aufgerufen, auch das Recht, das besteht, darauf zu untersuchen, ob es gerecht ist. Wenn wir den Eindruck haben, es ist nicht gerecht, es ist ungerecht, sind wir verpflichtet, das über Gesetzesänderungen zu ändern.

Wir als FREIE WÄHLER halten die Regelung, die wir jetzt haben, und besonders ihre praktische Umsetzung - sie gehört immer mit dazu - für ungerecht. Ich habe das in den Beratungen der Ausschüsse mehrfach geschildert und brauche jetzt, glaube ich, auch keine Beispiele zu nennen. Man sollte sich aber immer darüber im Klaren sein, dass es gerade bei den Lehrbeauftragten vielfach um solche geht, die in Abhängigkeitsverhältnissen stehen, aber auch um solche, bei denen es teilweise keine Verträge gibt und die in Drucksituationen sind, die ausgenutzt werden können.

Wir haben andere Beispiele von Drucksituationen im Arbeitnehmerbereich, in denen wir natürlich rechtlich reagieren. Das Arbeitsrecht geht sehr stark in diese Richtung. Das Gleiche gilt aber auch für das Mietrecht, mit dem wir den Mieter schützen und nicht einfach sagen, hier stehen sich zwei gleich Starke gegenüber.

Ich sehe das bei den Lehrbeauftragten ähnlich, also anders als im Bereich des Berufungsrechts bei Professoren. Auch bei den Lehrbeauftragten findet vielfach - nicht immer, aber vielfach - eine Ausnutzung statt. Auch deshalb sollten und müssen wir aus meiner Sicht reagieren.

Ich will Ihnen gleich auch eine gewisse Schwäche unseres Gesetzentwurfs nennen. Man soll das manchmal auch offen bekennen. Diese Schwäche kann durchaus die Höhe der Entschädigung sein. Über die kann man streiten. Das habe ich auch während des

Prozesses immer gesagt. Das müssen nicht 40 Euro sein, das können auch 30 Euro sein.

Ich sage Ihnen aber auch offen: Als wir gemerkt haben, dass eigentlich überhaupt keine Bereitschaft da ist, hier in eine Regelung einzutreten, haben wir das auch so gelassen. Es ist eine parlamentarische Erfahrung nach zweieinhalb Jahren, dass bei Gesetzentwürfen der Opposition sehr wenig Bereitschaft besteht, sie anzunehmen. In die Diskussion steigt man noch ein, aber es herrscht sehr, sehr wenig Bereitschaft, dann etwas zu übernehmen. Da ist durchaus auch einmal Bewegung drin.

Ich denke, wir könnten lange über den gerechten Lohn streiten. Nur, mir geht es darum, dass unsere Lehrbeauftragten dann nicht die Letzten sind an der Universität, an den Hochschulen, sondern dass wir ihnen deutlich machen, dass wir ihre Arbeit schätzen, die in den nächsten Jahren immer wichtiger wird, die auch schon in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat, und dass es für uns auch wichtig ist, hier eine Neuregelung zu finden, denn der Wildwuchs, der in den letzten Jahren in diesem Bereich immer mehr zugenommen hat, sollte beschnitten werden, um damit zum Bild vom Weinberg zurückzukommen.

Beifall bei den FREIEN WÄHLERN

Vielen Dank, Herr Dr. Piazolo. Als nächste Wortmeldung liegt uns die von Herrn Jörg vor. Bitte schön.

Sehr geehrtes Präsidium, Kolleginnen und Kollegen! Es ist spannend, hier einmal eine philosophisch-theologische Betrachtungsweise ins Parlament zu bringen: Was ist ein gerechter Lohn? Interessant!

Ich will meine Redezeit nutzen, um zum einen noch einmal über den Ist-Zustand und darüber zu reden, ob diese Lage gerecht ist. Zum anderen will ich die offenen Fragestellungen noch einmal ein wenig beleuchten und nicht zuletzt auch das, was die Kernprobleme im Hinblick auf die wichtige Gruppe der Lehrbeauftragten an unseren bayerischen Hochschulen anbelangt.

