Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der ganzen arabischen Welt bricht sich die Freiheitsbewegung Bahn. Menschen rebellieren gegen totalitäre Systeme, kämpfen gegen Diktatur und für Freiheit. Was vor zwei Jahrzehnten die sozialistischen Diktaturen erschüttert hat, bringt nun die arabischen Diktaturen ins Wanken. Mit unglaublicher Brutalität gehen gerade in Syrien Armee und andere Kräfte gegen friedliche Demonstranten vor. Das war die Ausgangssituation, als wir am 14. April den Antrag des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN im Rechtsausschuss beraten hatten. Ich habe damals - das möchte ich noch einmal betonen - ohne Absprache mit meiner Fraktion diesem Antrag zugestimmt und damit vielleicht eine Brücke zur heutigen Zustimmung gebaut.
Mir ist das nicht leichtgefallen. In Anbetracht einer solchen Situation ist es für mich aber ein Gebot der Menschlichkeit sowie der christlichen Ethik, auf Abschiebungen zu verzichten.
Für mich steht hier aber auch die Glaubwürdigkeit der westlichen Welt insgesamt auf dem Spiel. Man kann nicht gegen einen Diktator in Libyen militärisch vorgehen und zugleich dem anderen Diktator Flüchtlinge ans Messer liefern.
Seit dem 14. April ist die Lage in Syrien nicht besser geworden. Glauben Sie mir, ich hätte lieber nicht Recht behalten. Weiter verschwinden Menschen in Syrien. Weiter werden Menschen verschleppt, gefoltert und getötet. Die Zahl der Toten wird mittlerweile auf 760 geschätzt.
Das niedersächsische Innenministerium hat Abschiebungen nach Syrien gestoppt. Das Bundesministerium des Innern hat empfohlen, keine Abschiebungen mehr vorzunehmen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Beteiligten, die zu dieser heute hoffentlich einstimmigen Entscheidung beigetragen haben. Ich bedanke mich bei den Antragstellern, die diese Initiative eingebracht haben. Ich bedanke mich bei meiner Fraktion für das Verständnis für meinen Alleingang. Ich bedanke mich ausdrücklich bei unserem Koalitionspartner, dass wir zu einem einstimmigen Votum kommen können. Ich bedanke mich, dass wir heute hier die richtige Entscheidung treffen können: Eine Entscheidung für die Freiheit, für die Menschlichkeit und damit auch eine Entscheidung für unsere Werteordnung.
Angesichts dessen, was wir jetzt beraten, bitte noch ein paar Minuten zuzuhören und sich dem Antrag angemessen im Plenum zu verhalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich hier eigentlich nicht mehr zu Wort melden. In der Debatte kam jetzt aber zum Ausdruck, dass es irgendwo Unstimmigkeiten gäbe und dass die Staatsregierung am laufenden Band Abschiebungen veranlasst hätte. Ich möchte das in vollem Umfang zurückweisen. Wir hatten im Jahr 2011 eine einzige Abschiebung. Diese war aber
nach allen Kriterien und Richtlinien vollkommen korrekt. Wir brauchten keine Vorgabe von irgendeiner politischen Gruppierung im Freistaat Bayern. Die Verwaltung hat vollkommen korrekt gehandelt. Am 28. April ist eine klare Anweisung vom Bundesinnenministerium gekommen, und danach ist gehandelt worden. Deshalb verstehe ich die Diskussion, die sich gegen die CSU-Fraktion und die Staatsregierung richtet, in keiner Weise.
Es gibt - das ist die Anweisung - keine Abschiebung, solange sich die jetzigen Verhältnisse nicht ändern. In diesem Sinne haben wir miteinander fraktionsübergreifend geredet und eine gemeinsame Formulierung dieses Antrags erreicht. Deswegen empfehlen wir, sich diesem fraktionsübergreifenden Antrag anzuschließen.
Kolleginnen und Kollegen, die geänderte Fassung liegt Ihnen vor. Ich lasse jetzt, wie von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN beantragt, über diese geänderte Fassung namentlich abstimmen. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, mit der Stimmabgabe zu beginnen. Fünf Minuten stehen Ihnen zur Verfügung.
Kolleginnen und Kollegen, die Zeit für die Abstimmung ist vorbei. Ich schließe die Abstimmung. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt.
Ich bitte in der Zwischenzeit eine Kollegin, sich an eines der Mikrofone hinten im Saal zu stellen, damit Sie sehen können, dass hier vorne auf den Bildschirmen Kolleginnen und Kollegen erscheinen, die von hinten eine Frage stellen oder eine Zwischenbemerkung machen. Wenn jemand von hinten redet, stehen die Besucher und Besucherinnen immer auf, um zu sehen, wer da hinten spricht. Ich sehe diese Frage leidenschaftslos. Wenn wir das machen, sind wir ein besucherfreundliches Plenum. Die Besucher und Besucherinnen kommen hier in den Saal und wissen, worum es geht, und sie sehen, wer gerade am Redepult steht, aber nicht, wer von hinten eine Zwischenfrage stellt.
- Ich weiß. Dann muss man sich überlegen, ob man das noch anders gestalten kann. Die Bildschirme sind jetzt nur zur Probe da; es sollen nur zwei Probeläufe gemacht werden. Wenn die Fraktionen sagen, dass wir das nicht machen sollen, dann sehe ich das leidenschaftslos. Die Besucher und Besucherinnen oben auf der Tribüne haben aber keinen Überblick, wer hier hinten am Mikrofon steht, und beklagen sich hinterher, dass sie im Grunde genommen nichts mitbekommen. Diese Bildschirme sind ein Service für unser Haus, mehr nicht.
- Die Plätze werden nicht fotografiert. Wenn die Fraktionen Veranstaltungen im Plenarsaal durchführen wollen, können sie die Bildschirme nutzen. Wie gesagt, das ist ein Probelauf. Bitte teilen Sie uns entweder Ihre Änderungswünsche mit, oder sagen Sie uns, dass Sie die Bildschirme überhaupt nicht haben wollen, dann entfernen wir sie.
- Ich höre da "meine Tafeln". Meine Tafeln sind das nicht. Mich sehen die Besucherinnen und Besucher da oben sowieso. Ich habe da kein Problem. Was man auf den Bildschirmen sieht, sieht man auch im Internet. Sie brauchen also nicht zu glauben, dass wir damit zum gläsernen Parlament geworden sind. Jede Sitzung ist auch im Internet zu verfolgen, und zwar seitdem es den neuen Plenarsaal gibt.
Nun darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend "Abschiebungen nach Syrien sofort aussetzen!" in geänderter Fassung bekannt geben. Mit Ja haben 134 Abgeordnete gestimmt. Es gab eine Nein-Stimme und keine Enthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag in geänderter Fassung angenommen.