Die Kollegen der SPD - ich nehme an, dem liegt im Wesentlichen die Enthaltung der anderen Kolleginnen und Kollegen der Opposition zugrunde - stellen einen Antrag, der vorsieht, dass jeder Absolvent bis zum Durchschnitt von 4,49 eine Anstellung im staatlichen Schuldienst finden möge. Alle Referendarinnen und Referendare, die bestanden haben, sollen in den staatlichen Schuldienst übernommen werden. Das ist eine neue Dimension. Bisher war es aus Qualitätssicherungsgründen üblich, dass Volleinstellungen in Fächern maximal bis zu einem Notendurchschnitt von 3,5 vorgenommen wurden. Jetzt haben wir eine neue Dimension. Man muss mit den Kollegen im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes besprechen, ob ein solches Qualitätskriterium, dass mit einem "gerade noch bestanden" auch eine Beschäftigungsmöglichkeit im öffentlichen Dienst verbunden sein soll, wirklich ernsthaft anzupeilen ist. Ich glaube, das Abstimmungsverhalten der Kolleginnen und Kollegen der übrigen Oppositionsfraktionen mit Enthaltung zu diesem Antrag spricht für die Ernsthaftigkeit des Unterfangens.
Wir stehen vor der Tatsache, dass wir in den Fächerkombinationen, die ich angesprochen habe, unter Zugrundelegung der Lehrerbedarfsprognose und der entsprechenden Anstellungsbedarfe zum Teil in eine Situation kommen, in der fast eine Nulleinstellung in bestimmten Fächerkombinationen erforderlich wird. Ich habe dafür gesorgt, dass in allen Fächerkombinationen ein sogenannter Einstellungskorridor zur Verfügung steht, damit die Jahrgangs- bzw. Abschlussbesten eines Jahrgangs auch eine Anstellung finden. Auch im Herbst wird sich die Anstellungssituation ähnlich entwickeln. Wir werden deutlich mehr Absolventinnen und Absolventen haben, als Anstellungsmöglichkeiten im staatlichen Schuldienst zur Verfügung stehen werden. Ich werde auch in diesem Zusammenhang dafür werben und dafür sorgen, dass wir einen Einstellungskorridor für die Jahrgangsbesten in jeder Fachkombination zur Verfügung haben. Wir wissen, dass wir im Bereich der MINT-Fächer und im Bereich der beruflichen Schulen weitere Bedarfe haben.
Die Anstellungssituation wird für die jungen Menschen schwieriger. Dies zu sagen gehört zur Klarheit und Wahrheit. Zu suggerieren, dass für jeden, der in Bayern ein Lehramtsstudium aufnimmt - bei allem Verständnis für Eltern, die darauf natürlich besonders sensibel reagieren - und es erfolgreich abschließt, eine Anstellung im staatlichen Schuldienst möglich ist, ist aus meiner Sicht bildungspolitisch gegenüber den jungen Menschen unverantwortlich.
Herr Staatsminister, dürfte ich Sie bitten, noch einmal ans Redepult zu kommen? - Danke schön. Herr Kollege Gehring, bitte.
Herr Minister, ich habe noch eine Frage. Kollege Pfaffmann hatte den Vorschlag gemacht, zusätzliche Referendare befristet oder unbefristet als Angestellte einzustellen. Was können Sie mit einem solchen Vorschlag anfangen? Können Sie sich vorstellen, etwas in dieser Richtung zu machen?
Er entspricht, wie ich aus Ihrer tiefen Sachkenntnis weiß, der Realität. Wie Sie wissen, haben wir neben den zur Verfügung stehenden vollen Beamtenplanstellen - ich möchte nur eine ungefähre Zahl nennen - in etwa 10 % plus X, die im staatlichen Schuldienst auf tarifvertraglich gestütztem Wege beschäftigt sind. Sie wissen, dass wir insbesondere im Bereich der Aushilfsmittel einen tarifgestützten Vertrag anwenden können. Sie haben selber ein Instrument genannt, den Supervertrag. Das heißt, wir haben tarifvertragliche Möglichkeiten. Ich kann die Zahl nicht ganz genau aus dem Kopf sagen. 10 % plus X werden im staatlichen Schuldienst tarifvertraglich abgestützt beschäftigt. Bei der konkreten Zurverfügungstellung von Anstellungsmöglichkeiten - das ist bei jedem großen Anstellungstermin der Fall - wird man sicher in der Lage sein, einen Teil mit tarifvertragsgestützten Beschäftigungsmöglichkeiten abzudecken. Insgesamt werden aber die Beschäftigungsmöglichkeiten für Absolventinnen und Absolventen in den kommenden Jahren fachbezogen schlechter.
Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt auf Drucksache 16/8227 die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Das ist die SPD-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, Frau Kollegin Pauli und die FREIEN WÄHLER. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschiebungen nach Syrien sofort aussetzen! (Drs. 16/8176)
Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt hat, den Antrag in einer geänderten Fassung zur Abstimmung zu stellen und hierüber in namentlicher Form abstimmen zu lassen. Die neue Fassung ist allen Fraktionen bekanntgegeben worden.