Unverzichtbar ist der Bestandteil, den sie leisten. Ich denke, das geht durch alle Debatten. Beim letzten Mal im Plenum, aber auch in unserem Hochschulausschuss sind wir uns einig gewesen, dass diese Gruppierung einen riesigen, wichtigen Beitrag zur Bereicherung unserer Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften, aber auch Musikhochschulen leistet.

Klar ist das, was in der Lehrbeauftragten- und Lehrbeauftragtenvergütungsverordnung geregelt ist. Danach ist diese Tätigkeit dem Grunde nach nur eine Ergänzung und Bereicherung, schon allein gemessen an dem, was sie an Umfang einbringen sollte; der Grundidee nach nämlich in der Regel bis zu neun Stunden, gegebenenfalls auch 12 - gehen wir nicht so weit ins Detail -, und dass sich die Lehrbeauftragten zumindest dem Durchschnitt nach so um die vier Stunden herum einbringen. In der Debatte über gerechten Lohn, um damit sein Leben bestreiten zu können, kann es für die Betroffenen nicht gehen - bei all dem, wie wichtig das ist, was sie einbringen.

Das gilt natürlich auch für die Höhe der Vergütung, und damit kommen wir jetzt schon zu einem Kern; denn wie ist das jetzt geregelt? Das zu wissen ist eigentlich nicht uninteressant, nämlich so, dass wir oben einen Deckel drauf haben bei 55 Euro, in Ausnahmefällen bis zu 66 Euro, sodass sich dazwischen ein riesiger Spielraum ergibt für die bayerischen Hochschulen, wie sie das konkret gestalten.

Jetzt sind wir aber bei dem Kern der Fragestellung, die Sie - philosophisch-theologisch - aufwerfen: Ist dieses System gerechter oder das andere System, alle gleich zu bezahlen mit einem Mindestlohn von 40 oder 30 Euro? Ich bin mir sicher, dass Sie über die Ansätze auch mit sich diskutieren lassen.

Ich finde, es ist hoch gerecht, so zu operieren, wie es jetzt in der Verordnung steht; denn - und das ist der große Unterschied vielleicht auch zu anderen Berufsgruppen, wo wir ja auch teils über Mindestlöhne reden und in bestimmten Bereichen auch gar nicht abgeneigt sind, auch in der Vergangenheit nicht abgeneigt waren - hier passt es nicht, Herr Professor Piazolo; hier passt es deswegen nicht, weil der Kreis der Lehrbeauftragten von der Motivation her und dem, wie sie sonst Mitglied der Hochschule sind, völlig verschieden ist.

Sie haben diejenigen, die mit der Hochschule eigentlich gar nichts zu tun haben und irgendeinem anderen Beruf nachgehen oder freiberuflich tätig sind, die vor allem in die Fachhochschulen gehen und dort den Lehrbetrieb bereichern.

Sie haben diejenigen, die schon an unseren Universitäten beschäftigt sind und dort nicht schlecht, aber es kann immer mehr sein, honoriert werden: Professoren, die einen zusätzlichen Lehrauftrag haben, wissenschaftliche Mitarbeiter, die einen zusätzlichen Lehrauftrag haben.

Sie haben weiter diejenigen in der Gruppierung, von der ich meine, dass wir über sie nachdenken sollten, die nirgends sonst beschäftigt sind, sich vielleicht frei

beruflich musisch-künstlerisch beschäftigen, was oft zum Leben kaum reicht, und für die so ein Lehrauftrag doch eine gewisse Grundkomponente darstellt, für sich auch ein Einkommen zu skizzieren, wo man weiß: Die paar hundert Euro, die habe ich schon einmal. Und für sie ist das monetär nicht uninteressant.

Ja, und dann haben Sie diejenigen, die zum Beispiel aus der Hochschule ausgeschieden oder Honorarprofessoren sind, die entpflichtet sind, die natürlich finanziell auch nicht schlecht dastehen.

Jetzt ist die Frage: Was ist gerecht? - Es wird sicher Spaß machen, nachher den Beitrag der SPD zu Ihren Fragestellungen zu hören: Was ist hier gerecht? Ich frage und weiß nicht, ob Sie dem widersprechen werden, Herr Kollege Rabenstein: Ist es gerecht, dass wir denjenigen, denen es wirklich schon sehr gut geht, etwa Professoren im Ruhestand, wenn sie sich dort noch betätigen, mindestens die 40 Euro oder einen anderen Betrag - der Herr Kollege lässt ja mit sich diskutieren -, mindestens die 35 Euro mitgeben?