Ich eröffne die Aussprache und darf hierzu Frau Kollegin Ackermann das Wort erteilen. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem die Verhältnisse in Syrien immer bedrohlichere Züge annahmen, haben wir Mitte April einen Antrag gestellt, einen Abschiebestopp nach Syrien zu verhängen. Im Rechtsund Verfassungsausschuss wurde dieser Antrag mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen von SPD, FREIEN WÄHLERN, GRÜNEN und FDP abgelehnt. Nachdem wir die Hoffnung haben konnten, dass im Plenum und vor allen Dingen auch deshalb, weil sich die Verhältnisse seitdem noch weiter verschlechtert hatten, eine Mehrheit zu erzielen sei, haben wir diesen Antrag hochgezogen.
Die Verhältnisse in Syrien machen derzeit Schlagzeilen: Folter; Assad-Truppen umstellen syrische Städte; mehr als 750 Tote. Das Nachrichtennetz ist zusammengebrochen. Niemand darf mehr hinein. Plünderungen, Hausdurchsuchungen und willkürliche Verhaftungen finden statt. Das sind Zustände, die wir uns in unserem geordneten Land nicht vorstellen können.
Umso mehr hat es uns gefreut, dass wir einen Vermittlungsvorschlag bekamen, dem wir uns auch anschließen konnten. Der Vermittlungsvorschlag heißt:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, weiterhin angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der derzeit extrem instabilen Situation in Syrien trotz des Rückführungsabkommens vom 3. Januar 2009 vorläufig bis zur Klärung der Verhältnisse in Syrien tatsächlich keine Abschiebung vorzunehmen.
Im Vorschlag steht "wird aufgefordert, weiterhin". Dieses "weiterhin" hat uns zwar etwas gestört; denn noch bis vor wenigen Wochen saßen zwei syrische Männer in Abschiebehaft; wenn nicht eine Petition gestellt worden wäre, wären sie jetzt schon in Syrien. Das ist genau das, was wir verhindern wollten; denn das Schicksal von Menschen, die abgewiesen und trotz dieser Situation abgeschoben werden, ist völlig unklar und steht in keinem Verhältnis zu dem, was der Abschiebegrund sein mag. Deshalb war es uns ganz wichtig, diese Abschiebung auszusetzen. Wir stimmen heute gerne diesem Kompromissvorschlag zu. Selbstverständlich kann dieses Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden, sollten sich die Verhältnisse in Syrien was ich persönlich im Moment nicht erwarte, wieder stabilisieren. Im Augenblick ist es aber ganz eindeutig die richtige Entscheidung zu sagen: Es werden keine Menschen nach Syrien abgeschoben.
Niemand in diesem Hause kann es verantworten, Menschen in ein Gebiet abzuschieben, in dem gefoltert und getötet wird, in dem kein Rechtssystem mehr stabil ist und in dem niemand vorhersagen kann, wie mit diesen Menschen umgegangen wird. Wir werden also diesem Kompromissvorschlag zustimmen. Wir freuen uns, dass sich unsere Hartnäckigkeit ausgezahlt hat und unser Anliegen, Abschiebungen nach Syrien zu stoppen, Erfolg hatte.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen jetzt über folgende Formulierung ab: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, weiterhin angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der derzeitig extrem instabilen Situation in Syrien trotz des Rückführungsabkommens vom 3. Januar 2009 vorläufig bis zur Klärung der Verhältnisse in Syrien tatsächlich keine Abschiebungen vorzunehmen." Über diese Version werden wir jetzt abstimmen.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir uns jetzt im Plenum befinden. Richtig ist, dass wir das Ansinnen der GRÜNEN in der ursprünglichen Form im Rechtsausschuss abgelehnt haben; denn zuständig für einen
generellen Abschiebestopp ist ausschließlich und allein die Bundesebene. Nachdem klar war, dass im Einzelfall sehr umsichtig entschieden wurde und jeder vor der Abschiebung Stehende aufgefordert wurde, einen Asylfolgeantrag zu stellen, waren wir der Ansicht, dass die Entscheidung damit zum damaligen Zeitpunkt und zum damaligen Sachstand richtig war. Dies nur zur Klarstellung. Dabei geht es nicht darum, ob wir uns im Ausschuss oder im Plenum befinden.
Nunmehr gibt es ein Schreiben des BMI vom 28. April, in dem empfohlen wird, dass derzeit keine Asylentscheidungen zum Herkunftsland Syrien getroffen werden. Bis zur Klärung der Verhältnisse in Syrien werden vorläufig keine Abschiebungen vorgenommen. Aus diesem Grunde stimmen wir dem Antrag in der jetzt vorliegenden Fassung zu.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! 800 Tote und 8.000 Verschwundene in Syrien, Einrücken der syrischen Armee in Banias und Homs. Am 14. April hat es im Ausschuss für Recht und Verfassung - das muss ich hier schon fast zynisch sagen - lediglich quantitativ anders ausgesehen. Am 14. April waren die Verhältnisse in Syrien natürlich genauso verabscheuungswürdig, sodass man damals schon zu einer der heutigen entsprechenden Entscheidung hätte kommen können.