Sie werden jetzt vielleicht sagen: Sie können ja notfalls darauf verzichten. Aber will ich diese Konstruktion? - Ich will sie nicht! Denn sie wird dem Einzelfall a) der Hochschule, aber b) auch der einzelnen persönlichen Situation - nicht so stark gerecht.

Ein paar offene Fragestellungen, Herr Professor Piazolo: Wie viele Lehrbeauftragte betrifft es jetzt tatsächlich in Bayern? Sie haben einmal von 10.000 gesprochen; ich wüsste jetzt gern, wie viele es wirklich sind. Das ist gar kein Vorwurf an Sie, aber das müssten wir uns genauer anschauen.

Herr Professor Piazolo, wir müssten genauer anschauen, welche diejenigen sind - was wir nicht dulden wollen -, die davon auch leben und für die es zumindest ein Teileinkommen ist. Wie viele sind diejenigen, die gar nichts bekommen? Das würde mich in der Tat interessieren; denn dort, wo ich mich schlau gemacht habe, an der Fachhochschule in Würzburg/Schweinfurt, das ist bei mir vor der Haustüre, oder an unserer Musikhochschule in Würzburg, werden die Lehrbeauftragten alle mit 26 Euro bis 34,40 Euro honoriert bzw. an der Musikhochschule zwischen 24,50 Euro und ein Stückchen nach oben.

Ich will es also einmal genauer wissen, damit wir Entscheidungsgrundlagen haben. Wie gesagt, ist das kein Vorwurf an Sie, sondern eine Anregung zur Intensivierung der Debatte.

Ein ganz schwieriger Punkt ist in der Tat - da haben wir insgesamt noch eine offene Flanke, worauf auch Ihr Antrag keine Antwort gibt - eine Fragestellung, die der Mindestlohn nicht lösen wird. Ich hatte da letztes

Mal in der Debatte den Finger mit in die Wunde gelegt und bin bereit, weiter darüber zu diskutieren und zu debattieren. Wir haben nämlich Entwicklungen, die bedeuten nicht nur eine Ergänzung im Lehrbetrieb, sondern da stellen die Lehrbeauftragten einen so starken Bestandteil dar - zum Beispiel werden an der Musikhochschule Würzburg 49 % über Lehrbeauftragte abgedeckt -, dass es nicht mehr die Situation ist, wie sie gewollt war.

Dort ist im Übrigen auch die Frage hochinteressant: Sollen wir die Hälfte des Lehrbetriebs einer Musikhochschule mit Lehrbeauftragten durchführen, die bei Mutterschutzfragen und was wir hier alles haben, nicht abgesichert sind? Wollen wir das so haben? Da habe ich Bauchschmerzen, gebe ich freimütig zu. Das beantworten wir aber nicht mit Ihrem Antrag zum Mindestlohn in dem Bereich, denn damit zementieren Sie die Situation sogar eher.

Denken Sie bitte an das Ende?

Ich denke, Frau Präsidentin, an das Ende. Das sollen meine Überlegungen dazu gewesen sein.

(Beifall bei der CSU)

Bleiben Sie bitte vorn. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Dr. Piazolo gemeldet. Bitte.

. Es ist vieles durchaus richtig gewesen, was Sie gesagt haben. Nur was das eine betrifft mit den vielen unterschiedlichen Formen und den vielen unterschiedlichen Menschen, ist es leider so, dass im Moment diejenigen die hohen Sätze bekommen, die finanziell eigentlich besser gestellt sind, die wir auch gezählt haben, Professoren usw. Eher diejenigen, die in den prekären Verhältnissen leben, bekommen häufig den Druck, dass es heißt: Macht das mal kostenlos! Deshalb unser Ansatz. Wenn es anders herum wäre, wäre das Problem nicht vorhanden.

Die Zahlen - da stimme ich mit Ihnen überein - muss man klären. Ich bin davon ausgegangen, dass das Ministerium die entsprechenden Zahlen zur Verfügung hat, wenn wir einen Gesetzesantrag stellen. Das ist für uns teilweise nicht leistbar. Sonst - sage ich auch ausdrücklich - stimme ich zu: Es werden zu viele Lehrbeauftragte. Das ist eines der Probleme der Hochschulen: dass viel zu viele in diese prekären Verhältnisse abgedrängt werden, und daran müssen wir etwas ändern.