Fakt ist, Assad ist ein Diktator. Mit diesem Diktator hat die Bundesrepublik Deutschland am 3. Januar 2009 ein Rückführungsabkommen geschlossen. Ich muss sagen, es ist sehr bedenklich, mit einem Diktator solch ein Abkommen zu schließen. Fakt ist, das Auswärtige Amt hat bereits Anfang April eine Warnmeldung veröffentlicht, dass man nicht mehr nach Syrien fahren sollte. Fakt ist auch, dass die EU bereits Sanktionen gegen Syrien beschlossen hat. Frau Kollegin Guttenberger, Fakt ist auch, dass die Bundesebene zuständig ist. Am 14. April war sich das Innenministerium im Ausschuss jedoch nicht zu schade, vor einem generellen Abschiebestopp deshalb zu warnen, weil dadurch ein "Pull-Faktor" entstehen könnte. "Pull-Faktor" heißt wörtlich übersetzt: Durch diesen Abschiebestopp könnten sich weitere Betroffene bemüßigt fühlen, nach Deutschland zu kommen bzw. zu versuchen, hier ihr Heil zu finden und der Verfolgung in Syrien zu entgehen. Das ist der Wortlaut des bayerischen Innenministeriums.
Klar ist auch, dass seit dem 28. April vom BAMF (Anm.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) keine Asylanträge aus Syrien mehr bearbeitet wer
den. Ein Hinweis auf die Brisanz der Lage ist der § 287 des syrischen Strafgesetzbuchs. Dort ist geregelt, dass das Stellen eines Asylantrags durch einen syrischen Bürger oder eine syrische Bürgerin eine Beschmutzung des Ansehens Syriens ist. Von daher besteht für jede Person, die nach einem abgelehnten Asylantrag wieder zurückkommt, die Gefahr der Strafverfolgung. Fakt ist auch, dass der Diktator in Syrien zur Erhaltung seines Machtsystems offensichtlich bis zur letzten Patrone kämpfen will. Das können wir nicht dulden. Aus demokratischer, moralischer, sittlicher, humanistischer und christlicher Sicht sind derzeit Rückführungen von Syrern in dieses Land nicht angezeigt und widersprechen unserem Menschenbild.
Frau Kollegin Guttenberger, "vorläufig" kann nicht bedeuten, dass wir klären, ob dort die Verhältnisse besser sind oder nicht. "Vorläufig" kann nur heißen, dass dieser Diktator aus dem Amt gefegt wird, dass demokratische Strukturen und rechtsstaatliche Gegebenheiten geschaffen werden und dass dieser § 287 des syrischen Strafgesetzbuchs abgeschafft wird. Deswegen stimmen wir ebenfalls diesem gemeinsamen Antrag zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass zu dieser Frage jetzt eine einheitliche Haltung in diesem Hause vorherrscht. Ich hielte es für unangemessen, wenn wir Flüchtlinge nach Syrien zurückschicken würden. Nach aktuellen Meldungen aus Syrien sind erst am Wochenende in der Stadt Tel-Kalakh 14 Zivilisten getötet worden. Die medizinische Versorgung von Verwundeten ist nicht möglich, weil sie von Scharfschützen aufs Korn genommen werden. Im Ort Daraa sind 20 grausam verstümmelte Leichen entdeckt worden. Im Grunde herrschen in Syrien derzeit der reine Terror und eine vom Staat ausgehende Gewalt, die überhaupt keine Rücksicht mehr auf die Bürger und Bewohner dieses Landes nimmt.
Der Anstand und die Menschlichkeit verbieten es schlicht und ergreifend, in ein solch unsicheres Land Menschen abzuschieben. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit ihren Mitmenschen umgeht, auch und gerade dann, wenn es Fremde sind.
Dies ist die Nagelprobe für die Qualität unseres zivilisatorischen Standards. Wir können nicht einfach sagen, dass wir diese Leute abschieben, weil sie uns nicht passen. Wir müssen genau hinschauen. Wenn wir das Gesetz genau ansehen, stellen wir fest, dass wir in ein solches Land auch nicht abschieben dürfen. Zu dieser Erkenntnis hätten wir im Ausschuss auch schon früher kommen können. Dazu hätten wir nicht erst ein Schreiben des Bundesinnenministeriums abwarten müssen.
Auch eine CSU-Fraktion hier im Haus sollte Manns genug sein, selber zu entscheiden und nicht auf das Bundesinnenministerium warten.
Ich möchte Ihnen nur ins Gewissen reden, damit Sie selbstbewusst auftreten können. Sie sollten solche Dinge selbst entscheiden und nicht abwarten.
Ich möchte jedoch in dieser Debatte kein Öl ins Feuer gießen. Wir können zufrieden sein, dass wir eine einheitliche Meinung gefunden haben. Wir werden diesem Antrag zustimmen.