(Beifall bei der CSU)

Was Sie ausführen, betrifft auch eine Komponente, wo man mehr Zahlenmaterial braucht. Ich habe dort, wo ich nachgehakt habe, nicht die Erfahrung gemacht. Ich meine, ich kann als Abgeordneter auch nicht alle bayerischen Hochschulen durchrecherchieren; das ist nicht zwingend meine Aufgabe. Ich recherchiere halt so weit, dass ich hier eine ordentliche Debatte führen kann und es den Menschen draußen gerecht wird.

Danke, Herr Jörg. Noch eine zweite Zwischenbemerkung, Herr Piazolo? - Danke schön, Herr Jörg. Dann können wir in der Debatte fortfahren. Herr Dr. Rabenstein, Sie haben sich praktisch schon in Stellung gebracht.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um ein spannendes Thema an der Universität. Es gibt eben sehr unterschiedliche Arbeitsverhältnisse. Das muss man einmal sagen. Man darf das nicht über einen Kamm scheren; das ist auch klar. Aber es ist übrigens so wie mit der Leiharbeit: Bei den Lehrbeauftragten hat man einmal gedacht, dass das die Ausnahme ist und sich hierfür qualifizierte Kräfte zur Verfügung stellen sollen. Es ist aber immer mehr zur Regel geworden. Wir haben gerade in diesem Bereich - aber nicht nur dort prekäre Arbeitsverhältnisse. Deswegen geht der Antrag meiner Meinung nach in die richtige Richtung: einen Mindestlohn zu fordern. Wir werden als SPDFraktion diesen Antrag nachhaltig unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Bei den prekären Arbeitsverhältnissen ist es übrigens auch so, dass es hier an der Universität - das betrifft jetzt aber nicht diesen Gesetzentwurf - sehr viele halbe Stellen gibt. Assistenten haben über Jahre hinweg prekäre Arbeitsverhältnisse. Da müssen wir nachhaken und etwas tun.

Warum brauchen wir einen Mindestlohn auch in diesem Bereich? Mindestlohn ist eine Grundforderung der SPD, und zwar nicht nur in diesem speziellen Bereich.

Für die Grundforderung nenne ich fünf Gründe:

Erstens. Bezüglich des ersten Grundes knüpfe ich an das Wort "Gerechtigkeit" an. Es geht mir um die Würde der Beschäftigten. "Würde" heißt für mich: Von dem Lohn, den ich bekomme, muss ich ein würdiges Leben führen können. Das verstehe ich unter einem gerechten Lohn.

Es ist nicht so, dass wir auch das Wort unterstützen: "Sozial ist, was Arbeit schafft." Dies stimmt nämlich nicht. Es muss heißen: Sozial ist, was Arbeit schafft, von der ich anständig leben und eine Familie ernähren kann. Solches ist gerecht, und das verbinden wir mit dem Wort "Mindestlohn".

Deswegen sagen wir: In diesem Bereich müssen die Beschäftigten nicht nur nach oben, sondern natürlich auch nach unten eine Absicherung haben. Denjenigen, der sehr viel bekommt, interessiert der Mindestlohn sowieso nicht. Aber anders ist es bei denjenigen, die überhaupt nichts bekommen oder 15 oder 20 Euro erhalten; solche Beschäftigungsverhältnisse gibt es. Da braucht man natürlich einen Mindestlohn.

Folgendes muss deutlich gesagt werden: Eine Summe von 20 Euro mag vielleicht viel erscheinen, wenn wir bedenken, dass wir in der freien Wirtschaft einen Mindestlohn von 7 oder 8 Euro fordern. Aber in der Stunde, in der ich eingesetzt werde, geht es nicht um diese einzelne Stunde, sondern man muss bedenken, dass man auch mindestens eine Stunde Vorarbeit und eine Stunde Nacharbeit braucht. Dann kommt man auf drei Stunden. Dadurch werden 15 Euro zu 5 Euro pro Stunde. Auch diese Tatsache muss berücksichtigt werden.